Recht und Justiz

Mord bei Tötung durch Autoraserei?

3 Schlussbetrachtung

Es bleibt abzuwarten, wie unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben im Revisionsurteil des 4. Strafsenats des BGH vom 1.3.2018 eine andere Strafkammer des LG Berlin den in seinen Folgen außerordentlich tragischen Berliner „Raserfall“ entscheiden wird. Unter Berücksichtigung der insoweit sehr differenzierten und komplexen einschlägigen BGH-Rechtsprechung ist eine erneute Verurteilung von H und N (bei letzterem wohl doch eher fraglich) wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts bis hin zum Mord theoretisch nicht ganz ausgeschlossen, auch wenn zur Zeit eine neue Verurteilung wegen der hier ebenfalls schwerwiegenden fahrlässigen Tötung wahrscheinlicher erscheint. Ob es darüber hinaus am Ende gar zu einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung kommt, lässt sich derzeit erst recht nicht absehen. Mit dem Revisionsurteil des BGH muss dem Urteil der 35. Großen Strafkammer des LG Berlin bescheinigt werden, dass es unter einigen nicht unerheblichen Mängeln leidet. Gleichwohl ist nicht zu übersehen, dass hier von der Rechtsprechung ein deutliches Signal gegen in Deutschland bis dahin zunehmende illegale und hochgefährliche Straßenrennen gerade in großen Städten gesetzt worden ist. Der Fall hat eine ganz erhebliche öffentliche Aufmerksamkeit gefunden und nicht nur Fachleute, sondern hoffentlich auch die, die es angeht, zum Nachdenken gezwungen – unabhängig davon, wie das hier im Mittelpunkt stehende Strafverfahren letztlich ausgehen wird. Insofern kann sich das aufgehobene Urteil des LG Berlin durchaus Verdienste um die allgemeine Sicherheit im Straßenverkehr und den Schutz unschuldiger Verkehrsteilnehmer zurechnen.

Bildrechte: Frank Waßerführer, [email protected] und Redaktion.

Anmerkungen



  1. Prof. Dr. Jürgen Witt war als Ministerialdirigent in verschiedenen Funktionen in der schleswig-holsteinischen Landesregierung tätig. Anschließend war er Lehrbeauftragter im Fachbereich Polizei der FHVD und für seine Lehrtätigkeit wurde ihm 2010 der Titel „Honorar-Professor“ verliehen. Unser Autor hat sich zudem fast 22 Jahre lang verantwortlich für die Opferschutzorganisation „Weisser Ring“ engagiert.
  2. LG Berlin v. 27.2.2017, NStZ 2017, 471.
  3. BGH v. 1.3.2018, Az. 4 StR 399/17.
  4. LG Berlin v. 27.2.2017, Rn. 193.
  5. BGH v. 1.3.2018, Rn. 27 ff.; dazu auch Walter, NStZ 2018, S. 409.
  6. Schönke/Schröder, 2014, Strafgesetzbuch-Kommentar, 29. Auflage, zu § 15, Rn. 72 ff.; Joecks/Miebach (MüKoStGB), 2016, Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 1, 3. Auflage, zu § 16, Rn. 18 ff.; Fischer, 2018, Strafgesetzbuch-Kommentar, 65. Auflage, § 15, Rn. 9c.
  7. Schönke/Schröder, a.a.O., Rn. 81a ff. und 85 ff.; MüKoStGB, a.a.O., Rn. 26 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, 2017, Strafrecht AT, 47. Auflage, Rn. 333 ff.
  8. Wessels/Beulke/Satzger, 2017, a.a.O., Rn. 333 (Hinweis auf zahlreiche Entscheidungen des BGH, u.a. BGHSt 7, 363 – sog. „Lederriemenfall“.
  9. BGH v. 1.3.2018, Rn. 17 (m.w.N.).
  10. Wessels/Beulke/Satzger, a.a.O., Rn. 335.
  11. Schönke/Schröder, 2014, a.a.O., Rn. 87 (unter Berufung auf BGH, NStZ 1988, 361 und 2003, 370).
  12. MüKoStGB, 2016, a.a.O., Rn. 30; Wessels/Beulke/Satzger, 2017, a.a.O., Rn. 336.
  13. MüKoStGB, 2016, a.a.O., Rn. 30.
  14. MüKoStGB, 2016, a.a.O., Rn. 30 (Verweis auf BGH, NStZ 1999, 507 -508-).
  15. BGH v. 1.3.2018, Rn. 17.
  16. Nimtz, 2012, Strafrecht für Polizeibeamte, Band 1, 3. Auflage, Rn. 102.
  17. LG Berlin v. 27.2.2017, Rn. 249 ff.
  18. LG Berlin v. 27.2.2017, Rn. 241 – 248.
  19. LG Berlin v. 27.2.2017, Rn. 264.
  20. Lübkemann, 2013, Strafrecht/Strafverfahrensrecht/Ordnungswidrigkeitenrecht, 27. Auflage, S. 151 (Verweis auf BGH 4 StR 168/05).
  21. LG Berlin v. 27.2.2017, Rn. 262 (wobei der Fahrer unbeleuchteter „Geisterautos“ zur Nachtzeit auf der städtischen Autobahn allerdings in Suizidabsicht gehandelt hatte).
  22. BGH v. 1.3.2018, Az. 4 StR 399/17.
  23. BGH v. 1.3.2018, Rn. 26 ff.
  24. Bei Tötungsdelikten den Tod.
  25. BGH v. 1.3.2018, Rn. 15; dazu Eisele, JZ 2018, S. 549 ff.
  26. BGH v. 1.3.2018, Rn. 20.
  27. BGH v. 1.3.2018, Rn. 21 (m.w.N.).
  28. BGH v. 1.3.2018, Rn. 25.
  29. Walter, Gastbeitrag in ZEITONLINE v. 28.2.2017 „Raser sind Verbrecher, aber keine Mörder“, S. 1, 2.
  30. BGH v. 1.3.2018, Az. 4 StR 399/17.
  31. Bestrafung wegen fahrlässiger Tötung und vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung, teilweise mit Aussetzung zur Bewährung.
  32. StÄG v. 30.9.2017, BGBl. I 2017, S. 3532 (auf die Tat der Angeklagten noch nicht anwendbar); vgl. zur kriminalpolitischen Bedeutung der Norm Fischer, 2018, a.a.O., § 315d, Rn. 3.
  33. ZEITONLINE v. 1.3.2018, S. 1.
  34. Eisele, JZ 2018, S. 549 ff.; Kritik auch durch Walter, NStZ 2018, S. 409.
  35. Eisele, JZ 2018, S. 550 (m.w.N.).
  36. BGH v. 1.3.2018, Rn. 34.
  37. Walter, NJW 2017, S. 1350 ff.
  38. Formulierung wurde durch LG Berlin v. 27.2.2017 selbst in Anführungszeichen gesetzt (Rn. 247).
  39. LG Berlin v. 27.2.2017, Rn. 243 ff.
  40. Zum aktuellen Stand des Verfahrens vgl. Pressemitteilungen des LG Berlin v. 28.8.2018  (PM 34/2018) und v. 10.9.2018 (PM 35/2018).

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