Recht und Justiz

Das neue Recht der Vermögensabschöpfung

Die verwunschenen Wege insbesondere der Wertersatzeinziehung (Teil 1)

4.1 Das Erlangte: Was zählt darunter?

Grundgedanke der §§ 73, 73c StGB ist die Abschöpfung des Erlangten in seiner Gesamtheit; und zwar in „brutto“, also ohne Abzüge. Wie oben bereits erwähnt, bereitet an dieser Stelle insbesondere die Bestimmung des „erlangten Etwas“ manchmal Schwierigkeiten. Hier lohnt ein Blick auf die Rechtsprechung zur bisherigen Rechtslage nach § 73 StGB a.F. In Übereinstimmung mit der alten Rechtslage meint das „erlangte Etwas“ die Gesamtheit der wirtschaftlich messbaren Vorteile, die dem Täter oder Teilnehmer durch oder für die Tat zugeflossen sind16. „Etwas“ können sein:

  • Bewegliche Sachen (z.B. Diebesgut)
  • Grundstücke (§ 111c StPO)
  • Rechte dinglicher oder obligatorischer Art (z.B. Forderungen)
  • Dienstleistungen (z.B. durch den getäuschten Gärtner)
  • hinterzogene Steuern
  • Nutzungen (§§ 99, 100 BGB, z.B. Früchte), siehe § 73 Abs. 2 StGB
  • Surrogate (§ 818 BGB, z.B. Gewinn eines Loses), siehe § 73 Abs. 3 StGB
  • Verbesserung einer Marktposition17
  • Ersparte Aufwendungen (z.B. Verzicht auf Reinigungskraft bei Hygieneverstößen)
  • im Falle von Unterlassungsdelikten (z.B. Unterhaltspflichtverletzung nach § 170 StGB) das nicht Geleistete18.

„Erlangt“ ist ein Tatertrag im Übrigen nur dann, wenn der Abschöpfungsgegenstand dem Täter – sei es unmittelbar oder über einen Mittelsmann – aufgrund der Tatbegehung tatsächlich zugeflossen ist. Ohne Belang ist, was der Täter erlangen wollte oder hätte erlangen können. Auch das nur bei Gelegenheit Erlangte, das also ursprünglich nicht im Blick des Täters stand, darf nicht abgeschöpft werden. Außerdem muss sich das aus der Erwerbstat erlangte „Etwas“ immer noch im Gewahrsam des Täters befinden. Zumindest muss der Täter über den Gegenstand noch verfügen können. In diesen Fällen bleibt es grundsätzlich bei der Naturalrestitution, d.h. der noch vorhandene Gegenstand wird „in natura“ eingezogen bzw. dem Täter weggenommen (§ 459g Abs. 1 StPO). Fragen der Aufwendungen bleiben hier grundsätzlich (!) außer Betracht.

Fall: Entwendeter Pkw

A hat den Sportwagen des B entwendet (Wert des Fahrzeugs im Tatzeitpunkt: 16.000 EUR). Hierfür hat er Aufwendungen in Höhe von 1.000 EUR (Zugfahrt u.ä.) getätigt. Das Fahrzeug befindet sich noch im Besitz des A.

§ 73 Abs. 1 StGB: Einziehung des Pkw als das deliktisch „erlangte Etwas“. Der Staat wird (vorübergehend) Eigentümer. Es erfolgt eine Rückübertragung an den Eigentümer i.R.d. Opferentschädigung im Entschädigungsverfahren (§ 459h Abs. 1 StPO). Da es hierbei um einen „inkriminierten“ Gegenstand geht, sind die Aufwendungen des A selbstverständlich nicht abziehbar19.

Abwandlung 1:

A ist ein unvorsichtiger Fahrer. Durch den täglichen Gebrauch erleidet das Fahrzeug einen Wertverlust (Beulen, Kratzer, Restwert: 10.000 EUR).

Zusätzlich ist hier ein Geldbetrag i.H.d. des Wertverlustes (i.v.F.: 6000 EUR) als Wertersatz einziehbar, § 73c S. 2 StGB.

Abwandlung 2:

Der Pkw ist – inzwischen – mehr wert (18.000 EUR): Über die Wertsteigerung (hier: 2.000 EUR) freut sich das Opfer, der Täter erhält keinen Ausgleich.

Fall: Gemeinschaftlicher Einbruchdiebstahl

A, B und C haben gemeinsam (i.S.d. § 25 Abs. 2 StGB) einen Einbruch begangen. A war Mitläufer, B und C teilen sich die Tatbeute auf, B erhält 2.000 EUR, C 6.000 EUR.

Verüben mehrere gemeinschaftlich eine rechtswidrige Tat, genügt es für die Einziehung bzw. die Festlegung des vom Einzelnen einzuziehenden Betrags nicht, dass die Tat mittäterschaftlich begangen worden ist. Es müssen hier eingehende Feststellungen zu einer möglichen Aufteilung des Tatertrags vorgenommen werden, z.B. bei der Sicherstellung durch die Polizei. Im vorliegenden Fall haben sich Einziehungsmaßnahmen nur gegen B und C zu richten, und zwar in Höhe des jeweils erlangten Teilbetrages. Wenn ausnahmsweise nicht feststellbar ist, wer wieviel von der Tatbeute erhalten hat, darf davon ausgegangen werden, dass alle Mittäter Verfügungsbefugnis an dem gesamten Tatertrag hatten. Sie haften dann als Gesamtschuldner20.

Fall: „Gaunergeschenk“

Dieb D schenkt einen beim Juwelier J entwendeten Diamantring seiner gutgläubigen Verlobten V. Der Ring kann zum Nachteil der V gemäß § 73b Abs. 1 Nr. 2 a) StGB für J eingezogen werden. Dass der V die deliktische Herkunft nicht bekannt gewesen ist, ist ohne Belang. Entscheidend ist, dass sie den Ring unentgeltlich erlangt hat.

4.2 Zusammenfassung

§ 73 StGB stellt nach alledem die Grundnorm der Einziehung und damit die Kernvorschrift des „Bruttoprinzips“ dar. Unter den Voraussetzungen der §§ 73 ff. StGB hat die Staatsanwaltschaft bei Gericht die Einziehung des Taterlangten zu beantragen, und das Gericht hat unabhängig von der Frage, ob das Taterlangte im Vorfeld gesichert worden ist oder nicht, die Einziehung anzuordnen. Fragen der Aufwendungen bleiben hier im Regelfall außer Betracht, wenngleich der Gesetzgeber bei § 73 StGB wohl ebenfalls § 73d StGB angewendet sehen möchte, um so eine strafähnliche Wirkung auch bei der Tatertragseinziehung zu vermeiden.