Editorial

Liebe Leserinnen, lieber Leser,


drei geradezu verheerende und perfide ausgeführte Anschläge haben sich in den vergangenen Wochen in kurzer Folge in Bayern ereignet. Angehörigen, Freunden und Kollegen der vielen unschuldigen Opfer gilt unser tiefes Mitgefühl. Den Kolleginnen und Kollegen der Polizei und dem Rettungsdienst gilt unser Respekt für die beeindruckende Professionalität, mit der weitere Gefahren abgewehrt und notwendige Ermittlungsmaßnahmen rasch zu einem Ergebnis geführt wurden. In kurzer Zeit haben wir eine Fülle an Opfern zu beklagen. Neben den Menschen, die ihr Leben lassen mussten, werden viele ein Leben lang mit den körperlichen und seelischen Folgen belastet sein. An dieser Stelle gilt es in besonderer Weise dem „Weißen Ring“ zu danken und zum 40. Jahrestag seiner Gründung herzlich zu gratulieren. „Wenn alle den Täter jagen, wer bleibt dann beim Opfer?“ Unter diesem Motto haben vor 40 Jahren 17 herausragende Männer und Frauen – unter ihnen der Journalist und bekannte Fernsehmoderator der Sendung „Aktenzeichen XY…ungelöst“ Eduard Zimmermann – den WEISSEN RING gegründet. Ihr Ziel, beschreibt Karl-Heinz Weber, Vorsitzender des Landesverbandes Rheinland-Pfalz und Polizeipräsident a.D., in seinem Beitrag wie folgt: Opfern von Straftaten eine Stimme geben, auf ihre Belange und Bedürfnisse aufmerksam machen und alles daran setzen, ihre rechtliche und soziale Situation zu verbessern. Denn früher hatten Opfer keine Lobby. Es gab keinen, der für sie einstand. Opfer von Straftaten wurden alleingelassen, waren vor Gericht häufig nicht mehr als Objekt und schlichtes Beweismittel, um den Täter zu überführen. Ob, wie und in welcher Form sie unter den Folgen einer Tat leiden mussten und Entschädigungsleistungen für an ihnen begangenes Unrecht erwarten konnten, blieb häufig unklar oder gänzlich unbeantwortet. Weber beschreibt die wichtigsten Entwicklungen der vergangenen 40 Jahre, die durch den Weißen Ring initiiert und maßgeblich beeinflusst worden sind. Die Organisation kann mit großem Stolz und Selbstbewusstein auf beeindruckende Ergebnisse zurückblicken, die mit einer großen Zahl von ehrenamtlichen Helfern und Unterstützern aus allen gesellschaftlichen Bereichen erreicht worden sind. Auch in den eingangs geschilderten Fällen wird der Weiße Ring erneut seine Hilfe und Fähigkeiten einbringen, um den Opfern bestmöglich zu helfen.
Allerdings werden in den geschilderten Zusammenhängen und vielen alltäglichen Gefahren- und Krisensituationen auch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte zu Opfern – unter dem Eindruck bestimmter Belastungssituationen manchmal erst nach Jahren. Eine gute Ausbildung alleine hilft den Kolleginnen und Kollegen nicht immer, beispielsweise bei der Bewältigung von Eindrücken im Zusammenhang mit den jüngsten Bluttaten gegen Kinder und Jugendliche. Derartige Bilder bleiben nicht am Tatort zurück, sondern können Betroffene über Jahre verfolgen und sehr krank machen. Hier sind professionelle Mittel und Wege gefragt, um den Betroffenen und ihren Familien aus dieser Krise zu helfen. Einen Beitrag hierzu versucht die Polizeioberrätin Katja Weickert vom Polizeipräsidium Rheinpfalz mit Ihrer Ausarbeitung zum Thema „Supervision im Polizeiberuf als Instrument zur professionellen Selbstreflexion“ zu leisten. Sie kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass die Untersuchung der Belastungen im Polizeidienst einen deutlichen Schwerpunkt beim Umgang mit toten und schwerverletzten Menschen, bei der Beteiligung von Kindern sowie bei Gewalterfahrungen erkennen lässt. Die steigende Komplexität des Polizeidienstes und die Organisationskultur beeinflussen diese Belastungen zusätzlich. Die Aussagen in den Experteninterviews und in der einschlägigen Fachliteratur zeigen das Erfordernis, den Polizisten beim Umgang mit schwierigen Einsatzsituationen und bei der Bewältigung entsprechender Belastungen professionelle Unterstützung anzubieten.
Als Konsequenz aus den aufgezeigten Ereignissen sind die eingeleiteten personellen, materiellen und konzeptionellen Maßnahmen sehr zu begrüßen – aber auch die Konzepte zur Unterstützung von Polizisteninnen und Polizisten, die durch ihren Dienst zum Opfer werden, müssen konsequent weiterentwickelt werden.

Herbert Klein