Recht und Justiz

Vermögensabschöpfung im kriminalpolizeilichen Alltag

2.3 Einziehung des Werts von Taterträgen neben der Einziehung des Gegenstands

Soweit der aktuelle Wert des erlangten Gegenstands hinter dem Wert des Gegenstands zum Zeitpunkt des Erlangens zurückbleibt, ist gemäß § 73c S. 2 StGB hinsichtlich des Differenzbetrags neben der Einziehung des Gegenstands auch die Einziehung des Wertes von Taterträgen anzuordnen. Wenn z.B. die ertrogene Schrankwand, eine ursprünglich neue Sache, in Gebrauch genommen wurde, so wird sie allein dadurch einen Wertverlust erleiden. Aber auch bereits gebrauchte Sachen können einen weiteren Wertverlust erleiden, wenn sie weiter abgenutzt oder beschädigt werden. Ein Wahlrecht der Strafverfolgungsorgane, auf die Einziehung des ursprünglichen Gegenstands zu verzichten, also z.B. dem Täter die ertrogene Schrankwand zu belassen, und stattdessen den gesamten ursprünglichen Wert einzuziehen, besteht nicht. Dies gilt selbst dann, wenn der Verletzte schon vor Beschlagnahme erklärt, kein Interesse an dem im Wert geminderten Gegenstand mehr zu haben. Im Beispielsfall wäre daher zwingend sowohl die gebrauchte Schrankwand einzuziehen (und zu diesem Zweck zu beschlagnahmen, siehe Ziff. 2.1 und 8.1) als auch der Differenzbetrag zwischen dem Wert zum Zeitpunkt des Erlangens und zum Zeitpunkt der Einziehung bzw. der Beschlagnahme einzuziehen. Beschlagnahmte Gegenstände sind daher immer im Hinblick auf die zwingend vorgesehene Einziehung des Wertes in Höhe der Wertminderung gemäß § 73c S. 2 StGB durch den polizeilichen Sachbearbeiter zu bewerten. Zumindest den Bewertungsschwierigkeiten kann durch die gemäß § 73d Abs. 2 StGB zulässige Schätzung begegnet werden. Dabei ist allerdings vorsichtig zu schätzen. Bei gebrauchten Sachen kann vielfach anhand von Internet-Auktions- oder Verkaufsangeboten eine Einordnung des aktuellen Werts erfolgen. Im Rahmen der Schätzung gemäß § 73d Abs. 2 StGB dürfte es sich vielfach anbieten, einen Sicherheitsabschlag von 10% von der so ermittelten Wertminderung abzuziehen. Die Schätzungsgrundlagen (Fotos der Gegenstände, ggfls. vergleichbare Angebote, Berechnung) sind in der Ermittlungsakte nachvollziehbar darzustellen.

2.4 Einziehung des Surrogats von Taterträgen

Unter den in § 73 Abs. 3 StGB (eng umgrenzten) genannten Umständen kann auch ein für das Taterlangte erhaltener Ersatzgegenstand eingezogen werden. In allen Fällen der Einziehung gemäß § 73c S. 1 StGB ist alternativ allerdings auch die Einziehung des Wertersatzes zulässig und, wenn von der Einziehung des Surrogats abgesehen werden soll, auch zwingend. Die Einziehung des Wertersatzes ist regelmäßig vorzuziehen, da sie u.a. Probleme in der Vollstreckung bei mehreren anspruchsberechtigten Verletzten vermeidet. Der Ersatzgegenstand kann im Rahmen eines Vermögensarrestes (siehe Ziff. 8.2) gepfändet und nach Rechtskraft der Einziehungsanordnung verwertet werden.

3 Erlöschen des Anspruchs des Verletzten

Damit die Einziehung angeordnet werden kann, darf der Anspruch des Verletzten nicht erloschen sein, § 73e StGB. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn der Verletzte das Taterlangte oder dessen Wert zurückerhalten hätte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Zahlung einer Versicherung nicht zum Erlöschen des Anspruchs des Verletzten, sondern nur zu einem Übergang des Anspruchs auf die Versicherung führt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Eintritt der zivilrechtlichen Verjährung nicht zum Erlöschen der Forderung führt. Ob der Verletzte das Taterlangte bzw. dessen Wert zurückerhalten hat, ist nicht nur zwingend immer nach neuer Rechtslage, sondern war auch bereits nach alter Rechtslage zu ermitteln, da im Rahmen der Strafzumessung das Nachtatverhalten gemäß § 46 Abs. 2 S. 2 a.E. StGB zu berücksichtigen ist und bei einer überwiegenden Wiedergutmachung sogar gemäß § 46a StGB eine (regelmäßig zu gewährende) Strafmilderung in Betracht kommt. Auch hier sind allerdings die Anforderungen an die Genauigkeit und Aktualität der ermittelten Wiedergutmachungsleistungen gestiegen.

4 Einziehung von Taterträgen bei anderen gemäß § 73b StGB

Es ist immer zu ermitteln, wer derjenige ist, der etwas erlangt hat. Durch die Reform wurde der Kreis der Personen, denen gegenüber eine Einziehung angeordnet werden kann, erweitert. Neben den in § 73b Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB genannten Vertretungs- und Verschiebungsfällen ist nunmehr auch die Einziehung gegenüber Erben, Pflichtteilsberechtigten und Vermächtnisnehmern gemäß § 73b Abs. 1 Nr. 3 StGB anzuordnen. Dabei können auch mehrere gemeinsam erlangt haben und damit Gesamtschuldner der Einziehung sein. Die Einziehungsbetroffenen sind, sofern sie nicht als Beschuldigte am Strafverfahren beteiligt sind, entweder als Einziehungsbeteiligte gemäß § 424 StPO am Strafverfahren, soweit es die Einziehung betrifft, zu beteiligen, oder es ist insoweit ein selbständiges Einziehungsverfahren durchzuführen. In beiden Fällen sind die Daten des Einziehungsbetroffenen (bei juristischen Personen u.a. die Gesellschafter und die Geschäftsführer) zu ermitteln und der Einziehungsbetroffene gemäß § 426 StPO im Ermittlungsverfahren anzuhören. Vom abweichenden Hinweis auf den Verfahrensgegenstand und der abweichenden Belehrung abgesehen entspricht die Anhörung im Übrigen der Anhörung eines Beschuldigten. Sofern z.B. beim Leistungsbetrug zu Gunsten einer Bedarfsgemeinschaft und zu Lasten der Arbeitsagentur das Erlangte in Form einer Überweisung auf ein Bankkonto gezahlt wurde, kommen sämtliche Kontoinhaber als Einziehungsbeteiligte in Betracht. Es wäre dann insoweit möglicherweise eine Bankauskunft einzuholen, die sich – bei Fehlen anderer belastbarer Anhaltspunkte für die laufenden Einkünfte – auch für die ohnehin gebotene Ermittlung des für die Berechnung der Tagessatzhöhe maßgeblichen Einkommens anbietet.11

5 Erweiterte Einziehung gemäß § 73a Abs. 1 StGB

Die vorher nur bei ausgewählten Delikten zulässige erweiterte Einziehung ist nun bei sämtlichen Straftatbeständen möglich. Sofern das Gericht davon überzeugt ist, dass ein Gegenstand aus einer weiteren rechtswidrigen Tat herrührt, ist dieser auch dann einzuziehen, wenn die konkrete Tat nicht ermittelt werden kann. Wenn also z.B. im Rahmen einer Durchsuchung (hinsichtlich einer beliebigen und in der Folge auch nachweisbaren Straftat) zufällig ein Keller voller offensichtlich gestohlener (oder – in Bezug auf den Nutzer des Kellers – gehehlter) Fahrräder als Zufallsfund entdeckt wird, sind diese gemäß § 73a Abs. 1 StGB einzuziehen. Das Gericht kann seine im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung gewonnene Überzeugung unter anderem auf ein grobes Missverhältnis zwischen dem Wert des Gegenstandes und den rechtmäßigen Einkünften des Betroffenen, die Umstände, unter denen der Gegenstand aufgefunden und sichergestellt worden ist, sowie die weiteren Ermittlungsergebnisse stützen.12 Ergibt sich z.B. durch den Fund von Verkaufsbelegen oder Pfandleihverträgen über weitere offensichtlich gestohlene (oder gehehlte) Fahrräder, dass weitere Gegenstände durch Straftaten erlangt und anschließend veräußert wurden, so ist insofern die Wertersatzeinziehung gemäß §§ 73a, 73c StGB anzuordnen. In der Praxis wird diese Möglichkeit – ähnlich wie die Möglichkeit der Wertersatzeinziehung gemäß § 74c StGB bei Tatprodukten, -mitteln oder -objekten – allerdings leicht übersehen.

6 Selbständige Einziehung

Die selbständige Einziehung ist nicht zu verwechseln mit dem selbständigen Einziehungsverfahren. Während erstere die materielle Einziehungsanordnung gegenüber einer Person bezeichnet, die nicht Beschuldigte ist, und die durchaus auch im subjektiven Verfahren erfolgen kann, bezeichnet letztere das objektive Verfahren, dass ausschließlich eine (selbständige) Einziehung zum Gegenstand hat. Die selbständige Einziehung unterscheidet sich in ihren Voraussetzungen deutlich, je nachdem, ob sie gemäß § 76a Abs. 1 bis 3 StGB oder § 76a Abs. 4 StGB angeordnet werden soll.

6.1 Die selbständige Einziehung gemäß § 76a Abs. 1 StGB

Liegt eine konkrete Straftat vor, kann aber eine Verurteilung nicht erfolgen, weil der Täter nicht ermittelt oder ergriffen werden kann, weil er bereits verurteilt ist oder die Tat verjährt ist, oder soll von einer Verurteilung gemäß §§ 153 bis 154, 154b, 154c, 154f StPO abgesehen werden, so ist – sofern eine selbständige Einziehung nicht gemäß § 76a Abs. 1 S. 3 StGB aufgrund des Fehlens einer der dort genannten Strafverfolgungsvoraussetzungen oder einer bereits erfolgten rechtskräftigen Entscheidung über eine Einziehung ausgeschlossen ist – die selbständige Einziehung anzuordnen. Ist der erlangte Gegenstand nicht mehr vorhanden oder sonst wegen seiner Beschaffenheit nicht einzuziehen, so ist gemäß § 76a Abs. 2 StGB die selbständige Einziehung des Wertes des Tatertrages anzuordnen. Dabei dürfen und müssen auch hinsichtlich bereits verjährter Straftaten Ermittlungen angestellt werden. Dies folgt aus dem zwingenden Charakter der jeweiligen Einziehungsvorschrift. Da jedoch bei bereits eingetretener Verjährung die rechtswidrige Tat länger zurückliegt und sich dadurch ein deutlich höherer Aufwand für die Ermittlungen ergibt, bietet es sich an, die Ermittlungen erst dann aufzunehmen, wenn mit der Staatsanwaltschaft geklärt wurde, ob dieser Aufwand als unangemessen im Sinne des § 435 StPO (siehe Ziff. 7.3) anzusehen ist.