Kriminalität

Bedeutung professioneller Tatortarbeit für das polizeiliche Ermittlungsverfahren



5.3 Pulverförmige Substanzen, Flüssigkeiten und Gase

Pulverförmige Substanzen wie Rußpulver oder Magna-Brush dienen der Suche nach daktyloskopischen Spuren oder Ohrabdruckspuren auf glatten und nicht saugenden Oberflächen. Zur kontaktlosen Suche und Sichtbarmachung von Fingerspuren auf glatten Oberflächen wird als Chemikalie auch Cyanacrylat verdampft. Zur Sicherung müssen die dadurch sichtbar gemachten Spuren dann noch abfotografiert werden. Die Möglichkeit der Bedampfung eines kompletten Kfz-Innenraums oder Wohnraums besteht grundsätzlich, jedoch ist der Raum danach durch den Chemikalieneinsatz entsprechend kontaminiert und nicht mehr für Menschen benutzbar. Die Suche und Sichtbarmachung von Fingerspuren auf Papier erfolgt z.B. durch Einsprühen oder Tauchen des Spurenträgers in Ninhydrin.
Zur Sichtbarmachung vermuteter entfernter Blutspuren bei Tötungsdelikten werden als Chemikalien u.a. Leukomalachitgrün, LumiScene oder Gentian-Violett eingesetzt. Diese Vortestmittel machen zwar entfernte Blutspurverteilungsbilder sichtbar, durch ihre chemische Reaktion mit dem Spurenmaterial ist aber später eine molekulargenetische Untersuchung von Spurenmaterial aus dem behandelten Bereich nicht mehr möglich. Entsprechende Proben für eine DNA-Analyse müssen also vor dem Einsatz entsprechender Chemikalien gesichert werden.
Nicht zu vergessen ist der Einsatz entsprechender chemischer Stoffe zur Präparation von Geldscheinen beim Auslegen einer Diebesfalle. Hierbei kommt es darauf an, die Chemikalien so auszuwählen, dass sie in der benutzten Kombination nicht auch im Arbeitsumfeld oder im privaten Bereich des Beschuldigten oder Tatverdächtigen verwendet werden.

5.4 Spezialgeräte

Von den Spezialgeräten zur Spurensuche und -sicherung seien hier beispielhaft angeführt

  • Dust Link Verfahren
  • Spurenstaubsauger
  • Metallsuchgeräte
  • Fotoionisationsdetektor

Das Dust-Link-Verfahren dient der Sicherung von Schuhspuren auf textilen Untergründen mittels einer elektrostatisch aufgeladenen Folie.
Mittels des Spurenstaubsaugers können Hohlräume oder textile Untergründe nach Materialanhaftungen bzw. -rückständen abgesaugt werden. Der aufgesaugte Inhalt kann dann hinsichtlich der Materialzusammensetzung untersucht werden (so z.B. nach Betäubungsmittelrückständen, wenn der Verdacht besteht, dass mit einem Kfz Betäubungsmittel transportiert wurden).
Metallsuchgeräte werden u.a. zum Auffinden von Munitionsteilen an Tatorten nach dem Einsatz von Schusswaffen verwendet. Sie kommt aber auch in Betracht, um nach sonstigen weggeworfenen metallischen Tatmitteln zu suchen (z.B. Messer als Tatwaffe).
Im Bereich der Brandermittlungen kann durch den Einsatz eines Fotoionisationsdetektors festgestellt werden, ob am Brandort ein Brandbeschleuniger zur Brandlegung verwendet worden ist. Weiter kann der für die Entnahme von Brandschuttproben für eine spätere chemische Untersuchung im Labor relevante Bereich eingegrenzt bzw. lokalisiert werden.

5.5 Spürhunde

Menschen haben einen individuellen Geruch, den der Hund mit einem hoch entwickelten Geruchssinn zweifelsfrei wiedererkennen kann. Bis zum Jahr 2011 konnten in NRW durch den Einsatz von speziell ausgebildeten Hunden Tatverdächtige im Rahmen des Geruchsspurenvergleichsverfahrens identifiziert werden. Durch die Polizei werden heute Fährtensuchhunde und Men-Trail-Hunde eingesetzt, um u.a. flüchtige Personen oder vermisste Personen zu suchen. Der Geruchssinn des Hundes nutzt die Polizei aber auch zur Auffindung von Leichen (Leichenspürhund), Betäubungsmitteln (Rauschgiftspürhund), Sprengstoffen (Sprengstoffspürhund) oder zur Auffindung von Brandbeschleunigern (Brandmittelspürhund).
Der Erfolg des Einsatzes hängt stark davon ab, in welchem Umfang sich der spezifische Geruch für den Hund wahrnehmen lässt, so muss sich für den erfolgreichen Einsatz des Leichenspürhundes z.B. zunächst der typische Zersetzungsgeruch der Leiche entwickeln. Ist die Leiche noch zu frisch, so kann der Hund sie nicht wahrnehmen. Weiter ist zu beachten, dass die Einsatzzeit des Hundes zur Durchführung von Suchaufgaben beschränkt ist und auch von der Tagesform des Tieres abhängt. Eine erfolgreiche Suche zeigt der Hund seinem Hundeführer individuell an. Hundeführer und Hund sind ein eigespieltes Team. Die Fähigkeiten und Grenzen seines Hundes sind dem Hundeführer genau bekannt, über seine fachliche Meinung sollte man sich im Einsatz daher nicht hinweg setzen.

6 Tatortdokumentation

Die Tatortdokumentation ist so durchzuführen, dass sich der Tatort auch Personen erschließt, die nicht selber am Tatort gewesen sind. Dies ist für die spätere gerichtliche Entscheidungsfindung von besonderer Bedeutung. Dazu bietet sich eine umfangreiche Fotodokumentation des Tatortes durch Übersichts- und Detailaufnahmen (mit Maßstab) an. Weiterhin wird durch die Kräfte des Sicherungsangriffs ein Bericht zu dem Sicherungsangriff und durch die Kräfte des Auswertungsangriffs ein genauer Tatortbefundbericht gefertigt. Der Tatortbefundbericht wird um einen Spurensicherungsbericht zu den gesicherten Spuren ergänzt. Soweit erforderlich werden Skizzen des Tatortes gefertigt. Die am Tatort eingesetzten Kräfte des Sicherungs- und des Auswertungsangriffs haben in der Gerichtsverhandlung als Zeugen zu den von ihnen durchgeführten und veranlassten Maßnahmen zur Tatortaufnahme auszusagen. Für eine sachgerechte Beurteilung der Tat ist es daher erforderlich, dass die Tatortsituation sich dem erkennenden Gericht klar erschließt. Bleiben im Rahmen der Beweiserhebung vor Gericht Zweifel an der Präzision der Tatortdokumentation und der Tatortarbeit, so wird sich das im Urteil zu Gunsten des Angeklagten auswirken. Neben der normalen Tatortfotografie kommen bei umfangreichen oder herausragenden Tatorten u.a. Luftaufnahmen, 3D-Laserscanner und vollsphärische Digitalaufnahmen in Betracht. Hierzu folgt in einer späteren Ausgabe der Fachzeitschrift ein ausführlicher Artikel.

7 Schlussfolgerung für Aus- und Fortbildung

Das Wissen um die Möglichkeiten der Spurensicherung und -auswertung sowie die technischen Möglichkeiten in diesem Bereich haben sich in den letzten 20 Jahren deutlich weiterentwickelt. Mit der Sicherung digitaler Spuren ist zudem ein völlig neues Arbeitsfeld in der Kriminaltechnik hinzugekommen. Digitale Spuren bieten heute in Ermittlungsverfahren eine Vielzahl neuer Ermittlungsansätze. Unbestritten ist, dass die Möglichkeiten der Spurensuche und -sicherung ein ausgesprochen wichtiger Bestandteil der Ausbildung zum Kriminalbeamten sind. Jedoch ist die einmalige Ausbildung in diesem Bereich für die nächsten 20, 30 oder mehr Jahre der beruflichen Tätigkeit nicht ausreichend. Vor 30 Jahren kam der Bereich der Digitalen Spuren in der Ausbildung noch nicht vor, man beschäftigte sich stattdessen mit der Untersuchung von Schreibmaschinenschriften. Erforderlich ist daher auch für Kriminalbeamte der regelmäßige Besuch von speziell konzipierten Fortbildungsseminaren, um fachlich auf der Höhe der Zeit zu bleiben.
Weiterhin ist es erforderlich im polizeilichen Intranet durch die Kriminaltechnischen Institute der Landeskriminalämter bzw. die Kriminaltechnischen Untersuchungsstellen der Polizeibehörden sowohl die angebotenen Untersuchungs- und Auswertungsmöglichkeiten, als auch die Voraussetzungen zur Sicherung und Übersendung von entsprechendem Untersuchungsmaterial zu erläutern.
Da die Kräfte das Wach- und Wechseldienstes stets als erste am Tatort sind, müssen auch sie ein Grundwissen u.a.
über die Bedeutung der Erhaltung des Tatortes in seiner ursprünglichen Form
die Gefahren der Spurenkontamination
mögliche spätere kriminaltechnische Untersuchungsmöglichkeiten
die Beweiskraft und den Beweiswert der unterschiedlichen Spuren (Relevanz der einzelnen Spuren für die spätere Ermittlungsführung und Aburteilung)
die Möglichkeiten der Notsicherung von Spuren und der Erstdokumentation von Tatorten
unabdingbar haben. Denn Fehler die im Sicherungsangriff gemacht werden, kann eine noch so gute Tatortaufnahme später nicht mehr heilen.

Anmerkungen


  1. KD Christoph Frings ist Dozent für Kriminalwissenschaften an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen, Abteilung Duisburg.
  2. Bundeskriminalamt (HG), Anleitung Tatortarbeit - Spuren, Ziff. 1.0.1.
  3. Verordnung über die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft vom 30.4.1996 zuletzt geändert durch VO v. 16.2.2016 (GV. NRW. S 120).
  4. 229. Sitzung des AK II am 5./6.5.2011.
  5. Vgl. Frings/Rabe, 2016, Grundlagen der Kriminaltechnik I, Lehr- und Studienbriefe Kriminalistik/Kriminologie, Band 16, 2. Aufl., VDP Hilden, S. 78 ff.
  6. Meyer-Goßner/Schmitt, 2017, Kommentar zur Strafprozessordnung, 60 Aufl., Verlag C.H. Beck, München, Einleitung, Rz. 47.
  7. PDV 100, Ziff. 2.2.3.
  8. Clages, Polizeiliche Tatortarbeit, in: Kriminalistik 2002, S. 144.
  9. Bundeskriminalamt (HG), Anleitung Tatortarbeit – Spuren, Ziff. 1.1.3.
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