Aus für die Rocker-Kutten?
Auswirkungen der jüngsten Änderung des Vereinsgesetzes
3 Änderung des Vereinsgesetzes
Dem tritt der Gesetzgeber nun entgegen. Bereits nach der bisher geltenden Rechtslage war das öffentliche Verwenden von Kennzeichen eines verbotenen Vereins strafbar. Die Schwierigkeit für das polizeiliche Einschreiten ergab sich jedoch daraus, dass bereits für den Laien kaum bemerkbare Abwandlungen – insbesondere die Verwendung einer anderen Ortsbezeichnung – dazu führten, dass eine Strafbarkeit nicht mehr gegeben war, weil eben nicht genau das Kennzeichen des verbotenen Ortsvereins gezeigt wurde.
Mit der in Kraft getretenen Änderung des Vereinsgesetzes wird nunmehr auch das Verwenden von zum Verwechseln ähnlichen und im Wesentlichen ähnlicher Kennzeichen verbotener Vereine unter Strafe gestellt (§ 20 Abs. 1 Satz 2 VereinsG). Außerdem stellt der neue Gesetzeswortlaut des § 9 Abs. 3 VereinsG klar, dass Kennzeichen eines (nicht verbotenen) Vereins oder einer nicht verbotenen Teilorganisation insbesondere dann einem Kennzeichen eines verbotenen Vereins als im Wesentlichen gleich anzusehen sind, wenn bei ähnlichem äußeren Gesamterscheinungsbild das Kennzeichen des verbotenen Vereins oder Teile davon mit einer anderen Orts- oder Regionalbezeichnung versehen sind. Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage kommt es auch nicht mehr darauf an, dass dieser andere Verein die Zielrichtung des verbotenen Vereins teilt.
Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG ist wie bisher – neben anderem – das öffentliche Verwenden von Kennzeichen verbotener Vereine strafbar, deren Verbot deswegen ausgesprochen wurde, weil die Vereinigung von ihrem Zweck oder ihrer Tätigkeit her darauf gerichtet ist, den Strafgesetzen zuwiderzulaufen. Daher ist auch das öffentliche Verwenden von – einzelnen – Kennzeichen verbotener Rockergruppierungen strafbar. Das Verwenden dieser Kennzeichen war nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 2015 regelmäßig nur strafbewehrt, wenn sie dem Kennzeichen der verbotenen Organisation vollständig entsprachen. Waren sie hingegen nur in den wesentlichen Merkmalen identisch, trugen jedoch eine andere Ortsbezeichnung, war die Verwendung aufgrund § 9 Abs. 3 VereinsG zwar ebenfalls verboten, weil es jedoch an einer darauf bezogenen Strafnorm fehlte, konnte eine Verurteilung nicht erfolgen. Diese in der Praxis häufig schwer erträgliche Konsequenz ist durch die jetzt erfolgte Gesetzesänderung ausgeräumt.
Das Verbot für das Verwenden im Wesentlichen gleicher Formen von Kennzeichen verbotener Vereine greift vor allem, wenn identische „Top Rocker“ oder „Center Patches“ eines verbotenen Vereins verwendet werden. Es gilt aber auch, wenn die verwandten Kennzeichen mit denjenigen des verbotenen Vereins zwar nicht identisch, jedoch in markanten Merkmalen ähnlich sind, etwa in der Größe oder Farbe des Schriftzuges oder in der Umrissgestaltung des gesamten Patches oder eines markanten Details eines Patches. Im Ergebnis kommt es auf ein ähnliches äußeres Gesamterscheinungsbild an.
4 Fazit
Durch die Gliederung in zahlreiche Ortsvereine – trotz des empfundenen übergreifenden Zusammengehörigkeitsgefühls –, die vereinsrechtlich grundsätzlich selbständig zu betrachten sind, führten auch spektakulärere Verbote der Vergangenheit (hervorzuheben ist sicherlich noch immer das Verbot des „Mongols MC Bremen“ durch den Senator für Inneres im Jahr 2011, das letztlich durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt wurde, obwohl in jenem Verfahren abweichend zur sonst üblichen Praxis keinem einzigen Vereinsmitglied auch nur eine vereinsbezogene Straftat individuell zugeordnet werden konnte, die Ermittlungen aber den Beweis ermöglichten, dass bestimmte Straftaten von namentlich nicht ermittelten Vereinsmitgliedern begangen worden waren) nicht dazu, dass die OMCG im Bundesgebiet insgesamt aus dem öffentlichen Raum gedrängt werden konnten.
Die Änderung des Vereinsgesetzes bedeutet nunmehr demgegenüber faktisch ein deutschlandweites Verbot der Kennzeichen der weltweit bekannten Outlaw Motorcycle Gangs, da von den „großen“ Organisationen Hells Angels MC, Bandidos MC, Mongols MC und Satudarah MC, sowie ihren Unterstützergruppierungen Chicanos MC und Red Devils MC, aber auch eher auf Europa (Gremium MC) oder Deutschland (Schwarze Schar Wismar) beschränkten Vereinen zwischenzeitlich jeweils mindestens ein Ortsverein in Deutschland verboten wurde. Damit ist Deutschland das erste westliche Land, in dem das öffentliche Zeigen von Kennzeichen solcher OMCG insgesamt strafbar ist. Zwar haben die beiden großen Gruppierungen Hells Angels MC und Bandidos MC – der häufig mit Waffengewalt ausgetragenen Rivalität zum Trotz – angekündigt, gemeinsam Verfassungsbeschwerde gegen die Neufassung des Vereinsgesetzes einzulegen, doch ist davon auszugehen, dass von möglichen vereinzelten Provokationen abgesehen die Anhänger dieser OMCG bis auf weiteres ihre Abzeichen nicht mehr zeigen werden.
Es wäre natürlich naiv zu glauben, dass dieses Kennzeichenverbot dazu führt, dass auch die mit Outlaw Motorcycle Gangs verbundene Kriminalität vollkommen verschwindet. Den Angehörigen dieser Rockergruppierungen wird mit dem Verbot ihrer Kutten jedoch ein Instrument zur Demonstration von Stärke genommen und dem Eindruck eines außergesetzlichen Machtfaktors entgegengewirkt. Außerdem führt die Verbannung der entsprechenden Symbole aus dem öffentlichen Raum auch zur Entmystifizierung dieser Gruppierungen, die damit möglicherweise auch weniger anziehend auf orientierungs- und zusammengehörigkeitssuchende Jugendliche sein werden.
Die auf den ersten Blick unscheinbare Änderung des Vereinsgesetzes hat damit eine strategische Bedeutung für die Kriminalitätsbekämpfung. Es ist jetzt Aufgabe der Polizeibehörden, diese auch kompromisslos durchzusetzen.
Anmerkungen
Prof. Dr. Heinke ist Senatsrat und Leiter des LKA Bremen. Der Verfasser war an dem Gesetzgebungsverfahren durch eine Anhörung als Sachverständiger durch den Innenausschuss des Deutschen Bundestages beteiligt.
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