Kriminalität

Die Frauen der Hamas: Wer sie sind und warum sie partizipieren.

Und Deutschland?


Die Hamas ist nicht nur in Nahost aktiv. International hat sie Anhänger und Aktivisten, dies ist auch in Deutschland der Fall. Jedoch zeigt ein Blick auf die Verfassungsschutzberichte, dass die Organisation hier mitgliederschwach vertreten ist. Über die Jahre gehen die Behörden konstant von etwa 300 Hamas-Aktivisten in Deutschland aus. Der rechtliche Rahmen und fehlende Strukturen in Deutschland sind zudem als ursächlich für die beschränkten Möglichkeiten der Beteiligung zu werten. Während ihnen in Gaza alle Türen offen stehen, ist der Handlungsspielraum in Deutschland beschränkt. Die Mitglieder treiben in Deutschland vor allem Spendengelder ein, verbreiten die Hamas-Propaganda und versuchen neue Mitglieder zu rekrutieren. Für die Frauen ist davon auszugehen, dass sie vor allem aus dem Hintergrund heraus im Nahkreis Propaganda betreiben: Die Indoktrinierung der zukünftigen Aktivisten, also von Kindern und Jugendlichen, wird in der Charta der Hamas als zentrale Aufgabe der Frau genannt: So soll sie zunächst durch eine hohe Geburtenrate die biologischen Voraussetzungen für die neue Hamas-Generation schaffen, anschließend die ideologische mit einer entsprechenden Erziehung.
Ähnliches ist auch für andere islamistische Bewegungen, die in Deutschland aktiv sind, zu beobachten. Der Verfassungsschutzbericht des Bundes aus dem Jahr 2013 stellt fest, dass islamistischer Terrorismus nach wie vor „männerdominiert“ ist. Frauen werden vor allem für das Sammeln von Spenden und Propagandaarbeit eingesetzt, sie leisten insgesamt unterstützende Hilfsdienste, in jüngster Zeit vermehrt im Internet. Das Internet fördert einen solchen Aktivismus insofern, als dass die Frauen hier entsprechend ihrer Umgangsregeln mit männlichen Aktivisten agieren können, was vor allem in körperlicher Distanz der Geschlechter zueinander Ausdruck findet.
Hierzulande bekannt geworden für ihre Dienste für den islamistischen Terrorismus ist unter anderem Filiz Gelowicz, die Ehefrau von Fritz Gelowicz, dem Anführer der Sauerlandgruppe. Filiz Gelowicz war in islamistischen Internetforen aktiv, dort warb sie für al-Qaida, die Islamische Jihad Union und die Deutschen Taliban Mujahidin, für letztere wies man ihr zudem Unterstützungsarbeiten in Form von Geldüberweisungen nach. Im Frühjahr 2014 berichteten die Medien zudem über eine junge Gymnasiastin, die bereits einige Monate zuvor nach Syrien ausgereist war, um dort am Dschihad teilzunehmen und zu heiraten. Die junge Frau wurde dort auch an der Waffe ausgebildet, so hieß es. Die Ausreise in ein Krisengebiet, um dort vor Ort den Dschihad zu unterstützen, stellt somit eine weitere Möglichkeit für islamistische Frauen in Deutschland dar, ist in der Realität jedoch nur selten zu beobachten. Das wiederum ist einer der beiden zentralen Unterschiede zu den Frauen der Hamas in Palästina: Diese beteiligen sich an einem Konflikt, der vor der Haustür stattfindet.


Aziza al-Hamami, eine Führerin der Hamas-Frauenbewegung, Kandidatin bei den Parlamentswahlen 2006.
Quelle: Hamas-Internetpräsenz.

Der zweite zentrale Unterschied: Die Hamas öffnete sich in den letzten Jahren für eine Beteiligung in der formalen Politik, in Gaza stellte sie ab 2007 die Regierung, was auch den Frauen der Hamas neue Möglichkeiten bot, sich einzubringen. Die Aktivistinnen eroberten staatliche Strukturen und instrumentalisierten diese für die Hamas-Ideologie und Ziele. Für welche islamistische Bewegung, die auch in Deutschland aktiv ist, kann man dies beobachten? Welche der Bewegungen ist in irgendeinem Land an der formalen Politik geschweige denn der Regierungsbildung beteiligt? Der Exkurs nach Deutschland zeigt somit auch, dass die Frauen der Hamas in Palästina, ob der Integration in den formalen politischen Sektor, eine Vorrangstellung genießen. Die Hamas blieb in der Vergangenheit flexibel und pragmatisch, lehnte eine breitere Beteiligung der Frauen nicht kategorisch ab. Diese Flexibilität scheint größer als bei vielen anderen Organisationen, bei denen die Akzeptanz für eine aktive Beteiligung der Frauen gering ist. Doch kann der Pragmatismus der Hamas alleine als ursächlich für die kontrollierte Öffnung für Frauen angesehen werden – und nicht etwa ein fortschrittliches Gender-Bewusstsein. Sicher ist auch, dass diese kontrollierte Öffnung nicht stabil ist: Konflikte, Kriege und andere politische Ereignisse können sich sowohl positiv als auch negativ auf die breite Beteiligung der Frauen bei der Hamas auswirken. Es wird sich zeigen, ob die Frauen, die sich bisher so selbstbewusst präsentiert haben, gegen eine etwaige Zurückdrängung reagieren und um ihren Platz kämpfen.

HAMAS
Die Islamische Widerstandsbewegung Hamas, so die vollständige Bezeichnung, ist seit Beginn der Ersten Intifada im Dezember 1987 ein wichtiger politischer Akteur im Kontext des Nahostkonfliktes. Bekannt wurde die Hamas im europäischen Raum vor allem durch ihr militantes Auftreten gegenüber dem Staat Israel: Ab Mitte der 1990er Jahre entsandte sie für einen Zeitraum von über zehn Jahren zahlreiche Selbstmordattentäter, durchgeführt von den Izz ad-Din al-Qassam Brigaden, dem militanten Arm der Hamas. Innerhalb der Palästinensergebiete gewann die Bewegung zudem durch ihre sozialen Projekte an Popularität: Sie unterhält ein weit reichendes Netz an sozialen, kulturellen, Wohlfahrts- und Bildungseinrichtungen. Im Bereich der institutionalisierten Politik boykottierte die Hamas zunächst jedwede Beteiligung. Dies änderte sich bei den palästinensischen Kommunalwahlen 2005, wo sie bereits große Erfolge verbuchen konnte. Zur Überraschung regionaler und internationaler Beobachter gewann sie ein Jahr später überdies die Parlamentswahlen der Palästinensischen Autonomiebehörde. Dem Wahlsieg folgte der „Bruderkampf“ mit der palästinensischen Fatah, ein Konflikt, der schließlich in der politischen Teilung der Palästinensergebiete mündete: Seit 2007 existierte ein bipolares System, bei dem die Hamas im Gazastreifen regierte, während das Westjordanland von der Fatah dominiert wurde. Im Juni 2014 kam es zur Bildung einer palästinensischen Konsensregierung, in deren Folge die Hamas-Regierung im Gaza-Streifen zurückgetreten ist. Der Rücktritt hatte jedoch kaum Auswirkungen auf den Einfluss, den die Hamas nach wie vor im Gaza-Streifen hat.

Detaillierte und gesicherte Angaben zur Struktur und Organisation sind, ob der klandestinen Strukturen, kaum möglich. Als höchstes Entscheidungsgremium gilt das Politbüro, madschles as-siyasi, das aus dem Exil heraus Politik, militante Handlungen, Finanzen, Medien und Wohltätigkeitsarbeit der Hamas dirigiert. Daneben existiert der nationale Shura-Rat, der über die politischen Prinzipien der Bewegung beratschlagt und entscheidet. Auf den unteren Ebenen soll die Bewegung zweigeteilt sein: regionale Schura-Räte für die männlichen Mitglieder und regionale Schura-Räte für die weiblichen Mitglieder, so berichteten mir einige der Frauen. Hamas versteht sich selbst als palästinensischer Zweig der Muslimbruderschaft. Charakteristisch für die Bewegung ist jedoch das Nebeneinander von religiösen und nationalen Motiven, die ihr Denken und Handeln bestimmen. Zudem finden wir in der Bewegung sowohl moderate Denker (als ein solcher gilt Ismail Haniya) als auch Hardliner (zum Beispiel Mahmud az-Zahar), was sich in einem Wechsel aus pragmatischer Realpolitik (unter anderem die Teilnahme an demokratischen Wahlen) und dem Festhalten an ideologischen Positionen (zum Beispiel die beabsichtigte Islamisierung der palästinensischen Gesellschaft) widerspiegelt. Zuletzt wurde jedoch immer deutlicher, dass sie im Gaza-Streifen unter den islamistischen Bewegungen (unter anderem Salafisten und der Palästinensische Islamische Dschihad) eine der gemäßigsten Gruppen darstellt.

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