Wissenschaft  und Forschung

Deutsche Dschihad-Bräute und IS-Kriegerinnen

Von Prof. Dr. Herbert Csef, Würzburg

4 Dschihad-Ehen – Utopien und Wirklichkeit


„Es gibt fast keine Syrien-Rückkehrerinnen“ – das ist unisono die bittere Erkenntnis fast aller Deradikalisierungs- und Präventionsexperten. Die meisten deutschen Mädchen und jungen Frauen, die nach Syrien oder in den Irak zum IS gereist sind, sind für immer verloren. Eine Rückkehr in den demokratischen Westen ist fast allen verwehrt. Die Ausreise ist ein hochriskantes Himmelfahrtskommando, fast immer ohne Wiederkehr. Wie viele deutsche Frauen bislang in Syrien oder im Irak ihr Leben verloren haben, ist ungewiss und wird es wohl auch bleiben. Es gibt sehr umfangreiche Literatur von männlichen IS-Rückkehrern, jedoch bedauerlicherweise wenig von weiblichen. Mehrere deutschsprachige Bücher von männlichen IS-Rückkehrern liegen vor, jedoch kein einziges von einer Frau. Eine große Ausnahme ist das in Frankreich erschienene Buch von Sophie Kasiski. Die 34-jährige Französin war früher Erzieherin, konvertierte zum Islam und reiste von Paris aus in die IS-Hochburg Rakka. Dort lebte sei zwei Monate, die für sie so grausam, verheerend und traumatisierend waren, dass sie voller Panik floh. Über ihre Erfahrungen berichtet sie in ihrem Buch „Dans la Nuit de Daech“9. Die Erlebnisse in einem islamistischen Frauenhaus schilderte sie wie folgt: „Dort stand ein Fernseher, wo die Dauerschleife die Propagandavideos des IS liefen. Mit Enthauptungen und allen Gräueltaten, die der IS begeht. Die Kinder waren es gewohnt, diese Bilder zu sehen. Ihre Mütter beklatschten die Aufnahmen oder lachten darüber. Die Kinder waren zwischen zwei und sechs Jahre alt.“10

Für viele deutsche Frauen scheinen also weder die romantischen Liebesideale noch das gute soziale Leben im Kalifat Wirklichkeit zu werden. Im Gegensatz zu männlichen IS-Kämpfern aus Deutschland haben jedoch die Frauen praktisch keine Chance zu fliehen. Sie leben unter perfekter Kontrolle.

Die Islamismus-Expertin Claudia Dantschke betont dies in einem Interview wie folgt: „Der IS ist paranoid. Es ist ein Überwachungsstaat. Da überwacht jeder jeden. Da sind die Chancen ganz gering“11. Claudia Dantschke meint damit die Chancen einer Rückkehr oder Flucht. Der Berliner Deradikalisierungs-Experte Thomas Mücke, Geschäftsführer der Organisation „Violence Prevention Network“ unterstreicht diese Situation der gnadenlosen Auslieferung wie folgt: „Eine SMS mit dem Inhalt ‚Ich möchte hier raus‘ kann die Frau das Leben kosten“12. Es liegen Medienberichte vor, nach denen europäische Frauen nach einem Fluchtversuch hingerichtet, enthauptet oder gesteinigt wurden. Nach den Tausenden von IS-Propagandavideos im Internet sollten die deutschen Frauen in paradiesischen Zuständen leben. Nüchterne Beobachter glauben dies nicht mehr. Leider glauben es jedoch immer noch die minderjährigen Mädchen und jungen Frauen aus Deutschland, die auf die leeren Versprechungen der „Rattenfänger“ oder IS-Propagandistinnen hereinfallen und die Reise wagen. Eine Reise ohne Wiederkehr!

5 Die französische Journalistin Anna Erelle als „Undercover-Dschihadistin“


Sehr aufschlussreich ist das Buch einer französischen Journalistin, die unter dem Pseudonym Anna Erelle13 ein Buch mit dem Titel „Undercover-Dschihadistin“ veröffentlicht hat. Das Buch ist sehr schnell zu einem Bestseller in Frankreich geworden und die französische Erstausgabe hatte auf Anhieb eine Auflage von etwa 100.000. Es wurde mittlerweile in fast 20 Sprachen übersetzt. Nach Erscheinen des Buches erhielt die Autorin zahlreiche Morddrohungen, so dass sie jetzt unter geändertem Namen unter Polizeischutz leben muss. Der Untertitel des Buches lautet: „Wie ich das Rekrutierungsnetzwerk des Islamischen Staats ausspionierte“. In dem 272 Seiten langen Buch beschreibt sie einen mehrwöchigen Austausch mit einem IS-Rekrutierer, dem sie sehr geschickt zahlreiche aufschlussreiche Informationen entlockte. Ihr Informant hatte eine Führungsposition im IS und war offensichtlich sehr stark interessiert, sie zur Ausreise nach Syrien zu bewegen und sie dort zu heiraten. Die Journalistin hat die umfangreiche Internet-Korrespondenz gespeichert und in wörtlichen Zitaten veröffentlicht. Sie wollte ja undercover IS-Rekruteure ködern und deren Verführungs- und Lockstrategien ausspionieren.

Dabei ist ihr ein ganz großer Fisch ins Netz gegangen: der Franzose Abu Bilel al Faransi, die rechte Hand des IS-Chefs Al Bagdadi, der für die US-Regierung der gefährlichste Verbrecher weltweit sein soll. Bilel vertraute im Verlauf des Austausches der Journalistin an, dass er seit dem Jahre 2002 radikalisierter Guerilla-Kämpfer ist, zuerst im Irak, dann in Afghanistan, Pakistan, Libyen und später in der Türkei gekämpft habe, bis er sich schließlich dem IS angeschlossen habe. Das Werben um seine Dschihad-Braut in spe hört sich in den Worten von Abu Bilel wie folgt an: „Ich liebe dich für und vor Allah. Du bist mein Juwel und der Islamische Staat ist dein Haus. Gemeinsam werden wir unsere Namen in der Geschichte verewigen, indem wir Stein auf Stein eine bessere Welt aufbauen.“ Er vertraut der „begehrten Konvertitin“ auch an, dass die IS-Kämpfer europäisch sozialisierte Frauen bevorzugen würde, da diese oft ausgeprägter religiös motiviert seien und auf die sexuellen Bedürfnisse des Mannes besser eingehen würden als syrische Frauen, die sich damit begnügen, einfach einen Schleier zu tragen. Er wird dann konkreter und versichert ihr, sie dürfe auch Reizwäsche unter ihrem Hijab tragen, das sei alles kein Problem, und sie möge bitte bei ihrer Ausreise Reizwäsche mitbringen, weil diese in Syrien nicht zu kaufen sei.

Es ist durchaus nachvollziehbar, dass Abu Bilel höchst verärgert war, als er dies alles in der französischen Erstausgabe nachlesen konnte. Die wiederholten Todesdrohungen und Video-Aufrufe, diese Journalistin zu töten, sind der hohe Preis für dieses Buch.