Kriminalität

Bomben und Betrug – der schnelle Weg zum Glück?

Wettgeschäfte, Optionsscheine, Börsenkriminalität

3.2 Der Fall Porsche

Beim „Scalping“ geht es um den Kauf auf eigene Rechnung, Empfehlung und anschließendem Verkauf mit Kursgewinn aufgrund der eigenen Empfehlung. Ein beliebtes Mittel großer, börsennotierter Unternehmen zur Marktmanipulation ist die Instrumentalisierung von Pressekonferenzen, um den Aktienkurs im eigenen Sinne zu beeinflussen. Ein ebenso markantes wie frustrierendes Beispiel ist der Fall „Porsche“. Daraus wird ersichtlich, wie problematisch Tatnachweis und Rechtsprechung sein können.13 Die damals Angeschuldigten sollten in ihrer Eigenschaft als Vorstände der Porsche Automobil Holding SE (Porsche SE) im Zeitraum vom 10.3.2008 bis zum 26.10.2008 aufgrund gemeinsamen Tatentschlusses die Veröffentlichung von mindestens fünf (Presse-)Erklärungen veranlasst haben. Zweck: Verschleierung der bereits bestehenden Absicht der Porsche SE, die Aufstockung der Beteiligung am Stammkapital der Volkswagen AG auf 75 Prozent anzustreben. Diese Absicht wurde dementiert. Die unrichtigen Angaben sollen laut Anklage auf den an der Frankfurter Wertpapierbörse festgestellten Börsenpreis der Aktien der Volkswagen AG dämpfend eingewirkt haben. Am 26.10.2008 veröffentlichte die Porsche SE eine Pressemitteilung, der Vorstand der Gesellschaft beabsichtige, die Beteiligung an der VW AG im Jahr 2009 auf 75 Prozent aufzustocken und damit den Weg für einen Beherrschungsvertrag frei zu machen. Außerdem wurde mitgeteilt, dass die Porsche SE bereits 42,6 Prozent der ausstehenden VW-Stammaktien sowie Baroptionen auf weitere 31,5 Prozent des Stammkapitals halte. Danach kam es ab dem 27.10.2008 zu einer Kursexplosion der VW-Stammaktie. Hauptvorwurf der Staatsanwaltschaft: Die in den von den Angeschuldigten veranlassten öffentlichen Mitteilungen enthaltenen unrichtigen Angaben hätten in den der Veröffentlichung der ersten Pressemitteilung vom 10.3.2008 unmittelbar nachfolgenden Handelsstunden die Handelsaktivität in der VW-Stammaktie gedämpft und damit potenzielle Handelsteilnehmer vom Kauf dieser Aktien abgehalten sowie im nachfolgenden Zeitraum bis zum 26.10.2008 Handelsteilnehmer zur Veräußerung ihrer bis dahin gehaltenen VW-Stammaktien oder zur Tätigung von Leerverkäufen von VW-Stammaktien veranlasst.14 Das Ergebnis ist bekannt: Freispruch.

3.3 Optionsscheinhandel

Bei dem hinterhältigen Anschlag auf den BVB-Bus hatte der Täter die Absicht, den Kurs der Aktie durch das Attentat zu beeinflussen und sich durch ein Geschäft mit Optionsscheinen auf die Aktie einen Vermögensvorteil zu verschaffen.15 Die Borussia Dortmund GmbH & Co.KGaA (BVB) nimmt eine führende Position im internationalen Profifußball ein. Im Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit stehen der professionelle Fußballsport und die Nutzung der damit unmittelbar verbundenen Einnahmequellen. Dies sind insbesondere der Verkauf von Eintrittskarten, Fan-Artikeln und TV-Rechten sowie das Sponsoring. In diesen Bereichen erwirtschaftet Borussia Dortmund den überwiegenden Teil der Umsätze. Darüber hinaus engagiert sich der BVB in weiteren Geschäftsfeldern, die einen engen Bezug zum Fußball haben und arbeitet dabei mit strategischen Partnern zusammen, die ihr spezifisches Know-how einbringen. Der BVB bringt den Markennamen „Borussia Dortmund“, die Erfahrung im Fußballgeschäft und die genaue Kenntnis der Fan-Community ein.

3.4 Kriminelle Idee mit BVB

Das Vorhaben: Im Gegensatz zu anderen Kriminellen, die sich auf angebliche Widersprüche in Bilanzen und das Streuen von Gerüchten und Negativmeldungen spezialisiert haben, sollte hier der Ausfall der Fußballcrew einen rapiden Kursverfall herbeiführen, auf den der Täter zeitgenau gewettet hatte.

Bei „Optionen“ handelt es sich um Derivate, die dem Erwerber das Recht verbriefen, die Basisaktie in einem bestimmten Zeitraum zu einem bestimmten Zeitpunkt und zu einem vorher festgelegten Preis zu verkaufen. Mit Optionsscheinen, die an der Börse gehandelt werden, kann man auf steigende („Call“-Option) oder fallende („Put“-Option) Kurse der Aktie wetten. Der Täter erwarb am 11.4.2017 insgesamt 15.000 Put-Optionsscheine WKN DGM51Y der DZ Bank über den Broker ComDirekt, einer Tochter der Commerzbank. Bei einem Basiswert/Stück von 5,20 Euro betrug der Gesamtpreis 78.000,00 Euro, den er über einen Verbraucherkredit in Höhe von 79.000,00 Euro finanzierte. Laufzeit: Bis zum 17.6.2017. Zu großem Reichtum wäre er mit seinem Attentat nicht gekommen: Der Kurs des „Puts“ der Wette auf den Kursverlust stieg am Tag des Anschlags von 0,15 Euro auf 0,19 Euro. Wäre die Aktie von 5,20 Euro auf vier Euro gefallen, wäre der „Put“ auf 1,00 Euro gestiegen, der Attentäter hätte 15.000,00 Euro verdient. Da das Papier seitdem mit einigen Schwankungen nicht unter 5,36 Euro notiert hat, war der Put mit einem Basispreis von 5,20 Euro ein Verlustgeschäft.16 Enttäuschten Saboteuren bleibt der Trost, dass die Verluste steuerlich abgesetzt werden können.17 Optionen fallen nicht unter § 264a StGB, weil der Erwerb von Optionsscheinen nicht zur Beteiligung am Ergebnis des Unternehmens, wie etwa durch Aktien, führt. Warenterminoptionen fallen als Derivate gem. § 2 II Nr. 2 WpHG unter den Schutz des § 20a I Nr. 2 WpHG.

Die BaFin zeichnet alle Handelsgeschäfte mit Aktien und Derivaten auf: Die Übersicht der Umsätze in Frankfurt zu DGM51Y weist am 4.4.2017 ein Volumen von 5.000 Stück und am 11.4. 2017 von 15.000 Stück aus, ansonsten in der Zeit vom 24.3. bis 21.4.2017: Null. Da jeder Käufer und Verkäufer eine Kunden-ID besitzt, können die Klarnamen nachträglich zugeordnet werden. Der BVB-Bomber wäre spätestens dann aufgefallen.

Im Übrigen: Kursbeeinflussungen sind, außer bei Marktmanipulationen großen Stils, nur durch ganz gravierende Ereignisse möglich. In Betracht kommen könnten beispielsweise Attentate auf Vorstände von Konzernen, Kraftwerke, Sabotagen großen Ausmaßes, auch Anschläge auf die Lebensmittelindustrie18, wenn den Produkten Fremdstoffe beigemischt würden, die geeignet wären Rückrufaktionen und einen erheblichen Vertrauensverlust auszulösen. Bei erheblichem Schaden genügt dann auch ein kurzfristiger Effekt, weil Börsengeschäfte, Kauf und Verkauf innerhalb von Sekunden umgesetzt werden können. Der Saboteur deckt sich nach Kursverfall sofort mit günstigen Aktien ein, um sie umgehend nach Kursanstieg auf den alten Wert wieder zu veräußern. Ein solches Ziel hätte der Bombenleger von Dortmund nicht erreichen können.