Der „Smart-Ort“ als Tatort
– wie neue digitale Spuren die Ermittlungsarbeit verändern
1.4 Auswirkungen in Zusammenhang mit Fahrzeugen
Es scheint lohnenswert, gerade die Frage nach digitalen Spuren in Fahrzeugen stärker in den Fokus zu rücken, weil
gesicherte Erkenntnisse bestehen, dass Fahrzeuge eine Vielzahl von digitalen Spuren enthalten
es sich bei Fahrzeugen um eine klar abgrenzbare Art von „neuen digitalen Dingen“ handelt
bei dieser Art von „digitalen Dingen“ am ehesten mit standardisiert abgreifbaren digitalen Informationen zu rechnen ist.
In Anbetracht der Tatsache, dass derartige digitale Spuren in Fahrzeugen zukünftig in vielerlei Konstellationen wichtig sein werden und die Extraktion sowie Interpretation selbiger sich sogar zur Standardmaßnahme entwickeln könnte, scheint eines klar: Die Polizei muss zukünftig selbst in der Lage sein, die Fahrzeugelektronik hinsichtlich derartiger Spuren zu durchsuchen.
2 Ermittlungen mithilfe von WLAN3-Strukturen
An immer mehr Orten stehen dem Bürger (aber auch dem Straftäter) öffentliche und/ oder freie WLAN-Hotspots zur Verfügung, über die unterschiedlichste Kommunikation erfolgen kann, was wiederum eine Vielzahl von digitalen Spuren erzeugt. Abgesehen davon, dass diese Entwicklung sicherheitspolitisch zumindest bedenklich ist, da sie (vermeintlich) schwierigere Anonymisierungstechniken wie z.B. das Tor-Netzwerk4 oder VPN-Dienstleister5 überflüssig erscheinen lässt, müssen sich die Strafverfolger auch über die Ermittlungsmöglichkeiten in diesen Netzen im Klaren sein.
2.1 Flucht ins WLAN
Bereits heute sind Fälle zu beobachten, in denen Täter-Smartphones durch unterschiedliche Funkzellen verfolgt werden konnten und dann aus den eigentlichen Tatortfunkzellen verschwanden, da aufgrund einer Hotspot-Nutzung keine mobilen Telefondienste mehr in der Funkzelle erzeugt wurden. Digitale Spuren finden sich dann nicht mehr in der Funkzelle, sondern lediglich im örtlichen WLAN.
2.2 Spuren im WLAN
Anders als im Fahrzeugbereich ist eine Standardisierung der Spuren hier weit weniger ausgeprägt. So reagieren unterschiedliche Smartphones in Abhängigkeit von ihrer Konfiguration auch unterschiedlich auf vorhandene WLAN-Netze und legen evtl. Spuren eines solchen WLANs in ihrem System ab. WLAN-Router wiederum können Geräte wie z.B. Smartphones mit eingeschaltetem WLAN in ihrer Reichweite registrieren und u.a. die jeweilige MAC-Adresse6 abspeichern. Oder sie tun es eben nicht. Oder dies passiert nur, wenn sich ein Gerät wirklich mit dem WLAN verbindet. Oder es reicht bei beiden Gerätearten bereits das bloße Registrieren des jeweils anderen aus. Hersteller, Techniken, Systeme und Konfigurationen können hier vielfältig sein und es wird häufig eine Untersuchung des Einzelfalls notwendig sein. Fest steht, dass auf diesem Weg unter Umständen die Anwesenheit eines Smartphones in einem bestimmten WLAN-Bereich (kleine Ausdehnung) nachgewiesen werden kann. Im Idealfall gelingt es so, einen bekannten Tatverdächtigen näher an einen Tatort heranzubringen als bei der Funkzellenabfrage (große Ausdehnung).
2.4 Auswirkungen in Zusammenhang mit WLANs
Ähnlich wie nach einer Tat potenzielle Videoüberwachungen gesucht sowie Funkzellenabfragen durchgeführt werden, dürften zukünftig die am Tatort oder auf dem Fluchtweg liegenden WLANs im Rahmen der Tatortarbeit standardmäßig zu ermitteln sein. Es schließen sich vielfältige Ermittlungsmöglichkeiten an.
3 Ermittlungen in einer „smarten“ Welt
Immer mehr Dinge werden „smart“ und an das Internet angeschlossen. Die Schlagworte lauten hier „Internet der Dinge“ und „Smart-Home“. Dazu gehört jegliche Alltagstechnik, wie z.B. Telefone, Fernseher, Alarmanlagen, Überwachungskameras, Schließmechanismen, Heizungen, Markisen, Kühlschränke, Ampelanlagen und vieles mehr. In all diesen Geräten können für ein Strafverfahren essentielle digitale Spuren enthalten sein.
Viele „smarte Dinge“ in einem modernen Haushalt können z.B. die Rückkehr eines Wohnungsinhabers dokumentieren. Alarmanlagen werden aus-, andere Geräte werden eingeschaltet und Verbräuche steigen an. Die dadurch erzeugten Spuren können ebenfalls im Rahmen einer Alibiüberprüfung herangezogen werden. Andererseits kann der findige User bereits heute viele Smart-Home-Technologien beispielsweise über sein Smartphone fernsteuern und so bei tatsächlicher Abwesenheit unter Umständen eine Anwesenheit und damit ein Alibi vortäuschen. Das Themenfeld der „digitalen Dinge“ ist derart vielschichtig und dynamisch, dass an dieser Stelle auf eine weitere Beschreibung verzichtet wird.
4 Bedeutung der neuen digitalen Spuren für die Polizei
Es erscheint unmöglich, sich der heutigen Digitalisierung der Welt zu entziehen. Digitale Spuren gibt es daher überall.
4.1 Omnipräsenz neuer digitaler Spuren
Neuartige digitale Spuren betreffen nicht nur die „digitale Kriminalität“ und „Cybercrime“. Sie können auch bei der Aufklärung ganz „weltlicher Ereignisse“ entscheidend sein, z.B. bei Unfällen. Aber auch bei „analogen Verbrechen“ wie Mordfällen werden zwangsläufig Spuren in der digitalen Welt erzeugt. Dabei verhält es sich ganz ähnlich wie mit der DNA8: Digitale Spuren hinterlässt der Täter auf jeden Fall – ob er will oder nicht. Es ist heutzutage nahezu unmöglich, digitale Spuren im engeren oder weiteren Tatortbereich bzw. vor, während oder nach der Tat nicht zu hinterlassen. Ähnlich wie bei der DNA ist es dann aber auch mit dem Auffinden dieser neuen Spuren: Sie sind nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Die Polizei muss daher in Abhängigkeit von der Bedeutung des Falles schon bei der Tatortarbeit hinreichend viel Zeit und Energie investieren, um digitale Spuren zu identifizieren. Der Aufwand kann sich dabei ganz ähnlich entwickeln wie bei der Suche nach DNA-Spuren am Tatort eines Tötungsdeliktes.
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