Recht und Justiz

Strafrechtliche Rechtsprechungsübersicht

§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB – Gefährliche Körperverletzung; hier: Mittäterschaft bei gefährlicher Körperverletzung trotz Abwesenheit. § 249 StGB – Raub; hier: Finale Verknüpfung der Wegnahme mit einer zunächst mit anderer Zielrichtung vorgenommen Gewaltanwendung. § 250 Abs. 1 Nr. 1 (Gedanke aus: § 224 Abs. 1 Nr. 2) StGB – Gefährliches Werkzeug bei räuberischer Erpressung; hier: Industriemüll-Häcksler. (...)

II. Prozessuales Strafrecht


Art. 13 Abs. 1 GG, §§ 102, 105 Abs. 1 StPO – Wohnungsdurchsuchung – Verdacht des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln; hier: Abstand von 18 Monaten zwischen Durchsuchung und Ende des Tatzeitraums nicht hinreichend begründet; mangelnde Erfolgsaussichten; fehlende Darlegungen zur Auffindewahrscheinlichkeit. Mit angegriffenem Beschluss vom September 2012 ordnete das Gericht die Durchsuchung der Beschwerdeführerin (B.), ihrer Wohnung mit Nebenräumen und deren Fahrzeuge wegen des Verdachts des Erwerbs von Betäubungsmitteln im Zeitraum vom 01. Januar 2010 bis zum 28. Februar 2011 an. Zweck sei insbesondere das Auffinden von Betäubungsmitteln, -utensilien, Aufzeichnungen über -geschäfte und von Mobilfunktelefonen mit entsprechenden Daten. Der Beschluss wurde am 23. Oktober 2012 vollstreckt. In der Wohnung der B. wurden Betäubungsmittel sowie -utensilien aufgefunden und sichergestellt.
Notwendiger und grundsätzlich hinreichender Eingriffsanlass für Zwangsmaßnahmen im Strafverfahren ist der Verdacht einer Straftat. Dieser Anfangsverdacht muss eine Tatsachengrundlage haben, aus der sich die Möglichkeit der Tatbegehung durch den Beschuldigten ergibt. Vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen genügen nicht. Andererseits muss sich aus den Umständen, die den Anfangsverdacht begründen, eine genaue Tatkonkretisierung nicht ergeben. Der Eingriffsschwere entspricht ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Hierbei ist unter anderem auch der Grad des auf die verfahrenserheblichen Informationen bezogenen Auffindeverdachts zu bewerten; die Vagheit des Auffindeverdachts kann im Einzelfall der Durchsuchung entgegenstehen. Dem aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden verfassungsrechtlichen Gebot hinreichender Erfolgsaussicht einer Durchsuchung ist genügt, wenn aufgrund kriminalistischer Erfahrung eine Vermutung dafür besteht, dass die gesuchten Beweismittel aufgefunden werden können. Die gebotene Erfolgsaussicht der angeordneten Durchsuchung wäre daher nur gegeben, wenn nach kriminalistischer Erfahrung eine Vermutung dafür bestand, dass auch 18 Monate nach dem spätest möglichen Tatzeitpunkt Beweisgegenstände zum Nachweis des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln durch die B. aufgefunden werden können. Dies ist weder dargetan, noch in sonstiger Weise ersichtlich.
Im Übrigen kann im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität der Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses auch dann noch in Betracht kommen, wenn seit Bekanntwerden der den Anfangsverdacht begründeten Tatsachen ein längerer, wenngleich noch überschaubarer Zeitraum – etwa neun Monate – vergangen ist. (BVerfG, Beschl. v. 29.10.2013 – 2 BvR 389/13)

§§ 102, 105 Abs. 1, 100a StPO – Voraussetzungen einer Durchsuchungsanordnung; hier: Anfangsverdacht aufgrund der Ergebnisse einer Telekommunikationsüberwachung reicht nicht. Durch Beschluss vom 22. Mai 2012 hat das AG Freiburg die Durchsuchung der Betroffenen, deren Wohnung mit Nebenräumen und des Fahrzeugs angeordnet. Begründet wurde dieser Beschluss damit, dass aufgrund der bisherigen Ermittlungen, insbesondere der durchgeführten Kommunikationsüberwachung eines getrennt verfolgten weiteren Täters und weiterer verdeckter Maßnahmen der Verdacht bestehe, die Beschuldigte habe mehrfach Kleidungsstücke an den gesondert verfolgten weiteren Täter verkauft, von denen beide gewusst hätten, dass es sich um Diebesgut handelte. Diese Durchsuchung wurde am 30. Mai 2012 durchgeführt.
Für die Anordnung einer Durchsuchung ist das Vorliegen eines Anfangsverdachtes erforderlich, der die Annahme einer Straftat und damit die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens rechtfertigt. Dabei ist es jedoch nicht ausreichend, wenn dieser Anfangsverdacht allein auf Erkenntnissen beruht, die aus Telefonüberwachungsmaßnahmen resultieren, sofern der Tatverdacht wie im vorliegenden Verfahren sich nicht auf eine Katalogtat richtet. (LG Freiburg, Beschl. v. 31.07.2013 – 3 Qs 67/12)

§§ 102, 105 Abs. 1 StPO – Verfassungsrechtliche Voraussetzungen eines Durchsuchungsbeschlusses; hier: Vorgeworfene Tat muss in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ausreichend umgrenzt sein; Tatverdacht nicht nur mit formelhaften Wendungen begründen. Die Anordnung muss Rahmen, Grenzen und Ziel der Durchsuchung definieren. Dazu gehören Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs (Wesentliche Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes, die die Strafbarkeit des zu subsumierenden Verhaltens kennzeichnen), die zu suchenden Beweismittel (möglichst genau) und die zu durchsuchenden Räumlichkeiten. Zudem müssen ein Verhalten oder sonstige Umstände geschildert werden, die, wenn sie erwiesen sein sollten, diese zentralen Tatbestandsmerkmale erfüllen. Wird der konkrete Sachverhalt, dem der Tatvorwurf entspringt, zu knapp geschildert, wird dem Betroffenen die Möglichkeit genommen, sich gegen einen in dem Ermittlungsstadium konkreten Tatvorwurf zu verteidigen. Den Durchsuchenden vor Ort ist es ebenfalls nicht zureichend möglich, ihre Grenzen zu erkennen. Pauschale Hinweise auf tatsächliche Umstände, wie „bisherige polizeiliche Ermittlungen, insbesondere den von den Beschuldigten ins Internet eingestellten Bildern…“ genügen grundsätzlich nicht. (LG Kaiserslautern, Beschl. v. 22.10.2013 – 5 Qs 105/13)

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