Handschuhspuren

Ein oft genutzter Schutzartikel rückt in den Fokus der kriminaltechnischen Untersuchung


Von Dipl. Ing. Matthias Braune, Sachverständiger für Technische Formspuren im LKA Bremen

Fortsetzung der Ausgabe 4/2016

3.2. Lederhandschuhe

In diesem Materialgebiet werden Glatt- wie auch Raulederhandschuhe zusammengefasst. Anhand des Narben- und Porenbildes in der Lederoberfläche, lassen sich Lederarten grundsätzlich unterscheiden, wenn diese im Abdruck sichtbar werden.

Durch die in den letzten Jahren verfeinerten Herstellungstechniken, zählen nun auch die gepressten bzw. geprägten Lederwaren dazu. Die Lederhersteller versuchen mittlerweile vermehrt durch Prägen minderwertiger Lederschichten hochwertige Lederoberflächen zu erzeugen. Der bisherige Grundsatz „Leder ist immer einmalig“, welcher auch für Handschuhe galt, ist meiner Ansicht nach, zumindest für Massenhandschuhe inzwischen überholt. Hier ist der Sachverständige gefordert, nähergehende Informationen zu ermitteln.
Da Lederhandschuhe jedoch aus Einzelteilen vernäht werden müssen, wobei es dabei zu unterscheidbaren Nahtstellen und Oberflächenpartien kommt, ergibt sich hier jedoch immer noch eine gute Identifizierbarkeit. Es sei auch erwähnt, dass selbst Spuren von Raulederhandschuhen ohne Weiteres einem bestimmten Handschuh zugeordnet werden können, auch wenn aufgrund der eher unstrukturiert anmutenden Oberflächen eine Identifizierung erst einmal verwegen erscheinen sollte. Versuche mit kurzflorigen Handschuhoberflächen ergaben hier erstaunliche Ergebnisse.

3.3. Tauchformenhandschuhe

Zu diesen Handschuhen zählen die Einmal- und Haushaltshandschuhe, die durch Tauchverfahren hergestellt werden.
Im Klartext bedeutet dies, dass Tauchformen (meist aus Keramik nachgebildete Hände) in Bäder mit flüssigem Kautschuk, Nitril oder Vinyl getaucht und anschließend ausgehärtet werden.
Durch Gespräche mit ausländischen Herstellern konnte ich in Erfahrung bringen, dass die Oberfläche jeder einzelnen Tauchform einmalig ist und sich zudem die Tauchformen durch chemische Prozesse während hintereinander ablaufender Herstellungsprozesse immer weiter verändern, was für den Beweiswert einer mit solchen Handschuhen gelegten Spur, im Gegensatz zu vorherigen Annahmen, große Auswirkungen hat.
Einmalhandschuhe sind zwar noch immer Massenware, der individuelle Charakter hat sich jedoch mit den neuen Erkenntnissen um ein Vielfaches erhöht, so dass bei üblichen Verfahrensweisen und Produktionsmengen nur in ca. jedem einhundertsten Pappkarton mit 100 Handschuhen ein nahezu gleicher Handschuh zu finden sein dürfte. Dies lässt sich daraus ableiten, da es Produktionslinien gibt, die mit rund 10.000 Tauchformen pro Maschine bestückt sind und max. 20.000 oberflächengleiche Handschuhe über einen Zeitraum von 2 Jahren herstellen können (Gesamtproduktion einer Anlage in dieser Zeit also ca. 200 Millionen Handschuhe), bis alle Tauchformen ausgetauscht werden müssen.

Abb.5 : TauchformenhandschuhAbb.6 : Endgliedabdruck eines
Einmalhandschuhes

Würde man allein mit den Produktionszahlen der zwei größten malaysischen Hersteller mit einer Gesamtproduktionsmenge von ca. 121.2 Billionen Tauschformenhandschuhen in zwei Jahren rechnen, würde die Möglichkeit bzw. Häufigkeit zwei oberflächenmustergleiche Handschuhe gleichzeitig vorliegen zu haben im mehrfachen Millionenbereich liegen. Dabei ist die Veränderung der Tauchformen durch chemische Einwirkung noch nicht einmal berücksichtigt.
Um hier jedoch genauere und verlässliche Wahrscheinlichkeitswerte festlegen zu können, bedarf es weiterer Untersuchungen und Erhebungen aus den asiatischen Produktionsstätten unter Berücksichtigung der Zulieferwege nach Deutschland bzw. Europa.
Die Zuordnung zwischen einer Spur und einem vorliegenden Handschuh erfolgt grundsätzlich über die Oberflächenstruktur. Bei Einmalhandschuhen aus Nitril kommt jedoch noch eine weitere Komponente hinzu. Durch die üblicherweise sehr enge und zudem manuell durchgeführte Verpackungsweise, bilden sich in der Nitrilschicht Knicke, die an vielen Stellen auch noch beim Aufziehen auf die Hand sichtbar sind. Diese individuellen Knicke bilden sich auch in mit diesen Handschuhen erzeugten Spuren ab und können zur Identifizierung herangezogen werden.
Bei Untersuchungen von Spuren die mit Vinylhandschuhen erzeugt wurden ist aufgefallen, dass das sehr weiche und dünne Handschuhmaterial sogar die Papillarlinien durchdrücken lässt und somit auch daktyloskopische Untersuchungen möglich sind. Eigene Versuche in Zusammenarbeit mit der Daktyloskopie, führten hierbei zu Identifizierungen des Verursachers.
Zu den Tauchformenhandschuhen zählen auch die sogenannten Reinigungs- und Haushaltshandschuhe. Die Herstellung erfolgt wie bei den Einmalhandschuhen, nur ist die Beschichtung durch wiederholte Tauchvorgange dickwandiger. Wer denkt, dass Täter niemals derartige Handschuhe bei der Tatausführung tragen, dem sei gesagt, dass er sich irrt. Spurenbilder von Haushaltshandschuhen gehören in der polizeilichen Praxis zur Normalität.
Haushaltshandschuhe weisen üblicherweise einen besseren Halt oder im Fachjargon ‚Grip‘ auf, der durch die besondere Profilierung der Griffflächen erreicht wird. Die Oberflächenstruktur ist darüber hinaus auch sehr widerstandsfähig, was für den forensischen Sachverständigen jedoch einen Nachteil darstellt, da gebrauchsbedingte Oberflächenveränderungen oftmals unterbleiben und das Ausbilden einer individuellen Struktur erschwert wird.
Neben den Haushaltshandschuhen gibt es auch spezielle Chemieschutzhandschuhe, die nach gleicher Herstellungsweise produziert werden. Hier werden jedoch andere Handschuhmaterialien wie z.B. Chloropren-, Butyl- oder Fluor-Kautschuke verwendet, die im Detail andere Oberflächenstrukturen aufweisen können.

3.4. Getauchte Textilhandschuhe

Abb.8 : Strickliner mit Nitrilbeschichtung

Neben den unter 3.1 genannten reinen Textilhandschuhen, gibt es Textilhandschuhe die mit speziellen Beschichtungen versehen werden, um verschiedene Eigenschaften (z.B. Greifverhalten, Beständigkeit, Sicherheit) zu verbessern. Neben Handschuhbeschichtungen aus Naturkautschuk gibt es auch diverse Kunststoffüberzüge für die unterschiedlichsten Handschuharten. Sie reichen von tauchbeschichteten Textilhandschuhen mit Überzügen aus Nitril, PU, PVC, PVA, Vinyl, Butyl, Fluor und Chloropren.
Je nach Materialdicke und Beschichtungsweise, ergeben sich in Kombination mit dem Textilliner einmalige Handschuhoberflächen. Bei sehr dünnwandig beschichteten Handschuhen kommt es bei Gebrauch häufig zu trägerabhängigen Rissen der Beschichtung und damit wiederum zur Bildung weiterer individueller Strukturen.
Um das Grip-Verhalten der Handschuhe zu verbessern, erzeugen viele Hersteller sogenannte mikroporöse bzw. mikrostrukturierte Oberflächen. Diese können unter anderem durch aufschäumende Materialien, weitere Tauchvorgänge in strukturerzeugenden Chemikalien, physikalische Einwirkungen, Einbinden von geringvoluminösen Feststoffen oder auswaschbaren Kristallen erzeugt werden.
Jeder so erzeugte Handschuh verfügt über eine individuelle Oberflächenstruktur, d.h. jeder dieser Handschuhe ist einmalig und so können damit erzeugte Spuren bei guter Darstellung auch ohne Weiteres einem bestimmten Handschuh zugeordnet werden.

3.5. Noppenhandschuhe

Abb.9 : Strickliner mit PVC Rundnoppenbeschichtung

Hierbei handelt es sich in der Regel um Textilhandschuhe die partiell mit Kunststoffkleinflächen versehen werden. Die Rede ist von so genannten ‚Noppenhandschuhen‘, die im Handel unter Garten-, Arbeits-, Grip-, oder Freizeithandschuhen angeboten werden. Bei den Noppenhandschuhen werden grundsätzlich zwei Herstellungsverfahren unterschieden:
Noppensiebdruck (hier wird auf einen fertigen Textilhandschuh noch eine zusätzliche Noppenstruktur durch Siebdruckverfahren aufgebracht, siehe Abb. 9) und
Noppengewebedruck (auf Textilbahnen werden Noppen aufgebracht, die nach einem Zuschnitt mit anderen Textilflächen zu einem fertigen Handschuh vernäht werden).

Auch diese Handschuhe verfügen über eine einmalige Oberfläche bzw. werden durch das Vernähen und damit entstehenden besonderen Kantenbereichen zu individuellen Handschuhen.

3.6. Folienhandschuhe

Einmalhandschuhe aus Polyethylen sind für nicht-klinische Tätigkeiten gedacht und werden hauptsächlich für den Lebensmittelbereich verwendet. Die Herstellung erfolgt durch das Übereinanderlegen zweier PE-Folien und anschließendem Folienschweißen in Handform mit gleichzeitiger Durchtrennung. Für die forensische Arbeit spielen sie jedoch eine eher untergeordnete Rolle, da ein Tragen bei der Tatausübung äußerst selten ist.

3.7. Multiflächenhandschuhe

Abb.10 : Multiflächenhandschuh

Es drängen derzeit immer mehr Handschuhe auf den Markt, die auf der Handschuhinnenfläche, Fingerinnenseite oder dem Handschuhrücken eine oder mehrere vernähte Flächenwaren aufweisen. Diese Flächen sind oft aus Leder, Kunstleder, geprägten Kunststoffen oder Naturkautschuk. Es gibt dabei Flächen, die in die passende Form gegossenen oder gespritzt werden und Flächen, die natürlich gewachsen oder flächengeprägt sind und anschließend ein passendes Teilstück aus dieser Fläche gestanzt oder geschnitten wird.
Bei der Beurteilung durch den Sachverständigen sind die eben genannten Herstellungsarten zu berücksichtigen, da der individuelle Charakter hiervon abhängt. Nicht zu vernachlässigen sind hier jedoch wieder die erzeugten Nähte, da sie in der überwiegenden Anzahl freihand erzeugt werden und damit eine individuelle Ausprägung beinhalten.

3.8. Zusammenfassung

Das vorher aufgezeigte Bildmaterial gibt nur einen kleinen Einblick der auf dem Markt erhältlichen Handschuhe und dient nur als beispielhafte Darstellung. Jede Saison halten anders geartete Handschuhe Einzug in den Verkauf. Messen wie die A+A in Düsseldorf, Interschutz in Hannover oder die ISPO in München geben einen guten Überblick der auf dem deutschen Markt zukünftig erhältlichen Handschuhe und bieten Kotaktmöglichkeiten insbesondere zu asiatischen Herstellern, die weltweit fast die gesamte Handschuhherstellung übernommen haben.
Die Vielzahl unterschiedlicher Handschuharten und –materialien ist ursächlich für den Umfang dieses Fachgebietes, machen aus kriminaltechnischer Sicht aber auch den Reiz für einen Kriminaltechniker aus. Um jedoch Handschuhspuren beurteilen zu können, benötigt der Sachverständige für Technische Formspuren u.a. nun auch gute Kenntnisse in der Textil- und Lederkunde, die im Rahmen der Sachverständigenausbildung beim BKA vermittelt werden.

4. Handschuhspuren


Die Handschuhart und das Handschuhmaterial an sich sind das Eine, der mit dem Handschuh erzeugte Abdruck (oder im besonderen Fall auch Handschuhspureneindruck) eine ganz andere Sache. Grundvoraussetzung dabei ist, wie bei allen anderen Spurenarten auch, die Handschuhspur zu finden, als Handschuhspur zu erkennen, diese sichtbar zu machen und zudem noch eine schonende und erfolgversprechende Spurensicherungsmethode zu wählen. Hier fehlt es bundesweit noch an geeigneter Ausbildung für die Spurensicherungskräfte, was aber im Laufe der nächsten Zeit durch die fachverantwortlichen Sachverständigen nachgeholt werden soll. Vorab kann jedoch dazu geraten werden, Handschuhspuren wie Schuhabdruckspuren mit Gelatinefolien zu sichern und in den Fototechniklaboren abfotografieren zu lassen. Diese Spurensicherungsmethode bietet üblicherweise die höchste Qualität. Eine weitere gute Spurensicherungsmethode stellt das DLK/DPLK-Verfahren (Dust-Print-Lifter-Kit) dar.

5. Polizeilicher Umgang mit der Materie


Neben der Spurensicherung, die wie bereits erwähnt gehalten ist Handschuhspuren am Tatort zu sichern, sind zudem die polizeilichen Einsatzkräfte gefragt, die neben der Sicherung von Schuhen, auch vom Täter mitgeführte Handschuhe sicherstellen sollten. Eine Sicherung von Handschuhspuren am Tatort macht nämlich nur dann Sinn, wenn auch Handschuhe zur kriminaltechnischen Untersuchung eingereicht werden. Der Aufwand des Ermittlers hält sich beim Thema Handschuhe in Grenzen, bietet aber eine weitere Möglichkeit eine Verbindung zwischen Täter und Tatort herzustellen, die aus forensischer Sicht nicht ungenutzt bleiben sollte.
Die Statistiker, die sich jetzt fragen wie häufig denn momentan in ihrer polizeilichen Praxis Handschuhspuren anfallen, sollten zuallererst eruieren, ob die Spurensicherung in der Lage ist Handschuhspuren in jedem Fall zu erkennen, ob in ihrem Bereich überhaupt Handschuhspuren gesichert wurden und ob Einsatzkräfte am Tatort, mit dem Wissen das der oder die Täter Handschuhe getragen, auch spurensichernde Maßnahmen eingeleitet haben.
In Erfahrung zu bringen ist auch, in welchem Maße Tatorte mit daktyloskopischen Spuren in den letzten Jahren im Vergleich zu der Gesamtzahl der gemeldeten Tatorte zurückgegangen sind und wie viele Täter mittlerweile Handschuhe zur Vermeidung von Fingerspuren getragen haben müssen. Es wäre bei Nichtberücksichtigung dieser Kennzahlen ansonsten eine äußerst unsachgemäß geführte Darstellung eines Häufigkeitswertes. Meiner Ansicht nach, ist die Dunkelziffer von Tatorten mit Handschuhspuren den Tatorten mit daktyloskopischen Spuren mittlerweile nahezu gleichzusetzen. Videoaufnahmen bei Tatbegehungen und der Anstieg von Handschuhspuren an Tatorten in Bremen untermauern diese These.
Im Jahr 2007 wurden in Bremen nur an 49 Tatorten Handschuhspuren gesichert. Nach Hinweisen einer Auswertbarkeit von Handschuhspuren steigt die Zahl in der Hansestadt stetig an, so dass im Jahr 2015 bereits an 471 Tatorten Handschuhspuren gesichert wurden. Als ‚nicht auswertbar‘ deklarierte Handschuhspuren sind in diesen Zahlen nicht inbegriffen.

Das Fachgebiet der Handschuhspuren befindet sich rein kriminaltechnisch zwar noch in den ‚Kinderhandschuhen‘, wird aber sicher in den nächsten Jahren zu einem Fachgebiet mit fundiertem und empirisch hinterlegtem Wissen heranwachsen.