Recht und Justiz

V-Leute im Recht


Bei der Informationsgewinnung von Dritten durch die Polizei ist zwischen Prävention und Repression zu differenzieren. 
Eine ausdrückliche gesetzliche Rechtsgrundlage für den Einsatz von V-Personen bei der Straftverfolgung liegt bislang nicht vor. Auch ist die Regelung für Verdeckte Ermittler (§§ 110 a?ff. StPO) nicht anlog anwendbar18. Deshalb wird in der Literatur fast durchgängig eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage gefordert, da ihr Einsatz einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstelle19
Der Bundesgerichtshof hat aber höchstrichterlich entschieden, dass die §§ 161, 163 StPO eine hinreichende gesetzliche Legitimation darstellen20. Weil die V-Person und Informanten keine Mitglieder der Strafverfolgungsbehörden seien, handele es sich dabei nur um eine Informationsbeschaffung durch Zeugenbeweis, die keiner weiteren Ermächtigungsgrundlage bedürfe. Dieser „privaten“ Informationsbeschaffung würden lediglich durch das Rechtsstaatsprinzip Schranken gesetzt, so dass z.B. eine längerfristige Observation durch eine V-Person nicht schrankenlos zulässig sei, sondern nur bei Bekämpfung und Aufklärung besonders gefährlicher und schwer aufklärbarer Kriminalität durchgeführt werden dürfe. Ebenso wie Verdeckte Ermittler dürften auch V-Leute, die als Lockspitzel arbeiten, nur gegen Personen eingesetzt werden, gegen die schon ein Verdacht i.S. des § 160 StPO bestünde – und dies auch nur bei gefährlicher oder anders schwer aufklärbarer Kriminalität21. Sie dürften andere Personen auch nicht zur Begehung von Straftaten anstiften.
Für die polizeiliche Gefahrenabwehr ist in den Polizeigesetzen von Bund und Ländern22 der Einsatz von V-Personen zum Zwecke der Gefahrenabwehr weitestgehend gesetzlich geregelt. So erlaubt § 28 Abs. 2 Nr. 3 BPolG, dass die Bundespolizei im Rahmen der Erfüllung der ihr übertragenen präventiven Aufgaben personenbezogene Daten durch den Einsatz von V-Pesonen beschafft. Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit ist, dass die Gefahrenabwehr bzw. die Verhütung von Straftaten auf andere Weise aussichtlos oder wesentlich erschwert wäre. 
Das BKA-Gesetz regelt seit der Reform 2009 (§ 20g Abs. 2 Ziffer 4) den Einsatz von Privatpersonen, deren Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt Dritten nicht bekannt ist (Vertrauenspersonen). Detailliert wird gesetzlich bestimmt, dass der Einsatz, außer bei Gefahr im Verzug, nur durch die Abteilungsleiter oder deren Vertretung angeordnet werden kann, unter Angabe der maßgeblichen Gründe aktenkundig gemacht und befristet wird auf maximal zwei Monate. Für die Verlängerung ist eine neue Anordnung erforderlich, die nur das Gericht treffen kann. 
Dass für den Einsatz von Vertrauenspersonen so detaillierte Verfahrensregelungen in das BKAG aufgenommen wurden und nicht etwa nur in Dienstvorschriften, lässt sich mit dem besonderen Charakter dieses Instrumentes erklären. Die Polizei hat dem Bürger grundsätzlich offen gegenüber zu treten, weshalb verdeckte Instrumente nur ausnahmsweise zulässig sind23. Wenn der Polizei in bestimmten Situationen dennoch deren Einsatz zugestanden wird, sollen zumindest öffentlich bekannte, d.h. gesetzliche Verfahrensregeln bestehen. 
Geheim-/Nachrichtendienste bedienen sich demgegenüber regelmäßig der ND-Mittel. Sie sind für die Behörden charakteristisch. Im Gegensatz zur Polizei haben sie aber auch nur einen sehr eingeschränkten Zuständigkeitsbereich, nämlich ausschließlich Bedrohungen von höchstwertigen Rechtsgütern, wie z.B. der freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowie der Sicherheit und des Bestandes des Bundes oder eines Landes. Freilich wäre der Gesetzgeber nicht gehindert auch die Verfahrensvorschriften für den Einsatz von V-Leuten durch Geheim-/Nachrichtendienste ähnlich detailliert gesetzlich zu regeln wie im BKAG24. Ob eine solche gesetzliche Normierung letztlich die Akeptanz der nachrichtendienstlichen Tätigkeit erhöht, bleibt zu bezweifeln. In der Vergangenheit hat die kontinuierliche Steigerung der Regelungsintensität die Lesbarkeit der Gesetze und damit ihre Verständlichkeit zumindest nicht verbessert. 

3. Was ist das für ein Rechtsverhältnis zwischen Behörde und Vertrauensperson?

 
a) Öffentlich-rechtlich oder privat?
Die dogmatische Einordnung des Rechtsverhältnisses zwischen Geheim-/Nachrichtendiensten und Vertrauensperson war lange Zeit umstritten, bis sie jüngst vom Bundesverwaltungsgericht höchstrichterlich entschieden wurde25. Dessen 6. Senat hat in seiner Entscheidung vom 26.05.2010 festgestellt, dass die Rechtsbeziehung zwischen dem Nachrichtendienst und einer Vertrauensperson im Sinne von § 3 Satz 1 BNDG i.V.m. § 8 Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG auf einem privatrechtlichen Vertrag beruht26
Lisken/Denninger/Rachor27 und Gusy28 gingen bis dato von einem öffentlich-rechtlichen Vertrag aus, während Frisch29Haedge30Droste31Borgs-Maciejewski/Ebert32 ein privatrechtliches Auftragsverhältnis annahmen, weil V-Leute nicht hoheitlich tätig seien.
Ein Handeln ist hoheitlich, wenn es einen Träger öffentlicher Gewalt zwingend berechtigt oder verpflichtet33. Gemäß der Legaldefinition des § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG liegt eine hoheitliche Tätigkeit vor, wenn die Tätigkeit überwiegend der Ausübung öffentlicher Gewalt dient. Eine Ausübung öffentlicher Gewalt ist dann gegeben, wenn die Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Körperschaft »eigentümlich und vorbehalten« ist. Kennzeichnend für die Ausübung öffentlicher Gewalt ist die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben, die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind und staatlichen Zwecken dienen34.
Das BVerwG hat sich gegen die Annahme eines öffentlich-rechtlichen Vertrages ausgesprochen, weil der Vertragsgegenstand, das Beschaffungsverhältnis, nicht i.S.v. § 54 Satz 1 VwVfG auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts liege35. In diesem Zusammenhang sei ferner zu berücksichtigen, dass die Beteiligten keinen den Anforderungen von §§ 54?ff. VwVfG entsprechenden Vertrag abgeschlossen hätten und die Beklagte dies nach eigenem Bekunden in solchen Fällen auch ansonsten nicht tun würden36. Da V-Leute ein anerkanntes ND-Mittel darstellen und auch Eingang in den Gesetze der Nachrichtendienste gefunden haben, ist diese vereinfachte Sichtweise zumindest zu hinterfragen.
Der Senat hat in der Entscheidung nicht mehr erörtert, ob V-Leute in anderer Form in einem öffentlich-rechtlichem Verhältnis zum Geheim-/Nachrichtendienst stehen. Dies ist vertretbar, denn wenn ein V-Mann Informationen lediglich beschafft und/oder weiter gibt, so dient er zwar mittelbar der Erfüllung des gesetzlichen Auftrages der Behörde, aber er steht nicht in einen Dienst- und Treueverhältnis im Sinne des Art. 33 Abs. 4 GG bzw. § 2 Abs. 1 Bundesbeamtengesetz37. Er ist weder Amtsträger noch unterliegt er einem besonderen Gewaltverhältnis38, auch wenn die Auswahl von V-Leuten gemäß den Grundsätzen der Verwaltungseffizienz nach Eignung, Befähigung und Leistung erfolgen sollte. Es handelt sich bei den Aktivitäten der V-Leute weder um eine hauptberufliche, noch überhaupt um eine Berufstätigkeit39
V-Leute sind nicht Beliehene, denn dies sind Privatpersonen (Einzelpersonen oder juristische Personen des Privatrechts), die mit der hoheitlichen Wahrnehmung bestimmter Verwaltungsaufgaben im eigenen Namen betraut sind. Sie sind und bleiben – statusmäßig – Privatrechtssubjekte; sie können aber – funktionell – in begrenztem Umfang hoheitlich handeln und sind insoweit in die mittelbare Staatsverwaltung einbezogen40. Da sie selbstständig tätig werden, im eigenen Namen handeln, sind sie Verwaltungsträger, soweit ihr hoheitlicher Kompetenzbereich reicht41.
V-Leute zumindest als Verwaltungshelfer zu beurteilen, stünde einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis nicht entgegen, wie das Beispiel des von der Polizei beauftragten Abschleppunternehmers oder Schlüsseldienstes belegt. Verwaltungshelfer unterstützen die Verwaltungsbehörde bei der Durchführung bestimmter Verwaltungsaufgaben, werden aber – im Unterschied zum Beliehenen – nicht selbstständig tätig, sondern nehmen Hilfstätigkeiten im Auftrag und nach Weisung der Behörde war. Daher ist ihr Handeln auch ohne weiteres der Behörde, für die sie tätig werden, zuzuordnen42. Im Ergebnis wird man V-Leute als Verwaltungshelfer ansehen können.