Kriminalität

Cyber-Jihad

Das Internet als vitales Instrument für Islamismus und slamistischen Terrorismus

2.2.2. Online-Publikationen

Im Bereich der Online-Publikationen ist die Struktur eines Schneeballsystems islamistischer und jihadistischer Publikationen zu erkennen, so dass die beiden großen jihadistischen Gruppierungen IS und Al Qaida durch unterschiedliche Medienstellen diverse Medien auf diversen Plattformen verbreiten und diese dann von nationalen, regionalen, dezentralen Gruppen, Netzwerken und Einzelpersonen verlinkt, übersetzt, weiterempfohlen werden. Der IS hat neben dem englischsprachigen Online-Magazin Dabiq ein ganzes Netz von IS-Medienstellen aufgebaut, z.B. Al-Hayat Media Center, Al-Furqan Media, Al-L‘tisam Media, Al-Ghuraba Media und Ajnad Media. Neben Dabiq veröffentlicht der IS mit den Islamic State News (ISN) und dem Islamic State Report (ISR) noch weitere Online-Magazine. Al-Qaida wiederum gibt bereits seit 2010 das Online-Magain Inspire22 heraus und nutzt verschiedene Medienzentren, wie das seit 2006 existierende Al-Fajr Zentrum, Al-Sahab oder Al-Furqan. Besonders Al Fajr stellt jihadistischen Diskussionsforen Material bereit und unterstützt die Diskussionsforen technisch, um sie vor virtuellen Angriffen staatlicher Stellen zu schützen.23 Im deutschsprachigen Raum Europas spielte die Globale Islamische Medienfront (GIMF)24 in den Jahren 2004-2008 eine ähnliche Rolle. Die Sympathisanten dieser Propaganda partizipieren in einer Art Schneeballsystem, indem sie die propagandistischen Materialien an anderer Stelle veröffentlichen, zu diesen verlinken, sie mit Kommentaren versehen und auch Übersetzungen in andere Sprachen anfertigen, um den Adressatenkreis zu erweitern.
Das lange Zeit bekannteste nicht-arabische Sprachrohr der jihadistischen Bewegung war das Onlinemagazin Inspire, welches von Anhängern und Sympathisanten von Al Qaida im Jemen veröffentlicht wurde. Bisher sind im Internet 14 Ausgaben von Inspire veröffentlicht worden. Einerseits werden in Inspire die Leser wiederholt und direkt zur Teilnahme am bewaffneten Jihad oder zur Vorbereitung von Anschlägen in westlichen Staaten aufgerufen. Daneben enthält es auch Anleitungen zum Bombenbau und zur Durchführung von Anschlägen.25
Auch der IS verfügt über eigene professionell aufbereitete Propagandamagazine, wobei das bekannteste davon das englischsprachige Magazin Dabiq ist, das im Internet ohne Weiteres verfügbar ist. Seine Verbreitung ist durch das Betätigungsverbot des deutschen Bundesministerium des Innern verboten, das Landesamt für Verfassungsschutz Bremen geht allerdings in seinem aktuellen Verfassungsschutzbericht vom Juli 2016 davon aus, dass „dies die Zugriffsmöglichkeiten nicht nachhaltig einschränkt“26.
Bisher sind dreizehn englischsprachige Ausgaben des Magazins Dabiq erschienen, wobei die erste und zweite Ausgabe sowie Auszüge darauf folgender Exemplare im Internet auch auf Deutsch abrufbar sind. Die Inhalte dieser Ausgaben thematisieren die Strategie des IS, seine vermeintliche Legitimität als „Staat“, ideologische Auseinandersetzungen mit anderen jihadistischen Gruppen sowie Propaganda zur Abwertung der „ungläubigen westlichen Welt“. Gleichzeitig wird in Dabiq besonders den USA, europäischen Staaten, auch Deutschland, mit Anschlägen gedroht und die jihadistischen Anschläge von Paris vom 13. November 2015 werden als Beweis aufgeführt, dass der IS westliche Staatsangehörige töten kann, ohne dass die westlichen Staaten dies unmittelbar verhindern können.27 In den letzten Monaten wurden verschiedene weitere islamistische und jihadistische Magazine online veröffentlicht, die in ihrem Aufbau und Inhalt Dabiq ähneln, jedoch andere Sprachräume erreichen sollen. Dies sind unter anderem Dar al-Islam für den französischen, Konstantiniyye für den türkischen sowie Istok für den russischen Sprachraum.

2.2.3. Legitimation und Erklärung jihadistisch motivierter Anschläge

Eine äußerst wichtige Funktion des Cyber-Jihad ist die propagandistische Legitimation und Erklärung von jihadistisch motivierten Anschlägen, sowohl in muslimischen als auch in westlichen Ländern. Hierbei wird sowohl auf moralischer Ebene als auch auf einer religiös-islamrechtlichen Ebene argumentiert, indem Muslime weltweit als Opfer einer permanenten westlichen Aggression dargestellt werden, die es zu rächen gelte. Diese Legitimation wird häufig mit Hilfe von Porträtierungen von Selbstmordattentätern angestrebt, so dass in ähnlich strukturierten Videos (angeblich) authentisches Bildmaterial einen Beweis für exzessive Gewalt gegen unschuldige Muslime darstellen und Wut und Vergeltung auslösen sollen. Der Selbstmordattentäter wird daran anknüpfend dann als altruistischer Kämpfer, „Märtyrer“ im Namen Allahs porträtiert.

2.2.4. Unterstützung inhaftierter Islamisten und Jihadisten

Islamistische und jihadistische „Gefangenenhilfe“ hat das Ziel, „Brüdern“ und „Schwestern“ in westlichen Justizvollzugsanstalten materiell und moralisch beizustehen. Für die Unterstützung der in westlichen Staaten inhaftierten verurteilten Islamisten und Jihadisten existieren seit ca. 2010 besonders eingerichtete Websites, auf denen die angeblich schlechten Bedingungen der Haft thematisiert und zur Unterstützung aufgerufen wird. Das Thema Gefangenenunterstützung eignet sich dabei propagandistisch sowohl für die Bildung von Unterstützernetzwerken in zahlreichen westlichen Ländern, als auch für Solidaritäts- und Spendenkampagnen.28 Die im März 2012 in Deutschland verbotene Organisation Ansarul Aseer29 („Unterstützer des Gefangenen“) z.B. bot ihren inhaftierten „Brüdern“ und „Schwestern“ finanzielle und schriftliche Unterstützung. Auf ihrer Website listete sie bis zu ihrem Verbot eine erstaunlich umfassende Aufstellung von deutschen und internationalen Salafisten auf, die wegen der Vorbereitung oder Ausführung terroristischer Anschläge oder anderer schwerer Straftaten inhaftiert waren und bezeichnete diese – juristisch falsch – als „politische Gefangene“30. Unmittelbare Rückwirkungen auf einzelne europäische Länder sind dabei in zahlreichen Fällen zu erkennen, so dass u.a. jihadistische Gruppen eine unmittelbare Haftentlassung fordern und militante Maßnahmen androhen, sollte diesen Forderungen nicht nachgekommen werden.31 Nach dem Verbot von Ansarul Aseer wurde die Gefangenenhilfsorganisation „Muslimische Gefangene“ gegründet, die dem IS nahe stehen soll, einen eigenen Twitter-Kanal betreibt sowie mit den beiden deutschsprachigen IS-Internetplattformen Nachrichten aus der islamischen Welt und Baqiyya („Bleibt bestehend“) vernetzt ist.32 Gefängnisse sind Brutstätten der salafistischen radical community und zugleich Rekrutierungspool für künftige Salafisten, ihre besonderen Umstände bieten ein ideales Umfeld für eine religiöse Radikalisierung.33