Die erkennungsdienstliche Behandlung - Teil 3

zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten bzw. zum Zwecke des Erkennungsdienstes nach den §§ 14 Abs. 1 Nr. 2 und 10 PolG NW bzw. 81b 2 StPO – Fortsetzung

Zwischenresümee


Diese Begründungen zur Wiederholungsprognose und Notwendigkeit , die man laut §§ 37, 39 Abs. 1 VwVfG sowie laut Rechtsprechung des OVG Münster (schon in 1990) und des BVerwG auf den Einzelfall, auf die einzelne Person projizieren muss, sind schriftlich und ausführlich im Vorladungsvordruck niederzuschreiben. Die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe sind neben einer Darstellung des Sachverhaltes (!) mitzuteilen. Ist die Person auf der Dienststelle z.B. nach einer Festnahme, sind sie ihr ebenfalls schriftlich bekannt zu geben10.
Musterbegründung: (aus einem Urteil des OVG Münster 1981)

„Die Unverzichtbarkeit der ED-Behandlung ergibt sich ...aus der spezifischen Rückfallgefahr bei Delikten der hier betroffenen Art (Sexualstraftaten) und den besonderen Schwierigkeiten, derartige Delikte ohne ED-Unterlagen aufklären zu können. Die Deliktsart und die Häufigkeit der Begehung deuten darauf hin, dass die der Person vorgeworfenen Delikte einer Neigung entsprechen, die nur schwer einer künftigen Änderung zugänglich ist. Da der Kreis der Geschädigten altersbedingt lediglich über beschränkte Identifizierungsmöglichkeiten verfügt und die Täter den Geschädigten oft nicht unter Angabe ihrer zutreffenden Personalien entgegentreten, sind (diese) ED-Unterlagen zur Aufklärung künftiger (artgleicher) Delikte von besondere Bedeutung.“



Oder aus einem Urteil des VG Berlin vom 28.12.04, Az.: 1 A 292.04

„Die ED-Behandlung ist ein schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Ihre in jedem Einzelfall zu treffende Anordnung setzt eine sorgfältige, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgerichtete kriminalistisch-prognostische Erfassung und Bewertung der konkreten Tatumstände sowie der Täterpersönlichkeit voraus. Sie muss deshalb auch dann, wenn sie von der Behörde mit Hilfe eines Computers und einer dort hinterlegten Formaldatei erstellt wird, mit einer einzelfallbezogenen Begründung versehen werden.



Eine analoge Begründung ist somit nach kriminalistischer und kriminologischer Erkenntnislage bezüglich anderer Delikte anzuwenden.
Wie man sieht werden die Begründungen der Gerichte zur Beschuldigteneigenschaft, zur Wiederholungsprognose und zur Notwendigkeit in einem engen Zusammenhang gesehen, ja sogar miteinander vermischt und kumuliert. Das ist etwas verwirrend, aber durchaus nachvollziehbar.
Der unbestimmte Rechtsbegriff der Notwendigkeit unterliegt übrigens der vollen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte; lediglich das der polizeilichen Prognose über das künftige Verhalten des Betroffenen zugrunde liegende Wahrscheinlichkeitsurteil ist einer Kontrolle nur begrenzt zugänglich; diese erstreckt sich lediglich darauf, ob die Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach gegebenen Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar war.

Verhältnismäßigkeit
Dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 20 GG Verfassungsrang hat, muss hier nicht besonders erwähnt werden. Auf die Angemessenheit zwischen Maßnahmefolge und Maßnahmezweck soll jedoch an dieser Stelle nochmals hingewiesen werden. Auch wenn es sich bei der ED-Behandlung „nur“ um eine Freiheitsbeschränkung handelt, ist die Eingriffsintensität nicht zu unterschätzen. Insbesondere sollten Bagatellfälle wie Beleidigungen, Hausfriedensbrüche, einfache Körperverletzung, Diebstahl geringwertiger Sachen oder sonstige Antragsdelikte etc. grds. nicht zum Gegenstand dieser Maßnahme gemacht werden. Auch ist z.B. bei Kindern ein besonders strenger Maßstab anzulegen11. Dagegen sind Taten von erheblicher Bedeutung i.S.d. § 81g StPO nicht erforderlich.

Praxishinweis: Liegt nur ein Bagatelldelikt vor, ergibt sich aber aus der Kriminalakte etc., dass ein entsprechend höherwertiges (Anlass-)Delikt in nicht rechtsverjährter zurückliegender Zeit gegeben war, so könnte der ED-Maßnahme bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (insb. der Wiederholungsprognose) auch auf dieses Delikt (noch) gestützt werden.
Anmerkung im Vorgriff auf die Thematik „sofortige Vollziehung“: Die Anordnung bzw. das Vorliegen der sofortigen Vollziehung scheidet in diesen Fällen jedoch aus.
Bis hierhin gibt es in aller Regel keine Probleme. Jetzt will die Person, die z.B. auf der Dienststelle ist oder vorgeladen wurde, aber die Maßnahme per ANFECHTUNGSKLAGE verhindern. Dann wird es interessant und etwas kompliziert.
Denn… die Anfechtungsklage hat grds. aufschiebende Wirkung. Diese entfällt jedoch unter gewissen Voraussetzungen. Darüber hinaus stellen sich weitere Fragen: 

  1. was passiert denn bei einer solchen Klage(-absicht), 
  2. wann darf ich welches Zwangsmittel anwenden, 
  3. wann ist ein Beschluss erforderlich 
  4. und wie begründe ich das alles? 

Dazu wird nachfolgend Stellung genommen. Zu unterscheiden sind dabei verschiedene Konstellationen, denn die Person kann sich zum einen bereits auf der Dienststelle befinden, zum anderen ist sie ggf. vorzuladen oder sie wird „auf der Straße“ zufällig angetroffen

Belehrung > Anfechtungsklage > sofortige Vollziehung> Vorführung



Rechtscharakter der Anordnung
Die erkennungsdienstliche Behandlung (einschließlich der Vorführung) ist ein Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht in der speziellen Ausformung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und des Rechts auf Freiheit der Person, garantiert durch Art. 2 Abs. 2 GG. Sollte die Maßnahme mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden müssen, liegt zusätzlich ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG vor.
Die Anordnung der ED-Behandlung zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten bzw. zum Zwecke des ED ist ein Verwaltungsakt im Sinne von § 35 VwVfG, sowohl auf der Rechtsgrundlage des § 81b 2. Alt. StPO, als auch nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 PolG/NW . Auch die Vorladung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 PolG/NW zur erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 14 PolG/NW ist ein Verwaltungsakt. Für ED-Maßnahmen auf der Grundlage des § 81b 2 StPO ergibt sich die Befugnis zur Vorladung inzident aus der Bestimmung selbst, obwohl materielles Polizeirecht vorliegt. Die in § 10 Abs. 2 PolG/NW niedergelegten Grundsätze sollten jedoch auch hier beachtet werden12.
Gegen Verwaltungsakte wie der Anordnung zur ED-Behandlung kann nach §§ 42 Abs. 1, 68 Abs. 1 S. 1 VwGO Anfechtungsklage erhoben werden, mit der Folge, dass die ED-Behandlung aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Klage (§ 80 Abs. 1 S. 1 VwGO) nicht vollzogen werden kann.
Vor der beabsichtigten ED-Behandlung muss grundsätzlich eine Anhörung nach § 28 Abs. 1 VwVfG u n d – noch davor – grds. eine Vernehmung bzw. Anhörung (bei Strafunmündigen) nach §§ 160 Abs. 2 und 163a StPO erfolgen13.
Nach § 28 VwVfG muss der Beteiligte sich v o r Erlass eines Verwaltungsaktes zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen äußern können, es sei denn eine besondere Eilbedürftigkeit nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG liegt vor (in der Regel ist bei ED-Behandlungen „naturgemäß“ immer Zeit für eine Anhörung. Die benannte Ausnahme des „öffentlichen Interesses“ hat leider nicht die gleiche Bedeutung wie das „öffentliche Interesse“ i.S.d. der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO! Eine besondere Eilbedürftigkeit und damit ein Absehen von der Anhörung kann aber auch bei „Gefahr im Verzuge“ vorliegen, die inhaltlich durchaus mit „unaufschiebbar notwendigen“ Maßnahmen des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO vergleichbar sein kann!
Diese Anhörung nach Verwaltungsrecht ist nicht mit einer Vernehmung/Anhörung nach der StPO zu verwechseln. Es geht hier darum, der Person die Möglichkeit zu geben, zu der Maßnahme „irgendetwas“ zu sagen. Bei der Vernehmung/Anhörung steht im Vordergrund, die Stichhaltigkeit des Tatverdachtes zu beurteilen. Dieser könnte dann ggf. nicht mehr vorliegen oder die Person beantragt Beweiserhebungen, welche die Polizei dazu veranlassen, (zunächst) keine ED-Behandlung durchzuführen.
Die Formvorschrift des § 28 VwVfG verzögert also die ED-Behandlung im Fall einer Vorladung, da die Person zuvor (formlos) anzuschreiben ist und ihr naturgemäß eine ausreichende Antwort-Frist eingeräumt werden muss. Ein nicht willkürlich unterlassenes Anschreiben zwecks Anhörung führt aber nicht automatisch formell-rechtlich zur Rechtswidrigkeit der ED-Maßnahme, da eine „Heilung“ z.B. durch nachträgliche Anhörung erfolgen kann, § 45 VwVfG.
Anmerkung bezüglich Minderjähriger: Das VG Köln hat in 2009 das PP Köln anlässlich einer Klageeinreichung mündlich in Kenntnis gesetzt, dass neben dem Minderjährigen auch beiden Erziehungsberechtigten das Recht auf Anhörung zusteht, also beide (ggf. in einem Brief) anzuschreiben sind.


Sofortige Vollziehung
Wenn der Verwaltungsakt sofort und nicht erst nach Eintritt der Bestandskraft vollzogen werden soll, ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet werden soll oder diese ausnahmsweise gemäß der Nr. 2 gilt. Die sofortige Vollziehung führt grds. dazu, dass die aufschiebende Wirkung der Klage entfällt.
Hinweis: Die Anordnung der sofortigen Vollziehung selber ist kein Verwaltungsakt.

Sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist danach im besonderen „öffentlichen Interesse“ zulässig, wenn im Einzelfall zu begründen ist, dass insbesondere der Zeitverzug14 der durch die Einlegung von Rechtsmitteln entstünde, nicht hinnehmbar ist, weil dadurch der Zweck der ED-Behandlung gefährdet wäre. Ein u.U. langwieriges Verwaltungsstreitverfahren kann nicht abgewartet werden. Für schon diesen Zeitraum würde die Polizei dann nicht über ED-Unterlagen verfügen und wäre damit in künftigen Fällen der Gefahr eines Ermittlungsdefizites ausgesetzt.
Zwischen dem durch die sofortige Vollziehung eingeschränkten Persönlichkeitsrechtes (Freiheitsbeschränkung) der Person und dem Allgemeininteresse an Verhinderung und effektiver Aufklärung derartiger Straftaten ist eine Rechtsgüterabwägung vorzunehmen. Hierzu sollten insbesondere auch Erkenntnisse – über die o.g. zeitliche Dringlichkeit hinaus –

  • über die Stärke des Tatverdachtes, 
  • die Schwere der Tat, 
  • die generellen Aufklärungsschwierigkeit in dem Delikts-
  • bereich,
  • die Art und Begehungsweise der Tat,
  • die Schadenshöhe
  • die Persönlichkeit des Betroffenen und 
  • die hohe Gefahr der Wiederholung

herangezogen werden.

Dazu aus einem Urteil des VG Minden v. 25.10.02, Az.: 11 L 1226/02 (z.T. zitiert)

„Diese Feststellung ergibt sich auf Grund der gebotenen Abwägung zwischen dem Interesse der Öffentlichkeit an einer effektiven Verhinderung und Aufklärung von Straftaten und dem Interesse des Betroffenen, entsprechend dem Menschenbild des GG nicht bereits deshalb als potenzieller Rechtsbrecher behandelt zu werden, weil er sich irgendwie verdächtig gemacht hat oder angezeigt worden ist. Im Rahmen der Abwägung ist insbesondere danach zu differenzieren, in welchem Umfang noch Verdachtsmomente gegen den Betr. bestehen. Falls… die Verdachtsmomente ausgeräumt sind ist eine Anfertigung und Aufbewahrung der ED-Unterlagen nicht notwendig.
Anderenfalls kommt es entscheidend darauf an, welcher Art das Delikt ist, auf das sich die verbliebenen Verdachtsmomente beziehen. Je schwerer ein Delikt wiegt, je höher der Schaden für die geschützten Rechtsgüter und die Allgemeinheit zu veranschlagen ist und je größer die Schwierigkeiten einer Aufklärung sind, desto mehr Gewicht erlangt das o.g. „öffentliche Interesse“.


Anmerkung: Interessanterweise benutzt das VG Minden diese Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung, die Identische wird vom BVerwG bei der Begründung der „Notwendigkeit“ herangezogen! Dies belegt wiederum den engen inhaltlichen Zusammenhang zwischen den Begriffen des Beschuldigten, der Prognose, der Erforderlichkeit und der sofortigen Vollziehung. Bei der sofortigen Vollziehung muss eben noch ein wenig mehr an Fakten hinzukommen! Nun auf den Fall, auf die Person bezogen:

„Nach diesen Grundsätzen besteht…ein überwiegendes öffentliches Interesse. Es folgt aus der Art der generell schwierig aufzuklärenden Straftaten, hier …Graffiti, ihrer Schwere (….Schaden 10.000 Euro), des langen Zeitraums, während dessen der Betroffene ihrer Begehung dringend verdächtig ist (zumal nach positivem Ergebnis der Wohnungsdurchsuchung), sowie der Tatsache, dass gegen ihn der dringende Verdacht bereits weiterer begangener Graffiti besteht. Damit erweist sich eine ED-Behandlung – schon zum jetzigen Zeitpunkt – als notwendig“.


Die sofortige Vollziehung nach der Nr. 4 bedingt:
schriftliche Anordnung nach § 80 Abs. 3 VwGO
ausführliche (auf die Person und den Fall bezogene) schriftliche Begründung des überwiegendes öffentliches Interesses15
ggf. Androhung eines Zwangsmittels


Sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO§ 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erfasst primär Verwaltungsakte, die durch tatsächliches Handeln oder Vollzugsmaßnahmen ergehen, wie das z.B. für die unmittelbare Regelung des Straßenverkehrs – durch Polizeibeamte einerseits und durch Verkehrszeichen andererseits – notwendig ist. Durch die Verwendung des Begriffs „unaufschiebbar“ wird deutlich, dass nur solche Anordnungen und Maßnahmen erfasst werden, die ein sofortiges Eingreifen polizeilicher Vollzugsbeamten erfordern. Die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung zum Zwecke der Gefahrenabwehr stellt in der Regel keine unaufschiebbare Anordnung oder Maßnahme von Polizeivollzugsbeamten dar. Dies kann dennoch der Fall sein, wenn es wahrscheinlich ist, dass die Person in Zukunft für die Polizei nicht mehr erreichbar sein wird, z.B. ohne festen Wohnsitz ist. Oder auch wenn die Befürchtung besteht, die Person werde sofort (nach Verlassen der Dienststelle) wieder Taten begehen, z.B. bei Serien- und Intensivtätern oder Beschaffungskriminellen.
Die oben bei der Begründung der sofortigen Vollziehung nach Nr. 4 dargestellten Bedingungen gelten bei der sofortigen Vollziehung nach Nr. 2 nicht, denn diese wird nicht angeordnet, sondern gilt kraft Gesetz. Folgen: Eine Anhörung nach § 28 VwVfG wäre nicht erforderlich, ebenso ist u.U. auch „Gefahr im Verzuge“ i.S.v. § 10 Abs.3 PolG/NW mit der Folge der Vorführung ohne Gerichtsbeschluss gegeben. 
Eine schriftliche Vorladung zur ED-Behandlung ergeht naturgemäß wegen der zeitlich erhöhten Dringlichkeit nicht, eine sofortige Vorführung wäre möglich (Zeit für das Einholen eines Durchsuchungsbeschlusses zum Zwecke der Vorführung dürfte aber in der Regel noch sein). Eine praxisnahe, unbürokratische und schnelle Vollstreckung der Maßnahme wird ermöglicht.
Die Begründung der sofortigen Vollziehung nach der Nr. 2 dürfte – bezogen auf alle Fälle – eher AUSNAHMECHARAKTER besitzen.

Rechte des Beschuldigten/Betroffenen gegen die sofortige Vollziehung
Gegen die sofortige Vollziehung nach beiden dargestellten Begründungsmöglichkeiten kann der Betroffene wiederum
zum einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Ausgangsbehörde stellen (§ 80 Abs. 4 S. 1 VwGO) und
zum anderen die Anordnung der Widerherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung beim Verwaltungsgericht beantragen (§ 80 Abs. 5 S. 1 VwGO).

Der Betroffene muss auf diese Möglichkeiten/Rechte nicht hingewiesen werden, dies erfolgt jedoch vielfach aus Gründen des allgemeinen Rechtsschutzinteresses bzw. Weisung des Behördenleiters! 
Und wichtig: Die o.g. Anträge hindern die Polizei also grds. nicht daran, die Maßnahme durchzuführen, insbesondere dann nicht, wenn die sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO gilt.
Allerdings sollte man in allen anderen Fällen Aspekte der Verhältnismäßigkeit besonders berücksichtigen, auch beispielsweise die Schwere der Anlasstat, die Stärke der Wiederholungsprognose, der Grad der zeitlichen Dringlichkeit oder/und die Auffassung des jeweiligen Behördenleiters. Eine abschließende Bewertung und Entscheidung, ob trotz der o.g. Anträge die Maßnahme erfolgt, obliegt also dem Sachbearbeiter/der Sachbearbeiterin.



Zwang
Verwaltungsakte nach §§ 10, 14 PolG/NW oder auch 81 b 2 StPO können nach § 50 Abs. 1 PolG/NW mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn
sie unanfechtbar geworden sind, d.h. nach Bekanntgabe eines Verwaltungsakts (mit Belehrung) ein Monat vergangen ist, ohne dass der Betroffene die Möglichkeit der Anfechtungsklage nutzt oder
sie keine aufschiebende Wirkung haben, d.h. u.a. (der für unser Thema relevante) § 80 Abs. 2 Nr. 2 oder 4 VwGO greift16

Als Zwangsmittel
zur Durchsetzung der (in der Regel schriftlichen) Vorladung kommen das Zwangsgeld (§ 53 PolG/NW) oder die zwangsweise Vorführung (als besondere, gesonderte Form des unmittelbaren Zwanges) in Betracht17.
zur Durchsetzung der Anordnung der ED-Behandlung kommt in aller Regel nur unmittelbarer Zwang, § 55 PolG/NW , in Frage18.

Unmittelbarer Zwang
Dieser kann nur angewandt werden, wenn andere Zwangsmittel nicht in Frage kommen, keinen Erfolg versprechen oder unzweckmäßig sind.
Zwangsmittel sind grds. zunächst anzudrohen (§ 56 PolG/NW) und mit der Androhung ist dem Betroffenen, wenn eine Handlung erzwungen werden soll (z.B. bei einer Vorladung), eine angemessene Frist zur Erfüllung der Verpflichtung zu nennen. Die Androhung ist förmlich zuzustellen, d.h. per Postzustellungsurkunde oder gegen Empfangsbekenntnis durch die Behörde. Die Androhung eines Zwangsmittels soll mit der Verfügung (z.B. einer Vorladung) verbunden werden, wenn Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung haben. Hat der Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung, so kann die Androhung mit der schriftlichen Verfügung verbunden werden. In diesem Fall darf jedoch die Frist zur Erfüllung der Verpflichtung (der Zeitraum bis zu dem Termin an dem die Person auf der Wache zu erscheinen hat) die Rechtsbehelfsfrist (einen Monat) nicht unterschreiten.

Zwangsgeld
Dieses ist in bestimmter Höhe anzudrohen (mindestens fünf und höchstens zweitausendfünfhundert Euro). Über die Höhe des Zwangsgeldes entscheidet der Sachbearbeiter (nach evt. Vorgaben der Behörde) im Einzelfall, jedoch erscheint mir bei der Vorladung zur ED-Behandlung ein Betrag von ungefähr 200 bis 400 € (in Abhängigkeit vom Delikt, der Wiederholungsprognose etc.) angemessen.
Der nächste Schritt im Zwangsgeldverfahren ist die schriftliche Festsetzung des Zwangsgeldes unter Einräumung einer Zahlungsfrist. Abschließend gibt es die Möglichkeit der Ersatzzwangshaft (§ 54 PolG/NW), welche angeordnet werden kann, wenn das Zwangsgeld uneinbringlich ist. Auf diese Möglichkeit sollte bereits bei der Androhung im Vorladungsvordruck hingewiesen werden. Im Übrigen kann das Zwangsgeld, da es Beugemittel ist und keine „Strafe“, nach Festsetzung nicht mehr beigetrieben werden, wenn z.B. im Rahmen der späteren zwangsweisen Vorführung unmittelbarer Zwang zur Anwendung kommt oder auch der Verwaltungsakt sich bereits erledigt hat (§ 53 Abs. 3 S. 2 PolG/NW). Anders sieht es der Gesetzgeber, wenn einer Duldungs- oder Unterlassungspflicht (wie z.B. bei häuslicher Gewalt und einem Verstoß gegen das Rückkehrverbot) zuwider gehandelt wurde. Entscheidend ist hier, ob der Betroffene der Verpflichtung nachgekommen ist oder nicht (§ 53 Abs. 3 S. 3 PolG/NW) 19.
Nach der Androhung und Festsetzung eines Zwangsgelds wird der Vorgang an eine interne Verwaltungsstelle übersandt. Von dort wird das Zwangsgeld grds. beigetrieben und ggf. die Ersatzzwangshaft angeregt. 
Aber: Der praktische Anwendungsbereich des Zwangsgeldes bei der polizeilichen Gefahrenabwehr ist grds. relativ gering, weil die Polizei ganz überwiegend akute Gefahrensituationen beseitigen muss. Das Zwangsgeld ist das typische Zwangsmittel zur Durchsetzung von Verwaltungsakten der allgemeinen Verwaltung (z.B. Bauaufsicht) oder bei dem polizeilichen Aufenthaltsverbot nach § 34 Abs. 2 PolG/NW, aber eben auch bei einer Vorladung zur ED-Behandlung nach § 10 PolG/NW20. Bezogen auf die Vorladung aber meiner Auslegung nach nur dann, wenn die Polizei nicht die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO21 angeordnet hat. Denn nach der zunächst mit der ersten Vorladung versehenen Zwangsgeldandrohung muss bei Nichterscheinen (oder Anfechtungsklage) die Person erneut vorgeladen werden; das Zwangsgeld kann gleichzeitig festgesetzt und parallel dazu unmittelbarer Zwang angedroht werden. Dieser durch eine erforderlich gewordene zweite Vorladung geschaffene – ausgedehnte – Zeitkorridor würde in vielen Fällen die Begründung der sofortigen Vollziehung kontakarieren. Es dürften aber dennoch Fälle denkbar sein, bei denen der Sachbearbeiter die zeitliche Dringlichkeit trotz der Begründung der sofortigen Vollziehung als nicht so hoch würdigt. Insofern gibt es kein „entweder – oder“, sondern auch bei der Frage nach dem „OB“ des Zwangsmitteleinsatzes kommt es immer auf den Einzelfall an.


Vorführung
Als Zwangsmittel zur Durchsetzung der Vorladung erwähnt § 10 Abs.3 PolG/NW das Zwangsgeld und noch die so genannte (zwangsweise) Vorführung.
In diesem Zusammenhang stellen sich drei Problemfelder:
Was bedeutet eine Vorführung inhaltlich? Eine Begriffsdefinition enthält das PolG/NW nicht. Ist sie ein Zwangsmittel? Gilt dann für andere Zwangsmittel auch der Richtervorbehalt?
Die Vorführung nach PolG ist zudem unter den Vorbehalt eines Richters gestellt. Warum?
Gilt § 10 Abs. 3 PolG/NW auch für § 81 b 2 StPO?

zu a)
Es ist zunächst strittig, ob die Vorführung ein Unterfall des unmittelbaren Zwanges ist, auf den die Formulierung im Gesetzestext „zwangsweise Vorführung“ hinweist22 oder ob sie ein selbständiges „Zwangsmittel“ ist in Form einer Maßnahme, nunmehr zur Durchsetzung der Vorladung (also der Anordnung zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort zu erscheinen) die Person von Punkt A nach Punkt B, sprich zum ED-Vorladungs-/Behandlungsort, zu verbringen. Würde die Person sich der Anordnung, sich verbringen, also vorführen zu lassen, beugen, wäre die Maßnahme selbst eben kein unmittelbarer Zwang, sondern konsequenterweise eine eigenständige „Durchführungsmaßnahme“, quasi ein viertes Zwangsmittel (das jedoch mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden kann). Darauf verweisen auch Teile der Literatur und auch nach meiner Interpretation die Verwaltungsvorschrift 10.3 des § 10 PolG NW23: „Soweit zur Durchsetzung der Vorführung (zusätzlich) unmittelbarer Zwang angewendet werden soll, ist (und nur dann) eine richterliche Entscheidung erforderlich“. So wird auch im Kommentar Tegtmeyer/Vahle in der Randnummer 13 (Seite 110) die Vorführung als eigenständiges Zwangsmittel neben dem unmittelbarem Zwang genannt. Allerdings wird in der VV 10.3 verkannt, dass zur Anwendung von unmittelbarem Zwang zur Durchsetzung der Vorführung selber eben kein Richtervorbehalt vorgegeben ist!
Die Vorführung in diesem Zusammenhang ist demzufolge das Verbringen (zunächst ohne Anwendung unmittelbaren Zwanges) einer Person zum ED-Behandlungsort, einer Person also, die sich nicht schon im Gewahrsam der Polizei befindet, also z.B. vorgeladen oder auf der Straße angetroffen wurde.
Würde man unterstellen, dass eine Vorführung eine Form des unmittelbaren Zwanges ist, ergäbe sich konsequenter Weise die Frage, ob auch ein Richtervorbehalt besteht, wenn ich zur Durchführung der ED-Maßnahme selber unmittelbaren Zwang anwenden muss. Diese Frage diskutierte auch CHEMNITZ (siehe Fußnote 26) bejahend mit dem Hinweis auf das Urteil des OVG Münster (Fußnote 32). Jedoch führte er zusammenfassend aus, dass dieser Richtervorbehalt unter Hinweis auf ein Urteil des BayOlG24 erfahrungsgemäß abgelehnt wird.
Nach meiner Auffassung verkennen Chemnitz und (teilweise auch) Tegtmeyer/Vahle dass die Vorführung „nur“ in das Recht auf die Bewegungsfreiheit eingreift und der Gesetzgeber dennoch diese Freiheitsbeschränkung wie eine Freiheitsentziehung einstuft und unter richterlichen Vorbehalt, aber nur bei Anwendung des § 14 PolG/NW, gestellt hat. Wende ich zur Durchsetzung der Vorführung im Sinne der o.g. Definition oder bei der ED-Behandlung selber unmittelbaren Zwang an, greife ich in ein anderes Grundrecht ein, dass der Gesetzgeber im PolG/NW durch Anwendung der Ermächtigungsgrundlage des § 55 PolG und in der StPO beispielsweise durch § 81 b 2 inzident zulässt und hierbei eben keinen Richtervorbehalt vorgesehen hat. 

zu b)
Bei Anwendung des § 10 Abs. 3 PolG/NW ist (nur) die Vorführung – obwohl sie nur freiheitsbeschränkenden Charakter hat – wie gesagt – im Sinne eines effektiveren Grundrechtsschutzes durch den Landesgesetzgeber zulässigerweise unter Richtervorbehalt gestellt. Sie ist somit als Freiheitsentziehung anzusehen, die § 36–38 PolG7NW gelten deshalb entsprechend.
Die Ausnahmeregelung „ Gefahr im Verzuge“ im § 10 (3) PolG/NW dürfte bei ED-Behandlungen nur in Ausnahmefällen zutreffen25. 

zu c)
Die Ermächtigungen für eine Vorführung und auch den ggf. zu ihrer Durchsetzung anzuwendenden unmittelbaren Zwang ergeben sich bei Anwendung des § 81 b 2 StPO aus der Vorschrift selbst und unterliegen somit nicht einem Richtervorbehalt26. Die Formvorschriften bei einer zusätzlich Anwendung von Zwangsmitteln aus den §§ 56–66 PolG/NW gelten allerdings auch hier.
Schließt man sich der o.g. Auffassung an, steht fest, dass bei einer Vorführung (nur) nach § 14 PolG/NW ein Richtervorbehalt besteht. (Die FAQ NW Seite 15–16 lesen sich so, dass der Richtervorbehalt bei der Vorführung auch für die § 81b 2 StPO-Fälle gilt)

Durchführung im Einzelfall

Verfahren bei auf der Polizeidienststelle anwesenden Verdächtigen/Beschuldigten
Befindet sich die Person bereits auf einer Polizeidienststelle (z.B. aus Anlass einer Festnahme oder verantwortlichen Vernehmung), so ist sie zunächst schriftlich über die beabsichtigten Maßnahmen und deren Begründung zu unterrichten und über ihr Recht auf Anfechtungsklage zu belehren. Und wichtig: Jede einzelne ED-Maßnahme ist ihr bekannt zu geben und zu begründen! Die Person ist aber zunächst auf ihr Anhörungsrecht bezüglich der beabsichtigten Anordnung zur ED-Behandlung nach § 28 VwVfG27 schriftlich hinzuweisen28 und auch – falls erforderlich – noch zuvor zur Verifizierung der Beschuldigteneigenschaft zu vernehmen/anzuhören!
Unser Gegenüber ist in jedem Fall (auch bei Anwendung des § 81b 2 StPO) darüber zu belehren, dass er jederzeit die Vernichtung der erkennungsdienstlichen Unterlagen verlangen kann; die Vernichtung erfolgt, wenn die Voraussetzungen für ihre weitere Aufbewahrung entfallen sind (§ 14 Abs. 3 PolG/NW).
Kann die sofortige Vollziehung der ED-Behandlung nicht begründet werden und will die Person Anfechtungsklage einreichen, ist auf die Maßnahme zunächst zu verzichten. Das weitere (Verwaltungsstreit-) Verfahren wird durch den Datenschutzbeauftragten oder anderen Behördenbeauftragten betrieben. Dann ist (vorsorglich) eine Vorladung auszuhändigen, denn die Person könnte es sich anders überlegen. Sie hat dann zu dem Termin zu erscheinen oder den Nachweis über die eingereichte Klage zu erbringen.
Ist die Anordnung der ED-Behandlung sofort vollziehbar bzw. ist die Vollziehungsanordnung zulässig, wird wie folgt verfahren:
sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO
Kann die zeitliche Dringlichkeit auf die Nr. 2 gestützt werden, erfolgt die (zwangsweise) Durchsetzung der Anordnung der ED-Behandlung. 
Aus Gründen des allgemeinen Rechtsschutzinteresses sollte man auch bei einem Eilfall nach § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO die Begründung – nachträglich – schriftlich niederlegen.
sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO
Will die Person Anfechtungsklage einreichen, so wird – wenn möglich – die sofortige Vollziehung nach Nr. 4 angeordnet. Dies ist gemäß § 80 Abs. 3 VwGO schriftlich zu begründen.



Es ist zwingend erforderlich, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach beiden o.g. Vorschriften für den konkreten Einzelfall ausführlich begründet wird.
Dabei reicht es nicht, formelhafte und insbesondere formularmäßige Ausführungen zu benutzen, die auf annähernd jeden Fall der Anordnung einer ED-Behandlung passen. Die Begründung muss für jeden Fall genau darlegen, warum es unumgänglich ist, ausnahmsweise die erkennungsdienstliche Behandlung bei dieser Person und wegen dieses Deliktes und sofort zu vollziehen.
Die ED-Behandlung kann somit trotz der (beabsichtigten) Anfechtungsklage aufgrund der sofortigen Vollziehbarkeit durchgeführt werden.
(Anmerkung: bei Anwendung von § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO hängt die tatsächliche Durchführung der Maßnahme letztendlich aber wieder von der zeitlichen Dringlichkeit/Verhältnismäßigkeit ab. Denn im Vorladungsfall hätte man der Person ja auch 1–2 Wochen Zeit gelassen, oder?! Sie kann ja nicht schlechter gestellt werden, nur weil sie sich gerade „zufällig“ auf der Dienststelle befindet).
Macht die Person aber jetzt von der Möglichkeit des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung oder auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bei der Behörde bzw. beim Gericht Gebrauch (§ 80 Abs. 4 u. 5 VwGO), so ist unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu prüfen, ob die Vollstreckung des Verwaltungsaktes zunächst ausgesetzt wird bis das Verwaltungsgericht bzw. die anordnende Behörde eine Entscheidung trifft.
Insbesondere in den Fällen des § 80 2 Nr. 2 VwGO kann die Maßnahme naturgemäß sofort – ohne Berücksichtigung der Anträge – durchgeführt werden!
Eingehende Klagemitteilungen sowie sonstige Schreiben, die die Anordnung der ED-Behandlung sowie die Anordnung der sofortigen Vollziehung der ED-Behandlung betreffen, sind im Original (ggf. mit einer Stellungnahme der anordnenden Dienststelle) unverzüglich dem Datenschutzbeauftragten oder einem anderem Verantwortlichen der Behörde zuzusenden29.



Verfahren bei nicht auf der Dienststelle anwesenden Personen
Eine nicht auf der Dienststelle anwesende Person wird zur Vernehmung/Anhörung zunächst (falls nicht schon erfolgt oder Beweislast ist erdrückend) vorgeladen. Erscheint sie, erfolgt im Anschluss an die Aussage die Anhörung nach § 28 VwVfG und die Begründung der ED-Behandlung. Erscheint sie nicht, kann sie gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 PolGNW / § 81 b 2 StPO zur ED-Behandlung vorgeladen werden. Die Vorladung soll schriftlich30 erfolgen. Zuvor ist die Person noch mit Fristsetzung anzuschreiben31, um sie über die beabsichtigte ED-Behandlung zu unterrichten und ihr dadurch Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, siehe § 28 VwVfG. 
Alle Schreiben zur ED-Behandlung und zur Anhörung sollten mit Postzustellungsurkunde erfolgen oder gegen Empfangsbekenntnis.
Soll von der Anordnung der sofortigen Vollziehung abgesehen werden, so sind die entsprechenden Passagen auf dem Vordruck zu streichen. Will der Betroffene Anfechtungsklage einreichen, so sind die Unterlagen zur Prüfung an einen Behördenbeauftragten zur Entscheidung abzugeben. Eine ED-Behandlung unterbleibt zunächst.
Wird keine Anfechtungsklage bekannt, erscheint die Person aber trotzdem nicht zur ED-Behandlung, so kann die Vorladung, nachdem sie unanfechtbar geworden ist (einen Monat nach Bekanntgabe), zwangsweise durchgesetzt werden.Wenn die sofortige Vollziehung angeordnet wird, kann die Vorladung zwangsweise durchgesetzt werden. Je nachdem wie dringlich die ED-Behandlung ist und wie man die Einsicht des Betroffenen angesichts der Androhung von bestimmten Zwangsmitteln einschätzt, muss im Einzelfall entschieden werden, ob man Zwangsmittel anwendet und wenn ja welches. Die Vorladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung kann und sollte auch direkt mit der Androhung eines Zwangsmittels verbunden werden.
Vor der Androhung der zwangsweisen Vorführung durch unmittelbaren Zwang muss geprüft werden, ob die Androhung eines Zwangsgeldes32 in Betracht kommt. Zum Beispiel ist es möglich, in der Vorladung erst ein Zwangsgeld anzudrohen und wenn der Betroffene dennoch nicht zur ED-Behandlung erscheint, dem Betroffenen einen neuen Termin zu setzen und gleichzeitig die zwangsweise Vorführung (unmittelbarer Zwang) anzudrohen. Die Androhung des unmittelbaren Zwangs kann und sollte dann auch direkt mit der Festsetzung des Zwangsgeldes verbunden werden. 
In allen Fällen, wo das Zwangsgeld als unzweckmäßig eingeschätzt wird, kann sofort unmittelbarer Zwang angedroht werden (z.B. wenn die Eilbedürftigkeit sehr hoch ist oder die Person über keine finanziellen Mittel verfügt oder sie in anderen Verfahren auf Zwangsgeld nicht reagiert hat).
Macht die Person von der Möglichkeit des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung oder auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bei der Behörde bzw. beim Gericht Gebrauch (§ 80 Abs 4 und 5 VwGO) , so ist unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu prüfen, ob die Vollstreckung des Verwaltungsaktes zunächst ausgesetzt wird bis das Verwaltungsgericht bzw. die anordnende Behörde eine Entscheidung trifft.
Wie schon oben erwähnt sind eingehende Hinweise auf Anfechtungsklage sowie sonstige Schreiben, die die Anordnung der ED-Behandlung sowie die Anordnung der sofortigen Vollziehung der ED-Behandlung betreffen, im Original (ggf. mit einer Stellungnahme der anordnenden Dienststelle) unverzüglich einem Verantwortlichen der Behörde zuzusenden.

Ausschreibung
Ist die vorgeladene Person (auch nach dem Festsetzungsschreiben zum neuen, zweiten Termin) nicht erschienen und ist der Verwaltungsakt unanfechtbar oder wurde die sofortige Vollziehung begründet, so wäre ein Durchsuchungsbeschluss zu erwirken. Parallel dazu kann eine Ausschreibung in der C-Gruppe (landes-oder bundesweit) erfolgen. Die Anordnungsbefugnis hat die Polizei, die Dauer ist auf drei Jahre beschränkt. Die vorbereiteten ED-Vordrucke wären an zentraler Stelle zu hinterlegen. Wird die Person also „auf der Straße“ irgendwann angetroffen, kann sie sofort der ED-Maßnahme zugeführt werden.
Beachte: bei einer Maßnahme nach 14, 10 PolG/NW ist jedoch – zusätzlich – ein Vorführbeschluss erforderlich, eine Ausschreibung kommt also – während der Antragsphase- nur in den Fällen des § 81 b StPO in Frage.

Vorführung – Durchsuchung:
Wie bereits thematisiert ergibt sich bei einer ED-Behandlung nach § 81 b 2. Alt StPO die Befugnis zur Durchsetzung der Vorladung = Vorführung aus der Vorschrift selbst, anordnungsbefugt ist der Polizeibeamte.

Beispiel: Nach einer Vorladung 
mit Anordnung der sofortigen Vollziehung oder 
– ohne sofortige Vollziehung – dann nach 1 Monat 
ist der Beschuldigte nicht erschienen und er wird zufällig auf der Straße angetroffen…
… Folge: eine Vorführung wäre sofort möglich.
Wenn die ED-Behandlung nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 PolG/NW erfolgen soll, bedarf es für die Vorführung, d.h. dem Verbringen von der Wohnung oder von der Straße zur Polizeidienststelle, – grundsätzlich (siehe aber auch Fußnote 25) – eines richterlichen Beschlusses (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 PolG/NW).
Die Staatsanwaltschaft ist in diesen Fällen nicht antragsberechtigt33.
Unmittelbaren Zwang zur Durchsetzung der Vorführung oder der ED-Behandlung selber darf der Polizeibeamte anordnen, § 50, 55 ff PolG oder 81 b 2 StPO i.V.m. § 57?–66 PolG/NW.
In aller Regel ist absehbar, dass zur Vorführung des Betroffenen oder des Beschuldigten ein Betreten/eine Durchsuchung seiner Wohn- und Geschäftsräume erforderlich ist. Dann ist vorsorglich (ohnehin) eine richterliche Anordnung gemäß §§ 41 Abs. 1 Nr. 1, 42 Abs. 2 PolG/NW beim zuständigen Amtsgericht zu erwirken. Dies gilt für beide Vorschriften, die Staatsanwaltschaft ist auch in diesen Fällen nicht antragsberechtigt (s. wieder Fußnote 33)
Beachte: Nach § 41 Abs. 2 PolG/NW gilt – anlässlich einer Vorführung zur ED-Behandlung – zur Nachtzeit ein absolutes Durchsuchungsverbot, welches auch nicht durch einen Richter aufgehoben werden kann!

Sonderfall der Umwidmung
In der polizeilichen Praxis sind die Fälle nicht selten, in denen zunächst (nur) eine ED-Behandlung nach §§ 81b 1. Alt. oder 163b StPO durchgeführt wird. In der Regel werden Daten wie Fingerabdrücke oder/ und Lichtbildern erhoben, mit denen die Täterschaft im anhängigen Verfahren bewiesen oder ausgeschlossen bzw. die Person identifiziert werden soll. Diese Daten/Unterlagen werden ausschließlich im Ermittlungsvorgang niedergelegt.
Daten der KP 8 (Personenbeschreibung) , deren Erhebung bei einer ED-Behandlung nach § 81b 2. Alt. StPO erforderlich sind, werden regelmäßig wegen mangelnder Notwendigkeit nicht festgestellt (u.a. Größe, Gewicht, Haar- und Augenfarbe). 
Im Verlauf der Ermittlungen manifestiert sich nun eine Wiederholungsprognose, d.h. eine ED-Behandlung nach § 81b 2. Alt. StPO wäre zulässig. Der Beschuldigte müsste vorgeladen werden, durch die Anfechtungsmöglichkeiten würde sich die Nutzung der Daten für präventive Zwecke möglicherweise erheblich verzögern.
Nach den §§ 23, 24 Abs. 2 PolG/NW sowie § 481–484 StPO können Daten, die nach § 81b StPO 1. Alt. erhoben worden sind, auch für die Zwecke des Erkennungsdienstes, also der 2. Alt., nachträglich verwandt werden, falls deren Erhebung ebenfalls rechtlich zulässig wäre34. Der Beschuldigte muss über die Umwidmung nach meiner Interpretation nicht informiert werden35. Allerdings müsste ich bei einer – geplanten – Umwidmung vorsorglich die Belehrung nach 14 Abs. 3 PolG/NW durchführen.
Aus technischen Gründen sollten für eine Umwidmung jedoch folgende Unterlagen vorliegen:
FA Bogen („10-Finger-Abdruckbogen“)
auf einer CD-ROM gespeichertes (digitales) Lichtbild 
KP 8 mit Angaben zumindest zu Größe, Gewicht, Haarfarbe und Augenfarbe.



Die erforderlichen Daten liegen jedoch – wie oben erwähnt – vor allem hinsichtlich der KP 8-Unterlagen regelmäßig nicht vor. Diese wären dann nachträglich zu erstellen. Wie? Über das gefertigte Lichtbild können die Daten zu Größe, Haar- und Augenfarbe sowie das (zu schätzende) Gewicht eingetragen werden. Die zuständige ED-Stelle ist mit formlosem Umwidmungs-Antrag zu informieren, der FA-Bogen (nötigenfalls in Kopie), die CD-ROM mit dem Lichtbild und die KP 8 sind beizufügen.

Einbeziehung der Erziehungsberechtigten (EZB) bei/nach einer ED-Maßnahme eines Minderjährigen


ED ohne Wissen der Eltern
Werden ED-Maßnahmen bei KINDERN ohne Wissen/ohne Erreichbarkeit der Eltern durchgeführt, sind diese nachträglich in Kenntnis zu setzen und über § 14 Abs. 3 PolG/NW (Vernichtungsersuchen) zu belehren. Ausnahme: die Information würde erhebliche Nachteile für das Kindeswohl bedeuten (§ 24 Abs. 3 PolG). Aus Rechtsschutzgründen empfehle ich die Benachrichtigung der Sorgeberechtigten auch bei JUGENDLICHEN vorzunehmen.
Zu beachten sind auch die Vorschriften aus der PDV 382. Da es m.E. auch kein Anwesenheitserfordernis der Erziehungsberechtigten (richtigerweise bejahend36 bei Beschuldigtenvernehmungen wegen § 67 JGG) gibt, können ED-Maßnahmen grds. auch ohne sie durchgeführt werden. Gleichwohl ist aus Rechtsschutzgründen zu empfehlen, die EZB vorher zu informieren und ggf. deren Erscheinen abzuwarten. Ihnen stehen – auch nachträglich – natürlich die Antragsrechte aus § 80 Abs. 4 und 5 VwGO zu.

Mangelndes Verständnis der Belehrung
Fraglich ist die Verfahrensweise, wenn ein Kind oder ein Jugendlicher die Belehrung nicht versteht, also Zweifel an der nötigen Verstandesreife vorliegen. Die PDV 382 und die StPO regeln dies nur in Zusammenhang mit Vernehmungen. M.E. kann die ED-Maßnahme zunächst erfolgen, da die Zielrichtung nicht repressiver, sondern präventiver, vorbeugender Natur ist. Eine analoge Anwendung dürfte sich deshalb ausschließen. In einem anschließenden Verwaltungsgerichtsverfahren bzw. nach Antrag auf Vernichtung könnten die Unterlagen immer noch zu einem späteren Zeitpunkt gelöscht werden (§§ 14-3- PolG/NW u. 80 Abs. 4 und 5 VwGO). Es wäre also insgesamt gesehen eher unschädlich die Maßnahme durchzuführen.
Die ohnehin schon besonders zu prüfende Verhältnismäßigkeit der ED-Behandlung ist in diesen Fällen allerdings nochmals unter Anlegung eines sehr hohen, strengen Maßstabes im Hinblick auf das Delikt, die Prognose etc. zu bewerten.

Zwangsgeld bei Minderjährigen


Bei vielen Minderjährigen ist Zwangsgeld m.E. nicht anwendbar, da sie in der Regel kein oder nur sehr wenig eigenes Geld haben und nach dem BGB nur beschränkt geschäftsfähig sind. Deshalb ist das Mittel zur Erzwingung nicht geeignet bzw. wegen der evidenten Zahlungsunfähigkeit untauglich. Die Anordnung der Ersatzzwangshaft ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch unangemessen.
Teilweise wird jedoch argumentiert, dass bei Kindern der „Rückgriff“ auf die Eltern als verhaltens- und verschuldensunabhängige Verantwortliche i.S.d. § 4 II PolG/NW in Betracht kommt. Bei Jugendlichen ergebe sich die Verantwortlichkeit der Eltern aus § 4 I PolG/NW als „Verhaltensstörer durch Unterlassen“, wobei sich die Rechtspflicht zum Handeln aus der Fürsorge- und Erziehungspflicht ergibt.
Andere entgegnen, dass der Rückgriff auf die Eltern eines neuen Verwaltungsaktes bedarf, sie aber nicht die Gefahrenverursacher seien bzw. dies ein Vollstreckungsproblem sei:
Also müsste man zunächst einen Verwaltungsakt (VA als Vorladung) gegen das Kind erlassen und unmittelbaren Zwang androhen, parallel ergeht ein VA gegen die Eltern nach § 8 PolG/NW mit dem Inhalt, dafür Sorge zu tragen, dass das Kind der Vorladung nachkommt. Das erscheint mir zu aufwendig37.
Leider habe ich keine eindeutige Lösung anzubieten, ggf. sollte man „einfach mal die Ente aufs Wasser setzen“.Übrig bleibt dann ggü. Minderjährigen nur die Vorladung unter Androhung von unmittelbarem Zwang (weil das mildere Zwangsmittel Zwangsgeld untauglich ist).

Aufenthaltsbestimmungsrecht der Eltern

Ein erlebter Praxisfall: Eine Mutter erscheint mit ihrem Kind, hört von der durchzuführenden ed-Behandlung (sofortige Vollziehung war angeordnet) und will jetzt unter Hinweis auf ihr Aufenthaltsbestimmungsrecht nach dem BGB gehen.
Lösung: Bei polizeilichen Vernehmungen würde jeder sicher dieses Recht als höherwertig einschätzen, denn bei der Polizei muss kein Beschuldigter oder Zeuge aussagen (justiziellen Vorladungen muss allerdings Folge geleistet werden).
Anders m.E. bei der ED-Behandlung: Hier kann die Maßnahme u.a. deshalb – auch zwangsweise – durchgesetzt werden, weil es eine Duldungsverpflichtung gibt. Natürlich kann man auch alternativ und unter Verhältnismäßigkeitsaspekten auf die Zwangsanwendung zunächst verzichten, erneut vorladen und nach Ablauf der Monatsfrist zwangsweise vorführen bzw. nach § 14 PolG/NW einen richterlichen Vorführbeschluss erwirken

Resümee

Wie bereits eingangs „angekündigt“ handelt es sich um eine recht schwierige Materie, und das nicht nur für den Kriminalbeamten, sondern auch für die Gerichte und Polizeibehörden. Auch ist man sich in der Fachliteratur oft nicht einig.
Ich meine, dass sich in etwa 90% aller Fälle keine Probleme ergeben werden. Unser Gegenüber wird oftmals keine Anfechtungsklage einreichen, wenn man ihm die Konsequenzen (finanzieller Art, denn er muss „ca. 3.400,- Euro Vorkasse leisten“) und seine Rechte aufzeigt, insbesondere die Möglichkeit, dass auch nachträglich die ED-Unterlagen auf – begründeten – Antrag oder gerichtlicher Anordnung hin vernichtet werden (können). 
Insofern dient diese Abhandlung insbesondere den wenigen Anfechtungsfällen und dem dann (hoffentlich) rechtssicheren Umgang mit ihnen sowie den Kollegen und Kolleginnen, die „über den Tellerrand“ hinausschauen bzw. tiefer in die Thematik eindringen wollen.
Und abschließend noch zwei kniffelige Fälle:

Erster Fall
Ein strafunmündiges Kind begeht einen Raub und wird festgehalten. Am Opfer/am Tatort befindet sich eine Finger- und eine DNA-Spur. Die Frage ist, ob die Entnahme von DNA bzw. eine Abnahme von Fingerabdrücken und ein Abgleich mit den Tatortspuren rechtlich zu begründen ist.
Mein Lösungsansatz unter Berücksichtigung der Zielrichtung der Maßnahme: Zum Nachweis der Täterschaft ist es nicht möglich, da ein Kind nach den relevanten Vorschriften der §§ 81b 1. Alt. bzw. 81e ff StPO nicht BESCHULDIGTER sein kann.
Aber das Kind ist strafprozessual ZEUGE und die Entnahme/Abnahme sowie der Abgleich könnten somit über §§ 81c i.V.m. 81e ff StPO erfolgen. 
Primäre Zielrichtung ist hier auch , festzustellen, ob die Spuren übereinstimmen, aber vor dem Hintergrund eines möglichen Ausschlusses der „Täterschaft“ des Kindes. Stammen die Spuren doch nicht von dem „beschuldigten“ Kind, können sie nunmehr in die Tatortspurensammlung (ED- bzw. DAD-Datei) eingespeist werden.
Anmerkung: Im Polizeigesetz in Hessen gibt es die Einstellungsmöglichkeit in die DAD aus präventiven Gründen, auch bei einem Kind, in NRW allerdings noch nicht.

Zweiter Fall
Ein Einbrecher verstirbt, bevor er – erstmalig – ed-behandelt werden sollte. Alle Fakten deuten darauf hin, dass er in der Vergangenheit noch weitere Einbrüche begangen hat, die mit den Fingerabdrücken aufgeklärt werden könnten.
Ist eine ed-Behandlung bei einem Toten zum Abgleich mit den zurückliegenden Tatortspuren möglich?
Bei einem Lebenden würde jeder nach § 81b 2 StPO vorgehen. Auch bei einem Toten wäre diese Maßnahme sicherlich sinnvoll, um unserem Aufklärungsauftrag nach §§ 152, 161, 163 StPO zu entsprechen.
Auch von der Zielrichtung her, dass die Daten mit zurückliegenden Fällen in der Tatortspurensammlung abgeglichen werden, erscheint die Maßnahme zulässig.
M.E. ist diese Maßnahme aber materiell-rechtlich nicht möglich, da es zumindest an dem „Tatbestandsmerkmal“ der Wiederholungsprognose scheitert. Dieses TBM ist aus meiner Sicht ausschließlich zukunftsorientiert. Ein Toter kann aber keine neuen Taten begehen.

Anmerkungen


Aufsatz von Christoph Keller in Kriminalistik 3/2004 und Urteil des BVerwG v. 23.11.05 – 6 C 2.05, sowie Aufsatz von Ch. Katzidis in die Kriminalpolizei 01/2012. – Auf den im Zuge der DNA-Gesetzgebung in 2000 und der vorsorgenden Telekommunikationsüberwachung in 2005 erneut aufgeflammten, eher dogmatischen Streit, ob § 81b 2 StPO eher präventiven oder doch überwiegend repressiven Charakter hat, soll hier nicht eingegangen werden, allerdings hat bzw. hätte die Entscheidung – was die Anordnungskompetenz, Rechtsweg und die Vorschriften hinsichtlich der zwangsweisen Vorführung angeht – wesentliche Auswirkungen.
Zielrichtung ist also primär die (verbesserte) Aufklärungsmöglichkeit von zukünftigen oder auch – z.B. per parallel durchgeführtem AFIS-Abgleich- von zurückliegenden Taten und eben nicht – wie weit verbreitet – die Abschreckung, neue Taten zu begehen (wenngleich dies ein sinnvoller Nebeneffekt ist).
Def.: ... ist der Verdächtige, gegen den gesteigerte d.h. über die Begründung der Verdächtigeneigenschaft hinausgehende, weitere Verdachtsindizien vorliegen. Erst bei dieser erhöhten Stärke des Tatverdachts gehen die Strafverfolgungsbehörden nach pflichtgemäßen Ermessen dazu über, gegen den Verdächtigen das Verfahren als Beschuldigten zu betreiben (BGH 1. Strafsenat, 30.01.01, 1 StR 454/00). Die Person in einer Strafanzeige könnte deshalb zunächst „nur“ Verdächtiger sein, Ermittlungsmaßnahmen wie IDF nach § 163b StPO oder Durchsuchung nach § 102 StPO sind trotzdem zulässig. Insofern folgt o.g. Urteil zu Recht nicht der Meinung einiger weniger Buchautoren, die mit Anzeigenerstattung den Besch.-Status als gegeben sehen.
Eine extrem erweiternde – aktuellste – Def. des Beschuldigten urteilte der BGH, 1. Senat, v. 3.7.07 Str.3/07: liegt keine erhöhte Verdachtslage vor, ergibt sich der Verfolgungswille jedoch aus dem Ziel, der Gestaltung und den Begleitumständen der Befragung, so ist der Besch.-Status schon erreicht; oder auch dann, wenn eine Durchsuchung – nur – dazu dient, für seine Überführung geeignete Beweismittel zu finden) !!! Artkämper in Kriminalistik 8-9/07
§ 14 1 S. 2 fordert: … das zur vorbeugenden… von Straftaten… und eine „Tat, die mit Strafe bedroht ist“; Straftat ist hier nicht dogmatisch zu verstehen: also eine rechtswidrige Tat ist ausreichend, sie ist auch i.S.v. „einer mit Strafe bedrohten Handlung/Unterlassung“ zu definieren
So z.B. Urteil des VG Köln vom 16.08.07, 20K1674/06;. nach Meyer/Goßner und den FAQ NW (Seite 10) soll in diesem Zusammenhang die ED- Behandlung sogar bei FREISPRUCH und sogar nach § 81b 2 StPO möglich sein, a.M allerdings das BVerwG 2,202=NJW 56,235 sowie BVerwG NJW83,772,773; NJW 1338/1339 und Tegtmeyer/Vahle !!!
Das Wort „Wahrscheinlichkeit“ wurde durch die Rechtssprechung bei Begründung eines Verdachtes oder einer Gefahr verwandt, z.B. bedeute hohe Wahrscheinlichkeit, dass „(zumindest) etwas mehr dafür als dagegen spricht“; mithin immer dann, wenn in der StPO das Wort „dringend“ gebraucht wird: wie bei der Führerscheinbeschlagnahme oder bei dringendem Tatverdacht oder bei den Haftgründen. Niedriger einzustufen als der Verdacht ist die VERMUTUNG, die die Rechtsprechung bei der Erfolgs-Vermutung im § 102 StPO verlangt, man verwendet zur Umschreibung auch das Wort „MÖGLICHKEIT“. Zur Begründung reicht hier z.B. die kriminalpolizeiliche Erfahrung. Ergo bitte bei der Prognose nicht die Formulierung „es kann nicht ausgeschlossen werden“ oder „es ist zu vermuten“ verwenden. Richtig ist: „Aufgrund folgender Tatsachen ist es wahrscheinlich, dass…“. Allein die kriminalpolizeiliche. Erfahrung oder ein anonymer Hinweis würden nicht ausreichen. Je mehr Tatsachen zusammenkommen, desto höher ist die Wiederholungsprognose bzw. die Wahrscheinlichkeit der Wiederholung.
So im Ergebnis in ständiger Rechtsprechung auch das BVerwG 66, 192, 199, sowie OVG NS v. 24.10.07 11ME309/07 und VGH Baden-Württemberg v. 18.12.03. Beachte: nicht erforderlich ist die „hohe“ Wahrscheinlichkeit der Tatwiederholung wie sie z.B. in § 112a StPO gefordert wird.
Die Notwendigkeit ist besonders streng zu prüfen, was der Gesetzgeber auch durch die gesonderte Erwähnung im Gesetzestext unterstrichen hat
 vgl. LG Zweibrücken, Beschl. v. 23.09.1999 – 1 Qs 126/99. VG Köln vom 27.01.11 -20 K 1086/10 und VG Augsburg vom 11.03.10 – Au 5 K 09.1283 – lehnen eine ED bei Beziehungstaten/nicht anonymen TV grds. ab !!!
Vordrucke in IGVP (in NW) vorhanden, u.a.: Niederschrift einer ED-Behandlung; dies beinhaltet auch, dass man jede einzelne ED-Maßnahme bezeichnen, begründen und dem Gegenüber zur Kenntnis geben muss
Vgl. OVG Münster, DÖV 1999, S. 522 und AG Kiel vom 25.11.05 -43Gs2775/05 unter Hinweis auf BGHSt 34,39 (45)=NJW 1986
So u.a. Tegtmeyer/Vahle S. 108 Rd-Nr. 8
VG Berlin vom 28.12.04, 1A292.04: danach ist es grds. sogar unzulässig, die Vorladung zur ED-Behandlung mit der Vorladung zur Vernehmung zu verknüpfen, es sei denn, die Beweislage für den Tatverdacht (die Beschuldigteneigenschaft) ist aus Sicht der Polizei kaum noch anzuzweifeln; und zu § 28 Abs. 2 VwVfG: OVG Münster NJW 1978 sowie Koblenz DÖV 1979:“Gerade in Fällen der sof.Vollz. ist die Anhörung besonders wichtig“
Kriterium der „Dringlichkeit“, siehe OVG Greifswald NVwZ1995,608 oder der „Eilbedürftigkeit“, s. VGH Kassel NVwZ 1993,613 und Dörschuck Kriminal. 11/96
So u.a. OVG Lüneburg NdsVBl 199, 137, OVG Schleswig, NWwZ 1992, 688 u. VG Minden 25.10.02 -11L1226/02
Im Rahmen der ED-Behandlung kommt ein Sofortvollzug m.E. aufgrund mangelnder zeitlicher Dringlichkeit nicht in Frage, siehe § 50 Abs. 2 PolG
So KAY in Kriminalistik 4/2006 unter Verweis auf BVerwG v. 19.08.89 8C 79.87
Theoretisch käme auch Zwangsgeld in Betracht, allerdings nur dann, wenn z.B. nach einer Festnahme eine Freiheitsentziehung noch andauert. Ansonsten könnte unser Gegenüber während der Zwangsgeldandrohung und der Festsetzung die Dienststelle verlassen, so auch TETSCH (FHS Köln) und Bezirksregierung Köln.
Allein Aspekte der Verhältnismäßigkeit können das Zwangsgeldverfahren verhindern. § 53 3 PolG wird allerdings nach meinen Recherchen unterschiedlich ausgelegt, teilweise wird die Beitreibung auch nach einer durchgeführten ED-Behandlung versucht. Anmerkung: Auch wird die zwangsweise Vorführung mit einem in der Regel erforderlichen Durchsuchungsbeschluss parallel zur Beitreibung des Zwangsgeldes beantragt bzw. durchgeführt.
So Tegtmeyer/Vahle 9. Auflage zum PolG S. 394, 395
§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO findet – wie bereits erwähnt – bei Vorladungen naturgemäß keine Anwendung.
So nach meiner Lesart auch KAY unter Verweis auf das BVerwG, siehe auch Fußnoten 17 u. 26
So im Ergebnis auch : TETSCH, Eingriffsrecht 3. Auflage 2006
BayOblG, Beschl. V. 20.07.83, BReg. 3 Z 106/83; NPA, LZ 716
Überlegenswert wäre: wenn ich die sof. Vollz. nach § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO begründe, kann ich im Ausnahmefall damit auch die erforderliche hohe zeitliche Dringlichkeit der G.i.V. annehmen. Dies naturgemäß aber nur dann, wenn die Person auf der Dienststelle ist, denn bei Vorladungen werde ich grds. nur die weniger hohe zeitliche Dringlichkeit nach der Nr. 4 begründen können. Da ich eine Person auf der Dst. aber nicht mehr vorladen muss, also eine Vorführung entfällt, entfällt auch dieser Gedanke (hoffe nicht zu sehr verwirrt zu haben). Und noch etwas in Sachen „Spitz auf Knopf“: Habe ich ein Kind auf der Straße angetroffen, dass ich nachträglich als TV eines Raubes identifiziert habe und es ist o.f.W., dann müsste/könnte ich die ED-Behandlung anordnen sowie ggf. (bei Anfechtungsklage) die sof. Vollziehung nach § 80 Abs. 2. Nr. 2 begründen und es dann (zwangsweise, ohne richterlichen Beschluss) vorführen, da ich G.i.V. begründen könnte, oder ??? M.E kann die Begründung zur o.g. § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO identisch sein mit der zur G.i.V. Aber dieser Fall dürfte er selten sein.
So BGH 34.39,45 u. OLG Naumburg vom 06.12.05. 10 Wx14/05 mit weiteren Verweisen: „jegliche Zwangsanwendung des Ergreifens, des Verbringens u. des Festhaltens sowie sogar der Durchführung ist unmittelbar aus § 81b 2 StPO wegen der Formulierung „gegen den Willen“ abzuleiten. Insofern wiederum eine Durchbrechung des Grundsatzes, dass § 81b 2 StPO materiell-rechtlich Polizeirecht ist. aM: Chemnitz in Polizei-Info 10/97 u. Vahle DNP 9/90, 463
Ausnahme: Begründung des § 80 Abs.2 S. 1 Nr. 2 VwGO, aber natürlich dennoch möglich
Per Dokumentation im Vordruck „Niederschrift…“
Passus wurde nur der Vollständigkeit halber eingefügt. Es kann ansonsten keine „Widersprüche“ geben, die die Vollziehungsanordnung betreffen, da diese mangels Verwaltungsaktsqualität nicht mit Rechtsbehelf der Anfechtungsklage angefochten werden kann.
Def.: Vorladung bedeutet, dass jemandem aufgetragen wird, sich zu einer bestimmten Zeit zu einem bestimmten Ort zu begeben, sie kann auch mündlich ausgesprochen werden,; sie ist ein Verwaltungsakt!
Anschreiben sollte sich im Vorgang wieder finden
Dass zunächst Zwangsgeldandrohung als Maßnahme zu prüfen ist, hat das OVG Münster schon am 16.11.81, Az.: 4B1078/81 festgestellt, untermauernd VG Ansbach vom 23.03.04, AN 5 S 03.02188
vgl. OLG Naumburg, Beschluss v. 6.12.05-10Wx14/05- u. BayOLG v. 20.07.83, denn es handelt sich um keine Durchsuchung – Prozesshandlung – im Strafverfahrensrecht, so dass die §§ 102 ff StPO als Befugnisnormen ausscheiden und Karlsruher Kommentar, 5. Auflage 2003 zur Alleinzuständigkeit der Polizei.
BVerwG, DÖV 1990, S. 117, es erfolgt eine einmalige Datenerhebung und deren mehrfache Nutzung, wobei der betroffenen Person eine zweite ED-Behandlung erspart bleibt. Diese Umwandlung ist auch möglich, wenn Daten nach § 163b StPO oder § 14 Abs. 1 Nr. 1 PolG erhoben wurden , siehe § 14 Abs. 2 PolG.
§ 13 DSG NRW schreibt eine Benachrichtigung zwar grds. vor, allerdings bezieht sich die – anzuwendende – spezialgesetzliche Regelung aus § 24 Abs. 3 PolG nur auf Kinder! Anderer Ansicht ist Katzidis in die Kriminalpolizei 01/2012, Seite 27.
LG Saarbrücken NStZ 2012, 167So auch Tetsch; diese Lösung bietet sich m.E. nur an, wenn ich „belehrungsresistenten“ Eltern zusätzlich den staatlichen Willen in aller Konsequenz vor Augen führen will