Kriminalität

Vom Autonomen zum Postautonomen?


Die weitgehend antideutsche3 Ausrichtung des uG wird vor allem an ihrer auf die Bundesrepublik fokussierten fundamentalen Kritik deutlich. So kritisiert es beispielsweise in einem auf ihrer Internetseite publizierten Kampagnenaufruf „There is an alternative – Kommunismus statt Schweinesystem!“ aus dem Juli 2014 die nach ihrer Auffassung ständig steigende Dominanz Deutschlands in Europa. Vor allem der Tag der deutschen Einheit stellt einen besonderen Schwerpunkt medienwirksamer Protestveranstaltungen des im uG organisierten antideutschen Spektrums dar, um so einer breiteren Öffentlichkeit ihre ideologische Sichtweise näher zu bringen. Die Beteiligung des uG an den gewalttätigen Protesten gegen den G8-Gipfel von Heiligendamm machten das Bündnis erstmalig einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Zudem gehört es zu den Mitorganisatoren der „Blockupy Krisenproteste“ gegen die europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik in Frankfurt am Main und mobilisierte zu den gewalttätigen Protesten gegen den alljährlich in Wien stattfindenden Akademikerball.

Ausblick


Die Entwicklung innerhalb der Autonomen Szene zeigt, dass sich diese seit geraumer Zeit in einer grundsätzlichen inhaltlichen und strukturellen Krise befindet. Verantwortlich dafür sind vor allem der ausgeprägte Grad ihrer Unorganisiertheit, ihre unzureichende Vernetzung, ihre theoretische Unbedarftheit, ihre Selbstbezogenheit und ein daraus resultierender blinder Aktionismus wie ihr von Kritikern aus den eigenen Reihen vorgehalten wird. Aus diesem Grunde dürften autonome Organisationen weder für die eigene Klientel noch für das nichtextremistische Spektrum sonderlich attraktiv sein.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung sind in den letzten Jahren bundesweit neben dogmatischen Zusammenschlüssen verschiedene postautonome Bündnisse entstanden. Diese zunehmenden Vernetzungsbestrebungen von Teilen der heterogenen und traditionell organisationsfeindlichen Autonomen deuten auf einen möglichen Wandel von Teilen dieses Spektrums zu einem höheren Grad der Organisierung und Vernetzung hin, zumal sie sich nicht allein auf den nationalen Rahmen beschränken. So hat sich beispielsweise 2013 das uG auf internationaler Ebene mit griechischen und britischen Gruppierungen zur Allianz „Beyond Europe – Antiauthoritarian platform against capitalism“ zusammengeschlossen.
Neben Berlin, Hamburg und Frankfurt am Main versuchen diese Bündnisse auch in Städten wie Leipzig Fuß zu fassen. Dort hat sich in den letzten Jahren vor allem im Stadtteil Connewitz ein virulente linksextremistische Szene entwickelt, in der die IL mit Gruppierungen wie „Prisma“ und das uG mit Gruppen wie „the Future is unwritten“ präsent ist. Seit dem linksextremistischen „Aufruf zur Gewalt“ vom 17. Dezember 2014 arbeitet dieses Spektrum einen „Masterplan“ der Gewalt gegen öffentliche und private Einrichtungen ab, die u.a. zu zahlreichen Anschlägen auf Gerichte bis hin zum Bundesverwaltungsgericht, auf Polizeiwachen wie die in Connewitz, auf Unternehmen und zu Anschlägen auf Einzelpersonen wie dem sächsischen Justizminister geführt haben.
Im Gegensatz zu den dogmatischen Bündnissen, deren starre ideologische Ausrichtung kaum mit dem autonomen Denken vereinbar sein dürfte, könnte der postautonome Ansatz möglicherweise der Königsweg hinsichtlich einer erfolgreichen Neuorientierung des Autonomen Spektrums sein. Wenn es den Postautonomen gelingen sollte, die verstreuten autonomen (Kleinst-)gruppen zu organisieren, zu vernetzen und ihnen wieder einen theoretischen Überbau zu geben, könnte die postautonome Bewegung langfristig zu einer nicht zu unterschätzenden Herausforderung für den demokratischen Rechtsstaat werden. Ob sich aber der postautonome Ansatz innerhalb des autonomen Spektrums durchsetzen kann, darf durchaus angezweifelt werden. Denn die Entwicklung zu postautonomen Strukturen wird nicht unwidersprochen von dem „klassischen“ Autonomen hingenommen. Vielmehr ist der postautonome Gedanke innerhalb der Autonomen Szene höchst umstritten, da er dem autonomen Selbstverständnis zuwiderläuft. Beispielhaft für das Dilemma, in dem sich die Autonome Szene befindet, steht die Entwicklung der mittlerweile aufgelösten ALB. Sie beschreibt in ihrer Auflösungserklärung, dass sie insbesondere an ihrer Uneinigkeit über der Frage, ob sie eine autonome Antifa-Gruppe bleiben oder sich in eine postautonome Gruppierung transformieren solle, gescheitert sei. Im Resultat führte das dazu, dass sich ihre Mitglieder mittlerweile in autonomen ebenso wie in postautonomen Gruppierungen wiederfinden oder aber sich politisch ganz zurückgezogen haben.
Künftig bleibt somit abzuwarten, ob sich der postautonome Ansatz innerhalb des Autonomen Spektrums durchsetzen kann oder nicht. Sollte sich der „klassische“ Autonome d.h. der organisations- und hierarchiefeindliche und eher ideologieferne Linksextremist behaupten, so wird sich höchstwahrscheinlich die Zerrissenheit und Orientierungslosigkeit der Autonomen Szene bis hin zu ihrer Marginalisierung und Bedeutungslosigkeit fortsetzen. Verstetigt sich dagegen die Entwicklung zum Postautonomen, so könnte sich der „klassische“ Autonome in einen vernetzten, organisierten und ideologisch aufgeladenen Postautonomen wandeln und dadurch die Schlagkraft der Autonomen Szene im nicht unerheblichen Maße erhöhen.

Anmerkungen


Die Selbstbezeichnung dieser Debatte rührte daher, dass zwei der an ihr beteiligten Autoren den Namen des Fernsehmoderators und Schlagersängers Heinz Schenk als Pseudonym wählten.
Der dreifach auftauchende Buchstabe A im Namen des [3A]* Revolutionäres Bündnis steht für antifaschistisch, antimilitaristisch und antikapitalistisch.Mit Beginn der 1990er Jahre bildete sich mit den sogenannten Antideutschen eine neue Strömung innerhalb des autonomen Spektrums heraus, die sich gegen einen vermeintlichen deutschen Nationalismus wandte. Vor dem Hintergrund der Wiedervereinigung befürchteten ihre Aktivisten ein Erstarken des Nationalismus innerhalb der vereinigten Bundesrepublik und eine Rückkehr zum Nationalsozialismus. Im Zuge der Golfkriege von 1990 und 2003 solidarisierten sie sich bedingungslos mit dem Staat Israel und seiner Schutzmacht, den USA, woraufhin es zum Bruch mit den übrigen Autonomen kam.

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