Kriminalität

„Tottreten“

Fußtritte gegen den Kopf und ihre kriminalpolizeiliche Bearbeitung

4.2 Tötungsvorsatz

Diese Ergebnisse haben unmittelbare Auswirkungen auf die Prüfung eines etwaigen bedingten Tötungsvorsatzes.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über die allgemeine Vorsatzprüfung hinausgehende bestimmte Anforderungen an den Nachweis eines Tötungsvorsatzes entwickelt. Neben der Abgrenzung eines bedingten Vorsatzes von bewusster Fahrlässigkeit des Täters sind entsprechende Erwägungen bei der Beurteilung lebensgefährlicher Gewalthandlungen auch im Falle offenkundig vorsätzlicher Handlungen dann noch zusätzlich erforderlich, wenn eine Abgrenzung von (bedingtem) Tötungsvorsatz einerseits und (bloßem) Lebensgefährdungsvorsatz andererseits zu prüfen ist. Es handelt sich hierbei um eines der zentralen Problemfelder der Tötungsdelikte.

Es ist damit in jedem Einzelfall zu prüfen, welche gerichtlich feststellbaren Indizien aussagekräftige Rückschlüsse auf das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes erlauben. Dafür dürfen nicht einzelne Aspekte isoliert betrachtet werden, vielmehr müssen in alle Feststellungen zur Tat und zum Täter in eine Gesamtbetrachtung zusammengeführt werden.

Hierbei ist die Handlungsintensität ein sehr bedeutsames Indiz für die Feststellung eines etwaigen Vorsatzes. Der Schluss, der Täter habe den Tod des Opfers mindestens billigend in Kauf genommen, wird sich daher jedenfalls bei solchen Gewalttaten aufdrängen, bei denen das Ausbleiben des Todeserfolgs bei Würdigung der Kenntnis des Täters um die objektiven Tatumstände offensichtlich nur als glücklicher Zufall erscheinen kann. Entscheidende Bedeutung kommt dabei dem vom BGH angeführten Aspekt des „Vertrauens“ auf einen glimpflichen Ausgang des Geschehens zu. Vertraut der Täter darauf, dass das von ihm zutreffend erkannte Todesrisiko nicht verwirklicht werde, handelt er im Falle des Todeseintritts (lediglich) fahrlässig. Hofft er dagegen bei Vornahme der Tathandlung nur darauf, dass es nicht zum Erfolgseintritt komme, so liegt bedingter Tötungsvorsatz vor, weil der Täter innerlich mit dem Erfolgseintritt rechnet.

Fußtritte gegen den Kopf haben dabei als auf einen Tötungsvorsatz hinweisende Gewalthandlungen erhebliche praktische Bedeutung erlangt. Der BGH hat hierzu festgestellt, dass bereits dieses – objektive – Tatbild stets die Verweisung einer Strafsache an das Schwurgericht rechtfertigt.

Die durch die empirische Untersuchung gewonnenen Daten legen den Schluss nahe, dass der oder die Täter eines solchen Deliktes bei der Tatbegehung auch mit mindestens bedingtem Tötungsvorsatz handelte(n). Eine gegenteilige Feststellung kommt damit, wenn der Angriff nach den Feststellungen tatsächlich mit erheblicher Wucht ausgeführt wurde, nur ausnahmsweise in Betracht. Hierzu müsste jedoch bei der erforderlichen Gesamtschau aller vorsatzrelevanten Umstände des Einzelfalles die Hypothese, der Täter habe entweder auf der kognitiven – weil er erhebliche Tatumstände nicht zutreffend erkannte – oder auf der voluntativen – weil er ungeachtet der erkannten Lebensgefährlichkeit ernsthaft auf die Nichtverwirklichung des tatbestandlichen Erfolges vertraute – Vorsatzebene diesen Vorsatz nicht gebildet, mit konkreten Anhaltspunkten gestützt werden. Es ist allerdings nur schwer vorstellbar, dass ein mehrfach wuchtig gegen den Kopf des Opfers tretender Täter wirklich ernsthaft – also tatsachenfundiert – darauf vertraut, er werde dem Opfer ausschließlich nicht lebensbedrohende Verletzungen beibringen.

Ohne dies an dieser Stelle eingehender darzustellen, sei in diesem Zusammenhang zudem der Hinweis erlaubt, dass bei einem späteren Ablassen des Täters von seinem Opfer nicht vorschnell ein strafbefreiender Rücktritt vom versuchten Tötungsdelikt angenommen werden sollte. Dieser setzt bei einem bloßen Aufhören voraus, dass der Täter erkannt hat, dem Opfer noch keine tödlichen Verletzungen beigebracht zu haben – dies dürfte angesichts der allgemeinen Kenntnis um mögliche innere Blutungen regelmäßig nur schwer begründbar sein. Vollends ausgeschlossen scheint diese Verteidigung, wenn der Täter sich vom Opfer entfernt, während dieses noch am Tatort liegt oder kauert.

5 Folgerungen für die kriminalpolizeiliche Praxis

Durch Fußtritte gegen den Kopf oder den Oberkörper eines Menschen werden sehr häufig Frakturen der Schädelknochen – insbesondere des Gesichtsschädels –, des Halsskeletts und der Rippenknochen verursacht, welche häufig bereits alleine lebensgefährdende Folgen nach sich ziehen. Daneben oder auch isoliert können Fußtritte schwerwiegende Verletzungen innerer Organe einschließlich des Gehirns bewirken.

Hierbei erfolgt zwar häufig eine Polytraumatisierung des Opfers, doch kann bereits ein einzelner Tritt eine tödliche Verletzung nach sich ziehen. Für die Gefährlichkeit der Angriffshandlung ist die Art des gegebenenfalls vom Täter getragenen Schuhwerks nicht von ausschlaggebender Bedeutung; auch Tritte mit so genanntem leichtem Schuhwerk oder dem bloßem Fuß können tödliche Verletzungen bewirken. Auch Geschlecht, Statur, körperliche Fitness und etwaige sportliche Ausbildung des Täters stellen jeweils keine Bedingung für die Lebensgefährlichkeit derartiger Tritte dar.