Internationaler Terrorismus

Atomterrorismus

Eine Bewertung von Risiken, Motiven und Gegenstrategien


Neben diesen ausdrücklich gegen Atomterrorismus gerichteten internationalen Verträgen und Initiativen stehen eine Vielzahl von Initiativen gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen an staatliche Akteure sowie seit den Neunzigern diverse Programme zur Verbesserung der Sicherheit von Atomanlagen und Reduzierung von waffenfähigem Plutonium in zivilen Einrichtungen. Zu Ersterem zählt etwa die bereits in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts gegründete „Nuclear Suppliers Group“ (NSP) – ein Verbund aller Staaten, die Atomtechnologie herstellen –, die das Ziel hat, bereits den Handel mit dem für den Bau der Bombe erforderlichen Zubehör zu unterbinden (vgl. Kroenig/ Volpe (2015), S. 13 f.). Und durch Letzteres konnte waffenfähiges Material weltweit reduziert und die Sicherheit der Bestände deutlich verbessert werden (vgl. Bunn (2014), S. 185–186).
Bemühungen, Atomterrorismus zu verhindern, gab es indes nicht nur auf internationaler, sondern auch auf nationaler Ebene, vor allen Dingen im Bereich der Sicherheitsbehörden.
Die Sicherheitsbehörden der USA haben dabei mittlerweile eine breit aufgestellte Infrastruktur von Abteilungen und Einheiten geschaffen, welche expressis verbis zu dem Zweck eingerichtet wurden, die Verbreitung, Erlangung und den Einsatz von Massenvernichtungswaffen gleich welcher Art, also nicht nur Atombomben, sondern auch schmutzige Bomben sowie biologische und chemische Waffen, durch nichtstaatliche Akteure zu verhindern.
Das FBI schuf erstmals bereits im Jahre 1995 ein Unterprogramm zur Bekämpfung von terroristisch genutzten Massenvernichtungswaffen. 1996 verabschiedete der Kongress eine gesetzliche Regelung mit dem „Defense Against Weapons of Mass Destruction Act“. Nach den Anschlägen vom 11. September und den Anthraxbriefen sah man Veranlassung, die bestehenden Strukturen weiter auszubauen (vgl. FBI (2015a)). Zunächst schuf man im Jahre 2006 das „Weapons of Mass Destruction Directorate“ (WMDD) mit dem Ziel, eine koordinierte Antwort auf die Gefahr von Massenvernichtsungswaffen zu geben, wobei der Fokus auf dem Bereich “Prävention” liegen sollte (vgl. FBI (2015 b)) Dem lag erklärtermaßen die Analyse zugrunde, dass die Bedrohung der USA durch Massenvernichtungswaffen in den Händen von Terroristen für hinreichend konkret gehalten wurde, um spezielle Aufmerksamkeit zu verlangen (vgl. FBI (2015c)). Im Juli 2011 wurde als weitere Struktur das „Counterproliferation Center“ gegründet, das sämtliche Aktionen des FBI zur Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen koordinieren und dabei auch derzeitige Wissenslücken identifizieren und zukünftige Gefahren erkennen soll (vgl. FBI (2015d)).
Parallel dazu bauten nach dem 11. September auch andere Sicherheitsbehörden in den USA Strukturen zur Bekämpfung von Massenvernichtungswaffen auf.
Im Jahre 2005 wurde das „National Counterproliferation Center“ (NCPC) gegründet, welches die Aufgabe hat, in Zusammenarbeit mit allen Sicherheitsbehörden Schwachstellen im Wissen um Massenvernichtungswaffen festzustellen und zu schließen sowie das Langzeitrisiko zu analysieren und geeignete Gegenmaßnahmen zu entwerfen. Es arbeitet dabei nicht nur mit den 16 Sicherheitsbehörden der USA, sondern auch mit zivilen Behörden zusammen (vgl. NCPC (2015)).
Im Jahre 2010 fasste die CIA bereits bestehende Strukturen zur Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen in einem eigenen „Counterproliferation Center“ (CPC) zusammen (vgl. CIA (2015)).
Das Motto, unter welchem sich das WMDD des FBI im Internet präsentiert, liest sich dabei wie die Zusammenfassung der skizzierten Ansicht, der es entspricht: “Es gibt keinen Raum für Scheitern – denn wenn es um Massenvernichtungswaffen geht, wäre schon ein einziges Ereignis eine Katastrophe.”6 (FBI (2015b))Dass die vorhandenen Antiterrorbehörden der USA den Kampf gegen terroristisch genutzte Massenvernichtungswaffen dabei tatsächlich prioritär betreiben, machten dabei im März dieses Jahres Meldungen deutlich, nach denen die US-Behörden den Chef des Chemiewaffenprogramms des IS zunächst gefangen genommen und befragt hatten, um auf der Basis so gewonnener Informationen Angriffe gegen IS-Einrichtungen zu führen, die zum Chemiewaffenprogramm gerechnet wurden (vgl. New York Times (2016, 09.03.)).
Andere westliche wie nichtwestliche Staaten haben ebenfalls eigene Strukturen für die Verhinderung (auch) von Atomterrorismus geschaffen.
Sowohl die britischen Geheimdienste MI 5 und MI 6 (vgl. MI 5 (2015); MI 6 (2015)) als auch der französische Auslandsgeheimdienst „Direction Générale de la Sécurité Extérieure“ (DGSE) erachten die Verhinderung von Atomterrorismus als eine ihrer zentralen Aufgaben (vgl. DGSE (2015)). In Deutschland hat der Auslandsgeheimdienst, der Bundesnachrichtendienst, eine eigene Abteilung für „non-proliferation“, die „Abteilung Proliferation, Waffenhandel, ABC-Waffen, Wehrtechnik“ (TW) (vgl. BND (2015a)), die erklärtermaßen auch die Weiterverbreitung an Terroristen verhindern soll (vgl. BND (2015b)). Die zentrale Kriminalpolizei des Bundes, das Bundeskriminalamt, hat seit 2003 eine Einheit, die die Arbeit von Bundes- und Landesbehörden bei der Abwehr entsprechender Gefahren bündeln soll, die sogenannte „Zentrale Unterstützungsgruppe des Bundes für gravierende Fälle nuklearspezifischer Gefahrenabwehr“ (vgl. BKA (2015)).
Auch kleinere westliche Staaten sowie nichtwestliche Mächte haben für das Themenfeld im Rahmen ihrer Sicherheitsarchitektur zumindest ein Auge. Der kanadische, der australische, aber auch der russische Geheimdienstdirektor haben öffentlich bekundet, Atomterrorismus für eine ernste Gefahr zu halten (vgl. Public Safety Canada (2015); CSIS (2015); ASIS (2015); Belfer Center (2010)); die Geheimdienste etwa von Dänemark (vgl. PET (2015)), den Niederlanden (vgl. AIVD (2015)) und Ungarn (vgl. HUNGARY (2016), S. 2 und 8; Alkotmányvédelmi Hivatal (2016)) sehen ebenfalls in der „non-proliferation“ eine ihrer zentralen Aufgaben. Der indische Inlandsgeheimdienst schließlich begann im Jahre 2013 damit, Polizeibeamte für das Problemfeld zu sensibilisieren und zu schulen (vgl. Nanjappa (2013)).
Mit dem „Belfer Center for Science and International Affairs“ der Harvard Kennedy School gibt es ferner noch einen von der öffentlichen Hand getragenen Thinktank, der sich der Vermittlung wissenschaftlicher Ergebnisse zur Nonproliferation an Terroristen an Politik und Öffentlichkeit widmet (vgl. Belfer Center (2015)). Die nichtstaatliche „Nuclear Threat Initiative“ (NTI) schließlich ist vor allem bemüht, nukleares Material zu reduzieren und besser zu sichern und bewertet dabei mit dem „Nuclear Security Index“ entsprechende Maßnahmen in allen Staaten mit Nuklearwaffen und nuklearem Material (vgl. NTI (2016)).
Der dänische Inlandsgeheimdienst „Politiets Efterretningstjeneste“ (PET) kommt dabei in seiner Gesamtbewertung der Gefahr von Atomterrorismus zu dem auch im Schrifttum weithin geteilten Ergebnis:

“Es ist die Einschätzung des dänischen Geheimdienstes, dass zumindest in naher Zukunft die Gefahr des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen durch Terroristen im Einsatz einfacher chemischer oder biologischer Waffen besteht, deren Entwicklung einige dieser Gruppen und Netzwerke verdächtigt werden. Es gehört aber auch zu dieser Einschätzung, dass solche Waffen kaum als echte Massenvernichtungswaffen wirken werden, sondern nur in kleinen, einfach zu führenden Angriffen zum Einsatz kommen. Der Gebrauch solcher Waffen würde jedoch, ebenso wie in der gleichen Art geführte radiologische Angriffe, einen erheblichen psychologischen Effekt haben.”7 (PET (2015))


Soweit ersichtlich, existiert im politischen Raum anders als in der Wissenschaft zumindest international und in den genannten Staaten keine starke Opposition gegen hohen Aufwand zur Verhinderung von nuklearem Terrorismus. Wegen der immensen Schrecken eines solchen Anschlages lassen sich Politiker von einer etwaigen Unwahrscheinlichkeit ersichtlich nicht leiten (vgl. Bunn (2016), S. 22).