Polizei

Auslandseinsatz in der EU Mission - EULEX Kosovo

2. Ausgewählte Einblicke in den Kosovo von 2008 bis heute


Das zentrale Thema für Serbien und Kosovo ist die einseitige Erklärung Kosovos zur unabhängigen Republik im Februar 2008. Wenngleich anerkannt von den Vereinigten Staaten und auch einer Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten betont die serbische Seite bei jeder Gelegenheit einer Unabhängigkeit des Kosovo niemals zuzustimmen. Andererseits strebt Serbien den EU-Beitritt an und so legte eine in 2013 in Brüssel getroffene Vereinbarung die Grundlage für eine Kooperation mit dem Kosovo. Dabei soll die Unabhängigkeit nicht anerkannt werden, dem Kosovo wurde jedoch eingeräumt im Sinne eines unabhängigen Staates zu agieren. Damit wurde ein von Brüssel moderierter Dialog initiiert, der die Sensibilität des Themas wahrend als Pristina-Belgrad-Dialog und eben nicht als Kosovo-Serbien-Dialog bezeichnet wird. Solche semantischen Fragen finden sich vielfältigst auch in der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit wieder und formieren bisweilen schwer überwindbare Hürden. Als ein Beispiel mag die Diskussion um den Grenzbereich zu Serbien im Norden Kosovos dienen.

Abb. 2 Ethnien im Norden Kosovo


Innenpolitisch stehen Parlament und Regierung des Kosovo vor ungelösten Fragen und kontroversen Auseinandersetzungen, die mit der Parlamentswahl im Mai 2014 und einer monatelangen Diskussion um die Regierungsbildung unter Einbindung des Verfassungsgerichts begonnen hatte. Aus meiner Sicht hat dieser auch wirtschaftlich spürbare Stillstand mit zur Migrationswelle aus dem Kosovo beigetragen.
Die Befassung mit Kriegsverbrechen nicht nur auf serbischer sondern eben auch auf kosovarischer Seite als Teil der Vergangenheitsbewältigung war und wird auch zukünftig Thema höchst kontroverser Diskussionen und von mitunter gewalttätig verlaufenden Demonstrationen sein. Für ehemalige Mitglieder der Kosovo Liberation Army – von serbischer Seite als Terrorgruppe eingestuft – sind Kriegsverbrechen auch Einzelner ein Tabuthema, sehen sie sich doch mehr als Kriegshelden. So stößt die Einsetzung eines internationalen Gerichts, vereinbart zwischen EU und Kosovo auf bisweilen erheblichen Widerstand sowohl innerhalb als auch außerhalb des Parlaments.
Jüngst wurde in Brüssel im Rahmen des Pristina-Belgrad-Dialogs ein Meilenstein erzielt. So soll die Eigenständigkeit der serbisch dominierten Kommunen im Kosovo gestärkt werden. Hier treffen zwei Argumentationslinien in aller Schärfe aufeinander. Einerseits wird ein solcher Schritt als unabdingbarer Minderheitenschutz begründet und andererseits als Einrichtung unabhängiger serbischer Kommunen im unmittelbaren Einflussbereich der Regierung in Belgrad eingeordnet. Ein Teil der parlamentarischen Opposition kündigte bereits unverhohlen gewalttätigen Widerstand an, sieht sie mithin die Unabhängigkeit des Kosovo in Frage gestellt.
Besonders augenfällig dürften diese Differenzen im von serbischer Bevölkerung dominierten Norden des Kosovos (Abb. 2) werden, der sich seit der Unabhängigkeit vom Rest des Kosovo dem sogenannten Süden besonders deutlich abgrenzt. Dortige Parallelstrukturen in Verwaltung, Polizei und Justiz, offenkundig im Einflussbereich der serbischen Regierung, werden nur in kleinen Schritten abgebaut.
Norden und Süden werden durch den Fluss Ibar nicht nur als natürliche Grenze voneinander getrennt. Die Nichtanerkennung des Kosovo als eigenständige Republik durch die serbische Bevölkerung manifestiert sich an dieser Teilung. In einem Gespräch hat eine Mitarbeiterin der Eulex Mission mit serbischer Herkunft die Gefühlslage auf den Punkt gebracht. „Die Menschen fühlen sich im Widerstand und empfinden die albanische Bevölkerung und kosovarische Regierung als Bedrohung und sie folgen der Diktion der serbischen Regierung, den Kosovo eine als Serbien zugehörige Provinz zu betrachten.“
Diese aus albanischer Perspektive die Unabhängigkeit des Kosovo unterminierende und inakzeptable Abgrenzung hat sich in der Vergangenheit bereits mehrfach in der durch den Ibar geteilten Stadt Mitrovica entladen. Dabei stellt die mit besonderer politischer Symbolik behaftete Austerlitzbrücke (Abb. 3) einen besonderen Brennpunkt dar. Sie ist eine von drei Brücken, die den Nord- und Südteil der Stadt Mitrovica verbinden und ist durch einen nach Ausschreitungen in 2011 aufgeschütteten Erdwall (Abb. 4) nur für Fußgänger und eben nicht für Fahrzeuge passierbar. Aus Sicht der albanischen Bevölkerung stellt sich die Blockade der Brücke als ein von Belgrad gesteuerter Eingriff in die Belange des unabhängigen Kosovo sowie die Bewegungsfreiheit der Bevölkerung dar und symbolisiert die ablehnende Haltung der serbischen Bevölkerung gegenüber einer Zugehörigkeit zum Kosovo.
Die Brücke hat den Einstieg in die höhere Politik gefunden und ist sogar Gegenstand der Verhandlungen auf EU-Ebene im Pristina-Belgrad-Dialog.

Die serbischen Politiker ihrerseits waren bisher nur zu einem politischen Signal bereit und veranlassten im Mai 2014 quasi über Nacht die Beseitigung des Erdwalls und die Reinigung der Brücke. Nationalistische Kosovo-Albaner aus dem Süden nutzten die Gelegenheit, passierten die Brücke mit Fahrzeugen, um auf der anderen Seite die albanische Flagge begleitet von lautstarkem Skandieren „Hier ist Kosovo“ zu schwenken. Wenige Stunden später wurde die Blockade in Form des “Garden of Peace” (Abb. 5) durch Aufbringung eines Rasens sowie Platzierung von Pflanzkübeln wieder errichtet. Dies zog einen von Kosovo-Albanern initiierten Protest nach sich, der letztlich in einer unfriedlich verlaufenden Demonstration mit schweren Ausschreitungen auf der Südseite der Brücke mündete. Dies erforderte den Einsatz von starken Kräften sowohl der Kosovo Polizei als auch der Einsatzhundertschaft der Eulex Executive Police.

Ausgesprochen umstritten gerade aus polizeitaktischer Sicht war die nicht abwendbare Präsenz des internationalen Militärs (Kosovo Forces – KFOR in der Mitte der Brücke (Abb. 6) inmitten der Brücke. Eine Anti-Riot-Einheit der KFOR hatte sich dort mit Stacheldraht und Fahrzeugen postiert. Ziel war es insbesondere gewalttätige Demonstranten am Überschreiten der Brücke zu hindern. Leicht nachvollziehbar zog dies Einschränkungen für den Aktionsradius der eingesetzten internationalen und lokalen Polizeikräfte und förderte mutmaßlich das Ausmaß der Gewalt.
Neben der symbolträchtigen Brücke bietet die Grenze im Norden zu Serbien mit den beiden Übergängen Brnjak und Jarinje (Abb. 7 Norden farblich gekennzeichnet als „Reconsider your need to travel“ mit Brnjak und Jarinje ) permanenten Anlass zu Diskussionen.
Die Diskussion um die Grenze zu Serbien entbrennt bereits bei der Begrifflichkeit „Grenze“ und kulminiert bei den beiden Übergängen in der Region Nord Mitrovica. Während die serbische Bevölkerung sie nur als Verwaltungsgrenze anerkennt, ist sie aus Sicht der Regierung Kosovos die Grenze eines unabhängigen Staates mit allen rechtlichen Folgen und eben auch der rechtmäßigen Erhebung von Zöllen. Das Unrechtsbewusstsein auf Seiten der serbischen Bevölkerung gegenüber organisiertem Schmuggel insbesondere Benzin in großen Mengen unter Benutzung zahlreicher illegaler Übergänge entlang der grünen Grenze ist dagegen eher gering. Das Thema ist auch permanenter Verhandlungsgegenstand auf EU-Ebene. Als jüngstes Beispiel in der Diskussion vermögen über mehrere Jahre fortwährende Verhandlungen zur Lösung der Frage der gegenseitigen Anerkennung von Kraftfahrzeugversicherungen von im Kosovo oder Serbien zugelassenen Fahrzeugen dienen. Eine internationale Präsenz wäre kaum nötig, wenn auf beiden Seiten ein lösungsorientiertes Vorgehen bestimmend wäre. Nun ist zwar die Versicherungsfrage geklärt, jedoch sind weitere Verhandlungen in Brüssel notwendig, um eine gegenseitige Anerkennung der amtlichen Fahrzeugkennzeichen zu erreichen. Serbien kann ein Kosovokennzeichen mit dem Zusatz RKS (Republic Kosovo) nicht anerkennen, würde es schlussendlich auch die Unabhängigkeit des Kosovo zugestehen. Die kosovarischen Behörden sind im Gegenzug nur mit Mühe davon abzuhalten, von Serbien für den Kosovo ausgegebene Kennzeichen nicht zu beschlagnahmen. Eine Politik der permanenten Nadelstiche.

Abb. 3 Austerlitzbrücke in MitrovicaAbb. 5 „Garden of Peace“
Abb. 4 Erdwall auf der AusterlitzbrückeAbb. 6 Präsenz von KFOR


Abb. 7 Übergänge Jarinje und Brnjak