Bedeutung professioneller Tatortarbeit für das polizeiliche Ermittlungsverfahren

Von KD Christoph Frings, Duisburg1

1 Historische Entwicklung der Kriminaltechnik


Das 20. Jahrhundert kann auch als das Jahrhundert der Kriminaltechnik angesehen werden. Der in meiner Heimatstadt Solingen geborenen Autor Jürgen Thorwald zeichnete die Entwicklung der Kriminalwissenschaften und der Kriminaltechnik in seinem 1964 erschienen Buch „Das Jahrhundert der Detektive“ nach.

Die Kriminaltechnik hat sich im letzten Jahrhundert als eine, für die Urteilsfindung im Strafverfahren, zunehmend bedeutendere Teilwissenschaft der Kriminalistik entwickelt und etabliert. Bereits im 19. Jahrhundert wurde durch Alphonse Bertillion das Körpermessverfahren zur Identifizierung bereits einschlägig bekannter Rechtsbrecher in Paris entwickelt. Im Jahr 1905 wurde dann in London vor dem Old Bailey erstmals in Europa die Verurteilung wegen eines Tötungsdeliktes, u.a. auf das von Sir Francis Galten entwickelten, Fingerabdruckverfahren gestützt. Dieser Aufschwung der kriminaltechnischen Untersuchungsmöglichkeiten hält über die Entwicklung im Bereich der Schußwaffenforensic und die Entwicklung der DNA-Analyse bis heute an. Der technische Fortschritt, so auch im Bereich der Digitaltechnik, wird dazu führen, dass sich auch zukünftig die Kriminaltechnik weiter entwickeln wird. Die Vorstellung, dass der Sachbeweis zu irgendeinem Zeitpunkt jedoch den Personalbeweis weitgehend ersetzen könnte bzw. zur Bedeutungslosigkeit verdammen könnte, ist abwegig. Personal- und Sachbeweis haben heute eine ebenbürtige Rolle im Strafverfahren. Eine sachgerechte Interpretation des Sachbeweises (z.B. Fingerspuren in der Tatwohnung) ist ohne entsprechende Personalbeweise häufig (z.B. Vernehmung des Wohnungseigentümers über zutrittsberechtigte Personen) nicht möglich.

2 Bedeutung des Sachbeweis


Viele Straftaten können nicht geschehen, ohne dass der Täter Spuren seiner Tat am Tatort zurück lässt. „Spuren im kriminalistischen Sinn sind sichtbare oder latente materielle Veränderungen, die im Zusammenhang mit einem kriminalistisch relevanten Ereignis entstanden sind und zu dessen Aufklärung beitragen können.“2 Das Spurenaufkommen im Rahmen der Tatbegehung und damit die Bedeutung einer qualifizierten Tatortarbeit differiert hierbei je nach Deliktsart und Begehungsweise. Durch die technische Entwicklung haben sich in einigen Deliktsbereichen die Art und Weise der Tatbegehung und damit die anfallenden Spuren vollkommen verändert. So haben Scheckfälschungen und betrügerische Scheckeinlösungen stark an Bedeutung verloren und damit auch der Bereich der Handschriftenuntersuchung. Die Benutzung des Computers und sonstiger digitaler Geräte zur Begehung von Straftaten ist dagegen unvermindert auf dem Vormarsch. Die Einführung der Digitaltechnik hat zunächst zu einer völlig neuen Spurenart, den digitalen Spuren geführt. Digitale Spuren sind alle Informationen die in binärer Form elektronisch gespeichert oder übermittelt werden. Die zunehmende Vernetzung und Digitalisierung unseres Lebens führt somit zu einer steigenden Bedeutung digitaler Spuren zur Aufklärung von Straftaten und einem stark gestiegenen Auswerteaufkommen in diesem Spurenbereich.
Die zunehmende Professionalisierung der Polizeiarbeit schlägt sich nicht nur in der Änderung der ehemaligen Begrifflichkeit „Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft“ in“ „Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft“3 im Jahre 2016 für Nordrhein-Westfalen nieder. Bestimmte Arbeitsabläufe und Untersuchungen im Bereich der Kriminaltechnik (so u.a. Daktyloskopische Labore und DNA-Labore) sind nach einem Grundsatzbeschluss des Europäischen Rates vom 30.11.2009 zu akkreditieren. Arbeitsabläufe sind nach DIN EN ISO/IEC 17025 „Allgemeine Anforderungen an die Kompetenz von Prüf- und Kalibrierstationen“ durchzuführen, d.h. es sind zur Sichtbarmachung, Sicherung und Auswertung der Spuren nur noch bestimmte zugelassene Verfahren zulässig. Nicht mehr zulässig ist damit ein freier Einsatz beliebiger Mittel zur Suche und Sicherung von Spuren. Die Akkreditierung erstreckt sich nach einem Beschluss des AK II4 auf alle Zentrallabore, also die kriminaltechnischen Institute des Bundeskriminalamt und der Landeskriminalämter. Auf dieser Grundlage wurden seit 2010 sukzessive kriminaltechnische Untersuchungsverfahren des Kriminaltechnischen Institutes des Landeskriminalamtes NRW akkreditiert. Alle fünf Jahre ist eine Reakkreditierung erforderlich. Einher geht mit der Akkreditierung auch die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems. Ziel ist es über Verfahrens- und Arbeitsanweisungen sowie nachweisbare Ablaufdokumentationen Standards nach dem jeweils aktuellen Stand der Technik zu setzen und eine gleichbleibend hohe Arbeits- und Untersuchungsqualität zu gewährleisten.
Die dezentralen KTU-Labore unterliegen nicht zwingend der Akkreditierungspflicht und werden in diesem Verfahren als „kompetente Unterauftragnehmer“ (KUAN) tätig. Durch die zuständigen Landeskriminalämter werden sie regelmäßig im Rahmen des Qualitätsmanagements überprüft.5 Somit wird auch hier eine entsprechende Arbeits- und Untersuchungsqualität gewährleistet. Allein das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen hat im Jahr 2013 ca. 50.000 Untersuchungsaufträge mit etwa 110.000 Asservaten zu verzeichnen, im Jahr 2015 war schon ein Eingang von ca. 60.000 Aufträgen mit etwa 130.000 Asservaten zu verzeichnen.
„Das gesamte Ermittlungsverfahren, das tatrichterliche Verfahren und zum Teil auch das Revisionsverfahren bestehen aus dem Suchen nach Beweisen, der Erhebung, ihrer Würdigung und aus dem Ziehen von Konsequenzen aus den Beweisergebnissen in der Form von Entscheidungen.“6 Das Gericht ist hierbei verpflichtet, von Amts wegen die Beweisaufnahme auf alle entscheidungserheblichen Aspekte zu erstrecken. Für den Bereich des Ermittlungsverfahrens gebräuchlich sind die Begrifflichkeiten Personal- und Sachbeweis. Diese Begrifflichkeiten sind jedoch in der Strafprozessordnung nicht zu finden. Im Gegensatz zur Beweisführung im Ermittlungsverfahren ist die Beweiserhebung und Beweisführung im Rahmen der Hauptverhandlung vor dem Tatgericht genau geregelt. Zulässige Beweismittel zur Urteilsfindung des Gerichts sind nur

  • Sachverständiger
  • Augenscheinbeweis
  • Urkunde
  • Zeuge
  • Eid
  • (glaubwürdiges) Geständnis

Beim Abgleich mit den zulässigen Beweismitteln vor Gericht handelt es sich den im Ermittlungsverfahren bezeichneten „Sachbeweisen“ in der Regel um die Beweismittel

  • Urkunde
  • Augenschein
  • aber auch
  • Zeugen und
  • Sachverständige


Die Sicherung und Erhebung des Sachbeweises erfolgt (fast) ausschließlich durch die Polizei. Im Rahmen der späteren Gerichtverhandlung müssen nicht nur die Spuren (Asservate) vorgelegt werden, sondern auch die Beamten, die Spuren am Tatort gesichert haben, als Zeugen sowie beauftragte Gutachter als Sachverständige ihren Bericht erstatten.
Die Frage der Akkreditierung beauftragter Untersuchungslabore oder angewendeter Untersuchungsverfahren wird sicherlich zukünftig an Bedeutung für die Tatgerichte im Rahmen der Beweiserhebung und der Beweiswürdigung gewinnen. Schon heute ist es üblich, dass Verteidiger in der Verhandlung Beweismittel und Untersuchungsergebnisse nicht widerspruchslos zur Kenntnis nehmen und akzeptieren sondern kritisch hinterfragen, so u.a. den Nachweis der „lückenlosen amtliche Asservatenkette“ einfordern.

3 Spurensuche am Tatort durch Kräfte des Sicherungsangriffs


Der labortechnischen Untersuchung unter weitgehend optimierten Bedingungen vorgelagert ist der Bereich der Spurensuche und Spurensicherung im Rahmen des Ersten Angriffs. „Beim Ersten Angriff sind neben Maßnahmen der Gefahrenabwehr der Tatort zu sichern und erste wesentliche Feststellungen über den Tathergang zu treffen (Sicherungsangriff) und der Tatbefund zu erheben (Auswertungsangriff).“7„Nach kriminalistischer Praxis ist unter Tatortarbeit die Gesamtheit der polizeilichen tatortbezogenen Tätigkeit zu verstehen, die mit dem Eintreffen der Sicherungskräfte am Ereignisort und der Sicherung des Tatortes beginnt, sich fortsetzt mit der Tatortuntersuchung und der Aufnahme des objektiven und subjektiven Tatbefundes. Die Tatortarbeit endet mit dem Abschluss der Tatortbefundaufnahme und dem Verlassen des Tatortes durch die Kräfte des Auswertungsangriffs.“8
Polizeiliche Tatortarbeit wird somit nicht nur durch die Kräfte der Kriminalpolizei geleistet sondern auch durch die Kräfte des Wach- und Wechseldienstes. Diese sind meist zuerst am Tatort und haben eine hohe Bedeutung für eine qualitativ hochwertige Tatortarbeit. Fehler, die in dieser Erstphase gemacht werden, sind später häufig nicht mehr zu kompensieren. Je nach Lage des Tatortes und Witterungsbedingungen sind für die Kräfte des Ersten Angriffs die Arbeitsbedingungen keinesfalls mit Laborbedingungen zu vergleichen. In vielen Fällen hat im Rahmen der Erstmaßnahmen des Sicherungsangriffs am Einsatzort auch die Spurensuche und Spurensicherung nicht die höchste Priorität. Häufig steht zunächst einmal die Abwehr von Gefahren oder die Festnahme des Beschuldigten im Vordergrund. Auch wenn diese Maßnahmen zu Veränderungen am Tatort führen, so muss dies notfalls in Kauf genommen werden.
Erst nachdem die priorisierten Maßnahmen abgearbeitet wurden und der Tatort abgesperrt ist, kann eine Absuche des Tatortes durch die Kräfte des Wach- und Wechseldienstes nach möglichen Tatspuren erfolgen. Es ist insbesondere darauf zu achten, dass der Absperrbereich um den Tatort ausreichend groß dimensioniert ist um alle Spuren zu erfassen und nicht zu klein gewählt wird. Außerhalb des Absperrbereichs befindliche Spuren sind meist unwiderruflich für die Ermittlungen verloren. Bereits in dieser Phase ist es wichtig, dass nach Möglichkeit alles unterlassen wird, was zu einer möglichen Kontamination von Tatspuren führen kann. Bereits im Sicherungsangriff ist die Spurenlage am Tatort fotografisch zu dokumentieren, ohne jedoch hierbei den Tatort zu verändern. Sind Spuren (z.B. Freilandspuren durch Regen) gefährdet, so muss eine Notsicherung der Spuren erfolgen. Hierzu steht den eingesetzten Wachdienstkräften i.d.R. nur die zur Verkehrsunfallaufnahme optimierte Ausrüstung des Streifenwagens zur Verfügung, es sei denn die Geschädigten verfügen an Tatort über geeignetes Material (z.B. Plastikplane) und stellen dies der Polizei leihweise zur Verfügung. Bei der Notsicherung von Spuren ist systematisch zu beurteilen, welche Spur in welchem Umfang von Veränderung oder Kontamination bedroht ist und welche Bedeutung diese Spur jeweils für die weitere Verfahrensführung und mögliche Aburteilung der Tat/des Täters hat. Soweit erforderlich sind Notsicherungsmaßnahmen dann auf die wesentlichen Spuren (z.B. Bluttropfen des Täters oder mögliche Fingerspuren) zu beschränken. Wesentlich ist bereits in der Phase des Sicherungsangriffs so schnell wie möglich auch den Annäherungs- und den Fluchtweg des/der Täter zu rekonstruieren und nach weggeworfenen oder verlorenen Gegenständen (z.B. Tätermaskierung, Beutestücke) abzusuchen. Diese Gegenstände sind bei nicht rechtzeitiger polizeilicher Sicherstellung später häufig nicht mehr auffindbar.

4 Spurensuche am Tatort durch Kräfte des Auswertungsangriffs


Stets der Spurensicherung voran geht die Spurensuche. Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige Spurensicherung ist, dass der Tatortbereich möglichst genau feststeht, nicht verändert wurde und die Polizei schnell mit den Spurensicherungsmaßnahmen beginnen kann. Insbesondere Tötungsdelikte, Sexualdelikte und bestimmte Raubdelikte zeigen am Tatort ein hohes Spurenaufkommen. Hier sind viele für die spätere Tatklärung bedeutsame Spuren zu erwarten. Der bei der Spurensuche und Spurensicherung zu betreibende Aufwand orientiert sich u.a. an der Schwere und Sozialschädlichkeit der Straftat.
Nach dem Eintreffen der Kräfte des Auswertungsangriffs wird der Tatort von den Kräften des Sicherungsangriffs übergehen. Im Rahmen dieser Übergabe ist es wichtig, dass sämtliche Spuren, die durch die Wachdienstkräfte gefunden wurden, den Kräften des Auswertungsangriffs gezeigt werden. Alle am Tatort vorgenommen Veränderungen, so auch Maßnahmen der Notsicherung von Spuren, müssen vor Ort mitgeteilt werden. Vor Aufnahme der Spurensuche und Spurensicherung durch die Kräfte des Aufnahmeangriffs bietet es sich an, zunächst am Tatort befindliche Zeugen sachgerecht zu belehren und kurz zu vernehmen, welche Veränderungen/Tathandlungen offenbar wo durch den/die Täter am Tatort erfolgten. Gleichfalls ist darauf einzugehen, ob ggf. durch die Zeugen selber Veränderungen am Tatort erfolgten (z.B. Ausschalten von Beleuchtungen o.ä.).
Nach der Übernahme des Tatortes ist an diesem durch die Kräfte des Auswertungsangriffs erneut eine gründliche und eigenständige Spurensuche zu betreiben. Dazu ist zunächst Schutzbekleidung anzulegen, um vorhandene Spuren nicht zu kontaminieren. In der Fachliteratur wird eine Vielzahl unterschiedlicher Systematiken für die Spurensuche an Tatorten benannt. In der Praxis hängt die Vorgehensweise von den entsprechenden räumlichen Gegebenheiten und Ausmaßen des Tatortes ab und von dem Umstand, ob es besonders gefährdete Bereiche gibt die vordringlich abgearbeitet werden müssen. Größere Tatorte sind zunächst in sachgerechte Suchbereiche zu unterteilen, die zu dokumentieren sind. Nach Festlegung der abzusuchenden Bereiche sind diese systematisch nach heuristischen Aspekten – unter gegenseitiger Absprache – nach tatrelevanten Spuren abzusuchen. Es gilt der Grundsatz: „Nur einmal aber dafür gründlich und richtig suchen.“
Wenn Spuren am Tatort gefunden werden, so sind diese zunächst mittels Übersichts- und Detailaufnahmen (mit Maßstab) zu fotografieren. Daran anschließend ist die Spur so zu sichern, dass der Beweiswert der Spur vollständig erhalten bleibt. Der Sicherung der Spur mit Spurenträger im Original ist, soweit möglich, der Vorzug zu geben. Nur wenn eine Sicherung der Spur mit Spurenträger nicht möglich ist, soll die Sicherung mittels Hilfsspurenträgers erfolgen.

5 Hilfsmittel der Spurensuche


Nicht alle Spuren einer Tat sind am Tat- oder Ereignisort offensichtlich. So gibt es auch Spuren, die mit bloßem Auge nicht oder nur schwer erkennbar oder feststellbar sind. Zur Suche und Sicherung von Spuren stehen der Polizei heute verschiedene Hilfsmittel zur Verfügung, so

  • Optische Hilfsmittel
  • Klebefolien
  • Pulverförmige Substanzen, Flüssigkeiten und Gase
  • Spezialgeräte
  • Spürhunde9

Grundsätzlich kommt ein Einsatz entsprechender Hilfsmittel nur dann Betracht, wenn dadurch nicht eine spätere Spurenauswertung erschwert oder vereitelt wird. Ist der Einsatz an rechtliche Voraussetzungen gebunden, so ist zunächst deren Vorliegen zu prüfen.


5.1 Optische Hilfsmittel

Bereits aus den Anfangszeiten der Kriminalistik ist die Lupe als optisches Hilfsmittel zur Spurensuche jedermann bekannt. Zur genaueren Untersuchung von Spuren wurden auch schon früher Mikroskope verwendet. Weiterhin kommen als optische Hilfsmittel Lichtquellen mit Licht sowohl im sichtbaren als auch im unsichtbaren Spektralbereich in Betracht. Im sichtbaren Spektralbereich entscheidet die jeweilige Lichtführung (z.B. Schräglicht oder Streiflicht) wesentlich darüber, ob bestimmte Spuren, die mit bloßem Auge kaum zu erkennen sind, durch die Lichtbrechung erkannt werden. Hier ist im Einzelfall die jeweils optimale Lichtführung zu finden, die dann ebenfalls zur Fertigung von Fotos der Spur genutzt wird.
Vermehrt wird heute auf LED-Licht zurückgegriffen. In Verbindung mit einer beschichteten Glasscheibe ist es so möglich, auch Fingerspuren auf bestimmten Gegenständen so sichtbar zu machen, dass diese ohne weitere Hilfsmittel (z.B. Rußpulver) sichtbar gemacht und auswertefähig abfotografiert werden können.
Geht es um die Suche bestimmter Spuren oder Stoffe (z.B. Sperma-Spuren nach einem Sexualdelikt), so bietet sich der Einsatz von UV-Licht an. Durch die Lumineszenz der Spur ist der weiter zu untersuchende Bereich schnell eingrenzbar. Erforderlich ist jedoch zunächst eine Vorstellung, welcher Stoff bzw. welche Spur gesucht wird und in welchem Lichtspektrum die Spur anspricht. Das Ansprechen der Spur auf die Lichtquelle ist anschließend fotografisch zu dokumentieren, der Spurenträger mit der Spur selber sicherzustellen.
Weiter sind hier Röntgengeräte zu nennen. Mit ihnen können Gegenstände in Verpackungen oder dem menschlichen Körper sichtbar gemacht und festgestellt werden. So werden z.B. Leichen mit zerstörter Hautoberfläche (z.B. durch Brandeinwirkung) grundsätzlich geröntgt um auszuschließen, dass sich im Körper z.B. ein nicht erkanntes Geschoss befindet, weil man in der zerstörten Hautoberfläche den Einschussbereich nicht mehr erkennen könnte. „Verdächtige Pakete“ oder elektrische Geräte können mit einem Röntgengerät untersucht werden, um zunächst einen ersten Eindruck vom darin befindlichen Inhalt zu erlangen.
Weiter ist hier noch die Thermographie oder der Einsatz von Wärmebildkameras zu nennen. Sie kommen stets dann zum Einsatz, wenn im Rahmen der Spurensuche thermische Unterschiede zur Auffindung gewünschter Spuren oder Personen führen. Moderne Geräte sind in der Lage, unter günstigen Bedingungen auch kleinste Temperaturunterschiede sichtbar zu machen. Wärmebildkameras gibt es nicht nur als An- und Einbaugeräte für den Polizeihubschrauber, sondern auch als transportable Handgeräte. Als Einsatzbereiche können hier u.a. die Suche nach Marihuana-Indoor-Plantagen oder nach vermissten Personen angeführt werden. Insbesondere beim Umgang mit Röntgengeräten oder Lichtquellen im nichtspektralen Bereich sind die entsprechenden Arbeitsschutzvorschriften zur eigenen Sicherheit zu beachten.
Spuren befinden sich nicht nur im sichtbaren Bereich des Tatortes. Insbesondere bei Durchsuchungen gibt es – objektabhängig – auch nicht einsehbare Bereiche, so z.B. Karosserieholräume bei Kfz, Lüftungsschächte in Gebäuden oder Hohlräume in Sanitäranlagen und hinter Einbauschränken. Mittels eines Endoskops besteht hier die Möglichkeit, (häufig) ohne Beschädigung oder besonderen Aufwand Einblick in diese Bereiche zu nehmen und festzustellen, ob dort beweisrelevante Gegenstände verborgen sind. Durch den Einsatz eines Endoskops kann so der Zeit- und Kostenaufwand bei bestimmten Durchsuchungen gesenkt werden.

5.2 Klebefolien

In der Kriminaltechnik werden mehrere unterschiedliche transparente Klebefolien zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt. Im Bereich der Sicherung von daktyloskopischen Spuren wird im Zusammenhang mit den Adhäsionsverfahren (Rußpulver oder Magna-Brush) eine spezielle Spurensicherungsfolie für den Abzug der Spur verwendet. Diese Folie wird hier aber nicht zur Spurensuche selber sondern als Hilfsspurenträger eingesetzt, da anders die Spurensicherung häufig kaum möglich wäre.
Zur Suche und Sicherung von Faserspuren bedarf es einer anderen transparenten Klebefolie, der Mikrospurenfolie. Mikrospuren sind mit dem bloßen Auge nur schwer oder nicht erkennbar. Abzusuchende Bereiche werden daher informatorisch oder vollflächig mittels Mikrospurenfolie abgeklebt. Faserspuren und aufliegende Haare werden dabei mit der Folie abgezogen.
Der Einsatz von speziellen Klebefolien zur Sicherung von Fremdlackanhaftungen bei Unfallspuren hat sich in Nordrhein-Westfalen bislang als ungeeignet erwiesen. Die abgezogenen Fremdlackanhaftungen lassen sich später kaum oder nicht von den Folien lösen und damit auch nicht untersuchen.

5.3 Pulverförmige Substanzen, Flüssigkeiten und Gase

Pulverförmige Substanzen wie Rußpulver oder Magna-Brush dienen der Suche nach daktyloskopischen Spuren oder Ohrabdruckspuren auf glatten und nicht saugenden Oberflächen. Zur kontaktlosen Suche und Sichtbarmachung von Fingerspuren auf glatten Oberflächen wird als Chemikalie auch Cyanacrylat verdampft. Zur Sicherung müssen die dadurch sichtbar gemachten Spuren dann noch abfotografiert werden. Die Möglichkeit der Bedampfung eines kompletten Kfz-Innenraums oder Wohnraums besteht grundsätzlich, jedoch ist der Raum danach durch den Chemikalieneinsatz entsprechend kontaminiert und nicht mehr für Menschen benutzbar. Die Suche und Sichtbarmachung von Fingerspuren auf Papier erfolgt z.B. durch Einsprühen oder Tauchen des Spurenträgers in Ninhydrin.
Zur Sichtbarmachung vermuteter entfernter Blutspuren bei Tötungsdelikten werden als Chemikalien u.a. Leukomalachitgrün, LumiScene oder Gentian-Violett eingesetzt. Diese Vortestmittel machen zwar entfernte Blutspurverteilungsbilder sichtbar, durch ihre chemische Reaktion mit dem Spurenmaterial ist aber später eine molekulargenetische Untersuchung von Spurenmaterial aus dem behandelten Bereich nicht mehr möglich. Entsprechende Proben für eine DNA-Analyse müssen also vor dem Einsatz entsprechender Chemikalien gesichert werden.
Nicht zu vergessen ist der Einsatz entsprechender chemischer Stoffe zur Präparation von Geldscheinen beim Auslegen einer Diebesfalle. Hierbei kommt es darauf an, die Chemikalien so auszuwählen, dass sie in der benutzten Kombination nicht auch im Arbeitsumfeld oder im privaten Bereich des Beschuldigten oder Tatverdächtigen verwendet werden.

5.4 Spezialgeräte

Von den Spezialgeräten zur Spurensuche und -sicherung seien hier beispielhaft angeführt

  • Dust Link Verfahren
  • Spurenstaubsauger
  • Metallsuchgeräte
  • Fotoionisationsdetektor

Das Dust-Link-Verfahren dient der Sicherung von Schuhspuren auf textilen Untergründen mittels einer elektrostatisch aufgeladenen Folie.
Mittels des Spurenstaubsaugers können Hohlräume oder textile Untergründe nach Materialanhaftungen bzw. -rückständen abgesaugt werden. Der aufgesaugte Inhalt kann dann hinsichtlich der Materialzusammensetzung untersucht werden (so z.B. nach Betäubungsmittelrückständen, wenn der Verdacht besteht, dass mit einem Kfz Betäubungsmittel transportiert wurden).
Metallsuchgeräte werden u.a. zum Auffinden von Munitionsteilen an Tatorten nach dem Einsatz von Schusswaffen verwendet. Sie kommt aber auch in Betracht, um nach sonstigen weggeworfenen metallischen Tatmitteln zu suchen (z.B. Messer als Tatwaffe).
Im Bereich der Brandermittlungen kann durch den Einsatz eines Fotoionisationsdetektors festgestellt werden, ob am Brandort ein Brandbeschleuniger zur Brandlegung verwendet worden ist. Weiter kann der für die Entnahme von Brandschuttproben für eine spätere chemische Untersuchung im Labor relevante Bereich eingegrenzt bzw. lokalisiert werden.

5.5 Spürhunde

Menschen haben einen individuellen Geruch, den der Hund mit einem hoch entwickelten Geruchssinn zweifelsfrei wiedererkennen kann. Bis zum Jahr 2011 konnten in NRW durch den Einsatz von speziell ausgebildeten Hunden Tatverdächtige im Rahmen des Geruchsspurenvergleichsverfahrens identifiziert werden. Durch die Polizei werden heute Fährtensuchhunde und Men-Trail-Hunde eingesetzt, um u.a. flüchtige Personen oder vermisste Personen zu suchen. Der Geruchssinn des Hundes nutzt die Polizei aber auch zur Auffindung von Leichen (Leichenspürhund), Betäubungsmitteln (Rauschgiftspürhund), Sprengstoffen (Sprengstoffspürhund) oder zur Auffindung von Brandbeschleunigern (Brandmittelspürhund).
Der Erfolg des Einsatzes hängt stark davon ab, in welchem Umfang sich der spezifische Geruch für den Hund wahrnehmen lässt, so muss sich für den erfolgreichen Einsatz des Leichenspürhundes z.B. zunächst der typische Zersetzungsgeruch der Leiche entwickeln. Ist die Leiche noch zu frisch, so kann der Hund sie nicht wahrnehmen. Weiter ist zu beachten, dass die Einsatzzeit des Hundes zur Durchführung von Suchaufgaben beschränkt ist und auch von der Tagesform des Tieres abhängt. Eine erfolgreiche Suche zeigt der Hund seinem Hundeführer individuell an. Hundeführer und Hund sind ein eigespieltes Team. Die Fähigkeiten und Grenzen seines Hundes sind dem Hundeführer genau bekannt, über seine fachliche Meinung sollte man sich im Einsatz daher nicht hinweg setzen.

6 Tatortdokumentation

Die Tatortdokumentation ist so durchzuführen, dass sich der Tatort auch Personen erschließt, die nicht selber am Tatort gewesen sind. Dies ist für die spätere gerichtliche Entscheidungsfindung von besonderer Bedeutung. Dazu bietet sich eine umfangreiche Fotodokumentation des Tatortes durch Übersichts- und Detailaufnahmen (mit Maßstab) an. Weiterhin wird durch die Kräfte des Sicherungsangriffs ein Bericht zu dem Sicherungsangriff und durch die Kräfte des Auswertungsangriffs ein genauer Tatortbefundbericht gefertigt. Der Tatortbefundbericht wird um einen Spurensicherungsbericht zu den gesicherten Spuren ergänzt. Soweit erforderlich werden Skizzen des Tatortes gefertigt. Die am Tatort eingesetzten Kräfte des Sicherungs- und des Auswertungsangriffs haben in der Gerichtsverhandlung als Zeugen zu den von ihnen durchgeführten und veranlassten Maßnahmen zur Tatortaufnahme auszusagen. Für eine sachgerechte Beurteilung der Tat ist es daher erforderlich, dass die Tatortsituation sich dem erkennenden Gericht klar erschließt. Bleiben im Rahmen der Beweiserhebung vor Gericht Zweifel an der Präzision der Tatortdokumentation und der Tatortarbeit, so wird sich das im Urteil zu Gunsten des Angeklagten auswirken. Neben der normalen Tatortfotografie kommen bei umfangreichen oder herausragenden Tatorten u.a. Luftaufnahmen, 3D-Laserscanner und vollsphärische Digitalaufnahmen in Betracht. Hierzu folgt in einer späteren Ausgabe der Fachzeitschrift ein ausführlicher Artikel.

7 Schlussfolgerung für Aus- und Fortbildung

Das Wissen um die Möglichkeiten der Spurensicherung und -auswertung sowie die technischen Möglichkeiten in diesem Bereich haben sich in den letzten 20 Jahren deutlich weiterentwickelt. Mit der Sicherung digitaler Spuren ist zudem ein völlig neues Arbeitsfeld in der Kriminaltechnik hinzugekommen. Digitale Spuren bieten heute in Ermittlungsverfahren eine Vielzahl neuer Ermittlungsansätze. Unbestritten ist, dass die Möglichkeiten der Spurensuche und -sicherung ein ausgesprochen wichtiger Bestandteil der Ausbildung zum Kriminalbeamten sind. Jedoch ist die einmalige Ausbildung in diesem Bereich für die nächsten 20, 30 oder mehr Jahre der beruflichen Tätigkeit nicht ausreichend. Vor 30 Jahren kam der Bereich der Digitalen Spuren in der Ausbildung noch nicht vor, man beschäftigte sich stattdessen mit der Untersuchung von Schreibmaschinenschriften. Erforderlich ist daher auch für Kriminalbeamte der regelmäßige Besuch von speziell konzipierten Fortbildungsseminaren, um fachlich auf der Höhe der Zeit zu bleiben.
Weiterhin ist es erforderlich im polizeilichen Intranet durch die Kriminaltechnischen Institute der Landeskriminalämter bzw. die Kriminaltechnischen Untersuchungsstellen der Polizeibehörden sowohl die angebotenen Untersuchungs- und Auswertungsmöglichkeiten, als auch die Voraussetzungen zur Sicherung und Übersendung von entsprechendem Untersuchungsmaterial zu erläutern.
Da die Kräfte das Wach- und Wechseldienstes stets als erste am Tatort sind, müssen auch sie ein Grundwissen u.a.
über die Bedeutung der Erhaltung des Tatortes in seiner ursprünglichen Form
die Gefahren der Spurenkontamination
mögliche spätere kriminaltechnische Untersuchungsmöglichkeiten
die Beweiskraft und den Beweiswert der unterschiedlichen Spuren (Relevanz der einzelnen Spuren für die spätere Ermittlungsführung und Aburteilung)
die Möglichkeiten der Notsicherung von Spuren und der Erstdokumentation von Tatorten
unabdingbar haben. Denn Fehler die im Sicherungsangriff gemacht werden, kann eine noch so gute Tatortaufnahme später nicht mehr heilen.

Anmerkungen


  1. KD Christoph Frings ist Dozent für Kriminalwissenschaften an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen, Abteilung Duisburg.
  2. Bundeskriminalamt (HG), Anleitung Tatortarbeit - Spuren, Ziff. 1.0.1.
  3. Verordnung über die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft vom 30.4.1996 zuletzt geändert durch VO v. 16.2.2016 (GV. NRW. S 120).
  4. 229. Sitzung des AK II am 5./6.5.2011.
  5. Vgl. Frings/Rabe, 2016, Grundlagen der Kriminaltechnik I, Lehr- und Studienbriefe Kriminalistik/Kriminologie, Band 16, 2. Aufl., VDP Hilden, S. 78 ff.
  6. Meyer-Goßner/Schmitt, 2017, Kommentar zur Strafprozessordnung, 60 Aufl., Verlag C.H. Beck, München, Einleitung, Rz. 47.
  7. PDV 100, Ziff. 2.2.3.
  8. Clages, Polizeiliche Tatortarbeit, in: Kriminalistik 2002, S. 144.
  9. Bundeskriminalamt (HG), Anleitung Tatortarbeit – Spuren, Ziff. 1.1.3.