Kriminalität

Glückwunsch an Botswana!

Korruption weltweit kaum bezähmbar – in Deutschland zuletzt wieder Anstieg um 190% …


Wer nun vermeint, die Korruption werde durch ihre staatliche Ächtung in den Orkus der Geschichte entschwinden, der ist blauäugig. Staaten können viele alte Zöpfe abschneiden, aber trotz aller Experimente nicht das Trinken und Rauchen, Drogen, die Prostitution - und die Korruption, jedenfalls nicht zur Gänze. Die Hydra Bestechung und Bestechlichkeit wird vor der Morallehre niemals einknicken – da mache sich keiner etwas vor. Im Gegenteil: weltweit wird weiterhin, teils zunehmend, auf letztere gesetzt. Der öffentliche Bannfluch wirkt demnach kaum. Die Korruption hat in den letzten Jahren in manchen Teilen der Welt sogar zugelegt, dort eher das Zeug zum Kavaliersdelikt.
Auch in Deutschland ist, wie das BKA berichtet, die Korruption denn auch von 2013 bis 2014 signifikanterweise um 188% gestiegen (20.263 Straftaten; 350 Millionen €) – der zweitschlechteste Wert seit 2003. Und obendrein: geschätzte 95% der Korruptionsfälle in Deutschland werden niemals aufgedeckt …
Die deutsche Bauindustrie gilt unter unseren Unternehmenssektoren nach wie vor als besonders korruptionsnah. Im Oktober 2015 berichtet das „Manager-Magazin“, daß Mister Freeh auch den Mannheimer Baukonzern Bilfinger berate. Dieser stehe nicht nur wegen einer Korruptionsaffäre in Nigeria seit knapp zwei Jahren unter Beobachtung des US-Justizministeriums. Natürlich darf der skandalumwitterte Hauptstadtflughafen nicht fehlen: hier kam es auch zu Anklagen wegen Korruption, in Sachen des Bauausrüsters IMTECH. Als Saubermänner hingegen dürfen die deutschen Maschinenbauer gelten.
Einer Umfrage (2014) der Unternehmensberatung Ernst & Young zufolge, sind 39 Prozent der Manager der Meinung, daß Bestechung in ihrem Land an der Tagesordnung ist, vor allem Brasilianer. „Jeder für sich, Gott für uns alle!“ liegt demnach im Trend. Doch nur sechs Prozent deutscher Top-Manager meinen, daß Betrug und Bestechung in Deutschland ein Problem sei.
Bekannt ist die in Berlin angesiedelte „Transparency international“ vor allem durch ihren „Corruption Perceptions Index“ (CPI) – eine Art Bundesliga-Tabelle der korruptionsbezogen saubersten und schmuddeligsten Länder der Erde. Er fußt auf Einschätzungen zur Korruption im öffentlichen Sektor. Die weltweit tätige NGO finanziert sich vorwiegend durch staatliche Spenden. Um dem größten anzunehmenden Unfall vorzubeugen – nämlich daß diese NGO selbst bestechlich wäre – sind die Zuwendungen einzelner Spender auf wenige tausend Euro begrenzt.


Korruptionsindex 2015, Foto: Transparency International


2015 stand Dänemark erneut auf Platz 1 der Lauterkeit. Den Schlußlicht-Platz 167 teilten sich – vermutlich ganz unbußfertig – Nordkorea und Somalia. Deutschland liegt auf einem vorzeigbaren 10. Platz, 2014 noch auf Rang 12. (Durch fehlende Regelungen zur Abgeordnetenbestechung, die Horst Seehofer noch 2013 anmahnen mußte, befand man sich – aufgrund „verfassungsrechtlicher Bedenken“ – bis Ende 2014 noch in der genierlichen Gesellschaft schartiger Länder wie Syrien und Sudan, die ebenfalls die UN-Konvention gegen Korruption nicht ratifiziert hatten.)
Es wäre nun ungerecht zu korrelieren, daß ärmere Länder grundsätzlich mehr Bestechung aufwiesen als reiche. Generell ist diese Tendenz zwar augenfällig, doch Länder wie Chile und Uruguay liegen nur knapp hinter den USA und Japan.
Das ehemals arme Botswana, heute konsolidiert, liegt als bester afrikanischer Staat gar stolz auf Platz 28.
Zum Vergleich: Frankreich nimmt Rang 23 ein und Erdogans neue „Süper“-Türkei ist binnen zweier Jahre von Platz 53 auf Platz 66 abgestürzt. Vor allem auch die Empfänglichkeit für Bestechung in riesigen Schwellenländern ist bedenklich: Indien (76; 2012: 85.), China (83; 2014: 100) und Rußland (119; 2014: 136.) verbesserten sich zwar, bleiben aber tief im Keller; Brasilien sackte gar noch tiefer (76.; 2014: 69.). Der Index erweckt denn auch in Managerseminaren oftmals eine Mischung aus Interesse, Erstaunen und Erheiterung.
Die ehemalige Bundesverfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt baute bei DAIMLER das Vorstandsressort für Recht und Integrität auf, nun wirkt sie bei VW, wo ihr 2016 im Zuge des Abgasskandals gar noch Mister Freeh hinzugesellt werden sollte. Sie ist sicher: „Die Bestechung zerstört Gesellschaften – das wollen wir ändern; dies nicht zuletzt, weil die so entstehende Rechtssicherheit auch ökonomisch hilfreich ist.“ In stabilen Ländern könne man schließlich effizienter arbeiten und es entstünden daraus neue Käuferschichten. Weltkonzerne wie Daimler könnten dabei Breschen schlagen.
Hehre, löbliche Wünsche, doch „old habits die hard“. (Auch wir Deutsche haben ja liebe Gepflogenheiten, die weltweit für Empörung sorgen, uns aber normal vorkommen: man denke bloß an das stundenlange Vor-Reservieren von Pool-Plätzen mittels Badetüchern.) Die Goldene Regel im Export lautet eben unverändert: Anpassung. Und diese ist – bis auf eine Ausnahme: die Korruption – nicht nur erlaubt, sondern zwingend. Und auch das Interkulturelle Management lehrt ja „When in Rome, do as the Romans do.“ Ein BWL-Student schrieb in einer Klausur auf die Frage hin, was er tue, wenn sein Chef von ihm erwarte, daß er einen Auftrag über ein Brückenbauprojekt in Tansania an Land ziehe, dies aber nur über Bestechung zu erreichen sei: dann ließe er das Ganze eben über die Filiale in Rio de Janeiro abwickeln.
Machen wir uns nichts vor: durch das Verbot der Bestechung sind der deutschen Volkswirtschaft zweifellos schon gewaltige Summen verlorengegangen. Nichtsdestoweniger ist es löblich, daß unser Staat dies in Kauf nimmt, moralisch einwandfreies Verhalten verlangt und die Wirtschaft mal hintan stellt – nicht alles muß schließlich wirtschaftlich sein, sonst brauchte man auch keine Denkmäler mehr zu bauen. Andererseits bestehen Zweifel, ob unser Staat mit seiner Entwicklungshilfe aus Steuergeldern nicht selbst indirekt zum Täter wird: denn diese fördert in praxi durchaus Korruption und schafft Abhängigkeiten, die willfährig machen.
Auch wenn das Geschäftsleben weiter nach dem menschlichen Motto „Hoffnung auf, Angst vor“ funktionieren wird, der Kampf gegen die Korruption muß weiter nachsichtslos vorangetrieben werden statt sich ihr zu ergeben. In manchen armen Ländern ist jedoch auch Behutsamkeit angezeigt, könnten doch kleine Beamte ohne Schmiergelder ihre Familie nicht mehr ernähren; entzöge man ihnen diese Geldquelle abrupt, bräche womöglich die staatliche Administration zusammen. Es trifft sich gut, daß ein Bundespräsident a. D, der zeitweilig im Verdacht der Vorteilsnahme stand, mittlerweile Vorträge mit dem Titel „Ethik und wirtschaftlicher Erfolg“ hält.
Solange man kämpft, hat man eben nicht verloren. Insgesamt sieht Transparency denn auch mehr Länder, in denen sich die Lage 2015 verbessert habe, aber in zwei Drittel der 168 untersuchten sei die Korruption weiterhin „sehr hoch“.



Alle Angaben ohne Gewähr.

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