Hure oder Opfer?

(Mehr als nur) eine Frage der Ehre


Von Manfred Paulus, Erster Kriminalhauptkommissar a. D., Ulm/Donau

In Deutschland gehen selbst Politik und Gesetzgebung ganz selbstverständlich davon aus, dass die Prostitution im Wesentlichen freiwillig und ohne Zwang ausgeübt wird. Doch hinter glitzernden Fassaden könnte sich eine sehr unangenehme Wahrheit verbergen.

Hure oder Opfer?


400.000 Frauen gehen in Deutschland der Prostitution nach. Diese Zahl wird jedenfalls immer wieder genannt und zitiert. Das allerdings schon seit den 1980er-Jahren, seit einer Zeit also, in der sich die Märkte mit der „Ware Frau“ in Deutschland noch längst nicht so ausgedehnt hatten, wie das heute der Fall ist. Die Zahl 400.000 könnte längst überholt sein und in Wahrheit weiß niemand, wie viele Frauen gegenwärtig in Deutschland der Prostitution nachgehen. Statistiken geben in unserem Land genaueste Auskunft über die Anzahl von Masthühnern und Legehennen, nicht jedoch über die im Land anschaffenden Prostituierten. Der Staat und seine Organe halten sich – von den Finanzbehörden abgesehen – gerne vornehm zurück, was die Prostitution und die Prostitutionsmilieus betrifft. Galten sie doch bis vor nicht allzu langer Zeit noch als sittenwidrig und gelten sie doch immer noch als anrüchig – damit wollte und damit will man bis heute, zumindest offiziell und von den Steuereinnahmen abgesehen, nichts zu tun haben. Die Milieus sind Sperrgebiete – auch für die Wissenschaft.
Ganz selbstverständlich spricht man in diesem Land von den „Prostituierten“, vom „Prostitutionsgewerbe“ oder, um der Tätigkeit noch mehr Normalität und Seriosität zu verleihen, sogar von „Sexarbeiterinnen“ oder „sexuellen Dienstleisterinnen“. Manche träumen sogar davon, die Prostitution wäre ein Gewerbe, wie jedes andere auch – was sie freilich niemals war, was sie nicht ist und was sie auch niemals sein wird.
Ganz dem üblichen Sprachgebrauch entsprechend wird auch der jüngste Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages zur Neuregelung des „Prostitutionsgesetzes“ als „Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen“ bezeichnet (Drucksache 18/8556).
Bei all dem bleibt unbeachtet, dass es sehr deutliche, wenn auch wenig und nur ungern zur Kenntnis genommene Hinweise darauf gibt, dass ein hoher, möglicherweise ein sehr hoher Anteil derer, die so selbstverständlich als Prostituierte bezeichnet und behandelt werden, gar keine Prostituierten sind – sondern Opfer! Opfer des Menschen-, des Frauen- und Kinderhandels. Opfer der sogenannten Zwangsprostitution oder zutreffender: der Sexsklaverei.
Werden solche Opfer als Prostituierte bezeichnet, so ist das fraglos zutiefst ungerecht und in seinen Folgen für die Betroffenen geradezu fatal. Selbst der gern und viel verwendete Begriff der „Zwangsprostituierten“ erscheint in diesem Zusammenhang problematisch, denn eine Frau, die zur Vornahme sexueller Handlungen gezwungen wird, ist nun einmal keine Prostituierte und damit auch keine „Zwangsprostituierte“ sondern Opfer, nichts als Opfer. Und Opfer sollten Opfer sein dürfen.
Dass zwischen einer Prostituierten und einem Opfer, zwischen einer Hure und einer (Sex-)Sklavin sprachlich wie in der Beurteilung des Tuns klar getrennt und unterschieden werden sollte, ergibt sich allein aus der Tatsache, dass eine Prostituierte (und auch eine Zwangsprostituierte) in unserer Gesellschaft unter einer erheblichen Stigmatisierung und Diskriminierung zu leiden und weder Beistand noch Hilfe zu erwarten hat. Opfer können also allein mit der – bewusst oder unbewusst – benutzten, falschen Begriffswahl und deren Folgen, noch einmal zu Opfern gemacht werden.
Vielleicht aber spricht man hierzulande keineswegs nur aufgrund einer oberflächlichen Betrachtung oder einer großzügigen Undifferenziertheit sondern ganz bewusst und mit Kalkül von den „Prostituierten“, von „Sexarbeiterinnen“, vom „Prostituiertenmilieu“ und vom „Prostitutionsgewerbe“ – völlig ungeachtet dessen, ob und in welchem Ausmaß es dabei wirklich um Prostituierte geht. Vielleicht tut man das, um auf diese Weise zu zeigen, dass man von den wahren und möglicherweise verbrecherischen Verhältnissen und von solchen Opfern nichts ahnt und nichts weiß – was man sonst ja auch niemals hinnehmen und dulden würde! Vielleicht spricht man von den „Prostituierten“ und von „erotischen und sexuellen Dienstleistungen“ um alles schön zu reden und auf diese Weise all den hehren, menschenfreundlichen und rechtsstaatlichen Vorgaben und Idealen gerecht zu werden. Zum Beispiel der über allem stehenden Norm: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Vielleicht sieht man nicht hin sondern weg, um weiterhin von Rechtsstaatlichkeit und einer humanen und heilen Welt träumen zu können...

Die Antwort auf die Frage Prostituierte oder Opfer definiert sich über die Freiwilligkeit des Tuns. Und Hinweise wie Beweise für Freiwilligkeit oder Zwang, Antworten auf die Frage Prostituierte oder Opfer, ergeben sich vor allem

  • aus den Anwerbungsmethoden und (bei Ausländerinnen) aus den Schleusungspraktiken,
  • aus Abhängigkeiten oder Hilflosigkeit und den anderen Bedingungen am Ort des Anschaffens,
  • aus den Machtverhältnissen sowie der Art und Weise der Machtausübung im jeweiligen Milieu bzw. Objekt sowie
  • aus dem Verbleib der erzielten Einnahmen.

Auch aus den Berichten von inzwischen tausenden, in ihre Heimatländer zurückgekehrter oder geflüchteter „Prostituierter“ und den Erkenntnissen dort ansässiger aber auch in Deutschland tätiger Nichtregierung- und Hilfsorganisationen (NGO) ergeben sich Erkenntnisse über die (Arbeits-)Bedingungen der in Deutschland „in der Prostitution tätigen Personen“.

Was aber ist „freiwillig“ und was nicht?


Freiwilliges Tun oder Zwang, Prostituierte oder Opfer? Um das zu beantworten muss zunächst geklärt werden, was unter „freiwillig“ zu verstehen ist. Geht eine junge Frau freiwillig der Prostitution nach, wenn sie keine andere Möglichkeit sieht, ihr Kind zu ernähren oder die lebenserhaltende OP für ihre Mutter zu bezahlen? Geht sie freiwillig der Prostitution nach, wenn sie nur diese eine Möglichkeit sieht, um ihre Familie aus anhaltender Armut und Not zu befreien? Wenn sie ihr Studium auf andere Weise nicht finanzieren kann? Wenn sie ihre Schulden anders nicht tilgen kann? Wenn sie aus Liebe (zu einem Loverboy oder Zuhälter) handelt? Wenn sie Angst hat, mit leeren Taschen heimzukehren und dann als Versagerin zu gelten? Wenn sie sich im wahrsten Sinne des Wortes freiwillig prostituiert aber mit den Bedingungen im jeweiligen Objekt nicht einverstanden ist?
Freiwillig oder nicht – das wirft viele Fragen auf. Fragen, bei denen deutlich wird, dass es auf diesem Feld nicht nur Schwarz und Weiss sondern auch Grautöne gibt: Frauen also, die sich mehr oder weniger freiwillig prostituieren und solche, die mehr oder die weniger Opfer sind. Zudem wird deutlich, dass eine endgültige Antwort auf die Frage, „freiwillig oder Opfer“ nur individuell und im Einzelfall entschieden werden kann.
Davon unabhängig bleibt festzuhalten: Vieles, nur allzu vieles deutet darauf hin, dass ungleich mehr von denen, die wir Prostituierte, sexuelle Dienstleisterinnen oder Huren nennen und als solche behandeln, in Wahrheit Opfer sind. Mehr als uns allen lieb und recht sein kann, mehr als wir wahrnehmen und wahrhaben wollen.
Weil sich die Wissenschaft hierzulande nicht oder nicht in ausreichendem Maße damit befasst, erscheint es hilfreich, einen Blick auf die „Prostitution“ betreffende Untersuchungen und Forschungsergebnisse anderer Staaten zu werfen.

In der wissenschaftlichen Publikation „Journal for Trauma Practice“ ist eine US-amerikanische Studie veröffentlicht, die auch über Freiwilligkeit und Zwänge in der Prostitution Auskunft gibt. Dabei wird festgestellt,

  • dass die große Mehrheit der so genannten Prostituierten nicht freiwillig der Prostitution nachgeht,
  • dass 89 % der Prostituierten mehr oder weniger verzweifelt sind und aussteigen wollen,
  • dass bei einer Legalisierung der Prostitution trotz aller Gegenmaßnahmen auch immer wieder Kinder ausgebeutet werden,
  • dass 60 – 75 % der Frauen in der Prostitution einmal oder mehrfach vergewaltigt werden,
  • dass 70 – 95 % tätlichen Angriffen ausgesetzt sind,
  • dass 68 % der Frauen in der Prostitution unter posttraumatischen Störungen zu leiden haben, welche denen von Kriegsveteranen oder Folteropfern gleichkommen.

Zudem weist die Studie darauf hin, dass eine Legalisierung der Prostitution immer eine Ausweitung der Sexmärkte und damit zusammenhängend, auch zunehmende Kriminalitätsraten zur Folge hat. Bei solchen Forschungsergebnissen verwundert nicht, dass die Prostitution in den USA (in nahezu allen Staaten) verboten ist und dass die gegenwärtigen Verhältnisse in Deutschland (nicht nur) in den Vereinigten Staaten von Amerika auf größtes Unverständnis stoßen und Verwunderung, wenn nicht gar Verachtung auslösen.

Freiwillig – List, Täuschung oder Zwang? Hinweise in der Phase der Anwerbung


Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei denjenigen, die wir Prostituierte nennen, heute zu 80% und in manchen deutschen Milieus oder Objekten bis hin zu 100% um Ausländerinnen handelt. Die allermeisten von ihnen stammen aus Ost- oder Südosteuropa.
Erfreulicherweise weiß die deutsche Kriminalpolizei und wissen die Kriminalpolizeien und Kriminalmilizen in den Rekrutierungs- und Transitländern erstaunlich viel über die gängigen Anwerbungs- und Rekrutierungsmethoden der „Ware Frau“. Man kennt die ausgeprägte Migrationsbereitschaft in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, welche bei dem nach wie vor sehr großen wirtschaftlichen und sozialen Gefälle zwischen Ost und West auch weiterhin anhalten dürfte. Man weiß von den push- und pull-Faktoren (das triste Grau des Ostens, die mangelnde soziale Absicherung und die Perspektivlosigkeit einerseits; die bunte Welt des Westens, Arbeit und vermeintlicher oder tatsächlicher Wohlstand andererseits), welche es den Anwerbern leicht machen.
Und man weiß: Das verlockende Angebot eines gut bezahlter Jobs im Westen, in der Gastronomie, in der Altenpflege, als Putzfrau oder noch besser: eine Karriere als Tänzerin auf westlichen Bühnen – das Ganze garniert mit „besten Beziehungen in den Westen“ und „zahlreichen dankbaren Kundinnen“ – schon schnappt die Falle zu.Manchmal geht es ganz schnell. Eine junge Lehrerin aus dem Raum Donezk, mitten im Kriegs- und Krisengebiet der Ukraine, bekam nach dem Studium keine Anstellung und so jobte sie da und dort, um zu überleben. Als sie dabei war, die vor einer Kneipe auf den Tischen stehenden Aschenbecher zu reinigen, legte sich plötzlich eine derbe Männerhand auf die ihrige. „Du bist viel zu schön für diese Drecksarbeit hier. Ich habe dir eine schönere und besser bezahlte Arbeit…!“ versprach der Fremde freundlich lächelnd. Schon wenige Tage später saß sie zusammen mit anderen jungen Frauen in einem Kleintransporter und wurde nach Deutschland verbracht – um auf dem Straßenstrich ausgebeutet zu werden.
„Die wissen doch längst, was auf sie zukommt…“, „die machen das doch gern…“ oder „denen geht es hier bei uns immer noch besser als daheim…!“, so tröstet man sich hierzulande und so ist immer wieder zu hören. In Wahrheit wissen oder ahnen die jungen Frauen zumeist nicht, was auf sie zukommt und sie verkaufen ihren Körper keineswegs freiwillig oder gar gern (an nicht selten wenig appetitliche, schmutzige, betrunkene oder rücksichtslose Freier). Und es geht ihnen in Deutschland auch nicht besser als daheim, denn sie sprechen die Sprache nicht, sie haben hier keine Angehörigen und keine Freunde mehr, sie sind häufig in totaler Abhängigkeit der „auslandsspezifischer Hilflosigkeit“ ausgeliefert. Und sie haben zumeist auch nicht einen Cent mehr in der Tasche als daheim im Osten. Im Gegenteil – sie haben (unter einem Vorwand) nicht selten die gesamten Einnahmen abzuliefern. Noch eines ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert: Eine junge Frau aus dem Tschernobyl-belasteten Gebiet Weißrusslands oder aus den Krisen- und Kriegsgebieten der Ukraine kann sich nicht allein und aus freien Stücken aufmachen, um in Deutschland der Prostitution nachzugehen. Und auch die Frauen und Kinder aus den Ghettos in Rumänien und Bulgarien oder eine junge Frau aus den albanischen Bergen kann das nicht. Dazu fehlt diesen jungen Menschen geradezu alles: Die Reisepapiere, das notwendige Kleingeld, die Reiseerfahrung, eine Bezugsperson, ein Hinwendungsort…
Sie alle sind auf Helfer angewiesen. Und solche „Helfer“ und „Helferstrukturen“ gibt es in den Rekrutierungsländern und bevorzugten Rekrutierungsgebieten mehr als genug. 
Es sind allerdings zumeist in ausbeuterischer Absicht handelnde Personen und Organisationen, die diese „Hilfe“ anbieten: Kriminelle, Abzocker, Menschenhändler, Schlepper und Zuhälter… Legale und seriöse, auf das Wohlergehen und die Sicherheit der Migrantinnen Wert legende Vermittler und Vermittlungsagenturen gibt es dagegen nicht oder sie sind rar.


Foto: A. Lemberger

Nun gibt es – spätestens seit der EU-Mitgliedschaft von Rumänien und Bulgarien im Jahre 2007 – vermehrt junge Frauen, die aus und über diese beiden EU-Staaten und von anderen Balkanstaaten aus nach Deutschland gehandelt werden, um dann hier in der Prostitution oder Sexsklaverei zu landen. Diese Frauen aus Rumänien, Bulgarien, Ungarn, aus der Slowakei, Albanien und anderen Balkanstaaten gehören fast ausschließlich dort lebenden Minderheiten (so den Romas) an. Die vorwiegend in Ghettos oder aber in armen, ländlichen Gebieten rekrutierten Frauen und Kinder müssen nicht erst angeworben, getäuscht und mit falschen Versprechungen angelockt werden. Sie werden – zumeist von Mitgliedern der eigenen Ethnie- ausgesucht, nach Deutschland verbracht und hier je nach Eignung (manchmal auch nach spezieller Schulung oder Abrichtung) eingesetzt und dabei oft streng kontrolliert und überwacht: Als Trickdiebe und Trickdiebinnen, als Betrüger(innen), als Klaukids oder in der Bettelei, als Rosenverkäufer, auf dem Straßen- oder auf dem Schwulenstrich.
„Die allermeisten der hier lebenden 17-Jährigen haben das Ghetto noch nie in ihrem Leben verlassen…“ erzählt eine Sozialarbeiterin von FLORIKA, einer von „Terre des Femmes“ und „Brot für die Welt“ getragenen Hilfsorganisation im Roma-Ghetto von Burgas in Bulgarien. „Warum sollten sie auch“ erläutert sie das Unglaubliche: „Der Busfahrer draußen an der Ausfallstraße nimmt sie nicht mit, auf den Gehwegen werden sie beschimpft und bespuckt, Geschäfte dürfen sie nicht betreten, am Strand werden sie verjagt, Geld haben sie keines in der Tasche…“
Unweit solcher Ghettos wie in Burgas (etwa 8000 Bewohner) gibt es oft prächtige Villen, die denen gehören, die diese junge Frauen und Kinder rekrutieren, die Kleintransporter für die Fahrt nach Deutschland einschließlich der Aufpasser, Zuhälter und Geldeintreiber zur Verfügung stellen. Clan-Chefs, OK-Bosse – Mächtige und Profiteure der schmutzigen Geschäfte mit der Ware Mensch. „Ich will keine Prostituierte auf der Straße sondern ein guter Mensch werden. Wenn ich erwachsen bin, will ich studieren und dann Rechtsanwältin sein…“ erzählte ein von FLORIKA betreutes, kaum 10-jähriges Mädchen. So und so ähnlich träumen viele in den Ghettos. Oft aber – zu oft – kommt es anders.
Albanische Clans, die den Frauen- und Kinderhandel sowie die Sexsklaverei zu ihren Geschäftsfeldern zählen (und die auf deutschen Rotlichtmeilen spätestens seit den 1990er-Jahren präsent sind), haben zu diesem Zweck dem KANUN, dem Gesetz der (albanischen) Berge, einem über Jahrhunderte überlieferten, ungeschriebenen Regelwerk wieder Leben eingehaucht – weil dieser KANUN Elemente enthält, welche für die Rekrutierung und Ausbeutung der Ware Frau und Kind sehr von Vorteil und von Nutzen sind.

So ist die Frau (und das weibliche Kind) nach dem KANUN weitestgehend rechtlos. Frauen und Mädchen sind der Besitz des Mannes und ihm untertan, was bis heute noch viele Albanerinnen, vor allem in ländlichen Gebieten so hinnehmen oder hinzunehmen haben. Es gibt in Albanien ein gängiges Sprichwort: „Die Frau hat den Mund nur dann aufzumachen, wenn sie ißt!“ Wiederstand, Verweigerung, Ungehorsam werden als Gesetzesverstöße oder gar als Verrat gesehen und geahndet. Und Verrat wird nach dem „Gesetz der Berge“ mit dem Tode bestraft.
Die Fahrt der kleinen, deutschen Delegation ging über Stunden und führte hinauf in die wilde und unwegsame, zerklüftete Bergwelt Albaniens. In völliger Abgeschiedenheit und Einsamkeit plötzlich und völlig überraschend eine Polizeipatrouille. „Die Beamten bewachen hier in der Einsamkeit ein staatliches Versteck für Opfer des Menschenhandels und der Sexsklaverei“, wurde erklärt. „Hier sind junge Frauen untergebracht, die verbrecherischen Clans entkommen sind, was als Verrat gilt, weshalb ihr Leben bedroht ist und weshalb ihnen staatlicher Schutz gewährt wird…“ Elena, ein hübsches, dunkelhaariges Mädchen sitzt in sich zusammengesunken auf einem Stück Holz und sie erzählt unter Tränen von ihrem Horrortrip nach Deutschland, von ihrer Ausbeutung auf einem Straßenstrich und von ihrer abenteuerlichen Flucht zurück in die Heimat. „Warum gibt es so etwas in ihrem Land“ fragte sie plötzlich in einem Anflug von Stolz die deutschen Besucher, „warum kann und darf es so etwas in ihrem Land geben?“
Ob es sich um Getäuschte und die mit falschen Versprechungen angelockte Frauen aus dem Osten Europas, um in Balkan-Ghettos rekrutierten Frauen und Kinder von Minderheiten oder aber um die weitgehend rechtlose Frauen und Mädchen aus Albanien handelt: Die Art ihrer Rekrutierung spricht nicht für Freiwilligkeit. Im Gegenteil: Die Anwerbungsmethoden mittels List, Täuschungshandlungen und falschen Versprechungen wären ebenso überflüssig wie jede gewaltsame Entführung, wenn die Auserwählten bereit wären, sich freiwillig zu prostituieren. Nur weil die jungen Frauen im Osten und Südosten Europas das nicht sind, kommen diese Methoden zur Anwendung.

Hinweise auf die Frage „freiwillig oder nicht?“ in der Schleusungsphase


Im Osten und Südosten Europas entstanden und entstehen immer mehr als „Model-Agenturen“ oder ähnlich getarnte Sammelstellen, von denen aus ganze Kontingente junger Frauen westwärts geschleust und deutschen Rotlichtmilieus zugeführt werden.
Die Transporte erfolgen auf dem Luftweg (z.B. über Moskau), über See (z.B. Albanien oder Montenegro – Italien) oder auf dem Landweg (vorwiegend auf den Balkanrouten), wobei bevorzugt (Klein-)Busse eingesetzt werden, weil dabei in der Regel keine Ausweispapiere vorzuzeigen sind. In dieser Schleusungsphase werden in steter Regelmäßigkeit und sehr bewusst Hilflosigkeit und Abhängigkeit erzeugt, indem zum Beispiel die Pässe der Auserwählten unter einem Vorwand in die Hände der Täter oder Schlepper gelangen, indem das Notizbuch, das Handy oder das Smartphone verschwindet (womit Brücken in die Heimat und möglicher Hilfe abgebaut werden). Das Ausgeliefertsein wird demonstriert oder verdeutlicht. Dann wird sehr häufig und sehr bewusst kriminalisiert. So werden Drogen eingesetzt (um Schuld und Abhängigkeit zu erzeugen) und es wird die „Schuldenfalle“ erstellt. Dabei werden oft utopische Summen genannt, die das Verbringen von Ost nach West verschlingen würde. Summen, die mit dem zuvor versprochenen Job und Verdienst niemals abgetragen werden können. Zum Glück aber hat man eine Alternative….
Den Betroffenen wird in der Schleusungsphase auch unmissverständlich klar gemacht, wohin die Reise geht – nicht in die Gastronomie oder auf eine westliche Bühne zum Tanz sondern in einen Puff oder auf den Straßenstrich. Kommt es zum Widerstand, wird dieser gebrochen. Notfalls mit Gewalt, nicht selten in Form von Vergewaltigungen. „Zureiten“ nennen Zuhälter das – sicher auch kein Indiz für die Absicht freiwilligen Anschaffens am Ziel einer solchen Reise. So wie die gesamten, üblichen und hinlänglich bekannten Machenschaften während der Schleusungsphase auch.

Hinweise, die sich aus den Machtverhältnissen und -strukturen in den deutschen Milieus ergeben


Hier gilt es zunächst zu erkennen, dass die nach Deutschland gehandelten Frauen (und Kinder) nicht in dem Deutschland ankommen, das sie zu kennen glaubten und von dem sie träumten. Sie kommen auch nicht in dem Deutschland an, das wir Deutschen kennen, das wir schätzen und vielleicht sogar lieben. Diese Opfer des Frauenhandels von Ost nach West sind vielmehr von Beginn an gefangen in einer Subkultur (Rotlichtmilieu) mit ganz eigenen Wertvorstellungen, Gesetzen, Richtern und wenn erforderlich, auch eigenen Henkern. Im (Rotlicht-)Milieu gelten die Spielregeln und Gesetze der Allgemeinheit nicht. Hier gelten andere: Die Milieugesetze. Und nur die. Nach diesen Milieugesetzen ist Verrat (ähnlich wie bei kriminellen Rockergruppierungen oder anderen, der Mafia oder OK zuzuordnenden Tätergruppierungen und -organisationen) die schlimmste Verfehlung. Und Verrat ist alles, was dem Milieu und seinen Herrschern Schaden zufügen könnte (zum Beispiel die Aussage, nicht freiwillig der Prostitution nachzugehen).Diese und alle anderen Spielregeln und ungeschriebenen aber bedingungslos einzuhaltenden Gesetze der Milieus im Rotlicht lernen die Opfer des Frauenhandels und der Sexsklaverei in ihrer ersten Lektion – und die wird ihnen zumeist längst vor Betreten deutschen Bodens und deutscher Bordelle erteilt.
Trotz der in weiten Teilen kriminellen Anwerbungs- und Schleusungsmethoden und trotz (oder gerade wegen) der Abgeschlossenheit der Milieus und der Milieupersonen im Rotlicht ercheinen die Arbeitsbedingungen in deutschen Bordellbetrieben und auf den deutschen Straßenstrichen heute – oberflächlich betrachtet – unauffälliger als jemals zuvor und scheinbar kriminalitätsfrei. Das aber kann und darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch „bestens geführte Häuser“ und Nobelbordelle in Edelstahl und Marmor nichts anderes als Stätten brutaler, sexueller Ausbeutung sein können.
Die in einem süddeutschen Nobelbordell tätigen jungen (ausländischen) Frauen schwärmten geradezu von besten Arbeitsbedingungen und von der Großzügigkeit ihrer Herren und Gebieter. Nur: Die Ermittler glaubten ihnen nicht und leiteten lang andauernde, aufwändige und gründliche Strukturermittlungen ein. Das Ergebnis: Ein vorgeschriebener, durchgehender 16-Stunden Arbeitstag, Nacktgebot, Handyverbot, Ausgehverbot, finanzielle Ausbeutung – Sexsklaverei.
Es sind heute oft verschiedene Ebenen, auf welchen im Rotlicht agiert und Macht ausgeübt wird. Hinter unbescholtenem Vorzeigepersonal eines scheinbar gut geführten und kriminalitätsfreien Objekts können sich zum Beispiel eine undurchsichtige „Wohnheim GmbH und Co KG“, mehr oder weniger windige Geschäftsleute, örtlich bekannte Zuhälter, Klein- oder auch größere Kriminelle, Rocker oder Rocker-ähnliche Gruppierungen… verbergen. Diese wiederum können im Auftrag einer der OK zuzuordnenden Gruppierung handeln oder von einer solchen beherrscht und abhängig sein – den eigentlichen, vollkommen im Dunkel agierenden und eigentlichen Machthabern eines scheinbar doch so gut geführten und kriminalitätsfreien Objekts.
Clans, Organisationen und Tätergruppierungen ausländischer Herkunft, bilateral oder international zusammengesetzte oder kooperierende Gangs beherrschen – erkennbar oder unerkannt- heute weite Teile der bundesdeutschen Rotlichtmilieus. Auch die im Rotlicht agierende Rockergruppierungen oder Rocker-ähnliche Gangs sind ihnen, zumindest teilweise erkennbar, zuzuordnen oder sie handeln im Auftrag solcher Gruppierungen (um mit ihrer Präsenz das für eine Vormachtstellung im Rotlicht unverzichtbare Einschüchterungspotenzial und die ebenso erforderliche Gewaltbereitschaft zu demonstrieren). Unter den Motorradhelmen von Rockern und Rocker-ähnlichen Gruppierungen verbergen sich jedenfalls auch die Köpfe türkisch- oder kurdisch-stämmige Harleyreiter, bosnische, albanische, kosovarische und andere Nationalitäten. Und sie bekämpfen und sie bekriegen sich. Es geht dabei um Macht, um Machtzugewinn oder um Machterhalt im Rotlicht und damit um viel Geld.
Fazit: Bei den gegenwärtigen Machtverhältnissen auf den Kiezes (die eigentliche Herrschaft liegt in weiten Teilen in den Händen von nicht selten der OK zuzuordnender Tätergruppierungen) und den gängigen Tarn- und Vernebelungspraktiken mutet es geradezu abenteuerlich an, wenn Politik, Gesetzgebung und Gesellschaft von Freiwilligkeit ausgehen, was die jungen, in Ost- und Südost-Europa rekrutierten und diesen Gangs ausgelieferten jungen Frauen (und Kinder) betrifft.

Was Rückkehrerinnen erzählen


Es sind inzwischen sehr wahrscheinlich Zigtausende, die von Deutschland enttäuscht, in ihre Heimat zurückgekehrt oder nach Hause geflohen sind. Nach Weißrussland, in die Ukraine, in die Republik Moldowa, nach Albanien, Rumänien, Ungarn, Bulgarien… Die allermeisten von ihnen sprechen über ihre (Horror-)Erlebnisse hierzulande nicht und das aus guten Gründen, zum Beispiel

  • weil die Prostitution in ihrem Heimatland nicht nur verboten ist, sondern auch mit einem Makel verbunden, welches den gesellschaftlichen, oft sogar den familiären Ausschluss zur Folge haben kann,
  • weil auch in ihrem Heimatland oft nicht zwischen freiwilliger Prostitutionsausübung und Sexsklaverei, zwischen Hure und Opfer unterschieden wird,
  • weil diejenigen, die in den Westen gelangten und diese Chance nicht wahrnehmen konnten, grundsätzlich als Versagerinnen angesehen werden,
  • weil sie sich dessen schämen, was sie getan haben bzw. was ihnen angetan wurde.

Dennoch gibt es inzwischen auch zahlreiche, detaillierte und oft gleich oder ähnlich lautende Aussagen von Betroffenen, die Auskunft über die Ausbeutungspraktiken – von den Täuschungshandlungen bei der Anwerbung über die Praktiken während der Schleusung bis hin zur Sexsklaverei hinter den glitzernden Fassaden deutscher Rotlichtmilieus- geben.
Sowohl den in Deutschland wie in den Rekrutierungsländern tätigen Nichtregierungsorganisationen (NGO) liegen zahlreiche und eindeutige Erkenntnisse dieser Art vor, welche die Verbrechen des Frauen- und Kinderhandels und der Sexsklaverei in seiner ganzen Brutalität, leider aber immer nur im jeweiligen Einzelfall und nicht in seinem gesamten Ausmaß, bestätigen und belegen. Dennoch lassen auch diese Einblicke keinen Zweifel daran: Es ist eher selten freiwilliges Tun sondern in hohem Maße Ausbeutung und Sexsklaverei, was auf den Plattformen stattfindet, die Deutschland für das „Prostitutionsgewerbe“ zur Verfügung stellt.

Über Polizeiliche und politische Anforderungen und (ausbleibende) Antworten


Eine Klärung der Frage freiwillig oder dazu gezwungen, Prostituierte oder Sexsklavin, Vergnügungsmeilen oder Tatorte zahlreicher, sich fortsetzender Verbrechen – es ist im Einzelfall wie im Gesamten ein rechtsstaatlich zwingendes Gebot, das zu klären. Mit polizeilichen Kontrollen im Rahmen der Alltagsgeschäfte geht das aufgrund der milieu-typischen Verschleierungstaktiken und Praktiken nicht (mehr). Auch die herkömmlichen und üblichen polizeilichen Mittel und Methoden sind zumeist untaugliche Instrumente und stumpfe Waffen im Kampf gegen den Frauenhandel, die Sexsklaverei und andere (Rotlicht-)Kriminalität.
Die Bosse der Milieus im Rotlicht haben längst Strategien entwickelt, um eine erfolgreiche Ermittlungsarbeit ebenso zu erschweren oder gar zu verhindern, wie eine effiziente Strafverfolgung und schmerzhafte Eingriffe durch die Justiz.
Sie verstehen es, herkömmliche polizeiliche Mittel und Methoden in untaugliche und unwirksame Waffen zu wandeln. So nützt das klassische, polizeiliche Instrument der Vernehmung nichts oder nur wenig, wenn das Gegenüber schweigt? Eine Telefonüberwachung wird kaum erfolgreich verlaufen, wenn die Polizei beim zweiten gesprochenen Satz freundlich als Mithörer begrüßt wird? Und eine Razzia oder Durchsuchung, bei der einer grinsend hinter dem Tresen sitzt, die Pässe aller im Hause Bediensteten vor sich aufgereiht hat und die Einsatzkräfte beim Betreten des Objekts freundlich begrüßt, verspricht ebenfalls keinen Erfolg…!
Es gibt zumeist nur eine Möglichkeit, die geheimnisvollen und in weiten Teilen kriminellen Strukturen und Machenschaften im Rotlicht zu entflechten und den Tätergruppierungen ihr kriminelles Tun – zum Beispiel den Menschenhandel und die Sexsklaverei – nachzuweisen: Langfristige, zumeist sehr aufwändige, personal- und kostenintensive und dazu mit keiner Erfolgsgarantie ausgestattete Strukturermittlungen.
Bedauerlicherweise kann sich die Polizei den „Luxus“ solcher, unverzichtbarer und alternativloser Ermittlungen aber immer weniger leisten. Die ständige Überlagerung ihrer Arbeit durch andere Ereignisse und Erfordernisse (Islamistische Szene, Terroristische Anschläge, Großveranstaltungen , Wohnungseinbrüche…) tragen ebenso dazu bei wie die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit, der Medien, der Politik und des dadurch entstehenden polizeiinternen Drucks, verbunden mit statistischen Zwängen, die nach schnellen und immer schnelleren Erfolgen schreien. Das alles macht es schwer oder gar unmöglich, nicht unbedingt erforderliche (es sind Kontrolldelikte), aufwändige und langfristig angelegte Ermittlungen im Rotlicht einzuleiten oder durchzustehen.

Die Gefahr ist groß, dass – trotz aller Bedenken oder gar besseren Wissens- auch polizeilicherseits davon ausgegangen wird, dass in den Milieus alles legal und kriminalitätsfrei abläuft, dass die dort Tätigen Freiwillige und keine Sexsklavinnen sind.Die Gefahr ist groß, dass sich die Polizei anderen, dankbareren Aufgaben zuwendet und ganz den Erwartungen entsprechend nach schnellen – wenn oft auch nur scheinbaren – Erfolgen jagt.
Ein oder zwei Kilogramm des Stoffes, aus dem die (Alb-)Träume sind zu beschlagnahmen – das ist für ortskundige Fahnder in einem bestimmten Milieu oft in wenigen Tagen wenn nicht gar in wenigen Stunden möglich. Nicht selten ist daraufhin von einem „Schlag gegen das Organisierte Verbrechen“ zu hören oder zu lesen (dabei kommt der Stoff täglich containerweise ins Land…) Auch wenn es in Wahrheit kein Schlag sondern allenfalls eine sanfte Berührung war: Man hört und liest sie allseits gern, solche (Erfolgs-)Meldungen.
Solche Versuchungen werden noch größer, weil in diesem Land aus verschiedenen Gründen (unter anderem, weil es die OK und Milieupersonen ein- ums andere Mal verstehen, die Gerichte zu einem Deal zu ihren Gunsten zu zwingen) nur noch selten ein Urteil und schon gar kein angemessenes Urteil mehr wegen Zuhälterei oder Menschenhandels ergeht. So dass sich – nach gerichtlichen Auseinandersetzungen und Entscheidungen – immer wieder schnell die Frage nach der Verhältnismäßigkeit stellt. Und der mit den für Ermittlungserfolge unverzichtbaren Strukturermittlungen zwangsläufig verbundene Aufwand steht in der Tat oft nicht mehr in einem akzeptablen Verhältnis zu den – wenn überhaupt – verhängten Strafen für den oder die Täter.
Auf eine solche aufwändige Ermittlungsarbeit aus genannten Gründen zu verzichten, das hieße freilich, den (Schweren) Menschenhandel, die Zuhälterei und die Sexsklaverei hinzunehmen und zu dulden. Es wäre (oder ist?) die Resignation vor dem Organisierten Verbrechen!

  • Die zentrale Lage Deutschlands,
  • die hohe Nachfrage nach illegalen Gütern (auch die nach Sexsklavinnen),
  • die geradezu idealen Rahmenbedingungen,
  • die eingeräumten Freiheiten
  • die Risikoarmut…

Das alles wird die Organisierte Kriminalität weiterhin in hohem Maße anziehen. Frauenhandel und Sexsklaverei wird ein wichtiges und lukratives Geschäftsfeld und Standbein dieser krimineller Clans und Gangs bleiben und die verschiedensten Tätergruppierungen werden sich weiterhin dazu aufgefordert fühlen, im bundesdeutschen Rotlicht zu investieren.

Politische Initiativen und Entscheidungen, die dieser unheilvollen Entwicklung entgegen wirken, erscheinen überfällig. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt diesbezüglich jedoch eklatante, politische Versäumnisse. Erinnert sei nur an die EU-Richtlinien 2011/36 MH, an Vorgaben der Europäischen Kommission aus dem Jahre 2011, mit denen die Mitgliedsstaaten aufgefordert wurden, wirksamer gegen den Menschenhandel vorzugehen. Den einzelnen Nationalstaaten wurde damals eine Frist bis April 2013 eingeräumt. Deutschland hat die Vorgaben – nach Androhung von Strafgeldern – erst im Jahre 2016 in Angriff genommen und umgesetzt. Und diese Umsetzung ist alles andere als geeignet, die erforderlichen Veränderungen herbeizuführen.
Auch die Tatsache, dass man im Prostitutionsgesetz von 2001 von falschen Voraussetzungen ausging und dass dieses wenig tauglich war und ist, um das Vordringen von (Organisierter) Kriminalität in den einschlägigen Milieus zu verhindern und den Schutz der Prostituierten und (potenziellen) Opfer zu gewährleisten, wurde von Seiten der Polizei früh erkannt. Selbst die Bundesregierung hat bereits im Jahre 2007 eingeräumt, dass dieses Gesetz die in es gesetzten Erwartungen nicht erfüllt (in Wahrheit trug es nicht unwesentlich dazu bei, dass Deutschland zum „Puff Europas“ und zum Zentrum der sexuellen Ausbeutung von Frauen und Kindern verkommen konnte). Aber erst 2017 tritt eine Novellierung des Prostitutionsgesetzes in Kraft. Und auch diese enthält keine Vorgaben, die auch nur im Entferntesten geeignet sein könnten, den anstehenden Herausforderungen und Notwendigkeiten gerecht zu werden, den Frauen- und Kinderhandel sowie die Sexsklaverei einzudämmen und ein Fortschreiten der Organisierten Kriminalität im bundesdeutschen Rotlicht – und darüber hinaus – zu erschweren oder gar zu verhindern.


Beispiele für milieufreundliche Entscheidungen:

  • Ein Prostitutionsverbot unter 21 Jahren wurde gefordert aber (unter anderem wegen verfassungsrechtlicher Bedenken) nicht ins Gesetz aufgenommen. Die allermeisten Opfer des Menschenhandels und der Sexsklaverei sind aber (oft erheblich) unter 21 Jahre alt und das nicht zufällig: Sie sind am leichtesten zu verführen, einzuschüchtern und auszubeuten. Dass dies in hohem Maße geschieht, erscheint verfassungsrechtlich unbedenklich zu sein.
  • Eine geforderte, konsequente polizeiliche An- und Abmeldung der Prostituierten am Ort ihres Tätigwerdens – nicht zuletzt zu deren Sicherheit und Schutz- wurde wegen einer damit verbundener „Diskriminierung“ ebenso nicht ins Gesetz aufgenommen. So kann der innerdeutsche Frauenhandel von Milieu zu Milieu (und immer nach Unbekannt) weitergehen. Die Vorteile: Ständig „Frischfleisch“ oder „neue Ware“ in den Milieus und bevor ein lästiges Ermittlungs- und Strafverfahren wegen Menschenhandels und Sexsklaverei auch nur anlaufen kann, ist – alten Gewohnheiten zufolge – jede Betroffene oder Zeugin nach Unbekannt verschoben. Übrigens: Wer fühlt sich schon diskriminiert, weil er im Hotel einen Meldezettel mit Personalien sowie An- und Abreise auszufüllen hat?
  • Als Fortschritt wurde und wird die Kondompflicht gefeiert. Freilich werden davon unabhängig auch in Zukunft allein Zuhälter und Bordellbetreiber darüber entscheiden, ob Kondome benutzt werden oder nicht. Und Menschenhandel, Sexsklaverei und Organisierte Kriminalität lassen sich mit der Kondompflicht bedauerlicherweise auch nicht bekämpfen….

Die Frage drängt sich nach solchen Entscheidungen auf, wie weit politische Entscheidungsträger und Gesetzesmacher gelegentlich von den Gegebenheiten und Realitäten entfernt sind oder aber inwieweit sie sich von den Mächtigen im Rotlicht und deren Interessenvertretungen und- verbänden beeinflussen lassen?Verkannt werden sollte in diesem Zusammenhang nicht, dass die Milieus im Rotlicht neben ihrem geschickten Taktieren und Agieren, neben gekonntem Aushebeln polizeilicher, justizieller und politischer Vorhaben und Vorgaben und allerlei Vernebelungs- und Vertuschungsstrategien grundsätzlich Gewichtiges zu bieten haben: Sex, Geld, Skrupellosigkeit.