Recht und Justiz

Mit dem Musterpolizeigesetz zu gemeinsamen Standards bei der Terrorbekämpfung?

Die anhaltende Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus führt nicht zuletzt nach dem Terroranschlag am Berliner Breitscheidplatz am 19.12.2016 zu einer Vielzahl von Maßnahmen und Anpassungen zur Abwehr von terroristischen Gefahren. In der 206. Konferenz der Innenminister und -senatoren (IMK) im Juni 2017 in Dresden wurde zur Erreichung gemeinsamer Standards bei der Terrorbekämpfung u.a. die Erarbeitung eines Musterpolizeigesetzes beschlossen, um die Harmonisierung der Landespolizeigesetze zu fördern.2

2.5 Onlinedurchsuchung

Die Onlinedurchsuchung weist eine enge Verwandtschaft mit der Quellen-TKÜ auf, da auch bei dieser Maßnahme das Zielsystem infiltriert wird, um Daten, die sich z.B. auf der Festplatte eines PC-Systems befinden, ohne Wissen des Betroffenen auf dem Onlineweg auszuleiten. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 27.2.2008 die grundsätzliche Zulässigkeit der Onlinedurchsuchung bestätigt, sie allerdings an hohe Eingriffsvoraussetzungen gebunden. Der Senat hat mit seinen Ausführungen zur Grundrechtsrelevanz im 1. Leitsatz zugleich ein neues Grundrecht geschaffen: „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.“50 Die Onlinedurchsuchung greift im Gegensatz zur Quellen-TKÜ in das Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integration informationstechnischer Systeme (sog. Computergrundrecht) ein und bedarf einer hinreichend anspruchsvollen Ermächtigungsnorm. Die Onlinedurchsuchungen ist bisher nur in wenigen Polizeigesetzen51 geregelt und zwischenzeitlich mit dem Gesetz zur effektviveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens als Standardmaßnahme in die StPO aufgenommen worden.52 Die Länder können sich bei der Ausgestaltung der Befugnisnorm zur präventiven Onlinedurchsuchung an den bestehenden Normen aber auch an den umfangreichen Ausführungen des BVerfG in seiner Entscheidung vom 27.2.2008 zum Gesetz über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen orientieren. Entsprechende Regelungen sehen die Gesetzentwürfe der Länder Niedersachsen und Bremen bereits vor.53

2.6 Höchstdauer des Polizeigewahrsams

Nicht erst seit der Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus wird über die erforderliche und rechtstaatlich zulässige Höchstdauer der Gewahrsamsregelungen in den Polizeigesetzen diskutiert. Spätestens seit den „Punk-Chaos-Tagen“ Mitte der 1990er Jahre steht die Höchstdauer des Polizeigewahrsams im Mittelpunkt der rechtspolitischen Diskussion.54 Der zulässige Zeitrahmen bewegt sich in Bund und Ländern zwischen derzeit noch 48 Stunden in Nordrhein-Westfalen und der nur durch das FamFG sowie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz begrenzten Normierung in Schleswig-Holstein und Bremen.55 Das BayPAG wurde mit Änderung vom 24.7.2017 um zusätzliche Tatbestandsalternativen der Gewahrsamnahme ergänzt und zugleich die bisherige Höchstdauer von 14 Tagen gestrichen. In der amtlichen Begründung56 zur Neuregelung heißt es mit Bezug auf die Regelungen in Schleswig-Holstein und Bremen, künftig soll „auch in Bayern die Möglichkeit längerer Präventivhaft im begründeten Einzelfall nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die Gewahrsamsdauer kann damit einzelfallabhängig vom zuständigen Richter festgesetzt werden.“ Die neue Höchstdauer im BayPAG wird z.T. scharf kritisiert, so schreibt die Süddeutsche Zeitung Bayern würde damit die „Unendlichkeitshaft“ einführen.57 Dabei ist die bayerische Regelung in Art. 20 PAG durchaus normenklarer als in Schleswig-Holstein und in Bremen gefasst, da die Höchstdauer bei richterlicher Anordnung nicht mehr als drei Monate betragen darf, sie kann allerdings jeweils um längstens drei Monate verlängert werden. Auch in anderen Ländern wird über eine Ausweitung der Höchstfrist diskutiert, so soll die bisherige Höchstfrist von 48 Stunden in Nordrhein-Westfalen abhängig von der jeweiligen Fallgestaltung auf 7 Tage bis zu einem Monat ausgeweitet werden.58 Der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion in Niedersachsen59 sah zur Verhütung von besonders schwerwiegenden Straftaten eine Höchstdauer des sogenannten Präventivgewahrsams von 18 Monaten vor und zog die Verbindungslinie zur gegenwärtigen Maximaldauer der Abschiebehaft nach § 62 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz. Der aktuelle Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen60 in Niedersachsen sieht je nach Fallgestaltung nur noch eine Höchstdauer von 6 bis 30 Tage vor, wobei u.a. zur Verhinderung von terroristischen Straftaten eine Verlängerung der Dauer der Freiheitsentziehung durch das Gericht um einmalig höchstens 30 Tage und um weitere einmalig höchstens 14 Tage zulässig ist. Im Ergebnis ist rechnerisch eine Höchstdauer von insgesamt 74 Tagen möglich. Dieser Regelung schließt sich Bremen im aktuellen Gesetzentwurf an.61

Die unterschiedliche Entwicklung beim Bund und in den Ländern zeigt, dass eine künftig einheitliche Regelung zur Höchstfrist angesichts unterschiedlicher sicherheitspolitischer Positionen und davon abzuleitender legislatorischer Bemühungen eher unwahrscheinlich ist.62

3 Befund

3.1 Polizeigesetze in Bund und Ländern uneinheitlich

Die Polizeigesetze im Bund und in den Ländern sind uneinheitlich, lückenhaft und kaum geeignet, ein einheitliches Sicherheitsniveau in Deutschland zu gewährleisten.63 Die dargestellten ausgewählten Befugnisnormen machen den unterschiedlichen legislatorischen Bearbeitungsstand deutlich. So haben einige Gesetzgeber bereits überarbeitete Gesetze vorgelegt, andere sind in der parlamentarischen Diskussion und in einigen Ländern bestehen bisher nur politische Absichtserklärungen. Die sicherheitspolitische Diskussion beim Bund und in den Ländern muss regionale Herausforderungen und gesellschaftliche Entwicklungen in der zunehmend digitalen Welt ebenso einbeziehen wie neue Kriminalitätsformen und die Bedrohung unserer Freiheitswerte durch den islamistischen Terrorismus. Die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit ist unter Berücksichtigung dieser und weiterer Aspekte fein auszutarieren, um einerseits die freiheitlichen Grundwerte nicht zu stark einzuschränken und andererseits den Sicherheitsbehörden diejenigen Instrumente an die Hand zu geben, um eben diese Freiheitswerte zu verteidigen.64

Derzeit bestehen erhebliche Unterschiede in den Polizeigesetzen. Gerade überarbeitete Gesetze enthalten die drohende Gefahr als neuen Gefahrenbegriff sowie Befugnisse zur Online-Durchsuchung, für die Quellen-TKÜ (u.a. zur Messengerüberwachung), für Meldeauflagen, Aufenthaltsgebote sowie zur Elektronischen Aufenthaltsüberwachung. Dabei geht das aktuell vorliegende BayPAG noch darüber hinaus und sieht Befugnisnormen für die Postsicherstellung, den Einsatz von Drohnen und Sprengmittel vor.65 Andere Gesetze, wie z.B. das LVwG Schleswig-Holstein, wurden letztmalig vor mehr als 10 Jahren umfassend novelliert.66 Neuere Ermächtigungen sind daher nicht enthalten und Schleswig-Holstein ist mittlerweile das einzige Land, das noch keine Regelung für den präventiven Einsatz eines Verdeckten Ermittlers vorweisen kann. In anderen Landesgesetzen fehlen hingegen grundlegende Befugnisse wie die präventive TKÜ, die Erhebung von Bestandsdaten oder von Telemediendaten.