Recht und Justiz

Strafrechtliche Rechtsprechungsübersicht

§ 211 Abs. 2 Var. 9, §§ 22, 23 StGB – Mordversuch; hier: Verdeckungsabsicht. §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB – Gefährliche Körperverletzung; hier: Anfahren mit einem Kraftfahrzeug. § 239b StGB – Geiselnahme; hier: Zusammenhang zwischen Bemächtigungslage und Nötigung. § 242 StGB – Diebstahl; hier: Einscannen eines falschen Strichcodes an einer Selbstbedienungskasse.(...)



§§ 263a, 22, 23 StGB – Versuchter Computerbetrug; hier: Pishing. Der Angeklagte (A.) veranlasste die ihm bekannten Landsleute S. und N., sich zum Schein unter einer Berliner Anschrift anzumelden und unter Hinweis auf den Bezug von Sozialleistungen bei verschiedenen Kreditinstituten acht Bankkonten zu eröffnen. Die Kontounterlagen, insbesondere die Geldkarten nebst den entsprechenden PIN-Nummern sowie die Online-Zugangsdaten fing A. ab, weil er die Konten als Zielkonten verwenden wollte, auf die von fremden Konten mittels erschlichener Zugangsdaten Geldbeträge transferiert werden sollten. Auf einem von der Zeugin N. eingerichteten Konto gingen im weiteren Verlauf 4.000 Euro ein, die mittels erschlichener Zugangsdaten von dem Sparkassenkonto der A. und A. G.-Stiftung in Frankfurt am Main abgebucht worden waren.
Nach § 263a StGB macht sich strafbar, wer das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs durch unrichtige Gestaltung des Programms, Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten, unbefugte Verwendung von Daten oder sonst unbefugte Einwirkung auf den Ablauf beeinflusst, um sich oder einem Dritten auf Kosten eines anderen einen rechtwidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Diese Tat versucht mithin nur, wer unmittelbar zu einer dieser Handlungen ansetzt. Dies liegt erst dann vor, wenn die Handlung nach dem Tatplan der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals unmittelbar vorgelagert ist und im Falle des ungestörten Fortgangs ohne Zwischenakte in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmündet.
Hat ein Täter widerrechtlich Konto-, Identifikations- und Transaktionsnummern sowie Zugangscodes von anderen Benutzern des Internets mittels Phishing erlangt, liegt ein Ansetzen zur Verwirklichung des Straftatbestands des Computerbetrugs in Sinne des § 22 StGB erst dann vor, wenn er diese Daten verwendet, indem er sie beispielsweise in den Computer eingibt, um so eine von dem tatsächlich Berechtigten nicht autorisierte Überweisung zu tätigen. Die Einrichtung von Zielkonten, eine fingierte polizeiliche Anmeldung und das Abfangen von Kontounterlagen können dagegen zwar auf einer Täuschungshandlung beruhen, stellen jedoch noch keinen versuchten Computerbetrug dar. (KG Berlin, Beschl. v. 02.05.2012 – (3) 121 Ss 40/12)

II. Prozessuales Strafrecht


§ 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO – Haftgrund Flucht; hier: Keine Flucht durch Aufenthalt im Ausland bei feststehendem Rückkehrwillen. Begibt sich ein ausländischer Beschuldigter in Kenntnis des gegen ihn in Deutschland geführten Ermittlungsverfahrens in sein Heimatland, ist er flüchtig im Sinne des § 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO, wenn sein Verhalten von dem Willen getragen ist, sich dauernd oder länger dem Strafverfahren zu entziehen. Reist er dagegen mit Rückkehrwillen zu einem nur vorübergehenden Aufenthalt in sein Heimatland, ist er auch dann nicht flüchtig, wenn die Wirkung der Unerreichbarkeit für die deutschen Strafverfolgungsbehörden und das Gericht tatsächlich eintritt, weil sein Heimatland eigene Staatsangehörige grundsätzlich nicht an Deutschland zum Zwecke der Strafverfolgung ausliefert. Ernsthafte Rückkehrbemühungen stehen der Annahme entgegen, der ausländische Beschuldigte verbleibe im Ausland, um sich den Zugriffsmöglichkeiten der deutschen Justiz zu entziehen. Sie sprechen gegen das Vorliegen des für die Annahme einer Flucht im Sinne des § 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO erforderlichen subjektiven Elements (Fluchtwillen). KG Berlin, Beschl. v. 01.03.2013 – 4 Ws 14/13 – 141 AR 685/12)§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO – Haftgrund Fluchtgefahr; hier: Kein Haftgrund der Fluchtgefahr eines in Deutschland lebenden verheirateten polnischen Beschuldigten bei einer 20-monatigen Straferwartung. Eine (nach Anrechnung der Untersuchungshaft) verbleibende objektiv und subjektiv realistische Straferwartung von knapp 20 Monaten begründet bei einem polnischen Beschuldigten keine Fluchtgefahr, wenn dieser seit ca. acht Jahren in Deutschland lebt und arbeitet und mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist und zwei Kinder hat. Dies gilt auch dann, wenn der Beschuldigte früher seinen Lebensmittelpunkt in Polen hatte und seine Tätigkeit als Alleinunternehmer im Baugewerbe ohne wirtschaftliche Schwierigkeiten auch in Polen und in jedem anderen Land der Europäischen Union ausüben könnte, es jedoch unwahrscheinlich ist, dass er ein jahrelanges Leben mit Ehefrau und Familie in der Illegalität ohne die Möglichkeit einer legalen Erwerbstätigkeit einem überschaubaren Freiheitsentzug unter den Bedingungen des inländischen Strafvollzugs vorziehen werde. (OLG Koblenz, Beschl. v. 03.01.2013 – 1 Ws 1154/12)

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