Polizei

Der Einsatzabschnitt „Folgemaßnahmen“ in BAO-Lagen

3.1 Gefangenensammelstellen (GeSa)

Die Planung einer GeSA ist vorrangig bei Zeitlagen relevant. Im Falle von ad hoc-Lagen könnte sie im späteren Verlauf des Einsatzes allerdings durchaus Bedeutung erlangen. An GeSa sind – wie auch an die Gewahrsamsräume der AAO – hohe Ansprüche zu stellen. Grundsätzlich sollte bei der Suche nach GeSa-Räumen vorrangig geprüft werden, ob die bei den Dienststellen bereits vorhandene Gewahrsamslogistik genutzt werden kann. Dabei sind gewisse Trennungsgebote zwingend zu beachten: Vorläufig Festgenommene und Ingewahrsamgenommene; Männer und Frauen13; Erwachsene und Kinder/Jugendliche14 sowie Störer rivalisierender Gruppierungen. Letzteres ist schon deshalb taktisch geboten, um ein Aufeinandertreffen der Sympathisanten rivalisierender Parteien vor dem Gewahrsamsgebäude zu verhindern. Somit ist regelmäßig die Einrichtung mehrerer GeSa-Standorte zu prüfen.

3.2 Gefangenentransport

Gefangenentransportkapazitäten bemessen sich nach den Entfernungen zur GeSa, nach der Anzahl erwarteter Störer oder Gefangener, nach der potentiellen Gefährlichkeit dieser Personen und nach der Wahrscheinlichkeit von Befreiungsversuchen15. Bei entsprechenden Erkenntnissen müssen Transporte ggf. zusätzlich durch Begleitfahrzeuge gesichert werden. Auch wenn die Fahrten grundsätzlich so kurz wie möglich dauern sollten, sind ggf. nicht die kürzesten – vom Störer ausrechenbare – Wege zu nutzen. Das EA-Konzept muss zahlreiche weitere Aspekte erfassen bzw. regeln: Wer ist am besten für die Transporte von gewaltbereiten Störern geeignet? Welche Bereithalteorte sollten Transportfahrzeuge einnehmen? In welcher Zeit können die Aufnahmeorte erreicht werden? Die Schnelligkeit von Gefangenentransportern kann in hohem Maße entscheidend für die Bereinigung eskalierender Szenarien sein und damit einen wichtigen Anteil am Erfolg des polizeilichen Gesamteinsatzes nehmen.

3.3 Ermittlungen

Hier sind insbesondere folgende Fragen zu beantworten: Welches Personal ist einzusetzen, welches eher nicht? Welche räumlichen Kapazitäten werden benötigt, mit welcher Büroausstattung? Welche Entfernung dieser Räume zur GeSa ist (noch) vertretbar? Können vorhandene Räume für ED-Maßnahmen genutzt werden oder bedarf es provisorischer Lösungen? Welche Kommunikationsmöglichkeiten sind unabdingbar? Wo sind Datenabfragen möglich, wo Asservatensammelstellen? Welche Räume brauchen Staats-/Rechtsanwälte und Richter? Welche EA-internen Reserven sind geboten?16

4 Logistische Dimensionen


Die vorangegangenen Ausführungen haben bereits die enormen Planungsdimensionen für den EA Folgemaßnahmen angedeutet. Bei weitem nicht alle denkbaren Facetten lassen sich in einem Kurzbericht erfassen, geschweige denn ausgiebig beleuchten. Bestenfalls kursorisch sei deshalb an dieser Stelle auf einige besondere Problemstellungen hingewiesen:
Selbst eine solide Kapazitäten-Planung auf Basis einer sorgfältigen Lagebeurteilung wird im Einzelfall nicht immer verhindern können, dass es bei Masseningewahrsamnahmen17 und der anschließenden Einlieferung/Aufnahme/Abarbeitung in die GeSa zu Zeitverzögerungen kommt. In der Folge sind dann individuelle Beschwerden bis hin zu verwaltungsgerichtlichen Überprüfungen oder eine für die Polizei ungünstige Medienberichterstattung „zu ertragen“.
Die Erfahrungen zeigen immer häufiger, dass mit gezielten Ausspähungen oder anderen Aktivitäten gegen Einrichtungen und Maßnahmen der Polizei zu rechnen ist. Hiervon waren in der Vergangenheit öfter auch Gewahrsamseinrichtungen betroffen. Die Motivation der Störer dürfte vielfältig sein: Sympathiebekundungen für gefangene Anhänger des eigenen Lagers, Attackieren vermeintlich weniger gut geschützter Surrogatziele, Auseinanderziehen der Polizeikräfte, Austesten der polizeilichen Reaktionsfähigkeit oder die Lust auf ein Kräftemessen mit der Staatsgewalt, was bei manch jungen Menschen geradezu Event-Charakter hat.
Der EA Folgemaßnahmen hat sicherzustellen, dass alle Transportierten eindeutig erfasst sind, dass Personenübergaben jederzeit rechtssicher dokumentiert sind, dass abgenommene Gegenstände individuell zuzuordnen bleiben und – sofern sie nicht der Beweissicherung oder Einziehung unterliegen – zügig wieder ausgehändigt werden können.
Jegliche polizeiliche Freiheitsentziehung steht unter Richtervorbehalt18. Gerade für BAO-Lagen, bei denen mit einer erhöhten Zahl von Gefangenen zu rechnen ist, muss der reibungslose und zügige Kontakt zum Ermittlungsrichter organisatorisch sichergestellt sein. Gleiches gilt für die zuständige Staatsanwaltschaft. Jedem Gefangenen muss – technisch/logistisch – die Möglichkeit eingeräumt werden, in vertretbarer Frist Kontakt mit Angehörigen oder einem Rechtsbeistand aufzunehmen. Die zuweilen provisorisch erscheinenden Strukturen oder Räumlichkeiten einer GeSa ändern keineswegs etwas daran, dass ein Kontakt zwischen Gefangenem und Rechtsanwalt nur über ein geordnetes Mandat erfolgen darf.
Die Beurteilung der Lage muss die mögliche oder erwartete Dauer freiheitsentziehender Maßnahmen umfassen. Unter Umständen sind Gefangene zu verpflegen, in jedem Fall sind aber Entsorgungseinrichtungen für sie bereitzuhalten. Auch an scheinbar banale Dinge wie Ersatzkleidung für die Gefangenen könnte zu denken sein. Sie wird beispielsweise nötig, wenn der Ingewahrsamgenommene als durchnässter Betroffener eines Wasserwerfer-Einsatzes in die GeSA eingeliefert wird. Zuweilen muss auch die am Leibe getragene Bekleidung als Spurenträger sichergestellt und durch Ersatz bedient werden. Verletzte Personen bedürfen einer angemessenen ambulanten medizinischen Versorgung. Generell muss für die GeSa-Insassen die Haftfähigkeit festgestellt werden. Die Fülle unterschiedlicher Aspekte macht deutlich, dass das eingesetzte Personal – allen voran die Leitung – des EA Folgemaßnahmen über hinreichende Erfahrungen in diesem besonderen Arbeitsfeld verfügen muss. Die Palette möglicher Planungs- und Führungsfehler erscheint ebenso breit, wie die Angriffsfläche für Beschwerden und Kritik an der Polizei und dem Polizeieinsatz.