Kriminalität

Kinder im Dienst der (Organisierten) Kriminalität

Kinderhandel und Ausbeutung von Kindern – ein gern ignoriertes, aber erhebliches, deutsches Problem


Auch der Handel mit jungen Sporttalenten nimmt gelegentlich höchst merkwürdige Formen an. So sorgte unlängst der Kauf und Transfer eines 9-jährigen Fußballtalents aus Schweden, Sprössling (allzu) ehrgeiziger Eltern, durch den renommierten FC Barcelona für Schlagzeilen. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang auch an zahllose, afrikanische Fußballtalente, die in Spanien und anderen westeuropäischen Staaten umherirren, nachdem ihnen eine große Fußballerkarriere versprochen wurde, ohne dass diese je in Erfüllung ging und in Erfüllung gehen konnte. Sie wurden erbärmlich allein und im Stich gelassen, nachdem sie (nicht selten mit Hilfe der ganzen Verwandtschaft) das Geld für die Überfahrt nach Europa zusammengekratzt und an die Schleuser bezahlt hatten. Heute haben sie nicht einmal mehr das Geld für die Heimreise in der Tasche.
Und, um ein weiteres Beispiel zu nennen, wer fragt schon danach, was mit den kleinen und talentierten, Eishockeyspielern geschieht, welche Lukaschenko’s Talente-Schmiede in Grodno/Weißrussland anhaltend ausspuckt ? Fest steht, sie sind bestens ausgebildet und trainiert und sie sind weltweit gefragt!
Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenahng, dass Kinder auch Opfer des Handels sind, der mit Asylsuchenden betrieben wird. Auch sie kommen fortgesetzt, ausgelaugt und allein, mit ihren Eltern oder mit Verwandten auf überfüllten Booten in Lampedusa und an anderen Küsten Europas an (oder auch nicht) – auf eine (bessere) Zukunft hoffend.
Und auch kindliche Organe sind eine begehrte Ware auf kriminellen, europäischen Märkten. Nicht zuletzt einige Nachfolgestaaten der Sowjetunion, allen voran die Republik Moldowa aber auch Balkanländer scheinen davon in hohem Maße betroffen. Im Südosten Europas sind Entführungen von Kindern und der Verkauf von Kindern zum Zwecke der illegalen Organentnahme immer wieder einmal Thema. Vor allem die Kinder dort lebender Minderheiten scheinen betroffen. Wer die Abnehmerländer und die Abnehmer sind, kann zumeist nur vermutet werden und gilt als gut gehütetes Geheimnis. Kinder werden auch illegal in die Adoption gehandelt. In Deutschland ist derzeit von einem Verhältnis von 1:10 bis 1:12 auszugehen. Von zehn oder zwölf Adoptionswünschen kann aufgrund einer strengen Adoptionsgesetzgebung nur einer erfüllt werden. Solche Diskrepanzen öffnen immer die Schleusen für die Kriminalität und so werden Kinder auch illegal nach Deutschland gehandelt, auf grauen Märkten, von dubiosen Anbietern. Die deutschen Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden haben dabei zumeist keine Eingriffsmöglichkeiten. Die erforderlichen Papiere, unterzeichnet von einem Richter in Guatemala oder von einer zuständigen Behörde im Osten oder Südosten Europas liegen vor. Der Handel erfolgt (scheinbar) legal und doch an den offiziellen Einrichtungen vorbei. Nach dem russischen „Dima-Jakowlew-Gesetz“ von 2012, mit welchem US-Bürgern die Adoption russischer Kinder untersagt wurde, verschlechterte sich die Situation für russische Waisenkinder ( welche in Wahrheit oft keine Waisenkinder sondern Kinder sind, die von Wodka- oder Drogengeschädigten Eltern allein gelassen werden ) erheblich. Schließlich wurden allein in den 1990er-Jahren und bis 2010 von US-amerikanischen Familien über 60.000 russische Kinder adoptiert. Diese Kinder landen nun zwangsläufig vermehrt auf der Straße oder in den U-Bahnschächten russischer Großstädte und sind dort Kinderfängern, Kinderhändlern und Ausbeutern ausgeliefert und werden auf illegalen Märkten verscherbelt. Während Brasilien weltweit als der größte Kinderpornoproduzent gilt, dürften die brutalsten Produkte dieser Art ( Trash- und Snuff-Filme mit gefilmten Tötungshandlungen an Kindern) heute aus Russland kommen. Moskau und St. Petersburg bieten in diesem Zusammenhang nicht mehr als kleine Einblicke; andere russische Millionenstädte liegen total im Dunkelfeld. Fakt ist: Wenn in russischen Großstädten ein oder mehrere Straßenkinder verschwinden, so fällt das in aller Regel nicht und niemandem auf.
Weder den zuständigen Behörden noch den Nichtregierungsorganisationen (NRO), sofern es örtlich solche überhaupt gibt. In aller Regel kräht kein Hahn nach diesen Kindern. Eine Situation, die Pädokriminelle und Kinderpornoproduzenten, illegale Organhändler und andere Kriminelle für ihre Zwecke ganz sicher zu nutzen verstehen – wie nicht zuletzt zunehmend brutalere, kinderpornografische Produkte beweisen.
Bettelkinder, vorwiegend aus dem Südosten Europas kommend, werden dort ausgebildet abgerichtet, präpariert und (auch) hierzulande gezielt und in großer Anzahl eingesetzt, um anschließend abkassiert zu werden. Sie werden benutzt, rücksichtslos ausgebeutet und sind zumeist einem hohem Erfolgsdruck ausgesetzt. Wie menschenverachtend und rücksichtslos die gängigen Methoden sind, zeigt ein Beispiel aus Moldawien. Dort wurde von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) ein 5-Jähriger Junge aufgegriffen, dem seine Ausbeuter ein Bein amputiert hatten, um ihn in westeuropäischen und auch deutschen Fußgängerzonen gewinnbringend einsetzen zu können.
Auch die Horden von Klaukids, welche fortgesetzt Heuschrecken gleich über die Einkaufszentren westeuropäischer –und in steter Regelmäßigkeit auch deutscher- Großstädte herfallen und alles an sich reißen, was nicht niet- und nagelfest ist, werden benutzt und man weiß, sie sind nichts als ausführender Teil gut strukturierter, krimineller Organisationen. Die so eingesetzten Kinder werden in der Regel bestens auf ihre Einsätze vorbereitet, sie sind mit festen Verhaltensregeln ausgestattet, werden straff geführt und auch sie sind einem zumeist extrem hohen Leistungsdruck ausgesetzt.
Auch die kleinen Trickbetrüger(innen), aus Bulgarien, Rumänien, der Slowakei oder Ungarn kommend, werden vor ihrem Einsatz mit allen notwendigen Tricks und Raffinessen ausgestattet, um bei ihren Einsätzen in den westlichen Einsatzgebieten und beim Bemühen, den Menschen, die an Bankschaltern Geld abholen, dieses mitsamt der Kreditkarte gleich wieder abzunehmen, erfolgreich zu sein. So wie die stummen und scheinbar gehörlosen und bedauernswerten Kinder auch, die mit einem amtlich aussehenden Papier in der Hand vorgeben, Gelder für taubstumme Kinder sammeln.
In einem bulgarischen Ghetto wurde unlängst eine 12-Jährige verheiratet. Die Eltern des ungleich älteren Bräutigams bezahlten für die junge Braut den im Ghetto kaum vorstellbaren Betrag von 8000.- Euro. Wohlwissend freilich, dass die junge Schwiegertochter in der letzten Saison zur Königin der Trickdiebinnen avancierte, die den Menschen an den Bankautomaten in Mailand oder München das abgehobene Geld gleich wieder abnehmen. Wohlwissend, der Preis für die junge Braut lässt sich schnell wieder amortisieren.
All diese Kinder klauen, betrügen, betteln oder sammeln im Auftrag. Sie werden benutzt, streng geführt und streng bewacht. Sie sind Werkzeuge und Opfer internationaler, bestens organisierter Kriminalität.
Werden sie aufgegriffen, so können sie nur kurzzeitig festgehalten und dann wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Anschließend tauchen sie unter oder am nächsten Tatort gleich wieder auf. Irgendwann werden sie wieder ertappt, wieder kurzzeitig festgehalten, wieder auf freien Fuß gesetzt und sie tauchen wieder unter oder am nächsten Tatort gleich wieder auf...
Das führt zu keiner Lösung des Problems und ist auf Dauer auch nicht hinnehmbar. Nicht zuletzt deshalb, weil dadurch auch für die betroffenen Kinder immer größere und letztlich irreparable Schäden entstehen. Zum einen, weil sie ihr Tun immer mehr als zwar kriminelles aber dennoch hingenommenes und nicht bestraftes Verhalten begreifen. Zum anderen, weil sie erfahren, wie tatenlos, hilflos und ohnmächtig zuständige, staatliche Stellen gravierendem Unrecht gegenüberstehen, was sie nach der Loslösung von ihren Ausbeutern zur Eigeninitiative und zu weiterem, strafbarem Tun veranlasst.
Noch weniger verständlich erscheint es, wenn die eigentlichen Täter und Organisationen im Hintergrund aufgrund der Internationalität des Geschehens, aufgrund fehlender Ressourcen, aufgrund eingeschränkter polizeilicher oder justizieller Möglichkeiten oder wenig praktikabler Rechtshilfewege in hohem Maße unerkannt und unverfolgt bleiben. Sie zu enttarnen und zu zerschlagen ist der einzig Erfolg versprechende Weg, um diesem anhaltenden Kriminalitätsaufkommen wirksam zu begegnen.
Trotz aller (grenz-)politischen Veränderungen der vergangenen Jahre, trotz aller Annäherungen und Bemühungen auf europäischer Ebene gibt es noch immer zu wenig gut funktionierende, polizeiliche und auch justizielle Gemeinsamkeiten und Kooperationen zwischen den jeweils betroffenen, europäischen Staaten. Es gibt noch immer zu wenig dieser „Joint Investigation Teams“ ( gemeinsame Ermittlungsgruppen der jeweils betroffenen Staaten) und zu wenig Erfolge bei der Zerschlagung einschlägiger Tätergruppierungen und Organisationen.
Die Bildung gemeinsamer, zwischenstaatlicher Ermittlungseinheiten sollte (nicht nur) bei Hinweisen auf die Ausbeutung von Kindern in all ihren Erscheinungsformen nicht die Ausnahme sondern gängige europäische Praxis sein.
Europas Gangster sind Europas Polizei (und Justiz) aber noch immer meilenweit voraus und Erfolge bei der Bekämpfung internationaler, länderübergreifender Kriminalität –von den Einbruchsdiebstählen bis hin zur massenhaften Ausbeutung von klauenden, betrügenden, bettelnden oder auf dem Strich ausgebeuteten Kindern- sind angesichts des Gesamtaufkommens noch immer zu selten. Dabei weiß man: Eine Sachbearbeitung auf nationaler Ebene im Rahmen örtlicher und sachlicher Zuständigkeit dient bei den beschriebenen und manch anderen Kriminalitätsformen allenfalls statistischen Zwecken und hat den Namen Kriminalitätsbekämpfung nicht verdient.