„Die Kolleginnen und Kollegen haben Herausragendes geleistet!“
Gespräch mit dem Polizeiführer des G20-Gipfeleinsatzes Hartmut Dudde
Kriminalpolizei: Kam Ihnen zugute, dass in Hamburg noch das bei allen Polizeikräften weitgehend bekannte BVersG gilt?
Hartmut Dudde: Ja, das kam uns zweifellos zugute. Das NVersG kenne ich und sage deutlich: Damit könnte ich als Polizist in Hamburg nicht arbeiten! In Hamburg gilt noch das BVersG, das die meisten Kollegen gut kennen. Das war ein Vorteil. Die Diskussion über Fragen des Versammlungsrechts, z.B. ob eine Vermummung verboten ist oder nicht, sollte man sich im Einsatz möglichst sparen. Aus taktischer Sicht war es im Übrigen gut, dass ein eindeutig definierter Bereich über eine erteilte Allgemeinverfügung demonstrationsfrei war. Dennoch haben wir in der Stadt fast 100 vollkommen friedliche Versammlungen gehabt.
Kriminalpolizei: Durch die Medien wurde der Umgang mit dem geplanten Protestcamp im Stadtpark stark kritisiert und bis hin zum BVerfG in diesem Zusammenhang die hohe Bedeutung der Versammlungsfreiheit herausgestellt. Hätte das Camp besser grundsätzlich akzeptiert und nur beschränkt werden sollen?
Hartmut Dudde: Hier möchte ich zunächst auf bundesweit vorliegende Erfahrungen mit Camps hinweisen, die einen Wert an sich darstellen. Ich selbst habe in Heiligendamm (G8-Gipfel), Metzingen (Castor-Transporte), Baden-Baden und Straßburg (NATO-Gipfel) Camps erlebt, in denen sich nahezu durchgehend Gewalttäter aufgehalten haben. In Straßburg sind bei schweren Krawallen sogar mehrere Gebäude abgebrannt. Insofern bleibe ich dabei: Ein Protestcamp dient immer auch als Rückzugsraum für Straftäter! Dies wurde für Hamburg durch Hinweise des Staatsschutzes ausdrücklich bestätigt. Es ging insofern im Umgang mit den Camps um die Sicherheit in der Stadt. Ich bin der festen Überzeugung, dass es richtig war, grundsätzlich keine Camps zuzulassen. Ich sehe mich auch dadurch bestätigt, dass das Camp im Westen der Stadt nach unseren Erkenntnissen Ausgangspunkt für viele Straftaten und zugleich Rückzugsraum war, wo sich Störer ausruhen und versorgen konnten. Ein wichtiger Punkt ist zudem, dass bei der Durchsetzung beschränkender Maßnahmen in Protestcamps viele Kräfte zusätzlich gebunden worden wären.
Kriminalpolizei: Kritisiert wurden auch die Ausgestaltung der Gefangenensammelstelle im Stadtteil Neuland und die Einbindung einer dort installierten Außenstelle des AG Hamburg. Zum Teil wurde von einem „kurzen Prozess für Gipfelgegner“ gesprochen. Hat sich die Maßnahme trotz dieser Kritik bewährt?
Hartmut Dudde: Ja, die Maßnahme hat sich bewährt und die Bezeichnung „kurzer Prozess“ kann sich im Grunde nur auf die kurzen Wege der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Justiz beziehen. Mir liegt sogar ein Schreiben der Rechtsanwaltskammer Hamburg vor, die sich dafür bedankt, dass in der Gesa gut, strukturiert und rechtsstaatlich einwandfrei mit vorgeführten Straftätern umgegangen wurde. Der Präsident der Anwaltskammer hat ausdrücklich dargestellt, dass geäußerte Befürchtungen einiger weniger Anwälte nicht eingetreten sind. Die enge Zusammenarbeit zwischen Richtern, Staatsanwälten und der Polizei hat sich in vollem Umfang bewährt und ich würde eine Groß-Gesa bei vergleichbaren Lagen immer wieder einrichten. Auch bei der Ermittlungsarbeit der Soko „Schwarzer Block“ hinsichtlich der Straftaten mit G20-Bezug ist das kooperative Verfahren hilfreich. Die in der Gesa eingesetzten Juristen haben so einen ganz anderen Eindruck davon gewonnen, was im Juli in Hamburg passiert ist.
Kriminalpolizei: Wie viele Personen wurden der Gefangenensammelstelle zugeführt?
Hartmut Dudde: Insgesamt424 Personen. Dabei handelte es sich um 196 vorläufige Festnahmen und 228 präventiv-polizeiliche Ingewahrsamnahmen. In 51 Fällen wurden Haftbefehle richterlich erlassen.
Kriminalpolizei: Wenn man die ersten vorliegenden Gerichtsentscheidungen zugrunde legt, waren die Beweissicherungsmaßnahmen der Polizei sehr erfolgreich. Entspricht dies auch Ihrer Bewertung?
Hartmut Dudde: Uns liegen bis heute (Stand: 26.9.2017) erst acht Urteile vor. Insofern warten wir vor einer Bewertung die weiteren Ergebnisse einschließlich der Erkenntnisse der Soko „Schwarzer Block“ ab, denn daraus sollen natürlich auch Lehren gezogen werden. Im Moment kann man aber tatsächlich zum Ergebnis kommen, dass die Beweissicherungsmaßnahmen gut funktioniert haben.
Kriminalpolizei: Bundesinnenminister Thomas de Maizière verfolgt als Konsequenz aus dem G20-Einsatz das sicherheitspolitische Ziel einer Strafrechtsverschärfung. So soll z.B. der Landfriedensbruchtatbestand ausgeweitet werden und künftig auch Mitläufer erfassen. Halten Sie Gesetzesänderungen dieser Art für zielführend?
Hartmut Dudde: Ich bin im Jahr 2004 zur Bereitschaftspolizei gewechselt und habe seitdem sehr viele Einsatzlagen miterlebt. Dabei habe ich immer wieder festgestellt, dass Schaulustige trotz wiederholter Aufforderung nicht gehen und die Polizeiarbeit dadurch stark behindern. Ich denke, dass viele Menschen sich dies überlegen würden, wenn damit ein Straftatbestand verbunden wäre. Ich halte den Vorschlag des Bundesinnenministers insofern für einen grundsätzlich vernünftigen Ansatz, denn es entspricht wohl nicht mehr dem Zeitgeist, Anordnungen der Polizei zu befolgen, was uns zunehmend vor Probleme stellt. Und eine Strafandrohung hat ja durchaus auch einen präventiven Charakter.
Kriminalpolizei: Sie wurden durch die Presse zum Teil sehr persönlich angegriffen, u.a. als „Mann fürs Grobe“, der die „Eskalation geradezu heraufbeschworen hat“, und als „Versager“ bezeichnet. Wie sind Sie mit dieser Berichterstattung umgegangen?
Hartmut Dudde: Ich respektiere natürlich die Arbeit der Presse und weiß, dass sich die Medienvertreter heute in einem Konkurrenzkampf befinden und dabei ihr Geld hart verdienen müssen. Insofern ist es für den Boulevard nicht ungewöhnlich, dass man am Montag der Held und am Dienstag der Versager ist. Daraus kann sich dann jeder Leser selbst ein Bild machen. Es war für den G20-Einsatz allerdings bezeichnend, dass die meisten Leserbriefschreiber deutlich differenzierter in ihrer Meinung waren als die Redakteure. Das ist dann aber halt so und damit kann ich gut umgehen. Erschüttert bin ich nur, dass auch renommierte Zeitungen nicht immer zwischen Wertung und Fakten trennen und damit ihre eigenen Vorurteile über die Öffentlichkeit ausleben. Insofern war die Presseberichterstattung für mich eine interessante Erfahrung, sie hat mich aber nicht besonders persönlich berührt. Ich möchte aber feststellen, dass es zumindest zum Teil auch eine sehr differenzierte, nüchterne und analysierende Berichterstattung gab und man daher nicht nur auf die Boulevardpresse blicken darf.
Kriminalpolizei: Welche Auswirkungen hatte die skandalisierende und durch persönliche Angriffe geprägte Berichterstattung auf Ihre Angehörigen und Freunde?
Hartmut Dudde: In meinem privaten Umfeld gab es durch diese Berichterstattung keine Irritationen. Ganz im Gegenteil, die Kritik hat sogar zu einer hohen Solidarisierung geführt. Meine Kinder waren letztlich auch nicht unmittelbar betroffen, zumal ich in Niedersachsen lebe und dort ein ganz anderes Umfeld habe. Unabhängig davon habe ich viel Unterstützung bekommen. Der Pressesprecher der Hamburger Polizei Timo Zill hat im Übrigen ein sehr gutes Konzept entwickelt und mich nahezu durchgehend aus der Medienarbeit herausgehalten. Vollständig ist dies natürlich niemals möglich, denn irgendwann muss auch der Polizeiführer einmal in Erscheinung treten.
Kriminalpolizei: Welche neuen Herausforderungen warten auf Sie nach dem Gipfel-Einsatz?
Hartmut Dudde: Die Hamburger Polizei befindet sich gerade in der Umorganisation. Wir wollen einige Stränge in der Schutzpolizei deutlich straffen und nach derzeitigem Planungsstand werde ich nach Abschluss der Einsatznachbereitung das neue Schutzpolizeiamt übernehmen. Bis dahin fließt aber noch eine Menge Wasser die Elbe herunter.
Sehr geehrter Herr Dudde, ich bedanke mich für das Gespräch und wünsche Ihnen für Ihre künftigen Aufgaben viel Erfolg und stets eine glückliche Hand.
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