Recht und Justiz

Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbot im Lichte der Verwaltungsakzessorietät

3.1.2 Verbotene Handlungen

In § 17 I Nr. 1 VersFG SH wird zunächst nicht mehr zwischen der angelegten Vermummung und dem bloßen Mitführen unterschieden, sondern es wird allein ausgewiesen, Vermummungsgegenstände mit sich zu führen. Das Vermummungsverbot gilt „bei oder im Zusammenhang mit einer Versammlung unter freiem Himmel“ und damit sowohl in der verfassungsrechtlich geschützten Vor-, Haupt- und Nachphase. § 17 VersFG SH korrespondiert hier unmittelbar mit der Datenerhebung aus § 16 I VersFG SH. Ob die Formulierung „im Zusammenhang mit“ bereits, wie von Merk in anderem Kontext gefordert wird, „eine finale Verknüpfung als auch eine gewisse örtliche und zeitliche Nähe zur Versammlung“ voraussetzt, erscheint eher zweifelhaft. Der Gesetzgeber des Landes Schleswig-Holstein hat sich vielmehr bewusst an § 17 I MEVersG und nicht an § 17a BVersG bzw. Art. 16 BayVersG orientiert, wonach das Verbot nur bei Versammlungen und auf dem Weg dorthin gilt.

3.2 Schutzausrüstungsverbot

§ 17 I Nr. 2 VersFG SH regelt das Schutzausrüstungsverbot und verzichtet damit auf den umstrittenen Begriff der „Schutzwaffen“. Außerdem wird nicht mehr zwischen Gegenständen im technischen und nichttechnischen Sinne unterschieden. Neben der Eignung ist nunmehr stets ein erkennbarer Wille erforderlich, Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von Hoheitsbefugnissen abzuwehren. Diese Änderung ist sinnvoll und wird der Bedeutung sowie der ausgewiesenen Zielstellung des speziellen Gefahrenabwehrgesetzes gerecht. Schutzausrüstungsgegenstände werden nicht mehr wegen ihrer abstrakten Gefährlichkeit verboten, ohne dass es auf die Verwendungsabsicht ankommt. Missbilligt wird stattdessen die Zielrichtung der Abwehr von Vollstreckungsmaßnahmen. Schutzausrüstungsgegenstände sind keine Waffen im Sinne des Art. 8 I GG, sondern sie dienen dem Schutz des Körpers vor gewaltsamen Eingriffen. Versammlungsteilnehmer, die sich dadurch lediglich vor befürchteten Gewalttätigkeiten schützen wollen, verhalten sich nicht normwidrig. Die Auffassung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, dass „Defensivwaffen“ führende Versammlungsteilnehmer aufgrund ihres Erscheinungsbildes eine „aggressionsstimulierende Wirkung“ ausüben, ist nicht überzeugend und als überkommen zurückzuweisen.

3.2.1 Begriff der Schutzausrüstung

Zur Schutzausrüstung zählen Gegenstände, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet sind, Vollstreckungsmaßnahmen eines Hoheitsträgers abzuwehren. Da § 17 I Nr. 2 VersFG SH nicht mehr zwischen Gegenständen im technischen und nichttechnischen Sinne unterscheidet, kommt es auch nicht auf die ursprüngliche Zweckbestimmung an. Dennoch werden vorrangig Gegenstände relevant sein, die zur Austragung kämpferischer Auseinandersetzungen einschließlich solcher kampfsportlicher Natur hergestellt worden sind. In Betracht kommen z.B. Stahlhelme, Einsatzhelme der Polizei, Schutzwesten, ABC-Schutzmasken, Tränengasschutzbrillen, Gebissschutze und Schlagschutzhandschuhe. Von Bedeutung sind aber auch Gegenstände, die zwar nicht zu den vorgenannten Zwecken konzipiert wurden, aber objektiv ebenso geeignet sind. Denkbar sind hier z.B. Motorradhelme, Industriehelme, Schienbeinschützer, Polsterungen und Schutzplanen. Das Mitführen von Schutzausrüstungen wird nur dann von der Norm erfasst, wenn die Intension besteht, diese zur Abwehr von Vollstreckungsmaßnahmen zu verwenden. Der Adressat muss mit Absicht handeln, die nicht gegeben ist, wenn sich Versammlungsteilnehmer beispielsweise lediglich vor anderen Steine werfenden Teilnehmern oder Außenstehenden schützen wollen.

3.2.2 Verbotene Handlungen

Es ist gemäß § 17 I Nr. 2 VersFG SH verboten, bei oder im Zusammenhang mit einer Versammlung unter freiem Himmel Gegenstände mit sich zu führen, die als Schutzausrüstung geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet sind, Vollstreckungsmaßnahmen eines Hoheitsträgers abzuwehren. Mitsichführen heißt, dass die tatsächliche Gewalt über den Gegenstand außerhalb der eigenen Wohnung, der Geschäftsräume oder des befriedeten Besitztums ausgeübt wird. Dies bedeutet, dass der Verantwortliche den Gegenstand funktionsbereit bei sich haben muss und ihm dieser Zustand bewusst ist. Ein Tragen unmittelbar am Körper ist nicht erforderlich, sondern es ist ausreichend, dass die Person sich ohne nennenswerten Zeitaufwand des Gegenstandes bedienen kann. Das Schutzausrüstungsverbot gilt „bei oder im Zusammenhang mit einer Versammlung unter freiem Himmel“ und damit sowohl in der verfassungsrechtlich geschützten Vor-, Haupt- und Nachphase. Der schleswig-holsteinische Gesetzgeber hat sich hier, wie bereits beim Vermummungsverbot, bewusst an § 17 I MEVersG orientiert. Da nicht mehr zwischen Ausrüstungsgegenständen im technischen und nichttechnischen unterschieden wird, kommt es durchgehend auf den subjektiven Tatbestand an. Entscheidend ist der Wille des Trägers. Fehlt eine eindeutige Erklärung, ist die offenkundige Zielrichtung zu berücksichtigen. Das wird in der Versammlung häufig durch die Bewertung des tatsächlichen Gebrauchs geschehen können. Der offenkundige Wille kann sich aber auch aus einer besonderen Umrüstung alltäglicher Gegenstände ergeben, z.B. aus dem Anbringen von Kinnriemen an Industriehelmen oder Halteschlaufen an mitgeführten Planen. Auch das Mitführen eines Motorradhelmes bei der Anfahrt zu einer Versammlung in einem Reisebus kann die normwidrige Zweckbestimmung indizieren.

3.3 Rechtsfolge

§ 17 I VersFG SH ist keine Grundlage für Eingriffsmaßnahmen der zuständigen Behörde. Ein Rückgriff auf aus Verbotsnormen abgeleitete „Quasi-Ermächtigungen“ wird dem verfassten Bestimmtheitsgebot nicht gerecht und ist damit nicht haltbar. Präventive Maßnahmen zur Durchsetzung des Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbotes können vielmehr auf § 17 II VersFG SH gestützt werden. Danach trifft die zuständige Behörde zur Durchsetzung des Verbots Anordnungen, in denen die erfassten Gegenstände oder Verhaltensweisen genau zu bezeichnen sind. Erforderlich sind jeweils auf den Einzelfall bezogene Verfügungen, die im Regelfall mündlich vor Ort ergehen werden. Die Missachtung einer Anordnung stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 I Nr. 7 VersFG SH dar, die mit einem Bußgeld bis zu eintausendfünfhundert Euro geahndet werden kann. Voraussetzung dafür ist aber stets eine vorausgegangene vollziehbare Verfügung nach § 17 II VersFG SH und es gilt damit der Grundsatz der Verwaltungsakzessorietät. Die Regelung folgt den Entkriminalisierungsbestrebungen des Versammlungsrechts und weicht von der Rechtsfolge des BVersG deutlich ab.