Kriminalität

Das Kaukasus-Emirat:

Eine neue Gefahrenquelle für Europa?


Darüber hinaus berichtete die tschechische Polizei Anfang Mai 2011 von einer Zelle, die in Verbindung mit dem dagestanischen Dschamaat Schariat gestanden haben soll.13 Ihre Mitglieder, die sich auf Waffenschmuggel und Fälschung von Reisedokumenten spezialisierten, sowie diejenige Personen, die über sie an falsche Identitäten gelangt seien, hätten terroristische Ausbildung im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet durchlaufen. Brisant waren Meldungen, denen zufolge die Zelle ihre Aktivitäten aus Berlin nach Prag verlagert habe und im Moment der Verhaftung einige Verdächtige in Berlin unterwegs gewesen seien. Auch in Berlin wurde ein mutmaßlicher Terrorhelfer im Juni festgenommen.14 Die Verhaftung von zwei vermutlichen Al-Qaida-Mitgliedern tschetschenischer Abstammung in Spanien 2013 reiht sich ebenfalls in die Kette beunruhigender Entwicklungen ein.
Österreichischen Sicherheitsbehörden zufolge nutzt das Kaukasus-Emirat Europa als Logistik- und Rekrutierungsraum für Terroranschläge in Russland. So wurde etwa der Anschlag auf den Moskauer Flughafen Domodedowo mit Geld finanziert, das in Europa eingetrieben wurde. Im aktualisierten Verfassungsschutzbericht heißt es unter anderem: „Aufgrund von aktuellen Ermittlungen ist jedoch bekannt, dass in Österreich lebende Tschetschenen die Auseinandersetzungen im Kaukasus bzw. den globalen Dschihad der El Kaida aktiv unterstützen bzw. teilweise auch aktiv daran teilnehmen.“15 Junge Männer aus der tschetschenischen Diaspora schließen sich verschiedenen Kampfgruppen an, um sich am Dschihad zu beteiligen. Eine in Syrien aktive dschihadistische Gruppierung, welche von einem Veteranen der Kriege im Nordkaukasus, „Abu Omar al-Schischani“, angeführt wird, schließt zahlreiche „Migranten und Unterstützer“ – auch aus dem Nordkaukasus – ein. Ein aus Kiel stammende Deutsch-Tschetschene, Aslanbek F., reiste im Dezember 2012 nach Syrien und schloss sich islamistischen Rebellen an. Ende Januar starb er bei Gefechten. Auch dem KE-Anführer fielen die Ausreisen nach Syrien negativ auf: In einer Videoansprache rief er die angehenden Gotteskrieger dazu auf, sich dem Dschihad im Nordkaukasus gegen Russland zu widmen. 
Eine weitere Gefahr für Deutschland als demokratischer Verfassungsstaat resultiert aus den Aktivitäten russischer und/oder tschetschenischer Nachrichtendienste, welche die tschetschenische Diaspora im Bundesgebiet belauern. Tötungen vermutlicher Terroristen bzw. Regimegegner im Ausland gehören laut Kritikern seit Jahren zu den Antiterror-Strategien Grosnys. Europa (und Deutschland) sind kaum vor solchen Zugriffen gefeit – diese Vermutung legt das Beispiel des in Österreich getöteten Umar Israilow nah. Von 300 Agenten Kadyrows ist inzwischen in den österreichischen Medien die Rede.16 

Fazit


Spätestens von 1999 an beinhalteten die nordkaukasischen Separatismus-Bestrebungen eine gehörige Portion Islamismus. Die Motivationslage der Kämpfer aus den Reihen des Kongresses der Völker Tschetscheniens und Dagestans, die sich dem Dschihad gegen Russland verschrieben hatten, war nach wie vor separatistisch. Das so genannte Friedenscorps des Kongresses hat eine Art unabhängigen Staat nach dem Vorbild des Imamats von Schamil auf dem Territorium der nicht anerkannten Republik Itschkerien und Dagestans durchsetzen wollen. Doch zum Gründungsprogramm gehörte ebenfalls eine ausgeprägte islamistische Agenda, die aus den Statements der Anführer nicht mehr wegzudenken war.17 
Neben dem Regionalismus kam in den Erklärungen der Aufständischen auch die internationale Komponente zum Tragen. Die Verbindungslinie zwischen den dschihadistisch-salafistischen Akteuren wie ihrer Motivation und der ideologischen Ausrichtung des KE ist somit unbestreitbar, wobei deren Ausblenden nicht nur als epistemisch fragwürdig, sondern auch als sicherheitspolitisch bedenklich erscheint. Denn das KE ist nicht nur eine Gefahr für Russland. Auch in Europa sind Radikalisierungsprozesse bereits im Gange. Die neue Strategie der Al-Qaida, militante Islamisten zu Anschlägen in den jeweiligen Wohnorten18 – wie in Boston – zu animieren, anstatt zum Auswandern in die Gebiete des Dschihad zu bewegen, verspricht diesbezüglich keine Entspannung. Im Vorfeld der Olympischen Winterspiele sind vor allem die Planungen möglicher Anschläge in Russland und deren Unterstützung aufzuklären. 

Anmerkungen
Uwe Halbach, Russlands inneres Ausland. Der Nordkaukasus als Notstandszone am Rande Europas, (Berlin: SWP-Analyse, 2010), 6. 
Symptomatisch dafür: Regina Heller, „Droht ein Flächenbrand im Nordkaukasus?“, in: Christiane Fröhlich, Margret Johannsen, Bruno Schoch, Andreas Heinemann-Grüder, Jochen Hippler (Hrsg.), Friedensgutachten 2010, (Münster, 2010), S. 249-263, hier: 258.
Auch Dudajew war nicht abgeneigt, die Mobilisierungskraft des Gazawat (des heiligen Krieges) für seine Ziele zu nutzen. So setzte er den Mufti Magomed Chusejn Alsabekov unter Druck, damit er den Dschihad gegen Russland ausruft.
Keely M. Fahoum, To Tame a Chechen Wolf: Shedding the Failing Frame of Salafism, (Monterey, 2008). 
„Emir Seifulla o podgotowke k prowozglaschenii Emirata Kavkaz“, www.kavkazcenter.com/russ/content/2007/11/20/54479.shtml, [20. November 2007].
Vgl. Michail Logvinov, „Doka Umarov: Oberegat‘ i ne trogat‘ mirnoje naselenije!“, caucasusjihad.wordpress.com/2012/02/03/doka-oberegat-ne-trogat/ [3. Februar 2012].
Gordon M. Hahn, Getting the Caucasus Emirate Right, (Washington, 2011). 
Yassin Musharbash, „Suche nach Terror-Drahtziehern. Russlands Städte im Visier“, www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,686133,00.html [29. März 2010].
Kepel Gilles, Jean-Pierre Milelli (Hrsg.): Al-Qaida. Texte des Terrors, (München, 2005), S. 369.
Exemplarisch dazu: die Internetauftritte des Velajats Dagestan (Dschamaat Shariat), Inguschetien (Hunafa) und des vereinigten Velajats von Kabarda, Balkarien und Karatschaj (IslamDin) sowie des Kaukasus-Emirates selbst (Kavkaz Center).
Ebd.
Mowladi Udugow, „Vojna idet za obraz zhizni“, unter: kavkazcenter.com/russ/content/2007/11/28/54654.shtml [28. November 2007].
Vgl. Chris Johnstone, “Czech Police pounce on Islamic ‘terrorist’ gang”, Czech Position, in: www.ceskapozice.cz/en/news/society/czech-police-pounce-islamic-%E2%80%98terrorist%E2%80%99-gang [8. Februar 2012]; “Daghestan Jamaat Support Personnel Arrested in Czech Republic”, Radio Free Europe, 3. Mai 2011, in: www.rferl.org/content/daghestan_jamaat_czech_republic/24090349.html [8. Februar 2012].
„Mutmaßlicher Terrorhelfer festgenommen“, www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/marzahn-mutmasslicher-terrorhelfer-festgenommen/4317682.html [23. Juni 2011].
Islamisten suchen Kämpfer in Österreich, unter: kurier.at/politik/weltchronik/tschetschenen-einzelne-radikale-unterstuetzen-el-kaida-islamisten-suchen-kaempfer-in-oesterreich/10.204.712 [25. April 2013].
Andreas Wetz, „Chefagent Tschetscheniens ausgewiesen“, diepresse.com/home/panorama/oesterreich/729518/Chefagent-Tschetscheniens-ausgewiesen [3. Februar 2011].
Vgl.: Paul Murphy, The Wolves of Islam: Russia and the Faces of Chechen Terror, (Dulles, 2006), 101.Vgl. den Artikel von Abu Mus’ab al Suri „The Jihadi Experinces“ in der Zeitschrift „Inspire“ (Winter 2012) bzw. sein Werk „Global Islamic Resistance Call“.

Seite: << zurück1234