Kriminalitätsbekämpfung

Geld(un-)wesen

– Bedrohung der inneren und äußeren Sicherheit? –

III. Geld ohne Wert

Bei dem Versuch, die Finanzkrise zu erklären, könnte man den Untiefen der Psychiatrie vielleicht entgehen, wenn man sich zwei Thesen widmete.
Da ist zum einen die Behauptung, dass es der traditionellen ökonomischen Theorie nicht gelungen sei, das Geld zu erklären. Deshalb seien der Umgang mit dem Geld und die Geldgier ungelöste Rätsel geblieben.
Zum anderen ist es die Aussage, dass es für das Geld und seinen Wert keinen realen Grund gibt. Man kann es nicht aus etwas anderem ableiten oder auf ein sicheres Fundament zurückführen. Geld wäre also nur eine „globale Illusion“.
Die zweite These ist schon auf den ersten Blick hin absurd. Offensichtlich sind die meisten Menschen der Auffassung, dass das Geld die allerrealste und allerwichtigste Sache der Welt sei. Geld ist so selbstverständlich, dass wir alle unsere Beziehungen darüber abwickeln.
Was begründet dann aber den illusionären Charakter des Geldes?
Die Frage ist schwer zu beantworten, wenn man sich nicht zuvor Gedanken darüber gemacht hat, wie Geld entsteht. Der alte Satz „ex nihilo nihil fit“ (Von Nichts kommt Nichts) scheint nicht mehr zu gelten, wenn es richtig ist, dass Geld im Grunde aus dem Nichts entsteht, indem eine Bank einem Kunden Kredit gewährt. Dabei ist gleichgültig, ob es sich um einen Unternehmer, einen Häuslebauer oder einen Hedgefonds handelt, der seine Geschäfte mit Kreditgeld „hebeln“ möchte.
Die Entwicklungen der letzten Jahre haben deutlich genug gezeigt, dass Geld nicht aus sich heraus einen Wert verkörpert. Es stellt eben keine verlässliche objektive Bezugsgröße dar. Alleine auf seiner Grundlage sind die meisten gesellschaftlichen Beziehungen nicht abzuwickeln.
Die heutige ökonomische Theorie ignoriert die damit verbundene Problematik zumeist. Für sie ist Geld nur ein „Schleier“ über den wirklichen Vorgängen in der Wirtschaft. In den Zeiten der Finanzkrise liegt eine Tröstung fast auf der Hand: In der „realen“ Wirtschaft ist alles in Ordnung. Nur auf den Finanzmärkten gibt es eine gewisse Unruhe, die für den realen Sektor aber unbedeutend ist. Das ist absurd. Ohne Geld gibt es keine Transaktion, keinen Kauf und Verkauf, keine Investition, also keinen Markt. Es unterliegt keinem vernünftigen Zweifel, dass die Weltwirtschaftskrise von einer Krise des Finanzsektors ausgelöst wurde. Das ist nicht untypisch für den Kapitalismus. Damit werden Fragen zum Charakter des Finanzsektors insgesamt aufgeworfen.Vor deren Beantwortung ist zu prüfen, ob es überhaupt eine einigermaßen schlüssige Theorie über Geld gibt. Die Idee von der geringfügigen Bedeutung des Geldes hat mittelalterlich-scholastische Wurzeln. Seinerzeit begann man, den in Geld ausgedrückten Preis vom „wahren Wert“ einer Sache zu unterscheiden. Dieser Wert, ausgedrückt im „gerechten Preis“, war eher eine „moralische“ Vorstellung, die im Zuge der Aufklärung naturalisiert wurde. Den wahren Wert der Dinge sah man in der (investierten) menschlichen Arbeit. Die in Geld ausgedrückten Preise wurden nur als eine verschleierte Form des wahren Wertes betrachtet. Es ging also um die in den Waren verkörperte Arbeitsmenge. Das ist eine Vorstellung, die auch Karl Marx übernommen und fruchtbar gemacht hatte.
Angesichts der praktischen Schwierigkeiten bei der Messung der Arbeitsmenge hatte man auf eine ganz besondere Ware zurückgegriffen: das Gold. An dessen Stelle als Maßeinheit ist mittlerweile die „Deflationierung“ der Preise getreten. Damit will man den realen Wert des Geldes messen. Es wird ein Warenkorb mit ausgewählten Produkten und Dienstleistungen zugrunde gelegt. Sie werden mit den jeweiligen Preisen multipliziert. Dann vergleicht man die Veränderung dieses Warenkorbs über die Zeit. Steigt sein Preis, spricht man von „Inflation“. Mit Hilfe der daraus ermittelten Inflationsrate wird schließlich der Wert des Geldes gemessen.
Diese Methode hat aber nur einen eingeschränkten Nutzen. Die für die Finanzmärkte wichtigsten „Produkte“ sind in dem Korb nicht enthalten. Steigen auf den Aktienmärkten die Preise, spricht man eben nicht von Inflation, sondern von „steigenden Gewinnerwartungen“. Im Warenkorb, der die Inflation messen soll, befinden sich auch keine Arbeitsleistungen oder öffentlichen Güter, die vom Staat gegen Steuern bereitgestellt werden. Der „wahre Wert“ des Geldes lässt sich mit Hilfe eines entsprechenden Inflationsmaßes nicht ermitteln. Auch der Begriff „Geldmenge“ ist deshalb sinnlos.
Erst nach Ende seiner Amtszeit sorgte der ehemalige Chef der amerikanischen Notenbank („Fed“), Alan Greenspan, für etwas mehr Klarheit. Er gab zu, dass man Geld als Quantität gar nicht messen kann. Das ist eine erstaunliche Aussage. Immerhin hat dieser Mann über 18 Jahre hinweg die Geldgeschicke nicht nur einer ganzen Nation, sondern der weltweiten Finanzmärkte wesentlich mitgestaltet. Am Ende gestand er ein, dass man den Gegenstand seiner täglichen Beschäftigung gar nicht mengenmäßig bestimmen kann! Damit ist er als Wert nicht erfassbar. Die Ökonomen können also gar keine gültigen Prognosen formulieren. Auch die nächsten Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute, der wissenschaftlichen Beiräte der Regierungen, der Prognoseabteilungen von Banken etc., etc. werden wieder Fehlleistungen sein. Die theoretischen Fundamente der modernen Wirtschaftstheorien sind nichts weiter als leere Behauptungen. Alles, was angeblich gemessen wird, ist spekulativ, beruht auf unbewiesenen Annahmen und höchst wackeligen Informationen.
Mit anderen Worten: Auch die neueren Geldtheorien sind nicht nur alter Wein in neuen Schläuchen. Sie verbergen hinter einem Wall an Gleichungen, Tabellen und Grafiken nur die schlichte Wahrheit, dass sich das Geld weder als Quantität genau messen noch sich zuverlässig etwas über seine Wirkungen vorhersagen lässt. Vielleicht profitiert auch der ehemalige Chef der Fed von den Segnungen der Altersweisheit. In einer Rede vor dem „Council on Foreign Relations“ am zweiten Jahrestag des Zusammenbruchs der Lehman Bank warnte Greenspan in dramatischer Weise vor einer Haushaltskatastrophe. Es reiche nicht, mit dem Abbau der ausufernden Defizite zu warten, bis die Wirtschaft wieder besser läuft. Andernfalls drohe eine Vertrauenskrise, die zu einem Kollaps der privaten Investitionstätigkeit führen könne. Nun fordert Greenspan auch Steuererhöhungen, weil er gegen Steuersenkungen mit geborgtem Geld ist. Er empfindet Sorgen angesichts des Immobilienmarktes. Investoren halten riesige Bestände an unverkäuflichen Häusern. Sollten sie diese auf den Markt werfen, käme es zu einem neuen katastrophalen Einbruch der Immobilienpreise.
Der Realitätsgehalt all dieser Einschätzungen kann hier dahin gestellt bleiben. Ungeachtet aller hochwissenschaftlichen Differenzierungen in den Geldtheorien gilt: Geld gibt es nur dann, wenn viele Menschen Geld – als Ware oder Papiergeld – anerkennen. Wir bewegen uns also in einem unvermeidbaren Zirkel. Das ist kein logischer Mangel, sondern liegt in der Natur des Geldes. Man kann das Geld nicht auf etwas anderes zurückführen, ohne es stillschweigend immer schon vorauszusetzen. Etwas, das man nicht aus etwas anderem ableiten kann, bleibt zwangsläufig unbestimmt und unbestimmbar.
Die Pointe beim Geld ist also: es ruht nicht auf einem festen Fundament einer genetischen Eigenschaft, einem objektiven Wert von Gold oder von Immobilien und Grundstücken. Der Wert des Geldes hängt gewissermaßen in der Luft, es handelt sich um eine „Fata Morgana“. Geld als solches ist nichts anderes als eine zirkuläre Illusion. Es hat, wenn man es genauer untersucht, fast keinen Inhalt. Soweit vorhanden, deckt es sich mit den aufgedruckten Zahlen auf den Geldscheinen. Ist erst einmal eine Geldeinheit festgelegt, kann man mit dem Geld nach den Regeln der Arithmetik verfahren. Es genügen die Grundrechenarten und etwas Potenzrechnung, wenn es um Zinsen und Renditen geht. Geld wird praktisch in seinem Wert durch alltägliches Handeln anerkannt, indem wir mit ihm hantieren, also rechnen. Es ist diese milliardenfache alltägliche Handlung, die dem Geld seinen Wert verleiht.
Der Einwand, dass die Menschen doch nur in Geld rechnen, weil Geld einen Wert hat, überzeugt nicht. Alle glauben zwar, dass Geld von sich her einen Wert besitzt. Der illusionäre Charakter dieses Verständnisses ist aber leicht zu entdecken. Bieten Sie einfach nur alte Reichsmarknoten einem Antiquar zum Kauf an. Die aufgedruckte (hohe) Summe ist nur ein paar Euro oder Cent wert. In der Inflation finden fließende Übergänge statt. Das Geld verliert an Wert, weil die Menschen es nicht mehr als wertvoll erachten, rasch ausgeben und ihm am Ende ganz das Vertrauen entziehen. Geld hat also nur einen Wert, wenn alle auf den Märkten es als Wert auch anerkennen. Das kann kein Staat verordnen. Geld wird nur anerkannt, weil jedermann glaubt, dass es von sich her einen Wert besitze. Das ist ein gedanklicher Zirkel, der nur in Krisen oder Zeiten der Inflation evident wird. Im normalen Alltag bleibt er verborgen.