Piratenjagd durch Private

Der Zulassung privater Sicherheitsdienstleister zum Schutz deutscher Seeschiffe als Paradigma für den schleichenden Verfall des staatlichen Gewaltmonopols

Von Bernd Walter, Präsident eines Grenzschutzpräsidiums a.D., Berlin

Den Anfängen wehren…


Bereits vor zweitausend Jahren warnte der römische Dichter Ovid seine Zeitgenossen vor sich abzeichnendem Unheil mit den berühmten Worten „principiis obsta.“ „Den Anfängen tritt entgegen.“ Die altrömische Weisheit hat die Zeitläufte überdauert und sogar in die moderne Kriminologie Eingang gefunden. So formulierten in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die amerikanischen Soziologen Wilson und Kelling die Broken-Windows-Theorie. Eine zerbrochene Fensterscheibe ist, wenn sie nicht sofort repariert wird, der Beginn einer Kausalkette, die zu Vandalismus, städtebaulichem Zerfall und letztlich zu schwerwiegenderer Kriminalität führt. Als probates, allerdings nicht ganz unumstrittenes Gegenrezept propagierte man das Modell der „Zero Tolerance“, die Nulltoleranzstrategie, mit der bereits frühzeitig und entschieden auch Bagatelldelikte unterbunden und sanktioniert werden.


Nichts anderes gilt in der Kriminal- und Sicherheitspolitik – zwei zugegebenermaßen kostenträchtige Politikfelder – die von Politikern gern benutzt werden, um mit verschleiernden Formulierungen und angeblich zukunftsweisenden Innovationen Einsparungen bei der Polizei vorzunehmen. Besondere Aufmerksamkeit der Berufsvertretungen der Polizeien ist insbesondere dann geboten, wenn an den Kernaufgabenfeldern der Strafverfolgungsbehörden und der Polizeien, den beiden Stützpfeiler des staatlichen Gewaltmonopols, herumexperimentiert wird. Ein Erosionsprozess ist bereits jetzt erkennbar. Es begann mit Überlegungen, ureigene Aufgabenfelder der Polizei wie Verkehrsunfallaufnahme und Verkehrsüberwachung an Private auszulagern oder Bagatelldelikte nicht mehr zu verfolgen. Die nächste Stufe war die Schaffung von personellen Hilfsprogrammen wie z.B. der Freiwillige Polizeidienst in Hessen und Baden-Württemberg, die Sicherheitswacht in Sachsen oder von Wachpolizeien und anderen Formen von Angestellten im Polizeivollzugsdienst.
Auch in Hinblick auf die privaten Sicherheitsdienstleister zeichnet sich eine Umorientierung ab, die im Abschnitt V. der Neufassung des Programms Innere Sicherheit ihren Niederschlag gefunden hat. Private Sicherheitsdienstleister werden nunmehr als Bestandteil der Sicherheitsarchitektur offiziell anerkannt, wobei aber gleichzeitig hervorgehoben wird, dass das staatliche Sicherheitsmonopol nicht zur Disposition stehe und hoheitliche Befugnisse durch Außenstehende nur in einem begrenzten Feld unter staatlicher Aufsicht wahrgenommen werden dürfen. Dies müsse überdies die Ausnahme bleiben. Die Tinte der Unterschriften unter dem Programm war noch nicht ganz trocken, als im Zuständigkeitsbereich des Bundes diese Programmsätze kurzerhand ignoriert wurden. Obwohl seit 2008 die deutsche Handelsschifffahrt unter der ständigen Bedrohung durch Piratenüberfälle vor den afrikanischen Küsten ächzt und die Reedereien, aber auch die Küstenländer hoheitlichen Schutz durch Bundesmarine und/oder Bundespolizei forderten, sahen sich die involvierten Bundesministerien unter mehr oder minder schwammigen Vorwänden nicht in Lage, den an sich erforderlichen hoheitlichen Schutz bereitzustellen.
Es lohnt sich, die Entscheidungsprozesse näher zu beleuchten, da sie in signifikanter Weise verdeutlichen, mit welcher Nonchalance die Politik im Bereich der Inneren Sicherheit den tatsächlichen Probleme ausweicht, die Ratschläge von Fachleuten ignoriert und bisher als verbindlich geltende Positionen aufgibt, wenn es politisch opportun ist oder weil bei den Entscheidungsträgern das Fachwissen oder der politische Wille oder beides fehlt.

Maritime Kriminalität – die unterschätzte Gefahr


Unter Fachleuten ist unbestritten, dass maritimer Terrorismus in seiner Virulenz vergleichbar ist mit der parallelen Entwicklung im Luftverkehr. So haben die USA nach dem 11. September 2001 unverzüglich Initiativen im Bereich der Seeschifffahrt vorgelegt, um Ausweichaktionen des internationalen Terrorismus in den maritimen Bereich vorzubeugen. Dies hindert jedoch die Piraten am Horn von Afrika und nunmehr auch vor Westafrika nicht, mit der Seepiraterie ein neues lukratives Kriminalitätsfeld zu eröffnen, dem die Handelsschifffahrt lange Zeit hilflos ausgeliefert war. Zwischen 2005 und 2012 flossen deutlich mehr als 300 Millionen Euro Lösegelder. Das Lösegeld ist jedoch nicht das entscheidende Kriterium. Schwerer wiegt das Leid der entführten Seeleute, die, wenn sie nicht schon bei den Überfällen getötet wurden, ein beispielloses Martyrium über sich ergehen lassen mussten. Deutschland war von der Entwicklung in besonderem Maße betroffen, unterhält es doch die drittgrößte Handelsflotte der Welt und betreibt die weltweit größte Flotte an Containerschiffen. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass die Handelsnation Deutschland mit ihrer exportorientierten Volkswirtschaft eng mit der Weltwirtschaft verflochten und in besonderem Maße auf sichere Seewege angewiesen ist. Die entstandenen und noch immer entstehenden Kosten sind – abgesehen von Leib und Leben der betroffenen Seeleute – immens und reichen von erhöhten Versicherungsprämien, erhöhtem Treibstoffbedarf bei Umfahren der Hochrisikogebiete bis zu Kosten für Begleitschutz, Marineeinsatz und Strafverfolgung sowie anderen sicherheitspolitischen Maßnahmen.
Während 2013 die seeräuberischen Aktionen am Horn von Afrika signifikant zurückgingen, kristallisiert sich an der westafrikanischen Küste im Golf von Guinea ein neuer seeräuberischer Brennpunkt heraus, der immerhin den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu einer Resolution bewegte, in der die Entwicklung als Sicherheitsrisiko für die internationale Schifffahrt und als Gefahr für die ökonomische Entwicklung der Anrainerstaaten bewertet wurde.
Für die Professionalität der modernen Freibeuter spricht die Tatsache, dass sie ihre Modi Operandi flexibel den jeweils veränderten Sicherheitskonstellationen anpassen. Waren die Piraten zunächst nur an Gewinnmaximierung und daher an einer pfleglichen Behandlung der jeweiligen Geiseln orientiert, eskalierte in den Folgejahren zunehmend die Gewaltbereitschaft. Ging es zunächst nur um reine Lösegelderpressung oder Freikauf der als Beute genommenen Beladung unter weitgehender Vermeidung von Gewalt gegen Menschen, ist zwischenzeitlich ein Wechsel der Handlungsmuster eingetreten. Piraten erschießen Seeleute oder setzen sie mit Scheinhinrichtungen unter Druck, eingreifende Kriegsschiffe eröffnen das Feuer, auch wenn Geiseln hierbei zu Schaden kommen. Es handelt sich nicht mehr um Freibeuter seligen Angedenkens, sondern um technisch aufgerüstete kriminelle Organisationen, die gezielt auf Menschenraub und Geiselnahme ausgerichtet sind. Ihr Interesse ist nicht mehr auf den Erwerb der Ladung, sondern auf die durch die Kaperung zu erzielenden Erpressungssummen gerichtet.
Bei den kriminellen Machenschaften handelt es sich um die mafiosen Geschäfte hoch krimineller Organisationen, in denen Warlords und Clanführer sowie ausländische Geldgeber eng mit den Piraten zusammenarbeiten. Das Geflecht zwischen lokalen Milizen, islamischen Gruppierung, lokalen Gemeinschaften, Kaufleuten und Staatsbediensteten ist noch nicht einmal annähernd aufgeklärt. Kontakte zwischen Piraten und Gruppierungen des internationalen Terrorismus werden immer deutlicher, denn je lukrativer die kriminellen Geschäfte werden, desto größer wird die Gefahr, dass auch terroristische Netzwerke an den Einnahmequellen partizipieren.
Nutznießer der Seepiraterie sind nicht Kleinkriminelle, sondern obskure Hintermänner aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität, die neben der Pflege eines opulenten Lebenswandels den Waffen- und Menschenhandel sowie die Aktivitäten von Milizen finanzierten. In Somalia haben die Nachrichtendienste unterdessen auch Querverbindungen zu den terroristischen al-Shabab-Gruppierungen ausgemacht. Der Kampf gegen die Piraten wurde zunächst nur militärisch geführt, wobei sich die Aktivitäten der EU-Operation Atalanta auf den Schutz der Hilfsschiffe des humanitären Welternährungsprogramms beschränkten.

Die Rechtslage – ein legislatorischer Flickenteppich


Dass die Diskussion um die Bekämpfung der Seepiraterie selbst von Fachleuten nur mit spitzen Fingern angefasst und äußerst divergierend geführt wird, liegt an der Unübersichtlichkeit und Diversifizierung der Rechtsmaterie, zumal das Kriminalitätsphänomen seit der Enthauptung von Störtebeker mitsamt seinen Vitalienbrüdern um 1400 als ausgestorben galt. Als es nun seit 2005 mit verstärkter Intensität wieder auflebte, reagierten die zuständigen Ministerien – es sind deren fünf – mit Unverständnis, Desinteresse und der Suche nach Möglichkeiten, den Schwarzen Peter bei der Problemlösung weiter zu schieben. Zwar muss bei der grundsätzliche Bewertung berücksichtigt werden, dass rund 75 Prozent der deutschen Schiffe nach § 7 Flaggenrechtsgesetz ausgeflaggt sind und unter dem Banner von Billigländern segeln. Dazu gehören z.B. Liberia und Antigua und Barbuda, aber auch Zypern und Malta. Es geht also lediglich um die rund 400 Handelsschiffe, die tatsächlich die deutsche Flagge führen. Auch wenn die Bundesmarine zurzeit im Rahmen der EU-Operation Atalanta im Rahmen eines EU-Mandates am Horn von Afrika eingesetzt wird, braucht ihr Einsatz hier nicht weiter betrachtet werden, da sie nach geltender Rechtslage nicht zum Vollzug polizeilicher Maßnahmen eingesetzt werden darf. Daran hat auch der kürzliche Plenarbeschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz nichts geändert.
Die internationale, aber auch die nationale Rechtslage zur Aufrechthaltung von Seesicherheit ist unübersichtlich, z.T. auch widersprüchlich und enthält gravierende Sicherheitslücken. Dies gilt in Sonderheit für die Bekämpfung und Verfolgung der Seepiraterie, da offensichtlich für klarstellende Regelungen (bisher) keine Notwendigkeit gesehen wurde. Nach Art. 92 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen fahren Schiffe unter der Flagge eines einzigen Staates und unterstehen auf Hoher See seiner ausschließlichen Hoheitsgewalt, mit Ausnahme der Fälle, die in internationalen Verträgen oder im Übereinkommen selbst vorgesehen sind. Die Hoheitsgewalt übt nach § 6 Bundespolizeigesetz (BPolG) die Bundespolizei aus. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass es sich bei den Interventionsmaßnahmen gegen Piraten, soweit deutsche Schiffe betroffen, um polizeiliche Maßnahmen handelt, da Schiffe unter deutscher Flagge deutsches Hoheitsgebiet sind und insoweit deutsche Gesetze gelten. Aus den Regelungen der Artikel 107 und 110 des Seerechtsübereinkommens ergibt sich ferner , dass die Piratenabwehr keineswegs allein eine militärische Aufgabe ist. Der Teufel steckt im Detail, denn bei der Verfolgung der Seeräuberei außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes tritt durchaus eine Reihe von schwierigen Rechtsfragen auf, zum Bespiel dann, wenn ein Schiff, das einer deutschen Reederei gehört, unter der Flagge von Panama fährt, der Kapitän Deutscher ist, Wirtschaftsgüter für Frankreich befördert werden, die Mannschaft aus vier verschiedenen Ländern kommt und wenn die Kaperung durch ein US-Kommando beendet wird. Nach deutschem Rechtsverständnis handelt es sich bei seeräuberischen Handlungen um Straftaten. Damit ist die Zuständigkeit der Polizei und der Justizorgane gegeben. Sofern die Seepirateriebekämpfung als polizeiliche Aufgabe verstanden wird, liegt der Zuständigkeitsschwerpunkt bei der Bundespolizei, die fallweise im Bereich der Ermittlungen, Tatortarbeit und bei Verhandlungen mit Geiselnehmern durch das Bundeskriminalamt unterstützt werden kann. Die Zuständigkeit der Bundespolizei für präventive und repressive Maßnahmen seewärts des Küstenmeeres, die in Spezialgesetzen geregelt sind, ergibt sich aus § 1 Abs. 2 BolBG. Zu diesen Spezialgesetzen zählen u.a. das Seeaufgabengesetz, die Seeschiffahrtsaufgaben-Übertragungsverordnung sowie die Zuständigkeitsbezeichnungs-Verordnung See. Die Zuständigkeiten für allgemeinpolizeiliche Maßnahmen in diesem Bereich ergeben sich aus § 6 BPolG. Sofern es sich um Strafverfolgungsmaßnahmen im Rahmen dieser Aufgabenzuweisung handelt, ergeben sich diese aus § 12 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 1 letzter Halbsatz BPolG. Auch wenn § 6 BPolG vordergründig den Eindruck erweckt, dass es sich lediglich um Parallelzuständigkeiten handelt, da die Bundespolizei unbeschadet der Zuständigkeit anderer Behörden oder der Streitkräfte tätig wird, ist die Formulierung im Grunde leerlaufend. Für polizeiliche Maßnahmen auf Hoher See gibt es zurzeit keine eingriffsfähige Organisation außer der Bundespolizei. Von den potenziellen Möglichkeiten kommt allenfalls die Bundeswehr in Betracht, doch für deren polizeilichen Einsatz bedarf es einer Grundgesetzänderung. Sofern es sich um die Rettung von Personen aus einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben handelt, ist auch aus § 8 Abs. 2 BPolG. einschlägig. In Hinblick auf die Beistandspflichten gegenüber im Ausland in Not geratenen deutschen Staatsangehörigen ist überdies § 1 Abs. 2 des Gesetzes über den Auswärtigen Dienst zu berücksichtigen.
Das Strafgesetzbuch kennt im Gegensatz zu den Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens einen Tatbestand der Seeräuberei nicht. Je nach Tatbegehung verstoßen die Akte gegen § 316 c StGB (Angriff auf den Luft- oder Seeverkehr), § 239 StGB (erpresserischer Menschenraub), § 239 b StGB (Geiselnahme) oder § 250 StGB (schwerer Raub). Dazu gesellen sich allerdings je nach Tatbegehung eine Fülle von sonstigen Straftaten gegen das Leben, die körperlicher Unversehrtheit und persönliche Freiheit sowie eine Fülle von Eigentumsdelikten, wobei die kriminellen Verbindungen zur Organisierten Kriminalität und zum internationalen Terrorismus bisher kaum umfassend aufgeklärt wurden. Hierdurch sind weitere Straftatbestände berührt.
Die Zuständigkeiten zur Verfolgung der Straftaten ergeben sich aus den allgemeinen Regeln nach §§ 4, 6 Nr. 3, 7 StGB in Verbindung mit §§ 7,10, 10 a StPO. Allerdings sind die Strafverfolgungszuständigkeiten immer noch uneinheitlich auf Bundespolizei, Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter verteilt. Das Bundesinnenministerium hat zwischenzeitlich die Zuständigkeit seiner Polizeien für Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Piraterie geregelt. Geiselnahmen zum Nachteil deutscher Staatsbürger werden durch das Bundeskriminalamt bearbeitet. Die Zuständigkeit ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Nr. 3 a BKA-Gesetz. Der Bundespolizei obliegt die Bearbeitung aller anderen Fallkonstellationen, insbesondere bei Piraterievorfällen mit deutschen Flaggenstaatbezug und bei Geiselnahmen nichtdeutscher Staatsangehöriger. Immerhin haben sich die Innenminister auf der der 193. Sitzung der Innenministerkonferenz dahingehend verständigt, die Länder künftig von Ermittlungsverfahren bei Piraterievorfällen außerhalb deutscher Hoheitsgewässer zu entlasten und diese der Bundespolizei und dem Bundeskriminalamt zu übertragen. Hierzu seien allerdings gesetzliche Novellierungen erforderlich.
Nach § 4 Abs. 1 SeeAufgG seewärts des Küstenmeeres bei der Strafverfolgung zur Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen gelten die Bestimmungen der StPO entsprechend. Beamte der Bundespolizei sind im Ermittlungsverfahren nach § 4 Abs. § 2 SeeAufgG i.V.m. § 1 Nr.2 a) ZustBV-See Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft. In aller Regel trifft die Bundespolizei bei Ermittlungshandlungen im Zusammenhang mit Straftaten außerhalb des Küstenmeeres keine Abgabepflicht selbst bei Ermittlungshandlungen auf deutschem Hoheitsgebiet, sofern die Staatsanwaltschaft nichts anderes bestimmt. Für Ermittlungshandlungen besteht bei der Bundespolizei eine spezialisierte Ermittlungsgruppe See; ferner wurde in Neustadt/Holstein ein Piraterie-Präventionszentrum mit dem Auftrag eingerichtet, national die erforderlichen kriminalpräventiven Maßnahmen zu koordinieren. Das Zentrum offeriert neben Workshops für die maritime Wirtschaft Optimierungsmöglichkeiten bisheriger Verfahrensweisen und betreibt mit einer Vielzahl in- und ausländischer Kooperationspartner ein seespezifisches polizeiliches Informationsmanagement.
Alles in allem kann festgestellt werden, dass die Sicherstellung des Strafverfolgungsanspruches bei seeräuberischen Aktivitäten außerhalb deutscher Hoheitsgewässer nur durch die Bundespolizei gewährleistet werden kann, für deren allfälligen Einsatz die entsprechenden logistischen Voraussetzungen geschaffen werden müssen. Bei der Bundespolizei See stehen die entsprechenden Spezialisten zur Verfügung. Dabei kann nicht vertieft werden, dass die Beachtung der Regelungen der StPO bei Strafverfolgungsmaßnahmen auf Hoher See veritable Schwierigkeiten bereitet. Angefangen von der Vorführung vor den Haftrichter über die Verteidigerkonsultation bis hin zur Erwirkung der Anordnung der Durchsuchung eines Piratenschiffes.
Dass in Deutschland das Legalitätsprinzip die Staatsanwaltschaft und die Polizeien verpflichtet, bei Kenntnis von einer Straftat ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen (§§ 152 Abs. 2, 160, 163 StPO), sofern kein reines Antragsdelikt vorliegt und hierbei der Polizei keinerlei Ermessen eingeräumt ist, braucht hier nicht weiter vertieft zu werden. Ein Strafverfolgungsinteresse ist auf jedem Fall anzunehmen, wenn deutsche Staatsbürger Opfer von Straftaten werden, ein Schiff unter deutscher Flagge angegriffen wird oder deutsche Reedereien oder Versicherungen erpresst werden. Bestimmte Ausnahmen betreffend die Durchbrechung des Legalitätsprinzips bei Auslandsstraftaten regeln die §§ 153 c Abs. 1 und § 154 b Abs. 1 StPO.
Ob deutsche Strafverfolgungsbehörden tatsächlich an einer effizienten Verfolgung der Seeräuberei interessiert sind, darf nach den Ergebnissen des ersten und einzigen Prozesses in diesem Kriminalitätsphänomens vorm hamburgischen OLG bezweifelt werden. Er richtete sich gegen 10 Somalier, die 2010 an dem Überfall auf den deutschen Frachter Taipan beteiligt waren. Er dauerte über zwei Jahre, erst am 41. Prozesstag ließ sich überhaupt erst einer der Angeklagten zum Gegenstand der Klage ein. Der Prozess geriet zur Farce, wurde von den Verteidigern jahrelang verschleppt und kostete allein für 20 Verteidiger und 2 Dolmetscher über eine Million Euro. Drei angeblich jugendliche Piraten, deren Alter nicht zweifelfrei festgestellt werden konnte, wurden wegen der zweijährigen Dauer der Untersuchungshaft auf freien Fuß gesetzt und gehen berufsfördernden Maßnahmen nach. Den restlichen Verurteilten wird wohl, da sie nicht nach Somalia abgeschoben werden dürfen, nach vorzeitiger Entlassung Asyl gewährt. Familiennachzug steht im Raum. Einer der Verurteilten hat zwei Ehefrauen und neuen Kinder.

Hoheitlich Aufgabenwahrnehmung – ein Wahrnehmungsproblem


Beim sogenannten Anti-Piraten-Gipfel in Berlin im Januar 2010 waren sich die Vertreter der verschiedenen Ministerien, der Gewerkschaften, des Verbandes Deutscher Reeder und der Deutschen Seemannmission einig, dass der Schutz von Schiff und Besatzung eine hoheitliche Aufgabe sei und nicht in die Hände privater Sicherheitsfirmen gelegt werden dürfe. Insbesondere die hauptbetroffenen norddeutschen Küstenländer forderten mit deutlichen Worten den Einsatz von Bundeswehr und Bundespolizei. Der Verband Deutscher Reeder stellte unwidersprochen fest, dass Deutschland nach dem Internationalen Seerechtsübereinkommen sowohl eine Garantenstellung als auch eine damit verbundene Schutzpflicht für deutsche Schiffe habe. Auch auf der 193. Sitzung der Innenministerkonferenz im Dezember 2011 stand der hoheitliche Aspekt noch im Vordergrund. Zumindest in besonderen Situationen sollte eine individuelle Begleitung von deutschen Handelsschiffen in Betracht gezogen werden. Die mögliche Zertifizierung privater bewaffneter Sicherheitsdienste sollte durch die Bundespolizei erfolgen. Hamburg gab eine Notiz zu Protokoll, dass der Schutz von Seeschiffen unter deutscher Flagge eine staatlich, hoheitlich Aufgabe sei. Selbst der Einsatz zertifizierter privater Sicherheitskräfte darf kein Ersatz für fehlendes Engagement des Bundes bei der Bekämpfung der Piraterie sein. Der Einsatz Privater ist allenfalls als Assistenzeinsatz zu verstehen.
Die Festlegung auf die hoheitliche Aufgabenwahrnehmung berührt die Frage des staatlichen Gewaltmonopols. Hierbei handelt es sich um eine Kulturleistung des modernen Verfassungsstaates, durch die der Schutz des Bürgers und die Wahrung des Rechtsfriedens ausschließlich dem Staat übertragen ist, der zur Durchsetzung auch physischen Zwang anwenden darf. Auch wenn die verfassungsrechtliche Begründung mit Bestimmungen des Grundgesetzes unterschiedlich ausfällt und aus der Zusammenschau verschiedener Normen herausgelesen wird, herrscht Einigkeit, dass das exklusive Gewaltmonopol konstituierendes Merkmal souveräner Staatlichkeit ist und diese erst legitimiert. Das nahezu exklusive Gewaltmonopol des Staates begründet andererseits als korrespondierende Verpflichtung eine Schutzpflicht des Staates, die das Bundesverfassungsgericht mehrfach bestätigt hat. Sie verpflichtet aber auch den Gesetzgeber, die Sicherheitsorgane personell und materiell und mit den Handlungsvollmachten auszustatten, dass der Sicherheitsanspruch der Bevölkerung auch durchgesetzt werden kann. Bei der Ausgestaltung der Schutzpflichten steht dem Staat eine weite Einschätzungsprärogative im Rahmen seiner Kapazitäten zu. Einerseits darf nichts Unmögliches verlangt werden, andererseits darf der Staat nicht untätig bleiben, wenn besonders hochwertige Rechtsgüter gefährdet oder verletzt werden. Die Exklusivität hindert den Staat nicht, in eng begrenzten Ausnahmefällen hoheitliche Befugnisse auf Privatrechtssubjekte zu übertragen. Die wird meist mit der Faustformel umschrieben, dass der Staat eine Gewährleistungs-, aber keine Produktionsverantwortung für öffentliche Aufgaben hat. Grundsätzlich gilt aber nach Art. 33 Abs. 4 GG ein Funktionsvorbehalt dahingehend, dass die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen sind, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
Aus dieser Rechtslage zog der vormalige Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Bernhard Witthaut, bereits im Frühjahr 2012 in einem Interview mit dem Bonner „Behörden Spiegel“ die an sich einzige logische Konsequenz: „Im Kampf gegen Piraten ist die Bundespolizei die beste Alternative.“ Sie sei originär präventiv und repressiv zuständig, besitze die nötige Expertise, könne notfalls Mittel des unmittelbaren Zwanges bis hin zum Schusswaffengebrauch einsetzen und gewährleiste nach einer Eingriffssituation den erforderlichen rechtskonformen Verfahrensgang. Außerdem sei in Hinblick auf die überschaubare Zahl der gefährdeten Schiffspassagen auch keine personelle Überforderung der Bundespolizei erkennbar. Bleibt eigentlich nur der Zusatz, dass es vornehmste Aufgabe einer an sich zuständigen Polizeiorganisation ist, dass sie bei Gefahr im Verzuge sofort einschreitet – zumindest dann und solange keine andere Lösung greift. Zwischenzeitlich steigerten nämlich die Seepiraten am Horn von Afrika ihre Attacken, erpressten zunehmend höhere Geldbeträge von Reedereien und Schiffseignern und setzten die als Geiseln genommenen Seeleute unbeschreiblichen Torturen aus.
Das entscheidende Treffen der Ressorts, Verbände und betroffenen Einrichtungen zum Thema Bekämpfung der Seepiraterie fand am 20. Juli 2011 unter Leitung des damaligen Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie und Koordinator für die maritime Wirtschaft, Hans-Joachim Otto, statt. Die ursprünglichen Hoffnungen verflogen schnell, denn die Bundesregierung erklärte, dass „ein flächendeckender Schutz logistisch, finanziell und operativ nicht möglich“ sei. Wenig später trat dann auch noch der „administrativ-rechtlichen Aufwand“ als Hinderungsgrund dazu. Und schlussendlich wurden dann auch noch personelle Kapazitätsmängel vorgebracht.


Übung „Piraterieeinsatz“ der Bundespolizei (Foto: Bundespolizei)


Die tatsächlichen Bemühungen der Bundesrepublik zur Lösung des Problems, so sie denn überhaupt als solche bezeichnet werden konnten, konterkarierten mithin die schnelle erforderliche Lösung. Statt umgehend und tatkräftig Soforteingriffsteams der Bundespolizei aufzustellen und einzusetzen – wobei man sogar auf die zwischenzeitlich durchgreifend navalisierte GSG 9 hätte zurückgreifen können – fühlte sich zunächst kein Ministerium zuständig, wurde die Zeit mit frucht- und ergebnislosen Gesprächsrunden vertrödelt. National fühlte sich kein Ministerium für die Lösung des Problems zuständig. Vielmehr arbeiten die einzelnen Ressorts im Rahmen ihrer tatsächlichen oder vermuteten Zuständigkeiten nebeneinander her. Erschwerend trat hinzu, dass keine Dringlichkeit zur Lösung des Sicherheitsproblems erkannt oder dieses kurzerhand geleugnet wurde, zum anderen wollte sich kein Ministerium die mit der Lösung der Probleme in diesem Sicherheitssegment verbundenen Rechtsfragen auf den Hals laden. So sah sich, obwohl der amerikanische Think Tank „Oceans Without Piracy“ den durch die Piraten verursachen Schaden allein für das Jahr 2011 mit rund 7 Milliarden Dollar berechnete, die deutsche Sicherheitspolitik jahrelang außerstande, den an sich erforderlichen hoheitlichen Schutz für Schiffe unter deutscher Flagge bereitzustellen. Vielmehr entschloss man sich nach Jahren quälender Diskussionen zu einer Lösung, die zunächst strikt abgelehnt worden war: die Zulassung in- und ausländischer Sicherheitsdienstleister zum maritimen Schutz auf Hoher See.

Das Zulassungsverfahren – der Türöffner für die Bewachungsunternehmen


Die Zulassung von Bewachungsunternehmen auf Seeschiffen regelt nunmehr das Gesetz zur Einführung eines Zulassungsverfahrens für Bewachungsunternehmen auf Seeschiffen vom 4.3.2013 (BGBl. I S. 362) ergänzt durch die Seeschiffbewachungsverordnung und die Verordnung zur Durchführung der Seeschiffbewachungsverordnung. Mit dem Verfahren, mit dem gesetzgeberisches Neuland betreten wurde, sollen nach Meinung des Gesetzgeber vor allem rechtliche Unsicherheiten beseitigt werden, da die bisherigen Verfahren sich bis dato angeblich in einer rechtlichen Grauzone bewegt hätten.
Das gesamte Zulassungsverfahren, häufig fälschlicherweise als Zertifizierung bezeichnet, übertrug der Gesetzgeber nicht der Bundespolizei, sondern bereicherte das ohnehin bunte Aufgabenportfolio des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) um eine weitere im Grunde wesensfremde Facette. Das BAFA, eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, beschäftigt sich nämlich im Hauptamt mit der Ausfuhrkontrolle, der Durchführung der Einfuhrregelungen der Europäischen Union, der Wirtschaftsförderung für kleinere und mittlere Unternehmen und wird im Bereich der Nutzung erneuerbarer Energien und des Steinekohlbergbaus tätig. Bekannt wurde es bisher lediglich durch die Abwicklung der Abwrackprämie. Affinitäten zur maritimen Kriminalitätsbekämpfung sind hingegen kaum erkennbar, es denn, man subsumiert das Zulassungsverfahren für die Bewachungsunternehmen unter Wirtschaftsförderung für kleine und mittlere Betriebe. Versucht man überhaupt eine sachliche Begründung für diese Aufgabenzuordnung zu finden, so können diese allenfalls historischen Ursprungs sein, denn das Bewachungsgewerbe auf Seeschiffen ist in § 31 der Gewerbeordnung geregelt, die von jeher zu den Regelungsmaterien des Wirtschaftsministeriums gehört. In diesem Gesetzeswerk finden sich nunmehr die Regelungen zur Schiffsbewachung in trauter Nachbarschaft mit Paragraphen, die u.a. die Schaustellung von Personen, Tanzlustbarkeiten und Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeiten regeln. Kein Wunder, dass unter diesen Vorzeichen das Sicherheitsgewerbe schon seit langem in Hinblick auf die Besonderheiten ihrer sich ständig erweiternder Aufgabenfelder im Bereich der inneren Sicherheit ein eigenes Sicherheitsgesetz fordert.
Die Bewachungsunternehmen müssen im Zulassungsverfahren, für das Gebühren bis zu 18.000 Euro erhoben werden, darlegen, dass sie besondere Anforderungen an die betriebliche Organisation und ihre Einsatzverfahren sowie an die Qualität ihres Personals erfüllen. Hierfür entstehen noch einmal nicht unbedeutende Kosten. Die Zulassungspflicht gilt ab 1.12.2013 für alle nationalen und internationalen Unternehmen, die Sicherheitsaufgaben auf deutschflaggigen Schiffen wahrnehmen wollen. Die Verpflichtung wurde auch in der angepassten See-Eigensicherungsverordnung festgeschrieben. Die Überprüfung nimmt das BAFA im Benehmen mit der Bundespolizei vor. Die Modalitäten für Erwerb, Besitz und Führen von Waffen und Munition regelt § 28 a Waffengesetz. Der Einsatz von Kriegswaffen ist ausgeschlossen. Die grundsätzliche Zuständigkeit wurde nach § 48 Abs. 1 WaffG der Waffenbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg übertragen.
Der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft begrüßte das Zulassungsverfahren, da er darin nur Vorteile erkannte. Mit dem Gütesiegel des aufwändigen und peniblen Zulassungsverfahrens verbunden mit den hohen Standards, die erfüllt werden müssen, hat man ein Pfund in der Hand, mit sich leicht auf dem großen Markt der nationalen Konkurrenten wuchern lässt. Allerdings wird die Forderung des BDSW an die Reeder, künftig deutsche Unternehmen mit der Bewachung zu beauftragen, vor allem eine Frage der Kosten sein. Auch der neue Präsident des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft, Gregor Lehnert, hat die Zeichen der Zeit erkannt und fordert nicht nur die Übernahme der Zuständigkeiten für die Sicherheitswirtschaft durch die Innenressorts von Bund und Ländern, sondern auch verbindliche Rechtsgrundlagen für private Sicherheitsunternehmen in Form eines eigenen Gesetzes. Allerdings sperren sich das Bundeswirtschaftsministerium und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag gegen die Initiative. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, auch wenn in 25 europäischen Staaten die Sicherheitswirtschaft im Innen- bzw. Justizministerium ressortiert.

Ein eher negatives Fazit


Mit der nunmehrigen Neuregelung hat der Gesetzgeber ein Präjudiz geschaffen. Bereits im August 2011 hat eine gemeinsame Projektgruppe des UA FEK und des UA RV den Abschlussbericht „Zertifizierung von Unternehmen im privaten Sicherheitsgewerbe“ vorgelegt, der auf der 193. IMK-Sitzung zustimmend zur Kenntnis genommen wurde. Gleichzeitig wurde betont, dass die entwickelten Standards in den einschlägigen Rechtsvorschriften verbindlich geregelt werden. Die nunmehrige Entwicklung ist mehr als ein Türöffner, denn sie wird die Entwicklung zur Privatisierung von Sicherheit fördern. Und zwar auch im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung. Konkludent hat der Gesetzgeber nicht nur sein Unvermögen in einem Teilsegment der Sicherheitsgewährleistung eingestanden, sondern auch eingeräumt, dass er von privaten Sicherheitskräften einen höheren Mehrwert erwartet als von seinem eigenen Personal.
Ende Dezember 2013 waren sieben Bewachungsunternehmen nach § 31 Abs. 1 GewO auf der Web-Liste des BAFA verzeichnet: fünf mit Sitz in Deutschland, je eines in England und auf Mauritius. Der prognostizierte Ansturm, der von einer Antragstellung von bis zu 70 Unternehmen im ersten Jahr ausging, blieb allerdings aus.
Im Grunde hätte es des gesamten bürokratischen Aufwandes nicht bedurft, denn bereits nach vorher geltender Rechtslage hätten private Sicherheitsdienste maritim eingesetzt werden können. Die Leitlinien der IMO (Internationale Marine Organisation) und die international anerkannten Verhaltensrichtlinien (Best Management Practices) hätten für einen Einsatz der Bewachungsunternehmen ausgereicht. Allenfalls erfolgten durch die neuen Regularien eine rechtliche und praktische Anpassung und eine evidente Aufwertung der privaten Sicherheitsdienstleister. Überprüft werden künftig die Unternehmensstrukturen, nicht aber das Wachpersonal und deren Einsatzverfahren. Dieses ist aus praktischen Gründen auch gar nicht möglich. Warum nicht von vornherein das gesamte Verfahren der an sich zuständigen und praxiserfahrenen Bundespolizei übertragen wurde, blieb im Dunkel.
Trotz umfangreicher Dokumentationspflichten bleibt es zweifelhaft, ob die zuständigen Behörden immer Kenntnis von einem seeräuberischen Vorfall bekommen, zumal in den Fällen, in denen sich Kapitän und/oder Sicherheitsdienste selbst belasten müssten. Erstaunlich auch, dass eine Schutzmannschaft von 4 Mann mit halbautomatischen Waffen für ausreichend erachtet wird. Ein Vessel Protection Team der Bundeswehr besteht z.B. aus zehn ausgesuchten Spezialisten mit automatischen Kriegswaffen. Der Einsatz der GSG 9 zur Befreiung der Geiseln auf der Hansa Stavanger wurde abgebrochen, da angeblich die Piraten zu stark bewaffnet waren.
Piraterie kann jederzeit und an jeder geeigneten Küste wieder aufleben, wo interessierte Akteure eine neue kriminelle Einnahmequelle ohne größere Gefährdung vermuten. Viele maritime Anrainerstaaten sind nicht in der Lage, eine geeignete Coast Guard zu unterhalten, von Abwehrmaßnehmen außerhalb der eigenen Hoheitsgewässer ganz zu schweigen. Die Möglichkeit von Anschlägen des internationalen Terrorismus wird allenfalls in Fachzirkeln diskutiert.
Unter Fachleuten ist es schon lange eine Binsenweisheit, dass der Staat in vielen Bereichen aufgrund personeller und finanzieller Engpässe an die Grenzen seiner Belastbarkeit stößt. Dass er dann versucht, durch mehr oder minder probate Gegenstrategien Abhilfe zu schaffen, ist verständlich. Allerdings sollte er hierbei ernsthaft prüfen, ob gerade der Bereich der Inneren Sicherheit ein hierfür geeignetes Experimentierfeld für Aufgabenprivatisierung ist, denn alle Indikatoren lassen vermuten, dass die Kriminalität weiter steigt, das Vertrauen der rechtstreuen Bürger in die Leistungsfähigkeit der Sicherheitsorgane dagegen eher schwindet. Auch wenn der Weg zur vermehrten Aufgabenübertragung von Sicherheitsdienstleistungen an Private unumkehrbar ist, da die Polizei auf deren Ergänzungsleistungen gar nicht mehr verzichten kann, und deren Markt weiter expandieren wird, so bleibt ein unaufhebbarer qualitativer Unterschied: Private Dienstleister arbeiten wettbewerbs- und profitorientiert nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten, die Polizei hingegen gemeinwohlorientiert und grundsätzlich ohne Berücksichtigung etwaiger Kosten. So ist im Einzelfall zu prüfen, ob der Rückzug des Staates aus dem Bereich der Gefahrenabwehr und Kriminalitätsbekämpfung tatsächlich durch Nichtkönnen oder aber durch Nichtwollen bestimmt ist. Tatsächlich ist es nämlich so, dass sich nunmehr mit der exklusiven Überantwortung des Schutzes der deutschen Handelsschifffahrt erstmalig der Staat eines Teiles seiner Kernkompetenzen begeben hat. Er hat noch nicht einmal den Versuch eines zumindest temporären Schutzes gewagt. Und ob die Reeder mit der neuen Situation tatsächlich glücklich werden, bei der sie nur bestimmte Unternehmen verpflichten dürfen, die ihre Dienste entsprechend honorieren lassen, bedarf noch des Nachweises. Auch darf man gespannt sein, ob die eingeleitete Entwicklung nicht zur zusätzlichen Ausflaggung deutscher Handelsschiffe oder zur Abwanderung von Sicherheitsdienstleistern ins Ausland führen wird. Und das Bundesinnenministerium muss sich fragen lassen, ob für die Bundespolizei als einer der personalstärksten Polizeien überhaupt der Fußballeinsatz am Wochenende, die Unterstützung des Hausordnungsdienstes der Botschaften oder die Unterstützung des Personenschutzes des BKA wichtiger sind als die Wahrnehmung der gesetzlich übertragenen Aufgaben zur Bekämpfung der Piraterie.

Wichtiges in Kürze

Von Gunhild v. d. Groeben, Journalistin, Mainz

Termine


Vom 03.-05.07.2014
findet in Hamburg die Tagung Empirische Polizeiforschung XVII „Die kritisierte Polizei“ statt. Mehr und Anmeldung: www.empirische-polizeiforschung.de

IT-Sicherheit als Gemeinschaftsaufgabe“ ist das Thema der Public IT-Security (PITS) 2014, die von 23.-24.9.2014 in Berlin statttfindet. Die Vernetzung der relevanten Akteure untereinander und miteinander steht im Mittelpunkt. Weiterhin wird die PITS den Fokus auf die IT-Sicherheit speziell in den Verwaltungen legen, wobei hier besonders auf die föderale Sicherheitsstruktur eingegangen werden soll. Mehr: www.public-it-security.de

Die General Police Equipment Exhibition & Conference (GPEC) 2014 findet von 9.-11.9.2014 in Leipzig statt. Die Internationale Fachmesse und Konferenz für BOS- und Spezialausrüstung versteht sich als Branchenübersicht und Leistungsschau sowie internationale Kommunikationsplattform für Behörden, Hersteller, Handel und Dienstleister. Mehr: gpec.de