Militärische Aspekte der deutschen Sicherheitsarchitektur

Die Bundeswehr als Verteidigungsorganisation der Bundesrepublik hat ein durch die Verfassung festgelegtes Aufgabenspektrum und untersteht der politischen Kontrolle des Parlaments. Dabei ist die Bundeswehr hauptsächlich eine Verteidigungsarmee, die die Unversehrtheit des Territoriums sowie die Freiheit der Eigenentwicklung des politischen Systems gewährleisten soll. Die Gründung der Bundeswehr und die damit verbundene Wiederbewaffnung der Bundesrepublik erfolgten am 5. Mai 1955. Seither untersteht sie dem Bundesminister der Verteidigung. Dieser ist ein Zivilist und Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt im Friedensfall, wodurch das Primat der Politik sichergestellt wird. Im Verteidigungsfall geht die Befehls- und Kommandogewalt auf den Bundeskanzler über. Die Bundeswehr wird als Teil der Exekutive gesehen. Entsprechend diesem Prinzip baut ihre Führungskonzeption auf das Leitbild des Staatsbürgers in Uniform, so dass die Grundrechte des Soldaten nur so weit eingeschränkt werden sollen, wie es der militärische Auftrag unausweichlich erfordert.

Dr. Marwan Abou-Taam,
Mainz

Derzeit befindet sich die Bundeswehr in einer Transformation. Aufgrund des sicherheitspolitischen Wandels und der außenpolitischen Ziele der Bundesregierung kommt es zu erheblichen Veränderungen des Aktionsradius der Bundeswehr. So muss sie zunehmend Aufgaben erfüllen, die in den Bereichen Krisenmanagement und -Bewältigung jenseits der Landesgrenzen, die im Rahmen internationaler Einsätze auszumachen sind. Die Bundeswehr nimmt heute bereits an vielen humanitären und friedenserhaltenden Maßnahmen teil, und es ist nicht auszuschließen, dass im Kontext oben beschriebener Herausforderungen die Bundeswehr auch an friedenserzwingenden Aktionen der Völkergemeinschaft teilnehmen muss.
Nicht zu vernachlässigen ist ebenfalls die Tatsache, dass die Bundeswehr neben dem Verfassungsauftrag der Landesverteidigung auch Bündnisverpflichtungen erfüllen muss, die die Unversehrtheit und Integrität des Bündnisterritoriums und die Bewahrung der politischen Handlungsfreiheit aller Bündnispartner umfassen. So muss die Bundeswehr entsprechende Reformschritte im Rahmen des Transformationsprozesses der NATO mittragen und die Fähigkeiten der Streitkräfte gemäß den eingegangenen Verpflichtungen und Projektionen der NATO aufbauen. Die dafür notwendigen Reformschritte sind Gegenstand einer aktuellen Debatte, die in ihrer Reichweite die Bundeswehr tiefgreifend verändern sollte. Eine grundlegende Strukturreform soll in den nächsten fünf bis acht Jahren verwirklicht werden. Die neuen Herausforderungen erfordern globale Mobilität, so dass die strategischen Verlegefähigkeiten der Bundeswehr weiter ausgebaut werden sollen. Um dies zu erreichen, ist die Anschaffung von weitreichenden Transportflugzeugen geplant. Ferner soll der zukünftige Grundumfang der Bundeswehr von derzeit 252.000 auf 185.000 Soldaten reduzieren werden. Dabei kommt es darauf an 15.000 Soldaten durchhaltefähig in Auslandseinsätze entsenden zu können, heute ist die Obergrenze des Machbaren bei etwa 7.000 Soldaten erschöpft. Von den 406 Standorte der Bundeswehr sollen bis 2015 weitere 26 geschlossen werden. Darüber hinaus sehen die neuen Pläne vor, dass drei Flugplätze mit jeweils rund 1.200 Dienstposten, vier größere Standorte von Flugabwehrraketenkräften sowie der Marine-Stützpunkt Rostock-Warnemünde aufgegeben werden sollen.
In der ersten Phase ließ der Verteidigungsminister von Guttenberg die Wehrpflicht aussetzen. Für viele soziale Einrichtungen in Deutschland wird dies zum Problem, denn mehr als 90.000 junge Männer leisteten jährlich ihren Zivildienst ab. Letzteres ist an der Wehrpflicht gekopplt. Wichtig ist, dass die Wehrpflicht im Grundgesetz verankert bleiben soll. Ein freiwilliger „Schnupper-Wehrdienst„ mit einer Länge von 12 bis 23 Monaten soll den Nachwuchs für die Berufsarmee sichern. Damit soll die Bundeswehr zukünftig aus 15.000 Freiwilligen sowie 156.000 Berufs- und Zeitsoldaten bestehen.
Mit der Aussetzung der Wehrpflicht erreicht man das Ziel, die Bundeswehr schlanker zu machen, sehr schnell. Auch könnte kurzfristig Geld gespart werden, das für die dringend benötigte Spezialausrüstung für Auslandseinsätze direkt verplant werde. Die Umwandlung der Bundeswehr in eine Freiwilligen-Armee wird jedoch langfristig sehr teuer werden. Nach der bisherigen Beschlusslage des Kabinetts soll die Reform bis 2014 rund 8,3 Milliarden Euro einsparen, schon heute kündigt der amtierende Verteidigungsminister an, dass dies nicht erreicht werden kann und beantragte beim Finanzminister eine Anschlussfinanzierung.
Wesentlicher Bestandteil der künftigen Truppe sollen bis zu 15.000 freiwillig Längerdienende sein, wird diese Zahl nicht erreicht, und dies befürchten viele Experten, besteht absehbar das erhöhte Risiko ‚hohler Strukturen‘.
In der zweiten Phase wurde eine drastische Verkleinerung der Führungsstruktur angekündigt. Allein im Bundesministerium der Verteidigung ist die Halbierung der Mitarbeiterzahl auf 1.600 geplant. Einer der beiden beamteten Staatssekretärsposten wird gestrichen. Darüber hinaus sollen die Kompetenzen des Generalinspekteurs vergrößert werden. Künftig wird er der Oberkommandierende der Streitkräfte sein. Er verantwortet umfassend, persönlich und unmittelbar gegenüber dem Minister die Einsätze sowie die Einsatzbereitschaft und Einsatzfähigkeit der Streitkräfte. Die Inspekteure sollen Befehlshaber ihrer Teilstreitkräfte werden.
Im Bericht der Strukturkommission der Bundewehr vom Oktober 2010 wird betont, dass „in diesem Aufgabenprofil sich die Ausweitung des Kernauftrages der Bundeswehr widerspiegelt, die Integrität und Sicherheit Deutschlands und des Bündnisses zu gewährleisten.„ Jedoch ist zu befürchten, dass die Reduzierung der Bundeswehr um etwa 40.000 Soldaten dazu führt, die Bündniszusagen nicht mehr einhalten kann. Daher wird von vielen Soldaten verlangt, zunächst über die Aufgaben der Bundeswehr entlang einer Prioritätenliste zu diskutieren und die Strukturen gemäß den politisch definierten Aufgaben zu gestalten. Eine Sicherheitspolitik nach Kassenlage ist nicht zielführend.