Kriminalität

Antisemitischer Linksextremismus in Deutschland

Seine Tradition, sein gewalttätiges Potential und seine Herausforderung für die Sicherheitsbehörden

Ein sicherheitspolitischer Glücksfall?


Eines ist ganz klar: Antisemitismus spaltet die antifaschistische, sozialistische und kommunistische Linke untereinander. In Göttingen, Köln und anderen Städten hat die Israel-Palästina-Frage bereits zu Zerwürfnissen innerhalb der linken Szene und zur Gründung des „Bündnis gegen jeden Antisemitismus“ (teilweise auch „… und Islamismus“) geführt. Solche Auseinandersetzungen schwächen ideologisierte Gruppen häufig, da die interne Auseinandersetzung zum Politikum gereift und zur Gretchenfrage wird. Zudem erschweren oder blockieren Grundsatzstreitigkeiten die Planung und womöglich gewaltsame Agitation nach außen. Angesichts deren gewalttätigen Potentials – insbesondere gegenüber Angehörigen von Polizei und Bundeswehr – kann dieser ewige Streitpunkt, der unter den Angehörigen der linken bis linksradikalen Szene anlassweise sehr ernst genommen wird, eine Chance für Sicherheitsbehörden sein.
Allerdings eröffnet der Antisemitismus auch die Möglichkeit für temporäre Bündnisse, die sonst schwer denkbar wären. Aktionistische Gewalt während Kundgebungen ist eine Möglichkeit für junge, frustrierte Menschen, ihre Wut und Aggression innerhalb einer anonymen Menge auszuleben. Dies bringt dann nicht nur Gewalttätigkeiten, vor allem auch gegen Polizisten, und erhebliche Sachbeschädigungen mit sich. Eine solche Demonstration von Hass verursacht nicht selten einen Rauschzustand bei den Beteiligten, die sich gegenseitig aufputschen und ihre Gewalt als Einheit erleben. Die politischen oder wie auch immer gearteten Einstellungen und Beweggründe der Demonstranten treten dann völlig in den Hintergrund.

Foto: A. Lemberger


Der im Sommer 2014 demonstrierte Judenhass hat kurzweilige Zweckbündnisse zwischen Neonazis, Linksextremen, nationalistisch geprägte Muslimen und religiösen Fanatikern wie Salafisten ermöglicht, die zuvor kaum denkbar waren. Der erklärte Feind eint, wenn auch nur kurzzeitig, extremistische Kräfte, bündelt deren Hass und offenbart eine bis dato unbekannte Stärke. Aufgrund der aktuellen außenpolitischen Situation, mit Brandherden u.a. in Syrien, im Irak und in der Ukraine, dem Vormarsch der Milizen des „Islamischen Staates“ und seinem Support unter anderem aus Deutschland, werden temporäre, gefährliche Bündnisse, die sich auf der Straße und während Demonstrationen spontan ergeben, zur größten Herausforderung für die Sicherheitsbehörden.

Fazit


Solche Bündnisse müssten die linksextreme Szene in einen Konflikt bezüglich ihrer Glaubwürdigkeit stürzen. Denn wie kann der Antifaschist an der Seite eines Rechtsextremisten demonstrieren? Wie kann die linksradikale Feministin an der Seite muslimischer Machos, in deren Augen sie weit weniger wert ist als jeder Mann, Hetzparolen brüllen? Es sind diese Fragen, die, vor allem öffentlich aufgeworfen, einen Disput zur Folge hätte. Im besten Falle distanzieren sich Aktivisten vor allem von solchen Bündnissen, die ein hohes Gefährdungspotential in sich bergen.
Akteure innerhalb der linken Szene sehen die Empörung über antisemitische Tendenzen in ihren Reihen, die eher wissenschaftlich wie beispielsweise von Wolfgang Kraushaar aufgegriffen werden,11 als ideologische „Keule“. Tatsächlich aber wird das Phänomen innerhalb der politischen Bühne und auch in der öffentlichen Berichterstattung zu stark abgewiegelt. Die Proteste im Sommer 2014 gegen Israel, in denen eine erschreckende Welle des Antisemitismus zu beobachten war, zeigen derweil die Konsequenzen. Es ist Fakt, das Judenhass keine ausschließlich rechtsextreme Attitüde ist. Nicht nur in islamistischen, sondern vermehrt auch unter jungen Muslimen sind Menschen jüdischen Glaubens verhasst und erklärte Feinde. Und genau darin reihen sich die linksextremen Befürworter Palästinas mit unglaublichen Begründungen ein.
Gerade das jüdische Volk und den einzelnen Juden an sich gemäß der Meinhof-Logik zum Faschisten zu stigmatisieren, ist so aberwitzig wie erschreckend. Noch erschreckender ist jedoch die ausbleibende Empörung und der von den sonst üblichen „Betroffenen“ verbalisierte „#aufschrei“. Die aufrichtige Ächtung fehlt bislang noch immer. Deutschland kann es sich, insbesondere durch seine nationalsozialistische Geschichte, vor allem aber aus dem Anspruch der Demokratie heraus nicht erlauben, Antisemitismus zu dulden. Ganz gleich, ob dieser temporär durch Kriegshandlungen im Gazastreifen ausgelöst und aus welchen Reihen dieser gelebt und gewalttätig artikuliert wird. Entsprechend bedarf es auch und unbedingt der politischen und gesellschaftlichen Stärkung der Polizei, die dieser Art von menschenverachtenden Gewalt Einhalt bieten müssen.