Kapitaldelikte

Drei tote Säuglinge in der Universitätsmedizin Mainz

– Eine Frage der Hygiene?


Ermittlungen unter Berücksichtigung unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen bei hohem Mediendruck

Vorbemerkungen

Der Tod von drei Säuglingen im August 2010 in der Universitätsklinik Mainz führte zu einem hohen Medieninteresse2, das sich auch auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und Polizei Mainz auswirkte. Darüber hinaus war die Leitung der Universitätsklinik betroffen, die zum einen durch Überprüfungen der Arbeitsabläufe weitere Todesfälle verhindern musste, zum anderen bei der Unterstützung der Ermittlungen und bei der Öffentlichkeitsarbeit in hohem Maße gefordert war. Zusätzlich erhoben Politiker3 Forderungen. Diese befassten sich insbesondere mit der Verbesserung der Hygienestandards4 in Krankenhäusern, obwohl der Medizinische Vorstand der Universitätsmedizin, Prof. Dr. Pfeiffer, schon bei einer der ersten Pressekonferenzen die Medien bat, den aktuellen Vorfall nicht mit der allgemeinen Diskussion um Krankenhaushygiene zu verquicken („Die Debatte um nosokomiale Infektionen „hat mit Mainz nichts zu tun“. Die derzeitigen Ereignisse müsse man vollständig von den Hospitalinfektionen trennen.“5).
Hinzu kam, dass Ende August 2010 in kurzen Zeitabständen 16 Säuglinge in einer Klinik in der Dominikanischen Republik und drei Säuglinge in einer Londoner Klinik6 starben. Bei den Berichten über diese Todesfälle wurde auch auf die Fälle in Mainz verwiesen, ohne dass Parallelen oder Zusammenhänge7 erkennbar waren.

Klaus Mohr
Kriminaldirektor
Polizeipräsidium Mainz

Von daher war es nicht verwunderlich, dass die Presse im September und November 2011 bei Berichten über jeweils drei verstorbene Säuglinge in einem Krankenhaus in Siegen und im Klinikum Bremen wieder auf die toten Säuglinge in Mainz zurückkam („Passau, Siegen, Mainz und jetzt Bremen. Die unheimliche Serie der toten Babys“8).
Die Ermittlungen zu den Todesfällen in Mainz stellten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Polizei vor nicht alltägliche Herausforderungen, da neben medizinischem Fachwissen andere Fachbereiche mit einbezogen werden mussten. Darüber hinaus wurden die Ermittlungen verständlicherweise durch vielfältige Presseanfragen begleitet.

Todesfälle in Mainz

Am 20.08.2010 wurden in der universitätseigenen Apotheke nach ärztlichen Vorgaben für 11 Säuglinge individuelle Ernährungslösungen aus industriell hergestellten Grundsubs-
tanzen zubereitet. Die Mischung dieser Grundsubstanzen erfolgte nach festgelegten Verfahrens- und Arbeitsschritten durch Beschäftigte im sogenannten Reinraum der Apotheke.
Nach Bekundungen des Medizinischen Vorstandes der Universitätsmedizin sind in den vergangenen zehn Jahren über 90 000 Lösungen hergestellt worden, in denen bei den Kontrollen nie Keime gefunden worden waren9.
Den Infusionsmischungen wurde routinemäßig eine Neutralprobe/Rückstellprobe entnommen, die in der mikrobiologischen Abteilung der Universitätsmedizin untersucht wurde.

Roland Mittermüller
Kriminalhauptkommissar
Polizeipräsidium Mainz

In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass Ernährungslösungen tagesaktuell nach individuellem Bedarf hergestellt und unmittelbar den Säuglingen mittels Infusion verabreicht werden müssen. Dementsprechend können die Ergebnisse der Qualitätsprüfungen nicht abgewartet werden. Bedingt durch die Kultivierung lagen die Ergebnisse deshalb erst am darauf folgenden Tag vor.
Am 21.08.2010 wurde eine Keimbelastung der Neutralprobe festgestellt, weswegen die Verabreichung der Ernährungslösungen sofort eingestellt und durch Neumischungen ersetzt wurde. Vorsorglich erhielten alle Säuglinge Antibiotika.
Dennoch verstarben bereits am 21.08.2010 zwei Säuglinge und zwei Tage später ein weiterer Säugling. Der kritische Zustand von sieben Säuglingen stabilisierte sich hingegen.
Da nach klinikinternen Untersuchungen davon auszugehen war, dass die verkeimten Ernährungslösungen ursächlich für den Tod der Säuglinge waren, verständigte Prof. Dr. Pfeiffer am 22.08.2010 die Staatsanwaltschaft.
Noch am gleichen Nachmittag wurde vor dem Hintergrund der fortbestehenden Gefahrenlage und den damit einhergehenden umfangreichen Ermittlungen sowie den zu erwartenden komplexen Fragestellungen polizeilicherseits eine Sonderkommission mit 18 Beamten eingerichtet.

Ermittlungen

Die ersten Ermittlungen in der Universitätsmedizin konzentrierten sich auf den konkreten Ablauf bei der Herstellung der Infusionslösungen im Reinraum der Apotheke.
Vor allem war der Weg von der Entnahme der Grundsubstanzen aus dem Lager über den Mischvorgang bis zur Verabreichung der Lösungen von Bedeutung. Hierzu wurden die Bediensteten der Apotheke vernommen. Daneben wurden leere und teilentleerte Flaschen mit den Grundsubstanzen, das Schlauchsystem für die Mischung der Infusionslösungen, Infusionsbeutel und -besteck sowie gleiche Chargen der Grundprodukte sichergestellt und mit Ausnahme der Vergleichschargen (Flaschen) ständig gekühlt.
Eine der Flaschen war zerbrochen. Nur das zylindrische Mittelteil war als Bruchstück (ohne Boden und Flaschenhals) noch vorhanden. Dieses Bruchstück wurde sichergestellt, obwohl die Kriminalbeamten zu diesem Zeitpunkt seine spätere Bedeutung für die Ermittlungen noch nicht erkennen konnten.
Die verstorbenen Säuglinge wurden in der Rechtsmedizin der Universitätsklinik Frankfurt10 obduziert. Die Bewertung der Untersuchungsergebnisse gestaltete sich indes schwierig, weil die verstorbenen Säuglinge nicht sofort gekühlt und jeweils einen Tag nach Todeseintritt obduziert wurden. Insbesondere bei Säuglingen werden die Ergebnisse in Bezug auf die Keimbelastung bei einsetzendem Fäulnisprozess im Darm sehr schnell verfälscht.


Bei der Sektion der verstorbenen Säuglinge in der Rechtsmedizin Frankfurt konnten zunächst auf Grund des makroskopischen Befundes keine weitergehenden Aussagen zur Todeskausalität getroffen werden. Deshalb wurden zwei weitere sachverständige Mediziner in Sankt Augustin und Aschaffenburg in die Beurteilungen mit einbezogen. Sie stellten fest, dass bei zwei Säuglingen die Verabreichung der kontaminierten Ernährungsinfusion kausal für den Todeseintritt war. Hingegen hatte der dritte Säugling sehr schwere Vorerkrankungen, die jederzeit zum Tode führen konnten. „Der Sachverständige konnte zwar nicht ausschließen, dass die Verabreichung der kontaminierten Ernährungslösung den unmittelbar darauf folgenden Todeseintritt begünstigte. Eine Ursächlichkeit zwischen der Verabreichung der Infusion und Todeseintritt ließ sich jedoch nicht nachweisen.“11
Im Laufe der weiteren Ermittlungen wurden alle Krankenunterlagen (30 Leitz-Ordner) und Blutprobenreste der verstorbenen und betroffenen Säuglinge sichergestellt.
Zwischenzeitlich identifizierte die Universitätsmedizin zwei Keime, durch die die Infusionen verunreinigt wurden. Die beiden Enterobakterien, die in der natürlichen Darmflora des Menschen und in der normalen Lebensumgebung, wie beispielsweise Trinkwasser, vorkommen, wurden als Enterobacter Cloacae und als Escherichia hermanii spezifiziert. Gemeinhin werden sie auch als sogenannte Umweltkeime bezeichnet. Zeitgleich ging die klinikinterne Ursachensuche mit Hilfe einer externen Expertenkommission (in- und ausländische Wissenschaftler für Krankenhaushygiene und Krankenhausapotheken) weiter.
Da die klinikinternen Untersuchungsergebnisse bei den Ermittlungen zu berücksichtigen waren, wurden durch die Staatsanwaltschaft Mainz als Hauptsachverständiger Prof. Dr. Exner, der das Institut für Hygiene und öffentliche Gesundheit der Universität Bonn leitet, bestellt. Darüber hinaus wurden weitere Experten unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen zu Rate gezogen.
Mit deren Hilfe wurden bisher vorliegende Ergebnisse, auch die der Universitätsklinik, auf Plausibilität geprüft und gemeinsam weitere Ermittlungsschritte festgelegt.
Dies führte zur Vermeidung unnötiger zeitaufwändiger Ermittlungen. Beispielsweise wurden nach Hinweis eines Biologen Stuhlproben der Bediensteten gesichert, weil ggfls. ein Rückschluss von den in den Infusionen festgestellten Keimen auf den konkreten Verursacher möglich sei. Diese Hypothese verwarfen frühzeitig Mikrobiologen. Die Zugehörigkeit der jeweiligen Keime zu einer Gruppe ist zwar bestimmbar, derartige Keime sind jedoch bei einer Vielzahl von Menschen, die in regelmäßigen sozialen Kontakt stehen, vorhanden. Insofern war die Aussage, dass ein definierter Keim von einer konkreten Person stammt, nicht haltbar.


Sichergestellte Infusionsflaschen (Foto: PP Mainz)

In der Folge stellte Prof. Dr. Exner den kompletten Herstellungsprozess der Nährlösung in der hauseigenen Apotheke nach. Gleichzeitig wurde der Prozessverlauf durch die Polizei schriftlich dokumentiert und videografiert. Trotz der Ausnahmesituation und eigens vorbereiteter Ablenkungen der Bediensteten, erfolgte die Herstellung der Nährlösung durch klare und augenscheinlich automatisierte Handlungen.
Im Ergebnis stellte der Sachverständige fest, dass die Kontamination von einer flüssigen Grundsubstanz ausging, die sich in der zerbrochenen Glasflasche, von der ein Teilstück asserviert wurde, befand. „…Vergleichsuntersuchungen von Flaschen der gleichen Charge der betreffenden Grundsubs-
tanz blieben ohne Befund, so dass davon auszugehen war, dass lediglich eine einzelne Flasche kontaminiert war. Auf Grund dieses Umstandes war auch auszuschließen, dass bereits im Rahmen des Herstellungsvorgangs verunreinigte Flüssigkeit abgefüllt wurde. Die die kontaminierte Substanz beinhaltende Flasche wurde im März 2010 durch die Herstellerfirma befüllt und zusammen mit weiteren Flaschen der gleichen Charge (….) an die Apotheke der Universitätsmedizin Mainz geliefert …“
und „…Nach den Feststellungen des Sachverständigen ist eine Kontamination der Flasche im Bereich der Krankenhausapotheke bis zu diesem Zeitpunkt äußerst unwahrscheinlich und ohne Vorschädigung der Flasche, etwa durch einen transportbedingten Haarriss, nicht erklärbar … “12
Infolge der Feststellungen des Sachverständigen befassten sich die Ermittler eingehend mit der zerbrochenen Flasche. Bei Vernehmungen schilderten Bedienstete der Apotheke und der Mikrobiologie der Universitätsmedizin unabhängig voneinander, wie die Flasche zerbrach. Demnach wurden unter zeitlichen Druck zur Eingrenzung der Kontamination Abstriche von den Flaschen mit den Grundsubstanzen genommen. Die kontaminierte Flasche wurde auf dem Boden abgestellt. Sie zerbrach, als ein Mitarbeiter sie versehentlich mit dem Fuß anstieß, was bei derartigen Flaschen ungewöhnlich ist.Die Überprüfung des Transportweges der Flasche von der Befüllung bis zur Einlagerung im Lager der Universitätsmedizin zeigte keine Auffälligkeiten. Beschädigungen wurden bei der Annahmekontrolle nicht festgestellt.
Der während den Ermittlungen laut gewordene Einwand, eine mögliche Kontamination hätte durch eine Eintrübung der Grundsubstanz erkennbar sein müssen, wurde in Versuchsreichen durch Prof. Dr. Exner widerlegt.
Schließlich ließ die Staatsanwaltschaft Mainz materialtechnische und ergänzende mikrobiologische Untersuchungen an 24 Vergleichsflaschen der gleichen Charge und dem Bruchstück durch die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung in Berlin durchführen. Dabei sollte geklärt werden, ob durch Vorschädigungen der Glasflaschen, beispielsweise durch Haarrisse, von außen Bakterien eindringen können.
Bei den Untersuchungen konnten derartige Beschädigungen der Glasflaschen weder festgestellt noch ausgeschlossen werden. Dagegen wurden bei den Flaschen der zur Verfügung stehenden Charge und des Bruchstückes unterschiedliche Wanddicken festgestellt, wobei die Wand des sichergestellten Flaschenbruchstückes die schlechteste Qualität aller Flaschen aufwies, d. h. die Dicke der Glaswandung war stellenweise sehr gering. Ferner wird festgestellt, „…dass die grundsätzliche Möglichkeit der Entstehung eines Haarrisses in Verbindung mit einem geringfügigen tropfenförmigen Flüssigkeitsaustritt und zugleich einem Eintritt der in Rede stehenden Bakterien von außen besteht“13.
Des Weiteren war für die Ermittlungen der Frage nachzugehen, ob zeitliche Feststellungen zur Kontamination, insbesondere zum Tag der Mischung der Grundsubstanzen, getroffen werden konnten. Hierzu wurden von Prof. Dr. Exner unter Einbeziehung des Institutes Fresenius Vergleichsexperimente an kontaminierten Gegenständen durchgeführt, bei denen hohe Endotoxinwerte ebenso wie bei Untersuchungen der Universitätsmedizin erkannt wurden. Endotoxine sind Abbauprodukte von Keimen. In einem geschlossenem mit Keimen kontaminierten System (z. B. eine Flasche) vermehren sich die Keime zunächst, um dann im weiteren Verlauf Endotoxine zu bilden. Das Verhältnis zwischen Keimen und Endotoxinen lässt Rückschlüsse über den Zeitpunkt der Kontamination zu. Bedeutend für diese Experimente waren die Kühlung des zerbrochenen Flaschenteiles und deren Dokumentation, weil die Keimentwicklung u. a. temperaturabhängig ist.
Die durchgeführten Vergleichsexperimente ergaben, dass die Kontamination (in der zerbrochenen Flasche) mindestens zwei Tage vor der Herstellung der Mischinfusion erfolgt sein musste. „Der längst mögliche Zeitpunkt der Kontamination konnte jedoch nicht mehr bestimmt werden. Anhand der durchgeführten Untersuchungen war eine Aussage zu Quelle, Zeitpunkt und Ort der Kontamination der in Rede stehenden Grundsubstanz mithin nicht möglich. Aufgrund dessen konnte auch keiner bestimmten Person ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten nachgewiesen werden.“14
Infolgedessen wurde das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Öffentlichkeitsarbeit

Bereits am 22.08.2010 lud die Leitung der Universitätsmedizin zu der ersten Pressekonferenz ein, bei der sie über die Keime in der Infusionslösung und die beiden toten Säuglinge berichtete. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung sagte Prof. Dr. Pfeiffer „… Dennoch halte er es für wahrscheinlich, dass die Verunreinigungen hier entstanden sein könnten, beim Mischen der Ernährungslösungen …“15.
Dieser spontane Umgang mit dem brisanten Thema führte zu dem bereits erwähnten hohen Medieninteresse, das insbesondere auch die Staatsanwaltschaft Mainz in den folgenden Tagen beschäftigte.


Die polizeilichen Ermittlungen wurden durch die Universitätsmedizin effektiv unterstützt (Foto: Redaktion)

Treffend beschrieb die Ärzte Zeitung am 23.08.2010 die Situation: „…  Klinik und Staatsanwaltschaft sahen sich am Montag mit einer Überzahl von Fragen konfrontiert. In zwei Pressekonferenzen versuchten sie Antworten zu finden. Antworten darauf, wie die Keime in die Infusionen kommen konnten …“16
In der gleichen Woche wurden auf Initiative des Leiters der Staatsanwaltschaft Mainz zwei Pressekonferenzen unter Beteiligung von Polizei und Universitätsmedizin sowie des Sachverständigen Prof. Dr. Exner durchgeführt.
Der offensiven und transparenten Öffentlichkeitsarbeit ist es zu verdanken, dass sehr früh der immense Druck von den Ermittlern und den Verantwortlichen der Universitätsmedizin genommen wurde.
Sensationsjournalisten hatten keine Chance mehr, mit Unwahrheiten oder Übertreibungen Schlagzeilen zu fertigen.
Nach den beiden durch die Staatsanwaltschaft Mainz durchgeführten Pressekonferenzen war sichergestellt, dass objektiv am Geschehen orientiert berichtet wurde. Die Problematik der allgemeinen Krankenhaushygiene, die in den ersten Tagen immer wieder in den Vordergrund gestellt wurde, wurde in der Folge nicht mehr thematisiert. Die sachliche Medienarbeit wirkte sich auch auf das berechtigte Informationsbedürfnis betroffener Ministerien, gerade im Zusammenhang mit den Diskussionen um die Krankenhaushygiene, positiv aus. Eine ständige Berichterstattung, die natürlich auch die Ermittler fordert, war fortan nicht mehr notwendig.
Diese transparente Medienarbeit wurde in einem bemerkenswerten Interview mit Prof. Dr. Pfeiffer einen Monat später noch einmal aufgegriffen. Zu der offenen Vorgehensweise erklärte Prof. Dr. Pfeiffer: „Ich habe mich manchmal gefragt, ob ich zu weit gehe. Aber Sie machen nichts falsch, wenn Sie bei der Wahrheit bleiben (….) Bei der Wahrheit kommen Sie immer wieder auf dieselben Dinge (….) Ich habe klar abgegrenzt: Was weiß ich, und wo beginnt die Spekulation. Da habe ich allerdings gemerkt – und das hat mich schon erschreckt – dass das nicht immer genau so wiedergegeben wurde.“17
In diesem Interview äußerte sich Prof. Dr. Pfeiffer auf Fragen auch zum Verhalten einzelner Journalisten. Die Versuche von Reportern, mit Kameras auf die betroffene Station in der Uniklinik zu gelangen oder Angehörige zu überreden, auf der Station zu fotografieren bis hin zum Geldangebot für das Überlassen der Anschrift betroffener Eltern konnten verhindert werden. Diese wenigen Ausreißer sind sicherlich darauf zurückzuführen, „dass auch die Journalisten von der Tragik des Geschehens betroffen waren.“18
Schlussendlich stellte Prof. Dr. Pfeiffer auf die Frage, ob er in eine Krise geratenen Politikern zur Wahrheit rät, fest: „Wenn ich Politiker wäre, würde ich es genauso machen, weil ich glaube, dass die Menschen nicht töricht sind.“19

Opferbetreuung

Zu Beginn der Ermittlungen wurden die Eltern der betroffenen Säuglinge polizeilich betreut. Gleichwohl musste diese Betreuung in der Folge wegen der personellen Reduzierung der Sonderkommission eingeschränkt werden. Letztlich wurde nur der Kontakt zu den Eltern der verstorbenen Säuglinge aufrechterhalten. Dabei war es für die Eltern wichtig, die einzelnen Feststellungen und die dazu gehörigen Ermittlungsschritte zu verstehen.
Im Nachhinein betrachtet half die Betreuung den Eltern, das Leid und die Trauer zu ertragen, was auch geäußert wurde.

Fazit

Die Einstellung der umfangreichen Ermittlungen, die nahezu ein Jahr dauerten, erfolgte vor allem auf der Grundlage wissenschaftlicher Untersuchungen. Die Untersuchungsergebnisse wurden – soweit möglich – durch die staatsanwaltschaftlichen und polizeilichen Ermittlungen bestätigt.
Die gute Unterstützung durch die unterschiedlichen Institutionen der Universitätsmedizin erleichterte dabei sowohl die Arbeit der Ermittlungsbehörden als auch der bestellten Gutachter.
Ohne diese Zusammenarbeit wären die polizeiliche Ermittler wegen fehlender Kenntnisse in Fragen der Mikrobiologie und Krankenhaushygiene überfordert gewesen. Bedeutsam für die weiteren Ermittlungen war die Bestellung des Hauptsachverständigen Prof. Dr. Exner, einem anerkannten Fachmann auf dem Gebiet der Krankenhaushygiene, durch die Staatsanwaltschaft.
Auch die Hinzuziehung weiterer Gutachter zu einzelnen Fragestellungen hat sich für die Ermittlungen förderlich erwiesen. Dadurch war es möglich, eine kritische Überprüfung der durch die Universitätsmedizin vorgelegten Resultate zu gewährleisten und somit auch zu objektiven Ergebnissen zu gelangen.


Die frühzeitige Einbindung der Medien durch die Universitätsklinik und die Staatsanwaltschaft war beispielgebend (Foto: Redaktion)

Weiterhin hat sich gezeigt, dass bei öffentlichkeitswirksamen Vorfällen grundsätzlich eine frühzeitige Einbindung der Medien, eine einseitige, sensationslüsterne und negative Berichterstattung verhindert. Eine transparente und klare Darstellung der gewonnenen Erkenntnisse lässt vor allem das Interesse der Boulevardjournalisten schwinden und ermöglicht ungestörte Ermittlungen.
Insofern war es nicht überraschend, dass nur wenige Medienvertreter an der Abschlusspressekonferenz der Staatsanwaltschaft Mainz im August 2011 teilnahmen.
Abschließend wird darauf hingewiesen, dass neben den polizeilichen Ermittlungen die Opferbetreuung nicht zu vernachlässigen ist. Sinnvoll erscheint dabei anfangs die Einbindung eines Kriseninterventionsteams, wobei in die weitere Betreuung Ermittlungsbeamte eingebunden werden müssen. Nur sie sind in der Lage, den Hinterbliebenen, die zum Teil auch kritisch gegenüber den Ermittlungen eingestellt sind, die einzelnen Ergebnisse glaubhaft zu erläutern.

Anmerkungen
Spiegel Online, 24.08.2010, www.spiegel.de/panorama/0,1518,713538,00.html
Suchbegriff „Tote Säuglinge in Mainz“ führte in google.de zu über 360.000 Ergebnissen (Stand: 03.01.2012)
Süddeutsche Zeitung, 23.08.2010, www.sueddeutsche.de/panorama/universitaetklinik-mainz-zwei-saeuglinge-sterben-wegen-unreiner-infusion-1.991182 und Spiegel, 24.08.2011, www.spiegel.de/panorama/0,1518,713538,00.html
Focus, 24.08.2010, www.focus.de/panorama/welt/tote-babys-mediziner-fordern-hygienefachkraefte_aid_544870.html
Ärzte Zeitung, 24.08.2010, www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/sepsis/article/616106/drei-tote-saeuglinge-mainz-uniklinik-sucht-leck.html
Allgemeine Zeitung, 30.08.2010, www.allgemeine-zeitung.de/nachrichten/vermischtes/9331602.htm
Überprüfungen durch die Weltgesundheitsorganisation der Fälle in Mainz und in der Dominikanischen Republik sowie polizeiliche Recherchen in London
Bild Online, 03.11.2011, 12.10 Uhr, www.bild.de
Ärzte Zeitung, 23.08.2010, www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/article/615918/hygieneskandal-mainz-kamen-keime-apotheke.html
Aus optischen Gründen sollte eine Beteiligung der Rechtsmedizin Mainz, die selbst zur Universitätsmedizin gehört, vermieden werden. Dies ausschließlich, um dem möglichen Vorwurf mangelnder Neutralität zu begegnen.
Pressemitteilung des Leitenden Oberstaatsanwaltes Mainz, Klaus-Peter Mieth, vom 04.08.2011
Süddeutsche Online, 23.08.2010, www.sueddeutsche.de/panorama/universitaetklinik-mainz-zwei-saeuglinge-sterben-wegen-unreiner-infusion-1.991182
Ärzte Zeitung, 23.08.2010, aaO
Süddeutsche Zeitung, 22.09.2010, www.sueddeutsche.de/medien/gespraech-ueber-krisenmanagement-die-wahrheit-zu-sagen-ist-weniger-gefaehrlich-1.1003132