Kriminalität

Das deutsche Zweitregister und die Bareboat-Charter

Legale Wirtschaftskriminalität?

4.1 Einsparung von Lohnkosten

Bei Eintragung in das ISR gilt weiterhin das deutsche Sozialversicherungsrecht21. Allerdings sind ausländische Besatzungsmitglieder, sofern sie keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der EU oder dem EWR haben, von der Krankenversicherungspflicht22 und der Arbeitslosenversicherungspflicht23 befreit. Darüber hinaus können sie auf Antrag des Reeders auch von der Rentenversicherungspflicht24 befreit werden. Von dieser Möglichkeit wird in der Regel Gebrauch gemacht. Die gesetzliche Unfallversicherung besteht hingegen für ausländische Besatzungsmitglieder uneingeschränkt. Im Übrigen gilt für im ISR eingetragene Schiffe deutsches Recht. Die Gefahr, dass auf Schiffen im ISR nur noch Ausländer beschäftigt werden, wird durch die Schiffsbesetzungsverordnung gebannt. Danach muss zumindest ein Teil des Schiffsführungspersonals aus deutschen oder europäischen Patentinhabern bestehen, sofern nicht das BMVI zeitlich befristete Ausnahmen zulässt, weil anderes Schiffsführungspersonal nicht verfügbar ist.


4.2 Steuerliche Vorteile

Durch das Seeschifffahrtsanpassungsgesetz kann der zu versteuernde Gewinn beim Betrieb von Handelsschiffen statt der sonst üblichen einkommenssteuerlichen Grundsätze nach der Schiffstonnage ermittelt werden25. Dabei richtet sich die Steuer nach der jeweiligen Nettotonnage, unabhängig von dem tatsächlichen Ertrag. Außerdem dürfen die Reeder 40% der von den Seeleuten zu entrichtenden Lohnsteuern einbehalten. Die Tonnagesteuer und die teilweise Befreiung von der Lohnsteuer dienen dazu, die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Reeder in Anpassung an die Regelungen in vergleichbaren Staaten zu stärken. Daneben spielen auch andere steuerliche Maßnahmen (z.B. Sonderabschreibungen) eine erhebliche Rolle.


4.3 Rechtmäßigkeit der Regelungen

Die Verfassungsmäßigkeit der zunächst heftig umstrittenen Regelung zum ISR hat das BVerfG im Wesentlichen bestätigt26. Es sieht in der Regelung keinen Verstoß gegen die Ausübung der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG27. Auch wird die Berufsfreiheit der deutschen Seeleute nicht dadurch verletzt, dass auf im ISR eingetragenen Schiffen Arbeitsverträge nach ausländischem Recht erleichtert werden. Die Möglichkeit, ausländische Seeleute auf deutschen Handelsschiffen zu Heimatheuern zu beschäftigen, verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Auch der EUGH sieht in dieser Regelung keinen Verstoß gegen EU-Recht28.

5 Fazit


Briefkastenfirmen sind nicht per se illegal. Sie werden aber auch für Steuerbetrug und Geldwäsche genutzt. Seit der Enthüllung haben die führenden Industrie- und Schwellenländer ihre Anstrengungen verstärkt, Steueroasen trocken zu legen. Auch in Deutschland wurden die Vorgaben deutlich verschärft und mehr Transparenz geschaffen29. Die zum größten Teil genutzte Möglichkeit, deutsche Schiffe an ausländische Ausrüster zu verchartern, bietet natürlich den rechtlichen Rahmen Briefkastenfirmen zu nutzen und unter Umgehung des deutschen Rechts Schiffe, die in das Seeschiffsregister eingetragen bleiben, zu betreiben. Die Kritik, dass dadurch Wirtschaftskriminalität legal gemacht wird, kann nicht ganz von der Hand gewiesen werden. Jedoch bleibt darüber hinaus der Schifffahrtsstandort Deutschland mit allen daran gebundenen Vorteilen erhalten.

Die Nutzung des Internationalen Zweitregisters stellt in Deutschland die Möglichkeit für Schifffahrtstreibende dar, legal die Lohn- und Arbeitskosten an Bord von deutschflaggigen Schiffen auf ein Mindestmaß zu senken und somit im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu bleiben. Gleichzeitig wird dazu die Besetzung der Schiffe, die im ISR eingetragen werden, mit deutschen oder europäischen Schiffsoffizieren auf einen sehr hohen Ausbildungsstandard vorgeschrieben und damit die Schiffssicherheit erheblich erhöht. Auch in diesem Fall kann der Vorwurf der legalen Wirtschaftskriminalität diskutiert werden. Jedoch ist die Eintragung von deutschen Schiffen in das ISR an sehr hohe Anforderungen gebunden, die wiederum die deutsche Schifffahrtswirtschaft festigen und fördern.

Insgesamt steht das Ausflaggen von deutschen Seeschiffen und das Nutzen von in Deutschland registrierten Schiffen durch ausländische Ausrüster grundsätzlich in der Kritik und wurde nach den Veröffentlichungen der Panama-Papers nochmals kritisch betrachtet. Die Möglichkeiten, die sich aus diesen Nutzungen ergeben, sind jedoch grundsätzlich durch den deutschen Gesetzgeber an das internationale Recht, wie das STCW-Übereinkommen oder das Seearbeitsübereinkommen (MLC), angepasst und sorgen durch sehr hohe Anforderungen an die Schifffahrtstreibenden für einen möglichst hohen Schiffssicherheitsstandard. Gleichzeitig können so Seeleute auf deutschen Schiffen in der weltweiten Fahrt geschützt werden und trotz unterschiedlicher Heuerregeln eine rechtliche Gleichbehandlung am Arbeitsplatz Seeschiff erreicht werden.

Die anfängliche Frage, die auch in dem genannten Bericht des Spiegel von 2016 gestellt wurde, ob das ISR oder die in Deutschland gesetzlich geregelte Bareboat-Charter legale Wirtschaftskriminalität darstellt, kann also klar mit Nein beantwortet werden.

Anmerkungen

  1. Der Autor ist Diplomingenieur für Schiffsbetriebstechnik und Erster Polizeihauptkommissar. Er ist seit 1993 Angehöriger der Landespolizei Schleswig-Holstein und seit Februar 2017 als Fachbereichsleiter des Fachbereichs Technik/Umwelt der Wasserschutzpolizei-Schule Hamburg tätig. Er ist Herausgeber und Autor mehrerer see- und seeschifffahrtsrechtlicher sowie umweltrechtlicher Publikationen.
  2. Http://www.spiegel.de, 4.4.2016.
  3. Http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/panama-papers-deutsche-schifffahrt-unter-fremder-flagge-a-1085904.html.
  4. Https://www.stern.de/reise/deutschland/streit-um-ausflaggung-der--ms-deutschland--krach-auf-dem-traumschiff-3451466.html.
  5. Https://www.bsh.de/DE/THEMEN/Schifffahrt/Deutsche_Handelsflotte/_Anlagen/Downloads.
  6. Https://www.cruisetricks.de/ausflaggung-der-deutschland-was-steckt-dahinter.
  7. § 1 Abs. 1 FlaggRG.
  8. Https://www.bsh.de/DE/THEMEN/Schifffahrt/Deutsche_Handelsflotte/_Anlagen/Downloads.
  9. Anordnung über die deutschen Flaggen (FlaggAnO)
  10. In Deutschland geregelt durch die Schiffsbesetzungsordnung.
  11. Http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/panama-papers-deutsche-schifffahrt-unter-fremder-flagge-a-1085904.html.
  12. Ebenda.
  13. Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie.
  14. § 7 Abs. 1 FlaggRG.
  15. Der Zeitraum für die Ausbildungsplätze variieren entsprechend der Größe des ausgeflaggten Schiffes von 1 bis 5,5 Monaten pro Jahr der Ausflaggungsgenehmigung (Anlage 4 FlaggRG).
  16. www.bsh.de/DE/THEMEN/Schifffahrt/Deutsche_Handelsflotte/_Anlagen/Downloads.
  17. Vgl. § 11 SchRegO.
  18. Vgl. § 5a EStG.
  19. Internationale Transportarbeiter Föderation.
  20. Verband deutscher Reeder.
  21. § 21 Abs. 4 Satz 4 FlRG.
  22. § 6 Abs.1 Nr. 1a SGB V.
  23. § 28 Abs. 3 SGB III.
  24. 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI.
  25. § 5a EstG.
  26. BVerfGE 92, 26.
  27. Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig.
  28. EUGH Urteil vom 17.3.1993 – C-72/91.
  29. Https://www.abendblatt.de/wirtschaft/article216812665/Nach-Panama-Papers-ueber-eine-Milliarde-Nachzahlungen.html.
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