Kriminalitätsbekämpfung

Subjektive Sicherheit und der Einfluss sozialdemographischer Merkmale. Ergebnisse von Bürgerbefragungen


Auf einen kognitiven Aspekt der subjektiven Sicherheit bezieht sich die Frage: e) „Wie oft denken Sie daran, selbst Opfer einer Straftat zu werden?“ Dem verhaltensbezogenen oder konativen Bereich zuordenbar sind die Fragen: f) „Als Sie das letzte Mal abends ausgegangen sind, haben Sie sich von einer anderen Person begleiten lassen, damit Ihnen nichts zustößt?“, g) „Als Sie das letzte Mal abends ausgegangen sind, haben Sie bestimmte Straßen oder Orte gemieden, um zu verhindern, dass Ihnen etwas zustößt?“
Zunächst soll auf die sogenannte „Standardfrage“, also auf die Frage nach dem Sicherheitsgefühl nachts allein in der Wohngegend, näher eingegangen werden (Tabelle 1). 



Im Rahmen der Görlitzer Untersuchung 2012 wurde ein Anteil von 62,6 Prozent der Befragten ermittelt, die sich „nachts allein in der Wohngegend“ entweder „sehr unsicher“ oder „ziemlich unsicher“ fühlen. Wie ebenfalls zu entnehmen ist, liegt der Anteil derjenigen, die sich bei der Befragung 2012 in Görlitz „sehr sicher“ (3,3 Prozent) oder „ziemlich sicher“ (33,0 Prozent) fühlen, mit insgesamt 36,3 Prozent zwar höher als 1998 (28,4 Prozent) sowie 2002 (32,7 Prozent) und auch 2008 (30,9 Prozent) in Hoyerswerda und 1999 in Görlitz (30,5 Prozent), aber zugleich auffällig niedriger als bei der Befragung 2004 in Görlitz, als 4,8 Prozent mit „sehr sicher“ und weitere 46,6 Prozent mit „ziemlich sicher“ antworteten, also sich über die Hälfte der Befragten (51,4 Prozent) vorwiegend sicher fühlten. 
Angesichts dieser Entwicklungen sollte eine detailliertere Analyse vorgenommen werden. Zunächst betrachten wir den Einfluss des Alters im Hinblick auf das Sicherheitsgefühl nachts allein in der Wohngegend, der sehr deutlich (Spearman-Rangkorrelationskoeffizient: p = 0,0000 < 0,01, h.s., Pearson-Chi-Quadrat: p = 0,0013 < 0,01, h.s.) gegeben erscheint, wie sich auch im Detail zeigt (Tabelle 2). 

Liegt der Anteil derjenigen, die sich nachts allein in der Wohngegend „sehr sicher“ oder „ziemlich sicher“ fühlen bei den 14 bis 19-Jährigen bei 54,5 Prozent und bei den 30 bis 34-Jährigen bei 50 Prozent der Befragten und bei allen Altersgruppen bis zu 59 Jahren bei über 38 Prozent, so sinkt dieser Anteil bei den 60 bis 64-Jährigen auf unter 29,8 Prozent und bei den 65-Jährigen und älteren auf 22,9 Prozent. 
Dadurch, dass sich in Görlitz der Anteil der 65-Jährigen und älteren in der von uns als relevant betrachteten Bevölkerung von 20,3 Prozent 1999 über 23,9 Prozent 2004 auf 32,6 Prozent erhöht hat und die über 64-Jährigen nunmehr mit einem Gewicht von knapp einem Drittel in der Nettostichprobe vertreten sind (Sterbling 2013, S. 44), wirkt sich dies natürlich auch massiv auf das subjektive Sicherheitsgefühl bei der Frage nach dem Sicherheitsbefinden „nachts allein in der Wohngegend“ insgesamt aus. Die Entwicklungen im Hinblick auf diesen Aspekt der subjektiven Sicherheit wie auch bei anderen Dimensionen des Sicherheitsgefühls dürften also in erheblichem Maße mit dem rasch fortschreitenden Alterungsprozess der Bevölkerung von Görlitz in den zurückliegenden Jahren – wie übrigens sehr ähnlich auch in Hoyerswerda – zusammenhängen. 
Neben dem Alter wird das subjektive Sicherheitsgefühl auch von der Geschlechtszugehörigkeit deutlich beeinflusst (Tabelle 3), wie viele empirische Untersuchungen immer wieder bestätigten. 



Auch in unserer Untersuchung wurde im Hinblick auf die Frage nach dem Sicherheitsgefühl „nachts allein in der Wohngegend“, ein hoch signifikanter Einfluss des Geschlechts (Pearson-Chi-Quadrat: p = 0,0000 < 0,01, h.s.) festgestellt. Liegt der Anteil derjenigen, die sich nachts allein in der Wohngegend „sehr sicher“ oder „ziemlich sicher“ fühlen bei den männlichen Befragten bei 46,4 Prozent, so erreicht er bei den Frauen nur 28,3 Prozent. Dass der geschlechtsspezifische Faktor in diesem Zusammenhang zwar auch, aber nicht allein ausschlaggebend erscheint, lässt indes ein Vergleich mit der Untersuchung 2004 in Görlitz erkennen, bei der sich 59,4 Prozent der Männer und immerhin auch 41,9 Prozent der Frauen nachts allein in der Wohngegend sicher fühlten. 
Auch der Familienstand lässt einen deutlichen Einfluss (Pearson-Chi-Quadrat: p = 0,0001 < 0,01, h.s.) ausmachen, der allerdings weitgehend darauf zurückgeht, dass sich unter den Verwitweten nur 13,9 Prozent sicher fühlen. Ähnliches gilt für die Ausbildungsabschlüsse (Pearson-Chi-Quadrat: p = 0,0000 < 0,01, h.s.). Noch in der Ausbildung befindliche Befragte (49,1 Prozent) sowie Personen mit Hochschul- oder Fachhochschulabschlüssen (52 Prozent) fühlen sich auffällig sicherer als andere Personenkreise. Im Hinblick auf dem Beschäftigungsstatus (Pearson-Chi-Quadrat: p = 0,0000 < 0,01, h.s.) lassen sich ebenfalls hoch signifikante Effekte ausmachen, wobei hier vor allem Vollzeitbeschäftigte (50,8 Prozent) und noch in der Ausbildung Befindliche (52,3 Prozent) deutlich sicherer als andere, vor allem Rentnerinnen und Rentner (23,6 Prozent), erscheinen. Schließlich zeigt sich auch, dass eine höhere Zufriedenheit mit der sozialen Integration mit einem signifikant höheren Sicherheitsgefühl „nachts allein in der Wohngegend“ einhergeht (Pearson-Chi-Quadrat: p = 0,0000 < 0,01, h.s.).
Ein weiterer Aspekt der affektuellen Kriminalitätsfurcht wurde mit der Frage: „Wie sicher fühlen Sie sich in der Wohngegend“ zu erfassen versucht (Tabelle 4). Bei dieser Fragestellung entfallen also die besonderen furchtverstärkenden Umstände „nachts“ und „allein“. 

Bei der Befragung 1999 waren es in Görlitz 61,8 Prozent, 2004 allerdings sogar 81,5 Prozent, die sich „sehr sicher“ oder „ziemlich sicher“ in der eigenen Wohngegend fühlten. Mit 70,2 Prozent sich sicher Fühlenden, davon 6,1 Prozent, die sich „sehr sicher“ und 64,1 Prozent, die sich „ziemlich sicher“ fühlen, liegt dieser Anteil bei der Untersuchung 2012 fast in der Mitte zwischen diesen beiden Werten. Recht ähnlich stellten sich die entsprechenden Befunde in Hoyerswerda mit 69,6 Prozent 2002 und 70,6 Prozent 2008, die sich vorwiegend sicher in der eigenen Wohngegend fühlten, dar, während dieser Anteil 1998 in Hoyerswerda nur bei rund 62 Prozent lag. 
Neben der Zufriedenheit mit der sozialen Integration (Pearson-Chi-Quadrat: p = 0,0000 < 0,01, h.s.) lässt von den sozialdemographischen Variablen lediglich der Ausbildungsabschluss (Pearson-Chi-Quadrat: p = 0,0057 < 0,01, h.s.) einen deutlichen Einfluss auf das Sicherheitsgefühl in der Wohngegend erkennen, wobei Hochschul- und Fachhochschul mit einem Anteil von knapp 76 Prozent sicherer als die Personen mit anderen Abschlüssen erscheinen. 
Eine weitere emotionale Furchtdimension wurde mit der Frage „Haben Sie in Ihrer Wohngegend nachts draußen alleine Angst, Opfer einer Straftat zu werden?“, zu erfassen versucht. Hierbei geht es also um das Ausmaß der Angst, persönlich Opfer von Straftaten, nachts in der eigenen Wohngegend werden zu können (Tabelle 5). Wie auch im Hinblick auf die anderen, bereits angesprochenen Furchtdimensionen kann solche Viktimisierungsangst natürlich als eine deutliche Einschränkung und Beeinträchtigung der Lebensqualität angesehen werden. 

Die konkrete Angst, nachts in der Wohngegend Opfer einer Straftat zu werden, hat seit der Befragung 2004 in Görlitz deutlich zugenommen. Waren es damals 29,5 Prozent der Befragten, die „sehr oft“ oder „oft“ Angst bekundeten, nachts in der eigenen Wohngegend Opfer einer Straftat zu werden, so sind es 2012 insgesamt 42,5 Prozent, die sich so äußern. Davon haben 8,2 Prozent „sehr oft“ und 34,3 Prozent „oft“ solche Angst. Auch Ende der 1990er Jahre lagen die entsprechenden Anteile bei 45,1 Prozent 1998 in Hoyerswerda und 42,8 Prozent 1999 in Görlitz. In Hoyerswerda waren es 2002 insgesamt 42,4 Prozent und 2008 sodann 45,1 Prozent der Befragten, die angeben, „sehr oft“ oder „oft“ solche Angst zu empfinden.
Auch bei dieser Furchtdimension lassen alle bisher angesprochenen sozialdemographischen Variablen – bis auf das Alter – signifikante Einflüsse erkennen, deren Ausprägungen ähnlich wie bei der der Angst nachts allein in der Wohngegend sind. Daher soll auf ihre nähere Darlegung und Diskussion an dieser Stelle verzichtet werden. Dass das Alter bei der Frage nach der Angst in der eigenen Wohngegend nachts draußen, Opfer einer Straftat zu werden, keinen signifikanten Einfluss erkennen lässt (Spearman-Rangkorrelationskoeffizient: p = 0,0989 > 0,05, n.s., Pearson-Chi-Quadrat: p = 0,4277 > 0,05, n.s.) überrascht zunächst, ist möglicherweise aber so zu erklären, dass hier nicht nach einem hypothetischen Verhalten, sondern dem tatsächlichen gefragt wurde. Das heißt, Menschen und insbesondere ältere Menschen könnten ihr Ausgehverhalten nachts an ihre Angstgefühle angepasst haben und daher – wie natürlich auch aus anderen Gründen – vielfach auf das Ausgehen alleine in der Nacht verzichten. 
Die letzte der von uns gestellten Fragen zur Erfassung emotionaler Aspekte der subjektiven Sicherheit bezog sich auf Furchtgefühle nachts in der eigenen Wohnung (Tabelle 6). Hierbei ist davon auszugehen, dass die Wohnung für den Menschen als besonders wichtiger und schützenswerter Lebensbereich gilt, so dass diesbezüglich ein geringes Maß an Furcht zu erwarten ist, wie übrigens auch die vorausgegangenen Untersuchungen gezeigt haben (Sterbling/Burgheim 2006, S. 70 ff). Angst oder Furcht in der eigenen Wohnung muss demnach als eine starke Beeinträchtigung des Wohlbefindens und der Lebensqualität der davon betroffenen Menschen angesehen werden, worin auch immer solche Furcht oder Angst ihre spezifischen Verursachungen haben.