Kriminalität

Grundlagen der kriminalistischen Tatortarbeit

2 Begriffe

Auf eine ausführliche Beschreibung und Diskussion verschiedener Definitionen wird an dieser Stelle verzichtet.12 Lediglich die Begriffe Tatort und Ereignisort sollen kurz dargestellt werden.

Auf folgende Definition des Tatortes wird Bezug genommen: „Ein Tatort im kriminalistischen Sinn ist jeder Ort, an dem der Täter vor, während und nach der Tat solche materiellen und/oder ideellen Veränderungen verursacht hat, die zur Täterermittlung und Beweisführung beitragen können. Der Ort, an dem die Tatbegehung erfolgt ist, wird als kriminalistischer Tatort im engeren Sinn betrachtet. Als kriminalistischer Tatort im weiteren Sinn gilt jeder Ort, der einen Bezug zur Tat aufweist (Zu- und Abgangswege, Vorbereitungsorte, Verbergungsorte, Verbringungsorte). Dieses funktionale Konzept des Tatortes im kriminalistischen Sinn ermöglicht es, auch die Informationen von Orten strafloser Vor- und Nachtathandlungen (z.B. durch Zeugenaussagen, verlorene Gegenstände, Fluchtfahrzeug) in die Ermittlungen einzubeziehen. Von den materiellen und ideellen Widerspiegelungen am Tatort lassen sich kriminalistisch verwertbare Erkenntnisse ableiten…“13

Neben dem Tatort ist für die praktische kriminalistische Tätigkeit der Ereignisort von Bedeutung. Unter dem Ereignisort ist ein Oberbegriff zur Kennzeichnung eines Raumes oder Ortes zu verstehen, in dem sich ein kriminalistisch relevantes Ereignis oder ein die öffentliche Sicherheit beeinträchtigender Sachverhalt ereignete oder gegenwärtig stattfindet. Der Begriff gibt seinem Wesen nach nur eine allgemeine inhaltliche Charakterisierung derartiger Örtlichkeiten und sollte dann verwendet werden, wenn die konkrete Situation, die Art oder der spezifische Charakter der Handlung bzw. des Geschehens noch nicht eindeutig bestimmt werden können.14 Der Begriff des Ereignisortes hat den Vorteil, dass ein zunächst unklares Ereignis geprüft werden kann, um die strafrechtliche Relevanz festzustellen.15

Weitere Orte sind Fundorte, Feststellungsorte, Einsatzorte, Brandorte, Unfallorte.16 Eine Differenzierung durch die konkrete Bezeichnung des jeweiligen Ortes ist deshalb von Bedeutung, da der spezifische Charakter des Ereignisses so von vornherein sichtbar wird. Dies ermöglicht von Beginn an die Durchführung zielgerichteter Ermittlungshandlungen. Damit kann eine Effektivitätssteigerung der Untersuchungshandlungen (z.B. Einleitung von Maßnahmen aufgrund von Standardversionen zum Auffinden von Leichen oder zur Brandentstehungsursache) erreicht werden.

In den weiteren Ausführungen wird der Begriff des Tatortes verwendet, unabhängig davon, ob es sich beim zu untersuchenden Sachverhalt tatsächlich um den Verdacht einer Straftat (Tat) handelt oder der Sachverhalt (Ereignis) noch nicht eindeutig charakterisiert werden kann.

Die Tatortarbeit kann als „zusammenfassende Bezeichnung für die kriminalistische Tätigkeit am Tatort während des Ersten Angriffs“17 bezeichnet werden. Es sollen Anhaltspunkte über zeitliche und örtliche Faktoren, die Begehungsweise, Motive, Folgen und Auswirkungen einer strafbaren Handlung gewonnen, festgelegt und ausgewertet werden. Sie ist für die Suche und Sicherung von Spuren und Beweisen, für die Feststellung von Zeugen, die Rekonstruktion des Tatgeschehens und die Vorbestimmung für weitere Ermittlungshandlungen von Bedeutung. Damit wird deutlich, dass es sich bei der Tatortarbeit nicht um eng begrenzte Ermittlungshandlungen von Spezialkräften handelt, sondern „um ein komplexes, in sich strukturiertes Handlungsgefüge, das sich in spezifischer Weise in den typischen Ermittlungsablauf einordnet“18 und auch einsatztaktische Aspekte enthält, die hier aber nicht näher beschrieben werden.

3 Das kriminalistisch relevante Ereignis

3.1 Allgemeine Aspekte des kriminalistisch relevanten Ereignisses

Das kriminalistisch relevante Ereignis19 ist gekennzeichnet durch:

  • Örtliche Komponenten:
    Unter örtlichen Komponenten sind die räumlichen Grenzen des Ereignisbereiches zu verstehen. Zu den örtlichen Komponenten gehören neben den eigentlichen Tatortbereich, auch der Fundort, Zu- und Abgangswege, die räumliche Ausdehnung des Wahrnehmbarkeitsbereiches. Alle diese Aspekte sind in Abhängigkeit vom jeweiligen Ereignis zu berücksichtigen.
  • Zeitliche Komponenten:
    Die zeitlichen Komponenten eines Ereignisses beziehen sich insbesondere auf den Ereigniseintritt (Tatzeit) und auf die Reihenfolge der Handlungen einzelner Tatabschnitte. Damit im engen Zusammenhang steht die Einschätzung des Tätervorsprunges (z.B. bei der Entscheidung zur Einleitung von Fahndungsmaßnahmen).
  • Modale Komponenten:
    Die modalen Komponenten beschreiben die Art und Weise des Verlaufs des Sachverhalts, insbesondere die Aspekte des modus operandi.
  • Personelle Komponenten:
    Jedes kriminalistisch relevante Ereignis wird durch die Personen (Zeugen, Beschuldigte, Opfer, Geschädigte), die am Ereignis beteiligt sind, bestimmt.
  • Motivbezogene Komponenten:
    Diese beschreiben die Ursachen, den Antrieb und die Auslösersituation des Ereignisses.

Diese ereigniskennzeichnenden Aspekte sind die Basisbedingungen für die Tatortanalyse, die Tatortbefundaufnahme. Neben diesen Komponenten existieren Besonderheiten des kriminalistisch relevanten Sachverhaltes, die den Erkenntnisprozess von anderen unterschieden. Diese Aspekte sind folgende:20

  • Einmaligkeit des Ereignisses in der am Tatort vorgefundenen Situation (Individualereignis).
  • Erkenntnisse, die nicht aufgenommen wurden sind unwiederbringlich.
  • Ereignis liegt in der Vergangenheit.
  • Zeitdifferenz zwischen dem Ereignis und der Untersuchung (unterschiedliche Situationen: Sofortlage oder Ermittlungslage).
  • Ereignis ist nicht der direkten Beobachtung durch den Kriminalisten zugänglich (Wahrnehmung).
  • Ausgangsmaterial der kriminalistischen Arbeit sind durch das Ereignis hervorgerufene Veränderungen. Diese unterteilen sich in:
    • materielle Widerspiegelungen in der objektiven Relativität und
    • ideelle Widerspiegelungen im Bewusstsein.
  • Handeln erfolgt unter regelmäßigem Informationsdefizit (wichtig für Versionsbildung).
  • Informationen können vielfach differenziert interpretiert werden.
  • Ausschließlich selektive Kenntnisse.


Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der kriminalistische Erkenntnisprozess auf einem in der Vergangenheit liegenden Ereignis beruht. Das Ereignis widerspiegelt sich materiell und ideell. Diese materiellen und ideellen Veränderungen festzustellen, aufzunehmen, zu verarbeiten, zusammenzufassen, zu werten und die richtigen Schlüsse zu ziehen, dies ist die Aufgabe im Rahmen der Strafverfolgung.