Sexualdelikte

Sexueller Missbrauch von Kindern

Die Täter – wichtige Hinweisgeber für wirksame(re) Prävention, Ermittlungsarbeit und Strafverfolgung



Aus all dem, was wir bisher wissen, ergibt sich, dass bei der Frau als Täterin möglicherweise extremhohe Dunkelfelder gegeben sind. Ähnlich verhält es sich bei Kindern und Jugendlichen, also in etwa mit ihren Opfern gleichaltrigen Tätern (Freunde, Bekannte, Geschwister).
Fraglos aber sind es vorwiegend Männer, die Kinder sexuell attackieren und bedrohen. Und auch was sie betrifft, gibt es Vorurteile und falsche Vorstellungen, die verhängnisvolle Folgen haben können. So werden Fremd- und Überfalltäter, die im öffentlichen Raum angreifen, zahlenmäßig in hohem Maße überschätzt. Die Anzahl der Täter im jeweiligen, sozialen Nahraum eines Kindes wird dagegen unterschätzt.Das liegt zum einen an einer Wahrnehmungsabwehr (in meinem Umfeld kann es so etwas Böses doch gar nicht geben). Es liegt freilich auch daran, dass von Fremdtätern begangene Taten große, mediale Aufmerksamkeit erfahren, wodurch letztlich suggeriert wird, es gäbe sie häufig, während über Taten innerhalb der Familie oder im familiären Umfeld in der Regel nicht oder nur sehr zurückhaltend berichtet wird. 

Den Täter, erkennbar an einem bestimmten Aussehen, Alter oder an der Zugehörigkeit zu einer bestimmten, gesellschaftlichen Schicht, gibt es nicht. Es gibt dagegen sehr unterschiedliche Täter mit unterschiedlicher Motivation, unterschiedlichen Denk- und Handlungsweisen und unterschiedlichem Verhalten vor, während und nach der Tat. Es gibt bekennende Pädophile1 und solche, die ihre sexuelle Präferenz für Kinder ein Leben lang verschweigen, die im Geheimen und Dunkeln agieren, die bestens getarnt und oft über Jahrzehnte hinweg ein perfekt inszeniertes Doppelleben führen. Es gibt Täter, die sind Greise und solche, die sind selbst noch Kind.
Täterprofile können nur aufgrund von Daten und Erkenntnissen aus einem verschwindend kleinen Hellfeld erstellt werden. Daraus ergibt sich, dass es wohl nur unvollständige Konstrukte sind, die nur einen Teil der Verbrechenswirklichkeit zum Inhalt haben können. Dennoch sind sie höchst geeignet, Prävention sowie Ermittlungen und Fahndungsarbeit erfolgreich(er) zu gestalten.
Was wir über diese Täter wissen, ergibt sich Im Wesentlichen aus kriminalpolizeilichen Ermittlungen, aus der Tatortarbeit, Beschuldigten-, Zeugenvernehmungen und Opferbefragungen.
Sexualwissenschaftliche Erkenntnisse und solche aus dem Gutachterwesen und der Psychotherapie fließen mit ein. 

Zunächst scheint eine grundsätzliche Unterscheidung von Bedeutung: 
Es gibt Täter, die haben keine Präferenz für Kinder. Sie greifen solche allein aufgrund der Gelegenheit und der Verfügbarkeit (eines Kindes), also rein situationsmotiviert an. Und dann gibt es Täter, die sind in ihrer sexuellen Ausrichtung auf Kinder fixiert. Es gibt Pädokriminelle die keine Pädophilen sind. Und es gibt Pädophile, die keine Pädokriminellen sind!

Der auf Kinder fixierte Tätertyp


Auf Kinder fixierte Täter erfahren zumeist schon in sehr jungen Jahren, dass sie anders sind als Andere. Zu Beginn oder im Verlauf ihrer psychosexuellen Entwicklung, während ihrer Pubertätsphase, entdecken sie, dass sie sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen. Entweder zu Jungen oder zu Mädchen. Es gibt jedoch auch (wenige) Täter, die sowohl an Jungen wie an Mädchen interessiert sind, die Kinder beiderlei Geschlechts angreifen.
Festzustellen ist auch, dass das (sexuelle) Interesse der auf Kinder fixierten Täter immer auch eine ganz bestimmte Altersstufe betrifft, die selten über zwei oder drei Jahre hinausgeht. Der Täter, der Mädchen im Alter von 4-6 Jahren bevorzugt, ist an den 12- und 13-Jährigen zumeist nicht interessiert. Und derjenige, der an 12- und 13-jährigen Jungen Interesse hat, greift die 4-6-Jährigen in aller Regel nicht an.
Daraus ergibt sich, dass die Adoption bei der Kindbeschaffung nur eine eher seltene Ausnahme darstellt. Sie gilt in „Pädokreisen“ als Fehler, weil das Kind schnell aus dem interessierenden Alter hinauswächst und dann nicht nur uninteressant wird sondern auch zur Gefahr werden kann. 
Die Täter sind also auf Kinder, (fast immer) auf ein bestimmtes Geschlecht und (fast immer) auf eine ganz bestimmte Altersstufe fixiert. Diese Fixierung ändert sich im Verlauf des Heranwachsens dieser (potenziellen) Täter im Gegensatz zu den allgemeinen Entwicklungsprozessen nicht. Auch der 15- oder 30-jährige oder Ältere bleibt auf das ursprünglich von ihm bevorzugte Alter und Geschlecht fixiert. 
Gleichzeitig machen diese Täter in jungen Jahren noch eine, oft ihr ganzes Leben beeinflussende und prägende Erfahrung:
Ihnen wird bewusst, dass ihr Verlangen oder Tun (Sex mit Kindern) von ihrem Umfeld und von der Gesellschaft in keiner Weise akzeptiert und geduldet sondern abgelehnt, zutiefst verachtet und strafrechtlich verfolgt wird. Häufig schlagen sie die Nase schon während dieser Entwicklungsphase an und machen entsprechende Erfahrungen. Somit sehen sie sich bald gezwungen, ihr Verlangen und Tun zu verbergen, ihre sexuelle Präferenz für Kinder zu verheimlichen, ein Bekanntwerden ihres Verlangens oder Tuns zu verhindern. Und dabei entdecken sie bald, dass Ansehen und gesellschaftliche Achtung sehr geeignet sind, vor Verdacht und (Straf-)Verfolgung schützen. 
Angesehene und in gesellschaftlicher Achtung stehende Persönlichkeiten sind in unserer Gesellschaft grundsätzlich weniger verdächtiger als solche, die weder Achtung noch Ansehen genießen.
Derjenige, der jeden Sonntag zur Kirche geht ist grundsätzlich weniger verdächtig als einer, der die Kirche von innen noch nie gesehen hat. Und der Universitätsprofessor ist grundsätzlich weniger verdächtig als der Hilfsarbeiter, der Stadtrat und Immobilienbesitzer weniger als der Wohnsitzlose, der Pfarrer weniger als der Bezieher von Hartz IV…
Deshalb machen auf Kinder fixierte Pädosexuelle und Pädokriminelle beruflich häufig steile Karrieren. Deshalb sind Akademiker bei diesen Tätern alles andere als unterrepräsentiert!
Das erklärt, warum immer wieder einmal Geistliche, Kirchenmitarbeiter, Lehrer, Sozialpädagogen, Kinderärzte, Kinderschützer, Jugendtrainer und Jugendbetreuer… als Täter enttarnt werden. Das alles sind (völlig zurecht) angesehene und höchst geachtete Tätigkeiten und Berufe, die mit Kindern zu tun haben, deren berechtigte Reputation sich die Täter zunutze machen.
Das erklärt auch, dass die im Jahre 2010 enthüllten Übergriffe innerhalb der Katholischen Kirche nicht auf die katholische Sexuallehre und auch nicht auf das Zölibat zurückzuführen sind. Die Täter sind vielmehr im Bewusstsein in die Katholische Kirche eingetreten, dass diese viele Aufgaben an und mit Kindern wahrnimmt und dass ihre Tätigkeit im Dienst der Kirche sie vor Verdacht und Enttarnung schützt.
Die Verhaltensmuster und Vorgehensweisen dieses auf Kinder fixierten Tätertyps sind sehr verschieden. Der eher häufig2 in Erscheinung tretende, klassische Verführer kommt den allgemeinen Klischeevorstellungen vom „Pädophilen“ wohl am nächsten.
Er ist „Überzeugungstäter“. Er geht sehr geschickt auf kindliche Denkweisen und Erwartungshaltungen ein. Er versteht es bestens, mit Kindern umzugehen. Der Verführer wirbt geduldig um das Kind und um sein Vertrauen. Er erkennt Defizite, die vom Elternhaus oder von den Erziehungsberechtigten hinterlassen werden oft erstaunlich schnell:

  • Zu wenig Liebe,
  • zu wenig Zuneigung,
  • zu wenig Zeit,
  • zurückgewiesen,
  • nicht ernst genommen,
  • (in sexuellen Belangen) häufig ausgewichen oder angelogen,
  • zu wenig Lob,
  • zu wenig Taschengeld…