Kriminalität

Konfrontationsgewalt zwischen Links- und Rechtsautonomen

Konfrontationsgewalt

Links- und Rechtsautonome kennzeichnet ein hohes Maß an Gewaltbereitschaft. Auch wenn nicht alle von ihnen selber Gewalt ausüben, so befürworten sie in der Regel dennoch den Einsatz von Gewalt. Als Militanter gilt daher nicht nur der aktiv Handelnde, sondern auch derjenige, der Gewalt in Kauf nimmt bzw. mit gewaltsamen Aktionen sympathisiert.
Der Gewaltbegriff beider politischer Extrema weicht nicht allzu sehr voneinander ab. Die linksautonome Gewaltbereitschaft basiert auf einem klaren Feindbild, zu dessen tragenden Säulen der Staat und die ihn nach linksautonomer Auffassung stützenden Rechtsextremisten zählen. Um diese zu bekämpfen, halten sie alle Widerstandsformen bis hin zum Einsatz von Gewalt für legitim. Dem linksextremistischen Verständnis nach üben die „kapitalistischen Produktionsverhältnisse“ eine auf gesellschaftlichen Strukturen wie Werte, Normen, Institutionen und Machtverhältnissen basierende „strukturelle Gewalt“ auf ihre Bürger aus und hindern diese daran, sich ihren Anlagen und Möglichkeiten entsprechend frei zu entfalten. Aus dieser vermeintlichen „Gewalt des Systems“ leiten gewaltbereite Linksextremisten ein Naturrecht auf Widerstand ab. Linksextremistische Gewalt versteht sich demzufolge als „Gegengewalt“, d. h. als ein reaktives und somit legitimes Mittel, um die herrschende Gewalt aufzubrechen und Veränderungen herbeizuführen.
Ähnlich dem linksextremistischen Gewaltverständnis sehen sich auch Rechtsextremisten als „Opfer“ staatlicher Repression. Ihrem sozialdarwinistisch geprägtem Weltbild folgend definieren sie sich über den Kampf und den Krieg. Ihre Affinitäten zu Waffen und zum Militarismus lassen erkennen, dass ihnen die Anwendung von Gewalt als ein legitimes Mittel der Problemlösung erscheint. Vor allem die AN verstehen sich als „militanter Teil der nationalen Bewegung“. Gewalt begreifen sie als ein strategisches Mittel der politischen Auseinandersetzung. Gewaltsames Handeln ist für sie „Notwehr“ und somit ein reaktives Verhalten gegenüber der vom Staat und dem politischen Gegner ausgehenden aktiven Gewalt. Damit kommen sie dem linksextremistischen Gewaltverständnis sehr nahe.
Zum Tragen kommt diese Einstellung zur Gewalt in den sogenannten Rechts-Links-Konfrontationen wie sie Hamburg am 1. Mai 2008, am 6. Oktober 2012 aber auch das baden-württembergische Göppingen erleben mussten, als unter den Protesten von rund 1.500 Gegendemonstranten etwa 160 Autonome Nationalisten durch Göppingen zogen. Rund 600 linksautonome Gegendemonstranten versuchten erfolglos, den Aufmarsch der Rechtsautonomen zu verhindern. Dabei kam es zu gewaltsamen Übergriffen auf die eingesetzten Polizeikräfte; deren Aufgabe es war, eine offene Konfrontation zwischen beiden Extrema zu verhindern. 28 verletzte Polizeibeamte waren die Folge.
Konfrontationsgewalt findet aber nicht nur auf überregionalen Demonstrationen statt. Ob im ländlichen Raum, in der Kleinstadt oder in der Metropole: Pöbeleien, gegenseitige Übergriffe und Anschläge prägen die alltägliche Auseinandersetzung zwischen Rechts- und Linksextremisten. So wird der politische Gegner über das Internet beschimpft, auf offener Straße verbal und auch körperlich angegriffen, seine Wohnung mit Farbbeuteln und Graffitis beschmiert oder sein Fahrzeug auch schon mal angezündet. Zudem werden Info-Stände von extremistischen Parteien wie der NPD attackiert und Farb- und Brandanschläge auf deren Parteibüros verübt. Diese Form der Gewalt entwickelt sich zumeist ohne große Vorankündigung und ist daher aus polizeilicher Sicht auch nur schwer zu verhindern. Vor allem von linksextremistischen Antifa-Recherchegruppen und rechtsextremistischen Anti-Antifa-Gruppierungen durchgeführte „Outing“-Aktionen beschleunigen die Eskalationsspirale. Diese dienen dazu, den politischen Gegner mit seinen Lebensdaten, Gewohnheiten und Aktivitäten bis hin zu seinem Arbeitgeber auszuspähen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden dann zumeist über das Internet mit dem Ziel öffentlich gemacht, dem Betroffenen zu diskreditieren und somit maximal zu schädigen.

Ausblick

Konzentrierten sich die gewaltsamen Auseinandersetzungen bislang auf Rechts- und Linksextremisten, so rücken zunehmend auch Konfrontationen zwischen Islamisten und Rechtsextremisten in den Fokus. Erinnert sei an dieser Stelle an die gewalttätigen Auseinandersetzungen aus dem Jahr 2012 zwischen der radikalsten Form des Islamismus, dem gewaltbereiten Salafismus und der rechtspopulistischen Bewegung Pro-NRW in Solingen und in Bonn. Aktivisten von Pro-NRW provozierten am 5. Mai vor der König–Fahd-Akademie in Bonn-Bad Godesberg gezielt die anwesenden Salafisten durch das Hochhalten von Mohammed-Karikaturen. Als die eingesetzten Polizeibeamten eine direkte Konfrontation zwischen beiden Extrema zu verhindern versuchten, attackierten sie die Salafisten mit Fahnenstangen und Messern. Zurück blieben 29 verletzte Polizisten; einer der salafistischen Angreifer wurden wegen versuchten Mordes vom Bonner Landgericht zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Wie bei den Konfrontationen zwischen Rechts- und Linksextremisten so zählten auch bei diesen Auseinandersetzungen insbesondere wieder die eingesetzten Polizeibeamten zu den Opfern.
Konfrontationsgewalt zwischen den politischen Extrema ist ein gesellschaftliches Phänomen, unter dem bislang vor allem Polizisten, zunehmend aber auch die Gesamtbevölkerung zu leiden haben. Aufgrund des hohen Hasspotentials zwischen Rechts- und Linksextremisten, mittlerweile aber auch zwischen Islamisten und Rechtsextremisten, kann diese Form der Gewalt jederzeit eskalieren und nicht nur Verletzte, sondern im schlimmsten Fall auch Todesopfer zur Folge haben. Umgehend könnte daraus ein Märtyrer für die jeweilige Szene erwachsen und eine weitere Eskalation der Gewalt einläuten, dessen Auswirkungen heute noch nicht absehbar sind.

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