V-Leute im Recht
b) Der Charakter des privatrechtlichen Vertrages
In der Literatur werden Vertrauensperson teilweise als freie Mitarbeiter gesehen, weil sie auf Honorarbasis entlohnt werden43. Roewer lehnt die Annahme eines bürgerlich-rechtlichen Vertrages ab, da beiden Seiten beim Eingang der Beziehung keinen Rechtsbindungswillen hätten, sie ihr Zusammenwirken jederzeit formlos unterbrechen könnten und die Informationshingabe gegen Bezahlung von Fall zu Fall sowie beiderseits nach Gutdünken erfolge44. Um der Entstehung faktischer Arbeitsverhältnisse vorzubeugen, würden die Nachrichtendienste zudem die Zahlung regelmäßiger, für den Lebensunterhalt geeigneter Entgelte vermeiden45.
Das BVerwG, wie auch das LG München I, an das der o.g. Rechtsstreit abgegeben wurde, haben offen gelassen, ob es sich beim Rechtsverhältnis zwischen V-Leuten und Geheim-/Nachrichtendiensten um ein Auftragsverhältnis nach §§ 670?ff. BGB oder einen gemischttypischen Vertrag bzw. Vertrag sui generis handelt. Denkbar wäre zumindest auch ein Werk- bzw. Dienstvertrag.
Was tatsächlich für ein Vertrag zwischen Geheim-/Nachrichtendienst und V-Leuten vorliegt, beurteilt sich nach den vereinbarten Hauptleistungspflichten46. V-Leute beschaffen und geben Informationen weiter, manchmal auch Dokumente. Dafür erhalten sie in aller Regel von der Behörde finanzielle Zuwendungen. Je nachdem wie man diese Zahlungen bewertet, beurteilt sich der Charakter des Vertrages. Grundsätzlich kommen vier Qualifizierungen in Frage:
- Werklohn
- Gehalt/Arbeitslohn
- Kaufpreis
- Aufwandsentschädigung
Im Ergebnis wird man in jedem Einzelfall prüfen müssen, ob Informationsweitergabe und Zahlungen in einem synallagmatischen Verhältnis stehen, d.h. einander bedingen (do ut des). Gibt die Quelle nur Informationen weiter, weil sie Geld bekommt oder handelt sie aus anderen Motiven (Idealismus, politische Überzeugung, Abenteuerlust, Rache etc.)? Lediglich im zweiten Fall wird man von einem Auftragsverhältnis ausgehen können, da die Quelle nicht aus monetären Motiven wie Erwerbszweck handelt und die Behörde nur den Aufwand entschädigt nach § 670 BGB. Es handelt sich um ein Auftragsverhältnis im Sinne des § 662 BGB, wenn der Geheim-/Nachrichtendienste für die Informationen keine Gegenleistung erbringt, d.h. die Quelle ohne finanzielle Motive Informationen erbringt.Handelt die Quelle hingegen nur, um die Gegenleistung, d.h. die Zahlung zu erlangen, kommen grundsätzlich Kauf-, Werk- und Dienstvertrag in Frage.
Werden Gegenstände wie Dokumente weitergegeben, kann ein Kaufvertrag vorliegen, vergleichbar mit dem Ankauf von so genannten Steuer-CDs aus der Schweiz47. Bei dieser Fallkonstellation stellen sich die gleichen Fragen nach der Rechtmäßigkeit, dem rechtsgeschäftliche Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten und eventuell einer strafrechtlichen Relevanz (Hehlerei). Da es dem Nachrichtendienst jedoch nicht um den Informationsträger geht, sondern um die Daten selbst, ist es irrelevant, ob rechtswirksam der Datenträger erworben werden kann. Der Eigentümer kann zwar den Datenträger vom unrechtmäßigen Besitzer nach § 985 BGB heraus verlangen, nur wird der Nachrichtendienst die Daten vorher kopiert haben. Selbst der Anspruch nach § 985 BGB würde entfallen, wenn der Informant einen eigenen Datenträger benutzt und verkauft hat.
Schwieriger ist die Beurteilung der Rechtslage, falls die Quelle bloß mündlich über Vorgänge berichtet und damit lediglich Informationen weiter gibt. Dies ist im nachrichtendienstlichen Geschäft die Regel.
Der Begriff der Information ist keine Rechtskategorie des Bürgerlichen Rechts. Das BGB stellt auf die Unterscheidung zwischen Sachen und Rechten anhand des Merkmals der Verkörperung gemäß § 90 BGB ab48, um daran unterschiedliche Rechtsfolgen zu knüpfen. Bloße Informationen sind zwar unstreitig ein Gegenstand, aber infolge fehlender Verkörperung keine Sache im Sinne des BGB49. Informationen sind auch keine Rechte, so dass auch ein Kauf nach § 453 Abs. 1., 1. Alt. BGB ausgeschlossen ist. Wenn man Informationen allerdings als sonstige Gegenstände im Sinne des § 453 Abs. 1., 2. Alt. BGB ansieht50, wären die Regelungen über den Kaufvertrag anwendbar51.
Ob darüber hinaus ein Werk- oder Dienstvertrag zwischen Quelle und juristischer Körperschaft vorliegt, beurteilt sich nach §§ 631?ff. BGB bzw. §§ 611?ff. BGB.
Der Werkvertrag ist ein entgeltlicher, gegenseitiger Vertrag durch den Auftragsnehmer zur Herstellung eines individuellen Werkes und die Auftraggeberin zur Zahlung der vereinbarten Vergütung (Werklohn) verpflichtet. Entscheidend für das Vorliegen eines Werkvertrages ist die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges, d.h. dass durch die Arbeitsleistung des Werknehmers das vereinbarte Produkt geschaffen wird.
Dies kann ein körperliches Arbeitsprodukt sein oder die Herstellung eines unkörperlichen Arbeitsergebnis, z.B. die Erstellung eines Gutachtens. Für das Vorliegen eines Werkvertrages spricht, wenn Umfang des Werkes und Ablieferungszeitraum bestimmt sind, eine Abnahme erfolgt, der Auftragnehmer das Risiko trägt und bei Nichterfüllung haftet, keine typischen Arbeitsleistungen erbracht werden und die Vergütung sich ausschließlich nach dem Ergebnis des erbrachten Werkes richtet und nicht etwa nach Stundensätzen. Salopp formuliert schuldet der Werkhersteller den Erfolg und die Dienstvertragspartei die Bemühung.
Auch wenn eine einmalige Leistung vereinbart wird, keine Daueraufgabe, spricht dies eher für einen Werkvertrag als einen Dienstvertrag, denn kennzeichnend für einen Dienstvertrag ist auch die Dauer der Beschäftigung. Darüber hinaus sprechen für einen Dienstvertrag das Weisungsrecht des Auftraggebers und die Eingliederung in dessen Betrieb. Gerade letzteres dürfte bei V-Leuten nicht vorkommen.
Bei Würdigung der Gesamtumstände wird man eher eine Nähe zum Dienst- als zum Werkvertrag annehmen können. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein Arbeitsverhältnis, da kein Weisungsrecht des Geheim-/Nachrichtendiensten besteht, V-Leute nicht in die betriebliche Strukturen der Behörden eingegliedert sind und auch kein geregeltes Entgelt fließt.
Vertretbar erscheint auch das privatrechtliche Verhältnis zwischen Geheim-/Nachrichtendienst und V-Leuten als einen typengemischten Vertrag52 oder einen Vertrag sui generis anzusehen.
Im Ergebnis sind in jedem Einzelfall die Vereinbarungen und Hauptleistungspflichten zu prüfen und zu beurteilen. Eine pauschale verallgemeinernde Aussage würde der Vielzahl von Fallkonstellationen nicht gerecht.
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