Politik - Innere Sicherheit

Piratenjagd durch Private

Der Zulassung privater Sicherheitsdienstleister zum Schutz deutscher Seeschiffe als Paradigma für den schleichenden Verfall des staatlichen Gewaltmonopols

Ein eher negatives Fazit


Mit der nunmehrigen Neuregelung hat der Gesetzgeber ein Präjudiz geschaffen. Bereits im August 2011 hat eine gemeinsame Projektgruppe des UA FEK und des UA RV den Abschlussbericht „Zertifizierung von Unternehmen im privaten Sicherheitsgewerbe“ vorgelegt, der auf der 193. IMK-Sitzung zustimmend zur Kenntnis genommen wurde. Gleichzeitig wurde betont, dass die entwickelten Standards in den einschlägigen Rechtsvorschriften verbindlich geregelt werden. Die nunmehrige Entwicklung ist mehr als ein Türöffner, denn sie wird die Entwicklung zur Privatisierung von Sicherheit fördern. Und zwar auch im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung. Konkludent hat der Gesetzgeber nicht nur sein Unvermögen in einem Teilsegment der Sicherheitsgewährleistung eingestanden, sondern auch eingeräumt, dass er von privaten Sicherheitskräften einen höheren Mehrwert erwartet als von seinem eigenen Personal.
Ende Dezember 2013 waren sieben Bewachungsunternehmen nach § 31 Abs. 1 GewO auf der Web-Liste des BAFA verzeichnet: fünf mit Sitz in Deutschland, je eines in England und auf Mauritius. Der prognostizierte Ansturm, der von einer Antragstellung von bis zu 70 Unternehmen im ersten Jahr ausging, blieb allerdings aus.
Im Grunde hätte es des gesamten bürokratischen Aufwandes nicht bedurft, denn bereits nach vorher geltender Rechtslage hätten private Sicherheitsdienste maritim eingesetzt werden können. Die Leitlinien der IMO (Internationale Marine Organisation) und die international anerkannten Verhaltensrichtlinien (Best Management Practices) hätten für einen Einsatz der Bewachungsunternehmen ausgereicht. Allenfalls erfolgten durch die neuen Regularien eine rechtliche und praktische Anpassung und eine evidente Aufwertung der privaten Sicherheitsdienstleister. Überprüft werden künftig die Unternehmensstrukturen, nicht aber das Wachpersonal und deren Einsatzverfahren. Dieses ist aus praktischen Gründen auch gar nicht möglich. Warum nicht von vornherein das gesamte Verfahren der an sich zuständigen und praxiserfahrenen Bundespolizei übertragen wurde, blieb im Dunkel.
Trotz umfangreicher Dokumentationspflichten bleibt es zweifelhaft, ob die zuständigen Behörden immer Kenntnis von einem seeräuberischen Vorfall bekommen, zumal in den Fällen, in denen sich Kapitän und/oder Sicherheitsdienste selbst belasten müssten. Erstaunlich auch, dass eine Schutzmannschaft von 4 Mann mit halbautomatischen Waffen für ausreichend erachtet wird. Ein Vessel Protection Team der Bundeswehr besteht z.B. aus zehn ausgesuchten Spezialisten mit automatischen Kriegswaffen. Der Einsatz der GSG 9 zur Befreiung der Geiseln auf der Hansa Stavanger wurde abgebrochen, da angeblich die Piraten zu stark bewaffnet waren.
Piraterie kann jederzeit und an jeder geeigneten Küste wieder aufleben, wo interessierte Akteure eine neue kriminelle Einnahmequelle ohne größere Gefährdung vermuten. Viele maritime Anrainerstaaten sind nicht in der Lage, eine geeignete Coast Guard zu unterhalten, von Abwehrmaßnehmen außerhalb der eigenen Hoheitsgewässer ganz zu schweigen. Die Möglichkeit von Anschlägen des internationalen Terrorismus wird allenfalls in Fachzirkeln diskutiert.
Unter Fachleuten ist es schon lange eine Binsenweisheit, dass der Staat in vielen Bereichen aufgrund personeller und finanzieller Engpässe an die Grenzen seiner Belastbarkeit stößt. Dass er dann versucht, durch mehr oder minder probate Gegenstrategien Abhilfe zu schaffen, ist verständlich. Allerdings sollte er hierbei ernsthaft prüfen, ob gerade der Bereich der Inneren Sicherheit ein hierfür geeignetes Experimentierfeld für Aufgabenprivatisierung ist, denn alle Indikatoren lassen vermuten, dass die Kriminalität weiter steigt, das Vertrauen der rechtstreuen Bürger in die Leistungsfähigkeit der Sicherheitsorgane dagegen eher schwindet. Auch wenn der Weg zur vermehrten Aufgabenübertragung von Sicherheitsdienstleistungen an Private unumkehrbar ist, da die Polizei auf deren Ergänzungsleistungen gar nicht mehr verzichten kann, und deren Markt weiter expandieren wird, so bleibt ein unaufhebbarer qualitativer Unterschied: Private Dienstleister arbeiten wettbewerbs- und profitorientiert nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten, die Polizei hingegen gemeinwohlorientiert und grundsätzlich ohne Berücksichtigung etwaiger Kosten. So ist im Einzelfall zu prüfen, ob der Rückzug des Staates aus dem Bereich der Gefahrenabwehr und Kriminalitätsbekämpfung tatsächlich durch Nichtkönnen oder aber durch Nichtwollen bestimmt ist. Tatsächlich ist es nämlich so, dass sich nunmehr mit der exklusiven Überantwortung des Schutzes der deutschen Handelsschifffahrt erstmalig der Staat eines Teiles seiner Kernkompetenzen begeben hat. Er hat noch nicht einmal den Versuch eines zumindest temporären Schutzes gewagt. Und ob die Reeder mit der neuen Situation tatsächlich glücklich werden, bei der sie nur bestimmte Unternehmen verpflichten dürfen, die ihre Dienste entsprechend honorieren lassen, bedarf noch des Nachweises. Auch darf man gespannt sein, ob die eingeleitete Entwicklung nicht zur zusätzlichen Ausflaggung deutscher Handelsschiffe oder zur Abwanderung von Sicherheitsdienstleistern ins Ausland führen wird. Und das Bundesinnenministerium muss sich fragen lassen, ob für die Bundespolizei als einer der personalstärksten Polizeien überhaupt der Fußballeinsatz am Wochenende, die Unterstützung des Hausordnungsdienstes der Botschaften oder die Unterstützung des Personenschutzes des BKA wichtiger sind als die Wahrnehmung der gesetzlich übertragenen Aufgaben zur Bekämpfung der Piraterie.

Wichtiges in Kürze

Von Gunhild v. d. Groeben, Journalistin, Mainz

Termine


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