Aus- und Fortbildung

„Wir müssen der Ort sein, an dem auch unbequeme Fragen zur Entwicklung der Polizei diskutiert werden“

Gespräch mit Hans-Jürgen Lange, Präsident der DHPol

Kriminalpolizei: Wie kann dieser Kritik konkret begegnet werden?

Prof. Lange: Ich wünschte mir eine methodisch fundierte Auseinandersetzung mit dem Praxisbezug, wie es sie beispielsweise für die Lehramtsstudiengänge, aber auch für anderer Berufe gibt. Auch allgemeine Universitäten bilden nicht nur Wissenschaftler/innen aus, sondern viel mehr praxisbezogene Berufe. Universität zu sein, bedeutet nicht reflexartig Praxisferne zu unterstellen. Sie steht dafür, Lehre und Forschung zusammenzubringen und damit Praxis ggf. neu zu durchdenken. An allgemeinen Universitäten fehlt den Studierenden in der Regel eine berufliche Praxiserfahrung. Unsere Studierenden haben diese reichlich. Das ist ein Potential, das wir erschließen müssen. Damit kann eine Grundlage geschaffen werden, um studentische Erwartungen und die Erfordernisse des Berufsfelds in Einklang zu bringen. Damit könnte eine substanzielle Weiterentwicklung der Diskussion um Praxisbezug ermöglicht werden.

Kriminalpolizei: Der natürliche „Unterbau“ der DHPol besteht aus den Fachhochschulen und Akademien des Bundes und der Länder. Hat die Gründung der DHPol auch die Inhalte und Konzepte dieser Studienstätten beeinflusst?

Prof. Lange: Wesentlicher als die Entwicklung der DHPol zur universitären Hochschule erscheint mir der Bologna-Prozess gewesen zu sein. Bei aller berechtigten allgemeinen Kritik an dessen Umsetzung sind die Ziele, die mit diesem Reformprozess verbunden sind, gerade für die polizeilichen Studiengänge geeignet, um den Einklang von akademischer und beruflicher Qualifizierung nachzuweisen und das polizeiliche Bildungswesen anschlussfähig zu machen. Durch das Verfahren der Akkreditierung konnte ein gemeinsames Qualitätsverständnis für akademische polizeiliche Bildung etabliert werden. Die Verbindung der institutionellen Entwicklung der DHPol mit einer wissenschaftspolitischen Entwicklung war ein Glücksfall, um nachzuweisen, dass die strukturelle und organisatorische Weiterentwicklung einer Bildungseinrichtung auch mit qualitativen Entwicklungen der Bildungsarbeit einhergeht.

Kriminalpolizei: Stellt es aus Ihrer Sicht ein Problem dar, dass im Einzelfall (z.B. in Bayern) immer noch am Diplomstudiengang festgehalten wird?

Prof. Lange: Formal ist es kein Problem. Natürlich wäre ein harmonisches, vollständig auf die gestuften Studienabschlüsse ausgerichtetes polizeiliches Hochschulwesen wünschenswert. Da aber auch im allgemeinen Wissenschaftsbetrieb noch Disziplinen an den alten Abschlüssen festhalten (z.B. Ingenieurwissenschaften), erscheint es aus meiner Sicht bedeutsamer, dass das Bildungsangebot qualitativ dem Qualifikationsrahmen deutscher Hochschulabschlüsse entspricht.

Kriminalpolizei: Im Leitbild der DHPol wird das partnerschaftliche Zusammenwirken mit „Bildungs- und Forschungseinrichtungen der Region, des In- und Auslandes“ besonders hervorgehoben. Die polizeilichen Bildungseinrichtungen werden dort nicht genannt. Sind diese nicht von grundlegender Bedeutung für die DHPol und müssten dementsprechend besonders herausgestellt werden?

Prof. Lange: Der § 4 Abs. 1 des DHPolG führt die Zusammenarbeit mit polizeilichen Bildungseinrichtungen als eine der Aufgaben der DHPol auf. Die Verbindlichkeit ist damit höher als im Leitbild. Zu gegebener Zeit werden wir das Leitbild der weiterentwickelten Hochschule anpassen.

Kriminalpolizei: Es wird teilweise kritisiert, dass die DHPol nur einen „Einheitsstudiengang“ anbietet und damit im Sinne der anzustrebenden „Handlungskompetenz“ keine oder kaum spartenspezifische Schwerpunkte setzt. Bietet es sich nicht an, beispielsweise einen gesonderten Studiengang für kriminalpolizeiliche Inhalte anzubieten?

Prof. Lange: Der Masterstudiengang stellt die Ausbildung für Führungskräfte in den Mittelpunkt. Er ist kein Fachstudiengang, der eine fachliche Spezialisierung zum Ziel hat. Die Träger betonen, dass sie an der Leitorientierung des Generalisten festhalten wollen. Gerade in kleineren Bundesländern lässt sich ein spartenbezogener Bedarf auch kaum planen. Darüber hinaus umfasst der Studiengang seit der letzten Akkreditierung zwei Wahlpflichtbereiche, die eine Schwerpunktsetzung im Umfang von 10 ECTS-Punkten (300 Stunden) verpflichtend im zweiten Studienabschnitt vorsehen. Zählt man die Pflichtanteile hinzu und schreibt die Masterarbeit ebenfalls zu einem gewünschten Schwerpunkt, so ist es auch jetzt schon möglich, rund 40 % des Studiums beispielsweise mit Kriminalistik oder Einsatzmanagement zu belegen. Von daher trifft es nicht zu, den Master-Studiengang als „Einheitsstudiengang“ zu beschreiben.

Kriminalpolizei: Angehörige der Polizeien aus Bund und Ländern belegen in nicht geringer Zahl an der Universität Hamburg, der Steinbeis-Hochschule Berlin und der Ruhr-Universität Bochum angebotene Masterstudiengänge „Kriminologie“ und „Kriminalistik“. Deutet dies nicht auf fehlende Angebote an der DHPol hin?

Prof. Lange: Aus meiner Sicht ist das große Interesse von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten an akademischen Studiengängen externer Hochschulen ein Ausdruck individuellen Bildungsinteresses. Das Studienangebot an den Fachhochschulen und der DHPol ist hingegen stark institutionell geprägt und dient der Qualifizierung des beruflichen Nachwuchses und der Führungskräfte. Eine individuelle akademische Ausbildung ohne Einbindung in die Karriereplanung der Dienstherren kann ich mir derzeit kaum vorstellen. Davon unabhängig besteht natürlich ein grundsätzliches Interesse der DHPol an der Weiterentwicklung des Studienangebots. Dabei werden wir uns angesichts der wachsenden inhaltlichen, methodischen und organisatorischen Herausforderungen aktuell auf den Masterstudiengang konzentrieren. Sowohl die Reakkreditierung als auch der Strategieprozess erfordern noch mehr Wahlmöglichkeiten und eine stärkere Differenzierung. Darüber hinaus planen wir das Fortbildungsangebot der DHPol zu erweitern – auch mit zertifizierten Angeboten.