Wissenschaft  und Forschung

Deutsche Dschihad-Bräute und IS-Kriegerinnen

Von Prof. Dr. Herbert Csef, Würzburg

6 Frauen als Motor der IS-Propaganda-Maschinerie

Eine überragende Rolle bei der Rekrutierung von Frauen für den Dschihad spielt das Internet. Die Rekrutierungsaktivitäten bei Frauen erfolgen über Facebook, verschiedene Internet-Foren, Chatrooms und über zahlreiche Propaganda-Videos, in denen das Frauenleben unter der Führung des IS glorifiziert wird14. Eine wichtige Rolle spielen hierbei bereits ausgereiste europäische junge Frauen, die als Ehefrauen von IS-Kämpfern in Syrien oder im Irak leben. In den Video-Clips gaukeln sie den ambivalenten Ausreisewilligen vor, dass sie unter den Fittichen des IS ein sorgloses Leben hätten und dass man praktisch frei wäre von den Anstrengungen und Enttäuschungen der westlichen Welt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz geht davon aus, „dass der IS gezielt talentierte Frauen dafür einsetzt, weitere Frauen anzuwerben.“

Sie erscheinen als Propagandistinnen, Organisatorinnen, Vermittlerinnen und Werberinnen. Sie versuchen quasi über eine „Dschihad-Romantik“ den Ausreisewilligen ein romantisches Liebes- und Familienleben an der Seite eines IS-Kämpfers unter der Fahne des Dschihad schmackhaft zu machen. Die jungen „Dschihad-Bräute“ sind meistens wesentlich jünger als ihre männlichen Gesinnungsgenossen: mehr als 50 % sind jünger als 25 Jahre, 15 % sind sogar minderjährig15. Da die meisten ausgereisten Frauen sehr schnell verheiratet werden und sich Frauen in den vom IS beherrschten Gebieten nicht alleine fortbewegen dürfen, gibt es sehr wenige Rückkehrerinnen.

7 Das Manifest der Al-Khansaa-Frauenbrigade


Ein wichtiger Beitrag zur Rolle der Frau im Dschihad ist ein im Jahre 2015 erschienenes Buch. Es wurde herausgegeben und kommentiert von der Islam-Wissenschaftlerin Hamideh Mohagheghi. Die Herausgeberin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für komparative Theologie und Kulturwissenschaften für die islamische Theologie an der Universität Paderborn und war Vorsitzende der muslimischen Akademie in Deutschland. Das Buch trägt den Titel „Frauen für den Dschihad. Das Manifest der IS-Kämpferinnen.“16. Es enthält eine Darstellung der Rolle der Frau im IS, wie sie von Aktivistinnen der berüchtigten IS-Frauenbrigade Al-Khansaa gesehen wird. Danach ist der Platz der IS-Frau ausschließlich im Hause und sie sei für den Nachwuchs zuständig. Dadurch erfülle sie eine wichtige Funktion für den Aufbau der neuen Gemeinschaft des IS und zähle zu den Auserwählten.

Die Islam-Wissenschaftlerin Mohagheghi konstatiert: „Das „Manifest ist sehr klug geschrieben, in einer Sprache, die junge Menschen anzieht – gezielt werden Bedürfnisse angesprochen.“ Den Inhalt sieht sie jedoch sehr kritisch: In einer oberflächlichen Dschihad-Romantik würde der Koran oft sehr tendenziös bis falsch ausgelegt. Das System der völligen Kontrolle und Unterwerfung würde verherrlicht. Falsche Versprechungen und Hass auf Andersdenkende prägten den Gesamtduktus des Manifests.

8 Dschihad-Kriegerinnen bei islamistischen Attentaten in Europa


Ein sehr aktuelles Ereignis zum Thema der Dschihad-Bräute ereignete sich im Februar 2016 in Hannover. Die 15 Jahre alte Deutsch-Marokkanerin Safia S. hat am Hauptbahnhof Hannover einen Bundespolizisten niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. Bemerkenswert ist, dass die 15-jährige Täterin seit vielen Jahren vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet wurde. Seit ihrem siebenten Lebensjahr kursierten von ihr Internet-Videos mit dem radikalen Salafisten-Prediger Pierre Vogel. Safia S. war bereits Anfang 2016 nach Istanbul geflogen, um von dort weiter zum IS nach Syrien zu reisen. Ihre muslimische aus Marokko stammende Mutter holte sie jedoch zurück nach Hannover. Vor dem Attentat gab es mehrmals Kontakte mit der Polizei wegen Safia. Der minderjährige Bruder Saleh S. ist ebenfalls in die Türkei geflogen, um sich dem IS anzuschließen. Er wurde jedoch dort von der türkischen Polizei verhaftet. Bei Safia S. konnte nachgewiesen werden, dass sie Handy- und Internetkontakt mit IS-Aktivisten hatte und sie sei persönlich bei einem Treffen mit IS-Kämpfern in Istanbul zu ihrer „Märtyrer-Operation“ aufgefordert worden. Am 20. Juli 2016 warnte die europäische Polizeibehörde Europol vor weiteren islamistischen Terroranschlägen in Europa17. Darin betonte die Behörde, dass in letzter Zeit vermehrt europäische Frauen und Minderjährige vom IS angeworben werden.

Anmerkungen

  1. Ein Grundlagenwerk zur Entwicklung und zu den Strukturen des IS liegt vor von Guido Steinberg (2015): Kalifat des Schreckens: IS und die Bedrohung durch den islamistischen Terror.
  2. Vgl. Dantschke, Claudia (2015): Weshalb der IS Mädchen rekrutiert. Interview mit Martin Steinhage. www.deutlandradiokultur.de/islamismus-expertin-dantschke-weshalb-der-is-maedchen vom 13.06.2015.
  3. Mascolo, Georg (2015): Klug, kriminell, großer Freundeskreis: So ist der deutsche IS-Kämpfer. Süddeutsche Zeitung vom 24.09.2015.
  4. Siehe Bettina Kaps (2016): Immer mehr Französinnen schließen sich IS an. Deutschlandfunk vom 26.1.2016; vgl. auch den Spiegel-Artikel über französische Dschihadistinnen: Julia Amalia Heyer (2014): Die verlorenen Kinder. Der Spiegel 45, S. 94-97.
  5. Vgl. Dantschke, Claudia (2015): Weshalb der IS Mädchen rekrutiert. Interview mit Martin Steinhage. www.deutlandradiokultur.de/islamismus-expertin-dantschke-weshalb-der-is-maedchen vom 13.06.2015.
  6. Bouzar, Dounia (2014): „Techniken, die man von Sekten her kennt“. Interview. Neue Zürcher Zeitung vom 9.10.2014.
  7. Vgl. Bouzar, Dounia (2016): Wege aus der Rekrutierungsfalle. Gehirn & Geist 29, 03.
  8. Vgl. Pressemitteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz: Jihadistinnen werben online Frauen für den sogenannten Islamischen Staat. Juli 2015. www.verfassungsschutz.de /de/aktuelles/schlaglicht/2015-07-frauen im jihad.
  9. Kasiski, Sophie/Guéna, Pauline (2015): Dans la Nuit de Daech. Confession d’une repentie.
  10. Zit. nach Kaps, Bettina (2016): Immer mehr Französinnen schließen sich IS an. Deutschlandfunk vom 26.1.2016.
  11. Zit. nach Dantschke, Claudia (2015): Weshalb der IS Mädchen rekrutiert. Interview mit Martin Steinhage (vgl. FN 5).
  12. Zit. nach Lindenau, Jan (2016): Wenn Salafisten junge Frauen für den IS begeistern. Die Welt vom 14.7.2016.
  13. Erelle, Anna (2015): Undercover Dschihadistin.
  14. Die britische Terrorexpertin Alexandra Bradford promovierte am Kings College in London über „Terrorismus, Sicherheit und Gesellschaft“ und leitet eine Forschergruppe über weibliche Radikalisierung zum Islamismus: Bradford, Alexandra (2015): Westliche Frauen für das Kalifat. DJI Impulse 1, 2015, S. 25-27; dies. (2015): Western Women Who Join the Islamic State. Terrorism Monitor, Vol XIII, Issue 9, May 1, 2015, S. 3-5; dies. (2016): Women: The new Soldiers of the Caliphate. Journal.Georgetown.Edu/Author/Alexandra-Bradford/vom 16. Febr. 2016; Hoyle, Carolyn/Bradford, Alexandra/Frenett, Ross (2015): Becoming Mulan? Female Western Migrants to ISIS. Institute for Strategic Dialogue.
  15. Angaben nach der Pressemitteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (2015): Jihadistinnen werben online Frauen für den sogenannten Islamischen Staat. Juli 2015 (vgl. FN 8).
  16. Mohagheghi, Hamideh (Hrsg.) (2015): Frauen für den Dschihad. Das Manifest der IS-Kämpferinnen.
  17. Bericht aus dem Hauptquartier von Europol in Den Haag, zit. nach Die Zeit vom 20. Juli 2016: „Terrorismus. Europol warnt vor weiteren Anschlägen in Europa“.
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