Kriminalität

Ultranationalismus, Rechtsextremismus und Islamismus: Die Grauen Wölfe in Deutschland



In der ganzen Debatte um Presse- und Meinungsfreiheit, der Frage nach Qualität und Stil Böhmermanns Verbalisierungen, sowie der höchst umstrittene Umgang mit der ganzen Angelegenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel, blieb dieser Aspekt weitestgehend im Hintergrund. Während in Deutschland der Unmut über den türkischen Präsidenten wuchs, der als ein beleidigter Diktator wahrgenommen wurde, der Einfluss in verbürgte demokratische Prinzipien nahm, erkannte man die Identifikation durch in Deutschland lebende Türken mit Erdogan zunächst nicht als problematisch. Aber sie ist nicht nur gefährlich für deutsche Satiriker, sie ist symptomatisch für ein klaffendes Integrationsproblem, das noch in der dritten Einwanderungsgeneration bestimmend sein kann. Und all diese Personen, die sich durch ein qualitativ fragwürdiges Schmähgedicht eines Spartenkanalsatirikers gegen den Präsidenten ihres Herkunftslandes so tief gedemütigt fühlen, dass sie Vergeltung fordern, offenbaren mangelnde Anerkennung des demokratischen Grundverständnisses in Deutschland. Denn die Streitkultur, die zu einer Demokratie dazu gehört, wird abgelehnt, stattdessen ersetzen Gewalt und Drohungen die Diskussion.

Der Fall Böhmermann zeigt einen Missstand auf, in dem ein veralteter Paragraph im StGB das kleinere Problem darstellt. Er macht es notwendig, endlich die unangenehme Frage zu stellen, ab wann Immigranten tatsächlich integriert sind. Diese Frage wurde faktisch noch nie beantwortet. Aber ganz offensichtlich reichen die deutsche Sprache oder ein bestimmtes Bildungsniveau nicht aus.

Hohes Sicherheitsrisiko und die reale Gefährdung demokratischer Werte


Am 10. April 2016 riefen, u.a. der von der AKP initiierte Zusammenschluss AYTK, DITIB, Anhänger der Grauen Wölfe und Boxerclubs wie Turan e.V. zu einem „Friedensmarsch für die Türkei und die EU“ in mehreren deutschen Großstädten auf. Freilich ging es dabei weniger um Frieden, als um Provokation und Machtdemonstration. Der deutsche Rechtsstaat sieht sich neben ohnehin schon großen Problemen, wie beispielsweise der Asylkrise, immensen Sicherheitsrisiken gegenüber, die sehr eng mit der türkischen Innenpolitik zusammenhängen. Die Türkei steht möglicherweise schon am Rande des Bürgerkrieges. Der wird sich jedoch nicht auf die Republik Türkei beschränken, sondern auch auf deutschem Boden ausgetragen werden. Die Reaktion und Entwicklungen auf die Causa Böhmermann zeigen ebenfalls einen Zwiespalt von hier lebenden türkischen Migranten auf, der möglicherweise viel tiefer ist, als der Traum einer multikulturellen Gesellschaft. Extremistische Kräfte werden in dieser Atmosphäre weiter gestärkt. Die Grauen Wölfe profitieren davon sowohl als rechtsextreme, als auch islamistische Kraft.

Zu Recht konstatierte der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz bereits 2004, dass die Grauen Wölfe „zur Entstehung einer Parallelgesellschaft in Europa“ beitragen und sieht in ihr „ein Hindernis für die Integration der türkischstämmigen Bevölkerung“.13 Trotz der hochgradig rassistischen und ultranationalistischen Ideologie sind die Grauen Wölfe und entsprechende Vereine und Ableger der türkischen MHP und BBP bislang in Deutschland nicht verboten. Vielmehr sind Anhänger in deutschen Parteien oder auch in lokalen Integrationsräten engagiert. In Deutschland fehlt noch immer das Bewusstsein, dass Rechtsextremismus keine rein deutsche Attitüde ist, sondern dass auch andere Nationalitäten solchen hervorbringen, der zudem kompatibel mit islamistischen Inhalten ist. Solange dieses Verständnis sowohl in der politischen Führung, als auch in der Medienlandschaft eine Ausnahmeerscheinung bleibt, müssen sich Sicherheitsbehörden darauf beschränken, die akuten Brandherde auf der Straße zu bekämpfen. Das reicht angesichts des Personenpotentials jedoch längst nicht mehr.

Anmerkungen

  1. Überhaupt zeigt sich seit den Anfängen der Ülkücü-Bewegung eine Affinität zur Zeit des deutschen Nationalsozialismus: So gab es eine nationalsozialistische Gruppierung 1969 in Izmir, als eine Gruppe ehemaliger CKMP-Mitglieder (Vorgängerpartei der MHP) den Verein „Nasyonal Aktivitede Zinde Inkisaf“ (NAZI) gründeten. Der Verein unterhielt zwei Kampfverbände. Die Mitglieder trugen SA-Uniformen und verwendeten den Hitler-Gruß. Diesen sieht man noch heute häufig bei Veranstaltungen, Demonstrationen und Kundgebungen, an denen Mitglieder der Grauen Wölfe teilnehmen. Auch in Deutschland fallen vermehrt türkischstämmige Migranten mit dem Hitlergruß oder Symboliken wie dem Hakenkreuz auf.
  2. Bahçeli war vor allem während seiner Studentenzeit ein aktives Mitglied der Grauen Wölfe, inwiefern er in Gewalttaten involviert war, ist unklar. Offiziell hat er die Partei vom militanten Rand gelöst und ein Prinzip der Gewaltlosigkeit verankert. Die rechtsnationale Ideologie blieb davon unberührt und auch seine Rhetorik blieb faschistoid, www.main-spitze.de/lokales/ruesselsheim/muslime-in-ruesselsheim-tuerkischer-kulturverein-hat-anhaltendes-negativ-image_14081343.htm (aufgerufen am 15. April).
  3. Dieser sieht u.a. vor, dass Gebetsräume in allen Schulen zu errichten sind und der Besuch von Internetcafés für Jugendliche unter 18 Jahren verboten sei.
  4. Necdet Sevinç: Ülkücüye Notlar, Istanbul 1976, S. 28.
  5. Vgl. Lemmen, T.: Islamische Organisationen in Deutschland, Bonn 2000, online verfügbar, unter: www.fes.de/fulltext/asfo/00803008.htm#E11E2 (abgerufen am 15. April 2016).
  6. Stuff, Christiane: Islamischer Fundamentalismus in Deutschland, in: Kindelberger, Kilian (Hrsg.): Fundamentalismus. Politisierte Religionen, 2004, S. 75 ( S. 70 - 77).
  7. Vgl. Stuff 2004, a.a.O.
  8. Vgl. www.facebook.com/AYTK-Almanya-Yeni-Turk-Komitesi-1004762422889709/ (abgerufen am 15. April 2016).
  9. Vgl. Erklärung: Vereinigungsgespräche zwischen der Mujahidingruppen, online verfügbar, unter: www.ummahislam.com/vereinigungsgespraeche-zwischen-der-mujahidingruppen (abgerufen am 14. April 2016).
  10. Vgl. Herrmann-Marschall, Sigrid: Neue Allieanzen, alte Sympathien, vom 6. Februar 2016, online verfügbar unter: www.vunv1863.wordpress.com/2016/02/06/neue-allianzen-alte-sympathien/#more-3122 (abgerufen am 14. April 2016).
  11. Vgl. FB-Post vom 4. September 2015: Herrmann-Marschall, Sigrid: Osmanische Eroberungsträume, September 2015, online verfügbar unter: www.vunv1863.wordpress.com/tag/osmanen/ (aufgerufen am 14. April 2016).
  12. Vgl. Herrmann-Marschall, Sigrid (Siehe Fußnote 11).
  13. Vgl. Bericht des Verfassungsschutzes des Landes Nordrhein-Westfalen, Oktober 2004, S. 15 f.
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