Kriminalitätsbekämpfung

Die Kriminalität der Wirtschaft

Prävention durch Frauen und Compliance

5 Hoffnung Compliance-Programme?

 

5.1 Ihre Elemente

Neben einem höheren Anteil von Frauen insbesondere in Führungspositionen besitzen die relativ jungen Compliance-Management-Systeme (CMS) eine ebenso präventive Kraft. Sie sollen strafbare Rechtsverstöße verhindern, aufklären und auch sanktionieren (Prevention, Detection und Reaction). Zu den zentralen Elementen gehören neben Schulungen, die Einrichtung der Funktion eines Compliance Officers oder einer ganzen Compliance Abteilung, sowie systematische Risikoanalysen, zeitnahe Sanktionierung von Verstößen und eine Evaluation des CMS. Außerdem ist die Entwicklung einer integritätsförderlichen Unternehmenskultur besonders wichtig. Sie besteht aus den Elementen eines entsprechenden Tone from the Top der Führungsspitze, einem Ethical Leadership der jeweiligen Vorgesetzten und einer allgemeinen Kultur, die aus Werten wie offener Kommunikation, Transparenz, Kein-Einzelgängertum und Regelkonformität besteht.25 Vieles in den Unternehmen erfolgt nicht wirklich freiwillig, aber die Richtlinien des US-Foreign Corrupt Practices Acts26und UK-Bribery Acts27, der IDW Prüfstandard 980 der deutschen Wirtschaftsprüfer28und die Guidelines zum internationalen Standard für Compliance Management Systeme ISO 19600 fordern eine integritätsförderliche Unternehmenskultur. Eine unentbehrliche Maßnahme sind auch Hinweisgebersysteme, ihr Nutzen zur Aufdeckung insbesondere schwerer Compliance-Verstöße wird kaum noch bezweifelt. Über eine telefonische Hotline (57%), ein webbasiertes System (35%) oder eine Ombudsperson (29%) verfügen mittlerweile insgesamt 86% der Unternehmen mit einem Anti-Korruptions-Compliance-Programm. Aber nur wenige Hinweisgebersysteme sind auch Geschäftspartnern und Subunternehmen zugänglich (31%) oder gar der Öffentlichkeit (23%),29 obwohl Studien belegen, dass rund ein Fünftel der Hinweise von externen Tippgebern kommt.30

 

5.2 Die Entwicklung

Der mittlerweile erreichte Verbreitungsgrad von Compliance-Programmen ist beachtlich. Dreiviertel (75 %) der größeren Unternehmen (über 500 Mitarbeiter) verfügen über ein CMS, das zumindest die zentralen Elemente aufweist, Bei Großunternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern ist ein CMS mittlerweile die Regel (97%).31 Die Compliance-Programme fokussieren sich auf konkrete Deliktsfelder, die Korruption (83%), Kartellrechtsverletzungen (62%), Geldwäsche (65%) und Betrug sowie Datenschutzverletzungen (87%) zurückdrängen sollen. Viele Unternehmen statten mittlerweile ihre Compliance-Programme mit einem beachtlichen Budget aus. Mehr als jedes zweite Unternehmen hat sein Budget hierfür in den letzten zwei Jahren leicht (33%) oder gar deutlich aufgestockt (22%) und nur 2% berichteten über eine leichte Reduzierung.32 Die Karriere der Compliance-Programme ist bezeichnend für die Zeit davor. Denn eigentlich bestand schon immer eine Pflicht zur Einhaltung gesetzlicher Vorschriften. Auslöser für diese Entwicklung war vor allem der wachsende rechtliche Druck aus den USA. Strenge US-Regelungen wie der Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) und die US Federal Sentencing Guidelines trieben die Anforderungen nicht nur für börsennotierte Unternehmen weiter nach oben, indem sie Präventionsmaßnahmen forderten.33 Gerade börsennotierte Unternehmen orientieren sich heute an weltweiten Standards, da sie einer intensiven Transparenz ausgesetzt sind: gegenüber Rating-Agenturen, Wirtschaftsprüfern, Medien, Regulierungs- und Aufsichtsbehörden. Allein die Anwaltskosten, insbesondere in den USA verschlingen Unsummen. Verblüffend, der Kapitalmarkt ist nicht Gegenspieler, sondern ein Verbündeter der Compliance-Programme, denn Investoren scheuen Corporate Crime als Risiko, das Talfahrten an der Börse auslöst und die Sessel der Führungskräfte kippt. Diese Entwicklung verfügt über eine Eigendynamik, da mittlerweile der Markt selbst Anreize setzt, indem Unternehmen über Vertragsklauseln Druck auf ihre Lieferkette ausüben.34 Die Entwicklung verläuft zudem global top-down, von den zumeist börsennotierten international operierenden Großunternehmen auf die mittelständische Wirtschaft. Die Globalisierung erhöht den Handlungsdruck auf internationale Unternehmen Compliance-Standards einzuführen, um nicht (zumeist) erneut ins Rampenlicht der Justiz und Medien zu geraten.


5.3 Compliance im Wettbewerb

Nur 9% der befragten Unternehmen berichteten 2018 über Wettbewerbsnachteile im deutschen Markt, davon nur ein Prozent über einen klaren Wettbewerbsnachteil. Hingegen beurteilt über ein Drittel (36%) das eigene Compliance-Programm im Wettbewerb überwiegend als vorteilhaft und ein Viertel (24%) erkennt hierin sogar einen klaren Vorteil. Bemerkenswerterweise erkennen international operierende Unternehmen auch auf ausländischen Märkten überwiegende Wettbewerbsvorteile, wenn sie über ein CMS verfügen. In vielen Ländern ist das Interesse bei Ausschreibungen in der Privatwirtschat und insbesondere im öffentlichen Sektor an saubere Geschäfte gestiegen. Auch internationale Märkte belohnen zunehmend Compliance, das heißt jedoch nicht, Korruption, Betrug und Kartelldelikte wären nahezu verschwunden. Es vollzieht sich ein Wandel, der sich über Generationen hinzieht. Nur die Entwicklungsgeschwindigkeiten sind unterschiedlich, die wirtschaftlich erfolgreicheren Staaten sind schneller und effektiver in der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität. Denn eine erfolgreiche Bekämpfung kostet, aber bringt erhebliche wirtschaftliche Vorteile wie wir heute am Beispiel der Korruption sehen. Ein Blick auf die Landkarte zeigt: Die Länder, die eine geringe Korruptionsquote aufweisen, gehören zu den wohlhabenderen Ländern wie Skandinavien im Vergleich zum Süden Europas oder Nordamerika im Vergleich zu Mittel- und Südeuropa. Wem dabei auffällt, dass es einen gewissen Zusammenhang mit der jeweils dominierenden Religion geben könnte, irrt nicht. Protestantische und allgemein reformchristlich geprägte Länder weisen die niedrigste Korruptionsquote auf. Die Gründe liegen in der Geschichte der Reformation, die sich insbesondere gegen jeglichen Ablasshandel wehrte.35

 

5.4 Compliance und Sinken der Korruptionsrisiken

Für Deutschland lassen sich die Auswirkungen von Compliance-Programmen abschätzen. Die über Jahre erhobenen Kennwerte sprechen für eine sinkende Korruptionsbelastung der deutschen Wirtschaft. Dies muss sich noch nicht im Hellfeld der registrierten Korruptionsfälle in der PKS widerspiegeln. Im Dunkelfeld zeigt sich seit 2005 eine Abnahme der von Korruption betroffenen Unternehmen auf nunmehr 6%, auch sank die Zahl der Verdachtsfälle von 26% auf 11%. Ebenso ist der Anteil der Unternehmen rückläufig (9%), die Geschäftsmöglichkeiten vermutlich infolge von Korruption verloren haben und auch die Quote der Unternehmen, die angaben, sich mindestens einmal in einer Korruptionssituation befunden zu haben (8%).36 Im gleichen Zeitraum wurden sowohl in der Privatwirtschaft als auch in der öffentlichen Verwaltung korruptionsrechtliche Compliance-Programme flächendeckend eingeführt und weiter optimiert. Auch dürfte das wachsende Problembewusstsein in den Medien und der Öffentlichkeit dazu beigetragen haben. Nicht vergessen sei die Verschärfung der Strafbarkeit von Bestechung und Bestechlichkeit in der Privatwirtschaft nach § 299 StGB.



Abb. 4: Entwicklung der Korruptionsrisiken 2005-201737