Aus- und Fortbildung

„Wir müssen der Ort sein, an dem auch unbequeme Fragen zur Entwicklung der Polizei diskutiert werden“

Gespräch mit Hans-Jürgen Lange, Präsident der DHPol

Kriminalpolizei: Die Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg entwickelt gerade einen Masterstudiengang „Kriminalistik“ und will damit im Herbst 2020 starten. Unterstreicht dies nicht fehlende Studienangebote an der DHPol?

Prof. Lange: Die DHPol hat eine Monopolstellung für den Zugang zum höheren Dienst. Daran wollen die Länder und der Bund auch festhalten. Der geplante Master in Brandenburg soll dagegen eine Spezialisierung für den gehobenen Dienst anbieten. Grundsätzlich bin ich auch nicht der Auffassung, dass alle akademischen Studiengänge an der DHPol durchgeführt werden müssen. Ich setze mehr auf eine intensive Kooperation und arbeitsteiliges Vorgehen.

Kriminalpolizei: Zu einer Hochschule gehört neben einer qualifizierten Lehre auch Forschung. Welche Bedeutung kommt diesem Aufgabenfeld an der DHPol zu und verfügt die Hochschule hier über ausreichend Ressourcen?

Prof. Lange: Forschung ist neben Lehre und Studium eine wesentliche Säule einer universitären Hochschule. Man kann sagen, dass die DHPol sich in der Forschungslandschaft national und international etabliert hat. Sowohl die Teilhabe an nationalen wie auch internationalen Forschungsprogrammen zeigt, dass die Hochschule ein gefragter Partner und auch ein angesehener und erfolgreicher Antragsteller geworden ist. Der aktuell veröffentlichte Forschungsbericht umfasst für die Förderphase 2014 bis 2018 genau 36 Forschungsprojekte, was für eine kleine Hochschule mit 15 Fachgebieten eine beachtliche Leistung darstellt. Für die Unterstützung der Forschungsaktivitäten unterhält die Hochschule eine Organisationseinheit Forschungsförderung und hat administrative Kapazitäten eingerichtet, um die Drittmittelverwaltung zu professionalisieren. Selbstverständlich wären zusätzliche Haushaltsmittel für die Anschubfinanzierung und personelle Unterstützung bei der Antragstellung wünschenswert. Wir beraten auch dieses Thema im Strategieprozess. Angesichts der Erfolgsbilanz erfolgt hochwertige Forschung aber bereits schon jetzt in der bestehenden Struktur.

Kriminalpolizei: Als besonders bedeutsam ist im Profil der DHPol eine „anwendungsorientierte, bedarfs- und ebenengerechte Weiterbildung“ ausgewiesen. Sind Sie mit dem derzeitigen Standard zufrieden?

Prof. Lange: Wenn ich mir die Rückmeldungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ansehe, scheinen unsere Fortbildungsangebote die Bedürfnisse und Erwartungen unserer Zielgruppe zu erfüllen. Doch auch ein gutes Angebot muss kontinuierlich methodisch und inhaltlich weiterentwickelt werden. Daher ist der Bereich Weiterbildung ein wichtiger Themenbereich im Strategieprozess.

Kriminalpolizei: An allen Hochschulen sind aktuell deutlich steigende Studierendenzahlen festzustellen, die ausreichend personelle und sachliche Ressourcen erfordern. Gerade hinsichtlich des Lehrpersonals steht die DHPol dabei in unmittelbarer Konkurrenz zu anderen Hochschulen aber auch zu den Polizeieinrichtungen des Bundes und der Länder. Wie wirkt sich diese Konkurrenz auf die Personalgewinnung der DHPol aus?

Prof. Lange: Probleme bei der Gewinnung von Lehrenden haben wir an der DHPol ausschließlich in den polizeilichen Disziplinen. Hier konkurrieren wir mit den Fachhochschulen. Viele Bewerber/innen scheuen nach unseren Erfahrungen die mitunter weiten Entfernungen vom Wohnort nach Münster. Da diese Stellen auf dem Weg der Abordnung besetzt werden, arbeiten wir aktuell mit den Trägen der DHPol an einem Konzept, um die Attraktivität der Lehrtätigkeit an der DHPol zu erhöhen.

Kriminalpolizei: Kommen wir zu einem übergeordneten Aspekt. Wie gehen Sie mit der „Internationalisierung“ um, die zunehmend an allen Hochschulen gefordert wird?

Prof. Lange: Wir sind, überspitzt gesagt, in der Situation, dass wir nicht auf das Thema Internationalisierung zugehen müssen, sondern das Thema kommt eigenständig immer stärker auf uns zu. Es ist faktisch so, dass die DHPol für viele Staaten das Aushängeschild und der erste Ansprechpartner ist, wenn es im weitesten Sinne um polizeiliche Aus- und Fortbildung, auch um polizeibezogene Forschung in Deutschland geht. Die Entwicklung der DHPol wird in vielen Ländern sehr genau beobachtet und, das ist jetzt kein Eigenlob, als vorbildlich gesehen. Was in unserer Polizei häufig, Sie sprachen es an, als Problem gesehen wird: „Muss das denn sein mit der Akademisierung?“ oder “Passen Wissenschaft und Praxis wirklich zusammen?“, all diese Punkte, für die wir uns immer wieder rechtfertigen müssen, stoßen in vielen Polizeien im Ausland auf großes Interesse. Wir haben ständig internationale Delegationen bei uns, die sich beraten lassen wollen, wie ein solcher Masterstudiengang vergleichbar zur DHPol eingerichtet werden kann und wie polizeiliche Aus- und Fortbildungseinrichtungen einen vergleichbaren universitären, mindestens hochschuladäquaten Status erlangen können. Viele Akademien und Hochschulen möchten Kooperationsabkommen mit uns abschließen – und wir haben schon eine lange Liste bestehender Abkommen. Gerade aufgrund der steigenden Nachfrage überarbeiten wir derzeit unser Internalisierungskonzept.

Kriminalpolizei: Was meinen Sie genau?

Prof. Lange: Zum einen müssen wir in Zukunft noch genauer definieren, was wir mit unseren internationalen Beziehungen erreichen und wo wir Schwerpunkte setzen wollen. Die internationalen Beziehungen an der DHPol werden von außen oftmals als eine Luxustätigkeit angesehen, getreu dem Motto, es sind schöne exotische Reisen zu Partnern in aller Welt, bringen aber ansonsten keinen polizeilichen Nutzen. Eine Lesebrille zur besseren Nahbetrachtung aufzusetzen kann hier hilfreich sein. Wir beklagen uns gerne darüber, dass der europäische Grenzschutz nicht ausreichend funktioniert, auch darüber, dass einige Polizeien in der EU zweifelhafte rechtsstaatliche Grundlagen aufweisen, die polizeilichen Kompetenzen dort häufig dürftig sind. Wenn diese Staaten bei sich genau zu der gleichen Problemeinschätzung kommen, ist es dann sinnvoll, dass wir auf diese Anforderungen nicht eingehen, weil wir meinen, die DHPol ist nur für Deutschland da? Wir sind Teil des europäischen Rechts- und Sicherheitsraumes. Und wenn die DHPol dafür kein Ansprechpartner ist, wer dann? Wenn wir diese Aufgabe aber erfüllen wollen, müssen wir uns als relativ kleine Hochschule auf die Aufgaben konzentrieren, die wir sicherheitspolitisch leisten sollten und die wir leisten können. Ich bin der Überzeugung, dass wir uns auf die polizeiliche Zusammenarbeit mit Aus- und Fortbildungseinrichtungen in der EU konzentrieren müssen. Und ein Kooperationsabkommen zu schließen ist nur dann sinnvoll, wenn wir es mit Leben füllen können. Von daher bin ich dagegen, dass wir mit allen Einrichtungen weltweit, die dies möchten, entsprechende Abkommen schließen, die dann eventuell für die Partner einen symbolischen Wert haben, aber keinen wirklichen gegenseitigen Nutzen bringen. Hierbei ist zudem die demokratische und rechtsstaatliche Frage zu stellen. Die Polizei als Organ der Strafermittlung muss mit allen Staaten zusammenarbeiten, um internationale Kriminalitätsverbindungen bekämpfen zu können. Wir als DHPol sind aber keine Polizeibehörde, sondern eine polizeiliche Hochschule. Von daher sollten wir nur mit solchen Einrichtungen kooperieren, die zumindest ernsthaft gewillt sind, eine demokratisch und rechtsstaatlich organisierte Polizei entwickeln zu wollen. In allen anderen Fällen laufen wir Gefahr, politisch instrumentalisiert zu werden, entweder als Feigenblatt oder um fachliches Wissen abzuschöpfen, das zu repressiven Unterdrückungsmethoden verwendet wird.

Kriminalpolizei: Wie wollen Sie diese zusätzliche Aufgabenfülle persönlich bewältigen?

Prof. Lange: Eine Person allein kann das nicht leisten. Bei meinem Amtsantritt war mir deshalb wichtig, die Aufgaben der Hochschulleitung neu abzugrenzen. Mein Tätigkeitsfeld umfasst neben der Leitungsfunktion speziell die Hochschulentwicklung, die Zusammenarbeit mit den Akademien und Hochschulen der Länder und des Bundes sowie die enge Abstimmung mit den Innenministerien ebenfalls der Länder und des Bundes. Darüber hinaus beinhaltet es die Repräsentanz der Hochschule gegenüber den politischen Institutionen sowie gesellschaftlichen, gewerkschaftlichen, wissenschaftlichen, medialen und sonstigen Organisationen in der Bundesrepublik. Der Vizepräsident konzentriert sich auf das umfangreiche Tätigkeitsfeld der internationalen Beziehungen und vertritt dabei die Hochschule in Fragen von Aus- und Fortbildung sowie Forschung, insbesondere auch in den Gremien wie CEPOL und anderen. Bei CEPOL wird beispielsweise für die Jahre 2020/21 die Präsidentschaft an die DHPol herangetragen. Dies bietet für die Hochschule eine gute Gestaltungsmöglichkeit für die angesprochene europäische Zusammenarbeit in den Belangen von Studium, Lehre und Fortbildung. Es erfordert allerdings auch eine intensive Präsenz auf der europäischen Bühne.