Polizei

Die Europäische Grenzschutzagentur Frontex – Wallmeister der Festung Europas oder Garant für die Sicherheit der Außengrenzen?

Form follows functions: Organisation und Hauptaufgaben von Frontex


Die Organisation von Frontex folgt grundsätzlich der Gliederung klassischer Sicherheitseinrichtungen. Die Agentur ist neben einer Unterstützungsabteilung für die Leitung in 3 Abteilungen (Divisions) gegliedert:

  • Einsatzangelegenheiten: Gemeinsame Einsätze, Lagezentrum, Risikoanalyse
  • Ausbaus der Grenzschutzkapazitäten: Aus- und Fortbildung, Poolbildung bei personellen und materiellen Ressourcen, Forschung und Entwicklung
  • Verwaltung: Finanzen und Beschaffungswesen, Personal und Dienstleistungen, Rechtsangelegenheiten, Informationstechnik.

Die Agentur unterhält ein Verbindungsbüro in Brüssel und eine Außenstelle zur Einsatzunterstützung in Piräus/GR. Bei den Mitarbeitern werden drei Kategorien unterschieden: ca. 150 Zeitbeamte der EU mit einem Fünfjahresvertrag mit Verlängerungsoption, ca. 80 Angestellte ohne Leitungs- oder Spezialfunktionen und ca. 80 Angehörige der Grenzschutzbehörden der Mitgliedstaaten, die für 2 – 6 Jahre der Agentur als Seconded National Experts zugewiesen werden und die operative Arbeit von Frontex optimieren sollen.
Grundsätzlicher Ansprechpartner für die regelmäßige Zusammenarbeit von Frontex mit einem Mitliedstaat ist der „National Frontex Point of Contact“ (NFPoC). Unter den unterschiedlichen Behörden mit Grenzaufgaben fungiert der NFPoC als offizielle Ansprech- und Schnittstelle. In Deutschland nimmt diese Funktion die Abteilung 4 (Referat 41) des Bundespolizeipräsidiums in Potsdam wahr.
Frontex hat, obwohl landläufig angenommen, keine Exekutivbefugnisse, da sich die Mitgliedstaaten unverändert sperren, Teile der nationalen Sicherheitsgewährung als Kernstück souveräner Staatlichkeit an eine übergeordnete Institution abzutreten. Gleichwohl ist Frontex kein zahnloser Tiger. Vielmehr fungiert die Agentur als Synergien bildende und Einätze optimierende Serviceeinrichtung. Das Aufgabenprofil, das im Laufe der Jahre ständig erweitert wurde, ergibt sich aus der Frontex-Verordnung und deren Überarbeitung (VO EU 118/2011). An erster Stelle steht unverändert die Koordinierung der Zusammenarbeit der Grenzpolizeien der Mitgliedstaaten zum Schutz der Außengrenzen. Ziel ist die synergetische Zusammenführung der vorhandenen Kapazitäten, um irreguläre Migration und schwerwiegende grenzüberschreiende Kriminalität besser bekämpfen zu können. Hauptherausforderung ist die zeitgerechte Koordination und Steuerung bei plötzlich auftretenden Sonderlagen an den Außengrenzen. Grundlage hierfür sind Risikoanalysen und die Bewertung der Grenzschutzkapazitäten der Mitgliedstaaten. Ein wichtiges Instrument der Lagebewältigung ist die Bereitstellung von European Border Guard Teams (Europäische Grenzschutzteams), die sich aus Grenzschutzbeamten verschiedener Staaten zusammensetzen und nach dem Recht des Einsatzlandes tätig werden. Gekennzeichnet sind sie auf ihren nationalen Uniformen mit einem Frontex-Logo oder einer blauen Armbinde. Für Ausnahmesituationen sieht das Einsatzkonzept den Einsatz von Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke (RABIT gleich Rapid Border Intervention Teams) auf Anforderung eines Mitgliedstaates vor, sofern dieser sich zur Bereinigung einer Konfliktlage außerstande sieht. Für die Mitliedstaaten besteht grundsätzlich Beteiligungspflicht. Ein Team besteht aus Grenzschutzbeamten mehrerer Mitgliedstaaten unter Führung des anfordernden Staates. Derartige Teams wurden vom November 2010 bis März 2011 unter Beteiligung deutscher Bundespolizisten an der griechisch- türkischen Grenze eingesetzt, als sich der dortige Grenzabschnitt zum Hot Spot der irregulären Migration entwickelte. Allerdings sollte man wie bei ähnlichen Einrichtungen der EU auch keine übertriebenen Anforderungen an Schnelligkeit eines Einsatzes stellen. In der Regel bedarf es eines Vorlaufes von zehn Tagen bis zum aktiven Einsatz eines Teams.
Weiterhin koordiniert Frontex die grenzpolizeifachlichen Aus- und Fortbildung, wirkt bei der Entwicklung von Technologien auf dem Gebiet der Grenzsicherheit (z.B.automatisierte Grenzkontrolle, Nutzung von Reisedokumenten mit biometrischen Daten oder moderne Grenzüberwachungstechnik) mit und unterstützt die EU – Kommission mit fachlicher Expertise in allen Fragen europäischer Grenzsicherheit.

Risikoanalyse als Grundlage der Einsatzplanung


Frontex ist zusammen mit Europol Vorreiter bei der erkenntnisgestützen Analyse (intelligence-led policing), ein Verfahren, das nicht nur bisherige Entwicklungslinien retrospektiv analysiert, sondern auch dem Erkennen von Trends dient, um daraus Prognosen für eine wirkungsvolle Kriminalitätsprävention abzuleiten. Die zurzeit diskutierten Formen des Predictive Policing verfolgen einen ähnlichen Ansatz. Frontex setzt hierzu CIRAM ( Common Integrated Risk Analysis Model) ein, das 2002 entwickelt und zuletzt 2012 fortgeschrieben wurde. In dem Verfahren werden alle Daten gesammelt, die die Sicherheitslage an den Außengrenzen berühren, verdichtet, analysiert und in Einsatzmaßnahmen umgesetzt.
Gleichzeitig wurde ein Netzwerk der Analysten der Mitgliedstaaten gebildet, das sich viermal jährlich zur gemeinsamen Arbeit an den Auswerteprodukten trifft. Es umfasst mittlerweile drei regionale Zusatznetzwerke, mit denen Nicht-EU-Ländern einbezogen wurden: westliche Balkan- Region, Länder an den östlichen Landgrenzen und relevante Länder in Afrika. Die Analysen beziehen sich nicht nur auf die Lage an den Außengrenzen, sondern beschäftigen sich auch mit Migrationsrouten, Migrationsfaktoren und modi operandi der Menschenhändler. Allerdings ist die massenhafte Verarbeitung personenbezogener Daten an den Außengrenzen wie z.B. Registrierungsprogramme für Reisende, Fluggastdatensätze und vorherige Reisegenehmigungen im Parlament nicht ohne Kritik geblieben, da man qualitätsbezogene Probleme befürchtet.
Die Risikoanalyse ist Ausgangspunkt und substantielle Grundlage für Frontex-Handlungsempfehlungen und Vorschläge sowohl in Hinblick auf die die nationalen Grenzbehörden als auch in Bezug auf koordinierte gemeinsame Einsatzmaßnahmen an Brennpunkten. Die Planungen gipfeln in den alljährlich im Herbst stattfindenden „Annual Bilateral Talks“, bei denen allen Mitgliedstaaten und Vertretern der beobachtenden Nicht-EU Länder der Katalog der Einsatzvorhaben für das kommende Jahr vorgestellt wird. Gleichzeitig geben die Mitgliedstaaten ihre Optionen für eine Beteiligung bekannt.