Forensische Entomologie – Insekten als Helfer der Polizei
Früher oder später kommt jeder Polizeibeamte im Rahmen seiner Diensttätigkeit in den Kontakt mit Leichen. Opfer von Verkehrsunfällen oder Verstorbene nach Tötungsdelikten gehören für einige Mitarbeiter der Kriminalpolizei zur alltäglichen Arbeit.
6 Forensische Veterinärmedizin
Dieses Segment findet derzeit in Deutschland noch keine Anwendung, da es weniger im Fokus der Öffentlichkeit steht und sich diesbezügliche polizeiliche Ermittlungsverfahren zahlenmäßig in Grenzen halten. Durch die stetig wachsenden Populationen von Wolf und Luchs geraten diese Tierarten aber in ländlichen Regionen der Bundesrepublik zunehmend auch immer wieder in den Konflikt mit dem Menschen. Vom Jahr 2000 bis zum August 2017 wurden 24 illegale Wolfsabschüsse gezählt. Häufig werden diese Tiere erst zeitverzögert und zufällig aufgefunden und anschließend zentralisiert in das Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) nach Berlin übersandt – oft bereits in beginnenden bis fortgeschrittenen Verwesungsstadien. Ähnlich wie bei menschlichen Leichen lassen sich die Verfahrensweisen der Forensischen Entomologie auch an Tieren anwenden. Diesbezügliche praktische Erfahrungen zeigen im Übrigen auch ein weitgehend vergleichbares Artenspektrum in der Erstbesiedlung zwischen Mensch und Tier. Auch hier sind die Schmeißfliegen immer als erste Insekten vor Ort und werden später von anderen Gruppen ergänzt.
7 Asservierung forensisch-entomologischer Spuren
Im Idealfall sollte die Kommunikation zwischen Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Rechtsmedizin so reibungslos funktionieren, dass auf Anforderung zeitnah ein Forensischer Entomologe am Tat- bzw. Fundort anwesend sein kann. Somit ist es oft schon nach erster Inaugenscheinnahme und Kenntnis der ersten Ermittlungsansätze möglich, näherungsweise erste Aussagen zur Eingrenzung von Liege- und Sterbezeitraum zu bieten und ggf. weitere Ermittlungsansätze zu benennen.
Abbildung 2: Set zur schnellen Asservierung von forensisch-entomologischen Spuren (Nr. 1-3 Probegefäße leer für Asservierung von Puppenhüllen oder Puppen (Löcher im Deckel); 4-6 Probegefäße mit 70% Ethanol für Tot-Asservierung vor Ort; 7 Krepppapier zur rüttelfreien Lagerung in Nr. 1-3 oder Nr. 8; Nr. 8 Dose mit Deckel (Löcher nicht vergessen) zur Lebendasservierung von Larven mit Nahrung; Nr. 9 Dose mit Einstreu, mit Deckel (Löcher nicht vergessen) zur Lebendasservierung von Larven (nur 3. Larvenstadium) oder Puppen; Nr. 10 Fragebogen; Nr. 11 Flyer mit Asservierungsanleitung; Nr. 12 Maßstab; Nr. 13 Bleistift.
Die Anwesenheit des Entomologen vor Ort, spätestens aber zur Sektion im Institut für Rechtsmedizin, ist bei ausreichend früher Kontaktaufnahme und Beauftragung flächendeckend möglich und hat sich in unserem Berufsalltag als unproblematisch organisierbar etabliert. Sollte es nicht möglich sein, dass ein Entomologe beim „ersten Angriff“ vor Ort ist, gibt es ein einfach durchzuführendes Asservierungsprotokoll, welches von den Kriminaltechnikern angewendet werden kann, um die erste Sicherung am Tat- bzw. Fundort vorzunehmen.
7.1 Fotografische Dokumentation
Die fotografische Dokumentation vom Insektenbefall eines Leichnams sollte losgelöst von der eigentlichen Tatortfotografie in einer Art „Extrarunde“ durchgeführt werden. Der Grund dafür ist, dass der persönliche Sichtfokus eines jeden Einzelnen für bestimmte Objekte anders liegt und ansonsten ggf. relevante Informationen zur Besiedlungsdichte, räumlichen Orientierung und Zeitpunkt der Dokumentation verloren gehen oder verschwimmen. Alles Fotos sind zwingend mit einem Maßstab zu versehen! Zuerst wird auch hierbei der Leichnam in einer Übersichtsaufnahme fotografiert. Panoramaaufnahmen und sphärische Fotografie sind ebenfalls zu empfehlen, wenn die Möglichkeit dazu vorhanden ist. Im nächsten Schritt werden die Besiedlungsherde nacheinander fotografiert, beginnend am Kopf. Hierbei sollte formatfüllend fotografiert werden. Sind die einzelnen Besiedlungsherde abgearbeitet sollte auch die Umgebung des Leichnams abgesucht werden. In einer Wohnung werden evtl. bei einer bereits eingetretenen Abwanderung Ansammlungen von Fliegenpuppen in Ecken, höheren Kanten und unter Möbelstücken zu finden sein. Diese Ansammlungen sind ebenfalls einzeln zu fotografieren und ihn ihrem räumlichen Abstand zum Leichnam zu dokumentieren. Ihre Menge kann Aufschluss darüber geben, wie lange ein Leichnam schon am Auffindeort liegt.
Im Freien sollte dabei unter der aufliegenden Bodenstreu im Abstand von wenigen Zentimetern bis zu fünf Metern von Leichnam gesondert inspiziert werden, ob bereits Fliegenpuppen zu finden sind. Hierbei reichen Übersichtsaufnahmen, da eine Menge im Gegensatz zu geschlossenen Raum nicht abzuschätzen ist. Abschließend sollten „entomologisch interessante“ Details fotografiert werden (z.B. Tierkadaver in der Nähe, Komposthaufen etc.). In Zeiten der digitalen Fotografie, kann es kein „zu viel“ an Bildern geben.
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