Praxistest für EVISCAN

LKA Rheinland-Pfalz erprobt neues Spurensicherungsverfahren

Von EKHK Werner Comes, Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz und Norman Kreuter, Geschäftsführer Fa. German eForensics GmbH

Warum berührungslos Spuren sichern?


Heute steht den Ermittlern und Kriminaltechnikern eine Vielzahl verschiedener Spurensicherungsmethoden zur Verfügung, um latente Fingerabdrücke an Asservaten zu sichern. Der Einsatz von Chemikalien hat sich bei den Untersuchungen verschiedenartiger Spurenträger längst bewährt. So gehören z. B. Rußpulver, Cyanacrylat, Ninhydrin, Indandion u. v. m. sowohl am Tatort und insbesondere im Labor zur täglichen Routine.

In einem weiteren Schritt werden die sichtbar gemachten Spuren häufig physisch vom Asservat getrennt (Folienabzug) und/oder anschließend fotografiert. Trotz der Unterschiedlichkeit dieser erprobten und zuverlässig funktionierenden Verfahren, haben sie alle einen Nachteil gemein. Spuren und Asservate werden durch die Bearbeitung zwangsläufig negativ beeinträchtigt bzw. verändert. Unter Umständen eignet sich das Asservat nun nicht mehr für die Untersuchung durch andere Methoden, wie z. B. die DNA-Analyse oder was durchaus denkbar erscheint, für heute noch nicht verfügbare, aber in der Zukunft vorhandene oder verbesserte Verfahren.

EVISCAN – eine mögliche Lösungs-Alternative?


Das von der German eForeniscs GmbH in Koblenz entwickelte Gerät EVISCAN gilt als das erste marktreife Verfahren zur berührungslosen und chemikalienfreien Suche, elektronischen Sicherung und Dokumentation von latenten (Finger-) Spuren an Untersuchungsgegenständen mit nichtsaugenden bzw. schwach saugenden Oberflächen.

Berührungslos – das heißt im Fall von EVISCAN, keine Kontaminationsgefahr durch Berührung oder Kontakt mit chemischen Substanzen. Das Laborgerät kombiniert Wärmebildtechnologie und eine spezielle Bildbearbeitungssoftware zu einem optisch-physikalischen Untersuchungsverfahren, das ohne jede Vorbehandlung der Asservate auskommt. Die integrierte Scaneinheit unterscheidet Spurenuntergrund und Spur nicht wie bei etablierten Verfahren durch den vom menschlichen Auge wahrgenommenen Kontrast-Eindruck des sichtbaren Lichts, sondern durch die sich unterscheidenden Eigenschaften des Spurenträgers und des Fingerspurenmaterials bei der Reflexion und Absorption von unsichtbarer Wärmestrahlung.
In der Theorie ist dies ein Ansatz mit großem Potenzial: EVISCAN kann die Spurensuche in einen digitalen Prozess zusammenführen und zu einem jederzeit wiederholbaren Vorgang mit reproduzierbaren Ergebnissen machen. Wichtiger erscheint aber noch ein weiterer Aspekt: Asservate und Spuren bleiben in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten, sodass sie ohne Einschränkung für andere Untersuchungen weiterhin zur Verfügung stehen.


Eviscan Front, Foto: German eForensics

Doch was taugt das Verfahren in der Praxis und wie schlägt sich EVISCAN im Alltag eines Spurensicherungslabors?
 

Das Projekt


Das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz, das über umfassende Erfahrung in der daktyloskopischen Spurensicherung verfügt, hat das Gerät intensiv auf den Prüfstand gestellt und in der Zeit vom 01.12.2014 bis 23.03.2015 ein Projekt zur Evaluation der neuen Technologie „EVISCAN“ durchgeführt.


Messtechnik, Foto: German eForensics



Schematische Darstellung, Foto: German eForensics


Ziel des Projekts war es, die neue Technologie EVISCAN im Praxisalltag eines kriminaltechnischen Instituts zu testen und zu evaluieren. Im Vordergrund stand dabei die Zuverlässigkeit des neuen Verfahrens in Bezug auf den Detektionserfolg von Spuren und deren Darstellungsqualität sowie den Ressourcenbedarf im Vergleich zu einem etablierten Referenzverfahren zu testen. Zudem sollten dabei mögliche Vor- und Nachteile des Verfahrens festgestellt und Impulse für die Weiterentwicklung der Technologie aus der Praxis generiert werden.

Projektbeteiligte waren

  1. das LKA Rheinland-Pfalz, Abteilung 3, Dezernat 31 Daktyloskopie/Erkennungsdienst,
  2. das entwickelnde Unternehmen, German eForensics GmbH unter der Projektleitung Prof. Dr. Eberhard Schultheiss,
  3. sowie die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (Fachbereich 5 Naturwissenschaftliche Forensik, Herr Prof. Dr. Richard Jäger), die das Projekt wissenschaftliche begleitet und parallel zu den Untersuchungen Daten gesammelt und in einem neutralen Ergebnisbericht auswertet hat.

 

Rahmenbedingungen


Während der gesamten Projektphase, stand EVISCAN dem kriminaltechnischen Labor in Mainz zum alltäglichen Einsatz in der Spurensicherung zur Verfügung. Für die Untersuchungen selbst haben die verantwortlichen LKA-Mitarbeiter geeignete Asservate aus dem Praxisalltag ausgewählt, die nicht- oder schwach saugende Oberflächen hatten und die von ihrer Geometrie und Oberflächenbeschaffenheit geeignet erschienen. Alle anderen Asservate im Untersuchungszeitraum blieben für das Projekt unberücksichtigt. Die gegenüberstellenden Untersuchungen von Asservaten mit EVISCAN und dem Referenzverfahren wurden von den LKA-Mitarbeitern anhand von detaillierten Protokollen fortlaufend dokumentiert. Dabei wurden die Verfahren jeweils einzeln und individuell auf vorgegebenen Bewertungsskalen nach objektiven Kriterien bewertet sowie die subjektiven Eindrücke der Mitarbeiter mithilfe strukturierter Interviews am Projektende abgefragt.


Eviscan in LKA-Labor, Foto: LKA RP


Die Bearbeitung aller im Projektzeitraum zu untersuchenden Asservate erfolgte immer in der gleichen Vorgehensweise und Reihenfolge. Dabei war immer der erste Arbeitsschritt die Analyse mit EVISCAN, da dieses Verfahren die Gegenstände im Originalzustand belässt. Mit EVISCAN werden latente Spuren zunächst lokalisiert und erfasst, anschließend direkt mit der systemeigenen Bildbearbeitungssoftware optimiert und digital gespeichert. Ab diesem Zeitpunkt kann die gesicherte Spur im automatisierten Fingerabdruckidentifizierungssystem (AFIS) recherchiert oder für Auswertungszwecke genutzt werden.


LKA-Mitarbeiter bei der Arbeit mit Eviscan, Foto: LKA RP

Im zweiten Schritt erfolgte die Bearbeitung des Asservates mit dem üblichen Standardverfahren, i. d. R. durch Bedampfung mit Cyanacrylat sowie die ggf. erforderliche Kontrastierung mit Adhäsionsverfahren oder Basic Yellow. Anschließend wurden die gesicherten Spuren fotografisch erfasst und nachbearbeitet.
Insgesamt wurden im Projektzeitraum aus 44 Vorgängen 90 verschiedene Asservate unterschiedlichster Geometrie, Oberflächenbeschaffenheit und Materialien z. B. Kunststofftüten, Glasbehälter, Spiegel, Hochglanzpapier oder Schusswaffen untersucht.
Dies ist zwar noch keine verlässliche Kenngröße, um allgemeingültige Aussagen hinsichtlich der Validität des Verfahrens treffen zu können, dennoch können aus dem Vergleich der beiden Verfahren Tendenzen abgeleitet werden.

EVISCAN sicherte mehr Spurenfragmente als konventionelles Verfahren


Bei den 90 untersuchten Asservaten konnten mit EVISCAN insgesamt 21, mit dem Referenzverfahren 22 erfolgreiche Spurensicherungen durchgeführt werden. Die Verfahren unterscheiden sich demnach nicht in der Nachweiswahrscheinlichkeit nach Trägermaterialien.
Darüber hinaus wurden bei diesen Spurensicherungen 78 (EVISCAN) bzw. 18 (Referenzverfahren) Spurenfragmente gesichert, die heute nicht daktyloskopisch verwertbar sind. Unter Würdigung dieser Erkenntnisse scheint das EVISCAN-Verfahren bei den hier untersuchten Asservaten in der Lage zu sein, latente daktyloskopische Spuren berührungslos und ohne chemische oder adhäsive Vorbehandlung in oft gleicher, in Einzelfällen auch besserer Qualität als das Referenzverfahren zu sichern.

Obwohl die Erkenntnisse des Projekts nur auf einer kleinen Datenbasis beruhen, hat sich gezeigt, dass EVISCAN für den Einsatz im Laboralltag der Kriminaltechnik eine sehr gute Alternative und/oder Ergänzung in der polizeilichen Spurensicherung sein kann. Aus fachlicher Sicht ist es daher wünschenswert, die vorläufigen Ergebnisse durch weitere Untersuchungen zu bestätigen, um das Verfahren in der Kriminaltechnik regelmäßig anzuwenden.
Die Tatsache, dass EVISCAN mehr Spurenfragmente als konventionelle Verfahren sichern konnte, ist ein Hinweis darauf, dass die bisher angewandten Verfahren nicht alle tatsächlich vorhandenen Spuren sichern können.
Da die mit EVISCAN bearbeiteten Gegenstände trotz Untersuchung den Originalzustand behalten, können Untersuchungsergebnisse reproduziert werden und potentiell neue Untersuchungsmethoden in der Zukunft gegebenenfalls zusätzliche Erkenntnisse bringen.
Der Verzicht auf adhäsive oder chemische Spurensicherungsmittel reduziert die Anwendung von gesundheitsgefährdenden Stoffen.


Im Fall von vorbehandelten Spurenträgern, bei denen die Spurensicherung bereits erfolgt war und wo lediglich eine fotografische Dokumentation erforderlich wurde, sicherten beide Verfahren die Spuren mit gleicher Effektivität. EVISCAN könnte somit auch die Fotodokumentation von Spuren auf CA-bedampften Spurenträgern mit übernehmen.

Berührungsloses Verfahren überzeugt bei empfindlichen Asservaten


In einem Sonderfall konnte EVISCAN besonders überzeugen. Auf gestohlenen wertvollen Weinflaschen mit hohem Sammlerwert, konnten auswertbare Abdrücke gesichert werden, die zu einer Identifizierung des Spurenverursachers führten. Eine Bearbeitung der Asservate mit herkömmlichen Methoden kam hier nicht in Betracht, da durch die Behandlung mit Cyanacrylat die Gefahr bestand, durch den verdampften Klebstoff die seltenen Sammlerstücke zu beschädigen. EVISCAN hingegen hat eine erfolgreiche, zerstörungsfreie Untersuchung ermöglicht.


Weinflaschen, Foto: LKA RP


Spurenlage, Foto: LKA RP

Faktor Zeit


Der Faktor Zeit spielt bei der Bewertung und Effektivität der einzelnen Verfahren eine wichtige Rolle. Hierbei muss zwischen Bearbeitungszeit und Durchlaufzeit unterschieden werden. Während bei der Bearbeitungszeit nur die reine Arbeitszeit eines Mitarbeiters ohne jede verfahrens- oder ressourcenbedingte Wartezeit zählt, erfasst die Durchlaufzeit in dieser Betrachtung auch verfahrensbedingte, jedoch keine ressourcenbedingten Wartezeiten (wie Mitarbeiterüberlastung, -ausfälle oder Feiertage und Wochenenden).
Unter Berücksichtigung dieser Aspekte haben jeweils beide Verfahren Vorteile – aber auch Nachteile.


Durchlaufzeiten pro Vorgang, Foto: German eForensics


EVISCAN konnte bei kleinen und mittleren Gegenständen mit dem All-in-one-Prinzip punkten. Alle Arbeitsschritte – vom Detektieren der Spur bis zur digitalen Datei – finden an einer Arbeitsstation statt und bedurften keiner Unterbrechung. Anders gestaltete sich das bei der konventionellen Methode. Hier sorgen chemische Vorbehandlungen, Einwirkzeiten sowie die fotografische Sicherung der Spuren für einschlägige Wartezeiten und die Auswertung der Ergebnisse ist über mehrere Arbeitsstationen und Mitarbeiter verteilt.
Die konventionellen Methoden hatten Vorteile bei großflächigen Asservaten wie z.B. großen Einkaufstüten oder mehreren Asservaten von gleicher Beschaffenheit. Hierbei war das manuelle Abscannen mit EVISCAN zeitaufwendiger, da jedes Asservat einzeln abgescannt und detailliert betrachtet werden musste, während beim Cyanverfahren in einem Arbeitsgang mehrere Asservate gleichzeitig behandelt werden konnten.
Zusammenfassend kann man für das Projekt festhalten, dass die konventionellen Verfahren eher Vorteile in den Bearbeitungszeiten hatten, das EVISCAN-Verfahren jedoch in den Durchlaufzeiten insgesamt gesehen schneller war.

Weiterentwicklungspotentiale


Während der gesamten Projektphase war immer mindestens ein Mitarbeiter von German eForensics vor Ort anwesend oder direkt ansprechbar. Nachteile, die bei der praktischen Anwendung erkannt wurden, konnten direkt kommuniziert und dokumentiert werden. Der identifizierte Entwicklungsbedarf für EVISCAN sowie die gewonnenen Impulse umfassen sowohl Verbesserungen im Bereich Hardware als auch an der Software, die teilweise bereits während des Projekts umgesetzt wurden oder nach Aussage des Unternehmens kurzfristig zur Umsetzung gelangen werden. Es ist davon auszugehen, dass dadurch der wahrgenommene Bedienkomfort weiter verbessert werden kann, der insbesondere durch den negativen Ausreißer bei der Bearbeitungszeit großer Kunststofffolien geprägt wurde. Eine Erkenntnis aus dem Projekt war z. B., dass sich die Praktiker im Labor auch von EVISCAN eine automatisierte Vorschau auf großen Flächen wünschen, um die Bearbeitungszeit weiter zu verkürzen. Der erste dauerhafte Einsatz der Technologie unter Praxisbedingungen konnte somit konkrete Impulse für weitere Entwicklungsschritte aufzeigen sowie wertvolles Feedback für das entwickelnde Unternehmen bringen.



Spurenergebnisse, Foto: German eForensics


Bearbeitete Spur, Foto: German eForensics

Fazit: EVISCAN und konventionelle Verfahren sind eine gute Ergänzung


Das Projekt hat gezeigt, dass EVISCAN für den Einsatz im Laboralltag der Kriminaltechnik eine sehr gute Alternative und/oder Ergänzung in der polizeilichen Spurensicherung sein kann. Auch wenn manche Gegenstände aufgrund ihrer Geometrie, ihrer Größe oder des Materials besser für die Bearbeitung mit konventionellen Verfahren geeignet waren, konnte EVISCAN insgesamt mit den bewährten Methoden mithalten und in einigen Fällen seine Vorteile ausspielen.
Bemerkenswert ist insbesondere das vorläufige Ergebnis, dass die EVISCAN-Methode mehr Spurenfragmente sichern konnte als das Referenzverfahren. Auch wenn diese Erfahrung nur auf eine kleine Datenbasis gestützt werden kann, bestehen doch zumindest Zweifel an der Richtigkeit der bisherigen Annahme, dass die bisher angewandten Verfahren alle tatsächlich vorhandenen Spuren sichern können.
Hinzu kommt, dass die mit EVISCAN bearbeiteten Gegenstände durch die Untersuchung unversehrt bleiben und es dadurch möglich wird, im Idealfall den Originalzustand zu erhalten. Bei Verfügbarkeit neuer Untersuchungsmethoden in der Zukunft könnten zusätzliche oder neue Erkenntnisse gewonnen und/oder die Untersuchungsergebnisse reproduzierbar gemacht werden. Mit dem Verzicht auf adhäsive oder chemische Spurensicherungsmittel gelingt es, die Anwendung von gesundheitsgefährdenden Stoffen zu reduzieren und in vielen Fällen kann EVISCAN darüber hinaus auch die konventionelle Spurenfotografie ersetzen.Bereits zum jetzigen Zeitpunkt besteht für den Verfasser kein Zweifel daran, dass diese neue Technologie zukünftig einen Mehrwert für den gesamten Spurensicherungsprozess darstellt und ein Einsatz in größeren Spurensicherungslaboren denkbar ist. Aus fachlicher Sicht wäre es wünschenswert, das vorläufige Ergebnis durch weitere Untersuchungen mit breiterer Datenbasis und mit weiterentwickelter Technologie zu verifizieren, um das Verfahren in der Kriminaltechnik zum regelmäßigen Einsatz zu bringen.