Kriminalpolitik

Verfassungswidrige Terrorbekämpfung?

Gefahrenabwehr durch das Bundeskriminalamt

Am 31.12.2008 ist das „Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt„ vom 25.12.2008 im Bundesgesetzblatt verkündet worden.1 Dieses Gesetz ist nach seinem Artikel 7 am Tag nach seiner Verkündung in Kraft getreten (1.1.2009).
Damit ist ein mehrjähriger komplexer und kontroverser Gesetzgebungsprozess an sein (vorläufiges) Ende gelangt, der schließlich auch die Einschaltung des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat erforderlich gemacht hatte. In der Aufgabenzuweisung für das Bundeskriminalamt (BKA) wird auf der Grundlage seiner Empfehlungen klargestellt, dass das BKA die Aufgabe der Verhütung von Straftaten als Unterfall der Gefahrenabwehr ebenfalls nur in den Fällen hat, in denen es nach der neuen Aufgabennorm präventiv zu Zwecken der Bekämpfung des internationalen Terrorismus tätig werden darf.

Dr. Wolfgang Hetzer
Adviser to the Director General, European Anti-Fraud Office, Brüssel

Dies sind – wie auch in Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG bezeichnet – die Fälle, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit einer Länderbehörde nicht erkennbar ist oder die oberste Landesbehörde um eine Übernahme ersucht. Die ursprünglich vorgesehene Eilfallregelung bei der Onlinedurchsuchung wurde gestrichen. Es ist nunmehr ausnahmslos eine vorherige richterliche Anordnung dieser Maßnahme erforderlich. Eine nachträgliche Einholung ist also unzulässig. Die Überprüfung von Daten, die durch eine Onlinedurchsuchung gewonnen wurden, erfolgt im Hinblick auf ihre Kernbereichsrelevanz unter der Sachleitung des anordnenden Gerichts.
Der amtierende Bundesminister des Innern und für Sport, Wolfgang Schäuble, hat die gefundenen Ergebnisse „außerordentlich„ begrüßt. Mit diesem Gesetz übertrage man dem BKA – zusätzlich zur bereits bestehenden Aufgabe der Strafverfolgung – endlich die für eine erfolgreiche Bekämpfung des internationalen Terrorismus so wichtige Aufgabe der Prävention, also der Gefahrenabwehr, einschließlich der hierfür erforderlichen Befugnisse. Dabei erhalte das BKA im Wesentlichen nicht mehr, als was die Polizeien aufgrund der Länderpolizeigesetze längst dürften.
Zur wiederholt vorgetragenen Kritik am BKAG-E wird darauf hingewiesen, dass die Regelungen zum Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Berufsgeheimnisträger analog zur Strafprozessordnung ausgestaltet seien. Das Gesetz enthalte mit § 20u BKAG ein harmonisiertes System zur Berücksichtigung der geschützten Interessen der Geheimnisträger in enger Anlehnung an § 160a StPO.
Was das erforderliche Schutzniveau anbetrifft, unterscheidet die Regelung im BKAG ebenso wie die strafprozessuale Regelung zwischen Geistlichen, Verteidigern und Abgeordneten einerseits und den sonstigen zeugnisverweigerungsberechtigten Personen und damit auch Journalisten, Ärzten, andererseits. Für die erste Gruppe besteht ein absolutes Erhebungs- und Verwertungsverbot. Für die zweite Gruppe ist ebenfalls grundsätzlich ein Schutz bei allen Maßnahmen des BKA vorgesehen. Jede Maßnahme, die voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würde, über welche die betreffende Person das Zeugnis verweigern dürfte, darf nur dann durchgeführt werden, wenn dies einer besonderen Verhältnismäßigkeitsprüfung Stand hält.
Dabei ist insbesondere das öffentliche Interesse an den von der zeugnisverweigerungsberechtigten Person wahrgenommenen Aufgaben und das Interesse an der Geheimhaltung der dieser Person anvertrauten oder bekannt gewordenen Tatsachen zu berücksichtigen. Soweit z.B. Ärzte oder Journalisten betroffen wären, sei hierdurch ausreichend gesichert, dass deren besondere Interessen gewahrt blieben.2
Die folgenden Ausführungen erinnern an die wichtigsten Stationen einer langwierigen Gesetzgebung. Dabei werden auch einige grundsätzliche Aspekte der lebhaften politischen und öffentlichen Debatte beleuchtet.

Entwurf der Fraktionen

Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD im Deutschen Bundestag wollten mit ihrer Initiative3 die Möglichkeiten zur Bekämpfung des Terrorismus verbessern. Zu diesem Zweck sollte in das Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) ein neuer Unterabschnitt in den bestehenden Abschnitt 1 dieses Gesetzes eingefügt werden, in dem unter der Überschrift „Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus„ eine Vielzahl neuer Vorschriften (§ 20a bis § 20x) vorgesehen war. Die Palette reichte von „Allgemeinen Befugnissen„ bis hin zu Fragen der „Übermittlung an das Bundeskriminalamt„. Dazwischen gab es eine Fülle von Regelungsgegenständen:

  • Erhebung personenbezogener Daten.
  • Befragung und Auskunftspflicht.
  • Identitätsfeststellung und Prüfung von Berechtigungsscheinen.
  • Erkennungsdienstliche Maßnahmen.
  • Vorladung.
  • Besondere Mittel der Datenerhebung.
  • Besondere Bestimmungen über den Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen.
  • Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung.
  • Rasterfahndung.
  • Verdeckte Eingriffe in informationstechnische Systeme.
  • Überwachung der Telekommunikation.
  • Erhebung von Telekommunikationsverkehrsdaten und Nutzungsdaten.
  • Identifizierung und Lokalisierung von Mobilfunkkarten und -endgeräten.
  • Platzverweisung.
  • Ingewahrsamnahme.
  • Durchsuchung von Personen.
  • Durchsuchung von Sachen.
  • Sicherstellung.
  • Betreten und Durchsuchen von Wohnungen.
  • Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Personen.
  • Gerichtliche Zuständigkeit, Kennzeichnung, Verwendung und Löschung.
  • Benachrichtigung.

Dem BKA wurde in dem Entwurf der Fraktionen unter bestimmten Voraussetzungen die Aufgabe übertragen, Gefahren des internationalen Terrorismus abzuwehren:

  • Vorliegen einer länderübergreifenden Gefahr.
  • Mangelnde Erkennbarkeit der Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde.
  • Übernahmeersuchen durch die oberste Landesbehörde.

Das BKA sollte in diesem Rahmen auch Straftaten verhüten dürfen, die in § 129 Abs. 1 und 2 StGB bezeichnet sind und folgenden Zwecken dienen:

  • Erhebliche Einschüchterung der Bevölkerung.
  • Rechtswidrige Nötigung einer Behörde oder internationalen Organisation mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt.
  • Beseitigung oder erhebliche Beeinträchtigung der politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder
    einer internationalen Organisation.
  • Erhebliche Schädigung eines Staates oder einer internationalen Organisation durch die Begehungsweise und deren Auswirkungen.

Die Befugnisse der Länder und anderer Polizeibehörden des Bundes sollten unberührt bleiben. Im Fall der Aufgabenwahrnehmung durch das BKA war die unverzügliche Benachrichtigung der zuständigen obersten Landesbehörden und Polizeibehörden des Bundes vorgesehen; die Aufgabenwahrnehmung selbst sollte im „gegenseitigen Benehmen„ erfolgen. Der Entwurf sollte der einfachgesetzlichen Umsetzung der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes dienen, die dieser nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 9 a GG für die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das BKA unter den genannten Voraussetzungen hat.4 Es wird behauptet, dass damit die Gefahrenabwehr zu optimieren sei. Das BKA sollte sowohl für die Strafverfolgung als auch für die Gefahrenabwehr zuständig sein. Damit könnten künftig praktische Hindernisse in der Aufspaltung der Kompetenz zwischen dem Bund und den Ländern gerade in Fällen hoher terroristischer Bedrohung, die oftmals sehr zeitnahes Handeln erforderten, vermieden werden.
Zu den wesentlichen Schwerpunkten des Entwurfs zählt neben der Aufgabe der Abwehr konkreter Gefahren u.a. die Möglichkeit, die Aufgabe der Verhütung von bestimmten terroristischen Straftaten wahrzunehmen. Das BKA erhalte ein „Selbsteintrittsrecht„, das die Zuständigkeit der Länder für die Gefahrenabwehr wahre. Die in dem Entwurf vorgesehenen Befugnisse orientierten sich weitgehend an den Befugnissen der Bundespolizei und den Polizeien der Länder und berücksichtigten dabei die jüngste verfassungsgerichtliche Rechtsprechung. Sie dürften jedoch nicht allgemein zur Gefahrenabwehr, sondern nur zur Verhütung von terroristischen Straftaten genutzt werden.
Neben den polizeilichen „Standardbefugnissen„ sollte das BKA besondere Mittel der Datenerhebung sowie die Möglichkeit der Ausschreibung zur Polizeilichen Beobachtung und der Rasterfahndung erhalten.
Hervorgehoben wurde die Befugnis zum verdeckten Eingriff in informationstechnische Systeme („Onlinedurchsuchung„). Hinzu kommen Befugnisse zur Überwachung der Telekommunikation, zur Erhebung von Verkehrs- und Nutzungsdaten sowie zum Einsatz von technischen Mitteln zur Identifizierung und Lokalisierung von Mobilfunkendgeräten, die auch bereits in etlichen Polizeigesetzen der Länder vorgesehen sind. Ebenfalls enthalten ist eine Befugnis zur Wohnraumüberwachung.
Man glaubt, dass der Entwurf dabei die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung und zu den Fragen der Kennzeichnung, Verwendung und Löschung personenbezogener Daten sowie der Benachrichtigung beachtet. Außerdem werde aufgrund dieser Rechtsprechung im Rahmen des Einsatzes technischer Mittel zur Eigensicherung eine Regelung zum Schutz des Kernbereichs der persönlichen Lebensgestaltung geschaffen, soweit es sich um eine Maßnahme innerhalb von Wohnung handelt.

Initiative der Bundesregierung

Ein entsprechender Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde kurze Zeit nach dem Fraktionsentwurf veröffentlicht.5 In den Darlegungen zu den finanziellen Auswirkungen räumt sie ein, dass Zahl und Ausmaß künftiger Gefahrenlagen nicht abschließend prognostizierbar sind. Die erfolgte Kostenschätzung geht auf der Grundlage der bisherigen Erfahrungen in einem Jahr von bis zu fünf einsatzintensiven Gefahrenlagen aus. Daneben werde eine unbestimmte, aber weitaus höhere Anzahl von „Gefährdungssachverhalten„ zu bewältigen sein, bei denen sich das Vorliegen einer Gefahr nicht bestätigen werde oder die mit verhältnismäßig geringem Aufwand bewältigt werden könnten.
Die Bundesregierung erwartet den Schwerpunkt der prog-nostizierten Fälle auf dem Gebiet des islamistischen Terrorismus. Deutschland sei insoweit mit einer qualitativ höheren Bedrohung konfrontiert. Eine im Vergleich zu den USA, Israel und Großbritannien geringere aber gleichwohl „relevante„ Gefährdung könne sich jederzeit und überall in entsprechenden Anschlägen manifestieren. Insofern müsse davon ausgegangen werden, dass auch Anschläge im Bundesgebiet bzw. gegen deutsche Interessen und Einrichtungen im Ausland jederzeit möglich sind. Die Bundesregierung sieht in der retrograden Betrachtung entsprechender Gefahrenlagen der vergangenen Jahre ein weiteres Kriterium hinsichtlich des zu erwartenden Aufgabenzuwachses. Das Spektrum der Sachverhalte reiche vom nicht als relevant eingestuften Hinweis, der nach büromäßiger Abklärung ohne Eingriffscharakter an die betroffenen Länder weitergesteuert werde, bis hin zu komplexen sich überschneidenden Einsatzlagen mit einer mehrmonatigen Einsatzdauer im Rahmen einer „Besonderen Aufbauorganisation (BAO)„, die zum Teil nur „rund um die Uhr„ zu bewältigen seien.
Bei diesen Einsatzlagen habe man trotz der zum Teil bestehenden Ermittlungszuständigkeiten des BKA jeweils große Aufgabenkomplexe auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr bearbeiten müssen, die aufgrund der (bisher) fehlenden Zuständigkeit des BKA durch die Länder wahrgenommen wurden. Weiterhin seien zukünftig Einsatzlagen zu übernehmen, die bislang ausschließlich die Länder bearbeitet hatten. Dabei seien äußerst komplexe Aufgaben zu erledigen. Die damit verbundenen Mehrbelastungen entstünden bei Organisationseinheiten des BKA, die zugleich regelmäßig durch die Bewältigung von Sonderlagen in besonderem Maße belastet seien. Deshalb sei zusätzliches Personal erforderlich. Die Aufgabe zur Abwehr der beschriebenen Gefahren sei dadurch gekennzeichnet, dass der Ermessensspielraum der zuständigen Bereiche in Bezug auf die zeitliche Komponente der Lagebewältigung auf ein Minimum reduziert sei und sie daher zum „unmittelbaren„ Handeln gezwungen seien. Die erfolgreiche Bearbeitung dieser Gefahrenlagen im Sinne unmittelbarer Reaktion setze das Vorhalten fester Strukturen und eingespielter Arbeitsabläufe in den Bewertungsstellen und Ermittlungsreferaten voraus. Die gegebene personelle Ausstattung entspreche dem nicht.
Die Bundesregierung rechnet damit, dass mit dem Gesetz auf die Wirtschaft, die Verwaltung und die Steuerzahler Kosten zukommen. Für den Bereich der Wirtschaft sei eine belastbare Quantifizierung möglich. Dort sind vier neue Informationspflichten zu erfüllen:

  • Übermittlung personenbezogener Daten (§ 20j Abs. 1 BKAG-E).
  • Überwachung der Telekommunikation (§ 20l Abs. 5 Satz 1 BKAG-E).
  • Erhebung von Verkehrsdaten und Auskunft über Nutzungsdaten (§ 20m Abs. 1 und 2 BKAG-E).
  • Auskunft über die Geräte- und Kartennummer eines Mobilfunkendgerätes (§ 20n Abs. 4 BKAG-E).

Für die Verwaltung entstehen durch die Einführung von insgesamt 26 (!) neuen Informationspflichten weitere Kosten. Auf die Bürger kommen durch die Einführung zweier neuer Informationspflichten (Befragung einer Person -§ 20c Abs. 2 Satz 1 BKAG-E- und Prüfung von Berechtigungsscheinen -§ 20d Abs. 2 BKAG-E–) Kosten zu. Insgesamt reicht das kostenträchtige Spektrum von der „Benachrichtigung durch das BKA„ bis zur „Übermittlung an das BKA„. Dazwischen liegt eine Vielzahl weiterer finanzwirksamer Aktionen und Positionen:

  • Löschung von Kernbereichsdaten.
  • Belehrung über Auskunftspflichten.
  • Belehrung über das Recht zur Aussageverweigerung.
  • Unterrichtung anderer Stellen über die Vernichtung von Daten aus erkennungsdienstlichen Maßnahmen.
  • Antrag und Anordnung für den Einsatz besonderer Mittel der Datenerhebung.
  • Antrag auf Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen.
  • Anordnung des Einsatzes technischer Mittel in oder aus Wohnungen.
  • Dokumentationspflichten bei der Ausschreibung zur Polizeilichen Beobachtung.
  • Rasterfahndung.
  • Verdeckter Eingriff in informationstechnische Systeme.
  • Überwachung der Telekommunikation.
  • Erhebung von Telekommunikationsverkehrsdaten und Nutzungsdaten.
  • Identifizierung und Lokalisierung von Mobilfunkkarten und Endgeräten.
  • Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Personen.
  • Gerichtliche Zuständigkeit, Kennzeichnung, Verwendung und Löschung.
  • Benachrichtigung

Der Innenausschuss des Deutschen Bundestages hat im November 2008 empfohlen, die zitierten Gesetzentwürfe (in geänderter Fassung) anzunehmen.6 Nach seinen Erkenntnissen erfordert die Wahrnehmung der neuen Aufgaben des BKA 130 Planstellen und im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes einen im Wesentlichen durch einmalige Aufwendungen bedingten Finanzaufwand in Höhe von ca. 18,5 Mio. Euro. In den Folgejahren fielen laufende Kosten in Höhe von jährlich 10,2 Mio. Euro an. Die Bürokratiekosten hält der Ausschuss im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr für unvermeidbar und geboten. Weniger belastende Alternativen zu den Informationspflichten sieht er nicht. Zuvor hatte er in seiner 72. Sitzung am 25.6.2008 beschlossen, eine öffentliche Anhörung zu den Entwürfen durchzuführen. Sie erfolgte mit 11 Sachverständigen in der 73. Sitzung am 15.9.2008 vor dem Hintergrund einer sehr kontroversen öffentlichen Diskussion.
Während der Bundesinnenminister erklärte, dass der Entwurf zu hundert Prozent dem Grundgesetz entspreche und das BKA nur Befugnisse erhalte, welche die Landespolizeibehörden schon seit Jahren haben, sprach der Abgeordnete Neskovic von der Aufwertung des BKA zu einer „Superspitzelbehörde„, die alles weiß und alles darf. Die SPD habe sich als rechtsstaatlich unzuverlässig erwiesen, indem sie ein in Teilen verfassungswidriges Gesetz unterstütze, mit dem die Regierung ein elementares Prinzip der Demokratie verrate: „Im Zweifel für die Freiheit„.7 Ein anderer Kritiker glaubt, dass die neuen Befugnisse des BKA zu heimlichen Grundrechtseingriffen wegen ihrer vagen Voraussetzungen ein Hohn auf die Rechtsschutzgarantie seien. Er attestiert der großen Koalition ein erodierendes Rechtsschutzbewusstsein, eine Entwicklung, die gefährlicher sei als die Entwicklung auf den Weltfinanzmärkten:

„Die Grundrechtserosion wird von Regierung und Gesetzgeber selbst vorangetrieben.„

Es wird darüber spekuliert, ob die Politiker von der schieren Lust am Überwachungsstaat angetrieben werden oder ob die juristische Aufrüstung zur Terrorbekämpfung eine Art „Rückversicherungspolitik„ ist („Wir haben alles getan.„). Dies erscheint umso reizvoller, wenn sich damit zuverlässig die Zustimmung der Wähler gewinnen lässt. In der Tat gibt es überwiegend Beifall. Für das Versprechen von mehr Sicherheit sind viele bereit, ein wenig Freiheit zu opfern. Problematisch ist in diesem Zusammenhang aber u. a., dass man in der Debatte auf die Informationen der Sicherheitsbehörden angewiesen ist. Es ist also kaum auszumachen, wo Politiker und Behördenvertreter überzeichnen, wo sie herunterspielen, bewusst oder absichtslos. Der ehemalige Verfassungsrichter Hoffmann-Riem beklagt, dass es sehr diffuse, nicht nachprüfbare Aussagen des Innenministers und seiner hohen Behörden gibt und man nicht prüfen könne, ob diese Hinweise die Folgerungen rechtfertigen:

„Eine Balance zwischen Freiheit und Sicherheit setzt aber voraus, dass man rational zu einer Abwägung kommt.„ 8

Anhörung der Sachverständigen

In den Stellungnahmen der Experten spiegelt sich in unterschiedlicher Intensität sowohl die grundsätzliche Bedeutung des Gesetzeswerkes als auch dessen überkomplexe Detailstruktur. Es ist zunächst nicht verwunderlich, dass Polizeipraktiker eine intensive Zusammenarbeit zwischen dem BKA und den Landesbehörden für dringend geboten halten, wenn es um die Abwehr von Gefahrenlagen mit internationalen Bezügen geht.9 Sie bezeichnen es deshalb als „konsequent„, dass das BKA nicht nur die Aufgabe zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus erhalten soll. Aus der polizeilichen Praxis heraus werden weitere Gesichtspunkte geltend gemacht:

  • Übertragung der erforderlichen polizeilichen Befugnisse an das BKA.
  • Parallele Zuständigkeiten von Bundes- und Landesbehörden wegen des uneingeschränkten Fortbestandes der originären Zuständigkeiten der Länder in der Gefahrenabwehr.
  • Erfordernis klarer Abstimmungsregeln bei der Gefahrenbewertung unter den Bedingungen einer „Doppelzuständigkeit„.
  • Zwingende Erforderlichkeit einer unverzüglichen Benachrichtigung bzw. eine uneingeschränkte und fortlaufende Unterrichtung der Länderbehörden.
  • Einbeziehung der Erkenntnisse örtlicher Behörden im Zusammenwirken mit den Landesbehörden.
  • Unabdingbarkeit klarer Zuständigkeitsregelungen.
  • Mangel der Letztentscheidungsbefugnis bei Kompetenzstreitigkeiten im konkreten Einzelfall.
  • Erfordernis einer Befugnis zur Löschung oder zur Veränderung von Daten aus informationstechnischen Systemen (also nicht nur „Erhebung„).
  • Notwendigkeit einer Erlaubnis zur verdeckten Betretung und Durchsuchung von Wohnungen.


Von anderer Seite wird erkannt, dass der Gesetzentwurf Auswirkungen auf die „Sicherheitsarchitektur„10 hat. Mit der Ausweitung der Aufgaben des BKA auf den präventiven Bereich entstünden Parallelzuständigkeiten und neue (ungelöste) Abgrenzungsfragen. Zudem wird auf folgende kritische Punkte hingewiesen11:

  • Mangel einer klaren Definition des internationalen Terrorismus und dadurch erfolgende Auslösung fataler Kompetenzstreitigkeiten.
  • Undeutliche Verantwortlichkeit für Entscheidungen und Maßnahmen.
  • Überlagerung mit den Tätigkeiten der Nachrichtendienste durch Verlagerung der Gefahrenabwehr in das Gefahrenvorfeld und durch Befugnisse zu heimlichen Maßnahmen.
  • Kollisionsmöglichkeiten zwischen Weisungen des Generalbundesanwalts und des Bundesministeriums
    des Innern.
  • Verfassungsrechtliche Mängel der Kernbereichsregelungen zur Onlinedurchsuchung und zur Telekommunikationsüberwachung.
  • Zweifelhafte Neutralität der BKA-Bediensteten bei der Durchsicht der erhobenen Daten auf kernbereichs-relevante Inhalte.
  • Nur punktuelle Berücksichtigung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ohne Würdigung der Gesamtheit der maßgeblichen Entscheidungen (fehlende Berücksichtigung des „Geistes der Verfassung„).
  • Mangelnde Nachvollziehbarkeit unterschiedlicher Eingriffsvoraussetzungen.
  • Gefahr, dass der Einzelne durch Kopplung von akustischen und optischen Überwachungsmaßnahmen zum Objekt staatlicher Ausforschung wird.
  • Übermäßig weitreichende Übermittlungsmöglichkeit der Daten an andere Stellen.
  • Mangelnde Verfassungskonformität der Regelungen zur Benachrichtigung der Betroffenen, der mit der Heimlichkeit verbundenen Risiken und des Schutzes zeugnisverweigerungsberechtigter Personen.

Vertreter der Wissenschaft haben sich um eine differenziertere Würdigung der Entwürfe bemüht.12 Im Grundsatz gingen diese hinsichtlich der staatlichen Eingriffsmöglichkeiten zur Bekämpfung des Terrorismus nicht über dasjenige Maß hi-naus, was nach den Landesgesetzen den Länderbehörden zur Bekämpfung vergleichbarer Gefahren zur Verfügung stünde. Gleichwohl wird behauptet, dass die Entwürfe faktisch eine erheblich Verschiebung der Polizeiarbeit zur Folge hätten. Man müsse damit rechnen, dass das BKA von den neuen Befugnissen in wesentlich stärkerem Maße Gebrauch machen könne. Dies sei die wesentliche Änderung. Weitere Beobachtungen treten hinzu:•
Wünschenswerte stärkere Anknüpfung an die EU-Terrorismusdefinition (in § 4a BKAG-E).

  • Verschiebungen in der Systematik des Bundespolizeirechts.
  • Unübersichtliches Nebeneinander durch sehr große Detailfreudigkeit und spezifische Formulierungen.
  • Sehr geringe „Lesbarkeit„ und problematische Anwendbarkeit.
  • Komplizierte Datenschutzregeln.
  • Zweifelhafte Verfassungsmäßigkeit (Vertrauensverhältnisse in § 20ü BKAG-E).

Eine andere rechtswissenschaftliche Betrachtung kommt zu dem Ergebnis, dass die Entwürfe weitgehend verfassungskonform seien und dass sich insbesondere die Regelung der Onlinedurchsuchung an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts halte.13 Für ungeklärt hält man allerdings die „Fernwirkungen„ solcher Überwachungsinstrumente in den Händen derer, die unsere Freiheit garantieren sollen. Dabei geht es um das Vertrauen der Gesellschaft in die Integrität der Informationstechnologie. In bestimmten Punkten gibt es Zweifel an der vertrauensfördernden Wirkung:

  • Zweistufiges Schutzkonzept in den Regeln über die Berufsgeheimnisträger (§ 20u BKAG-E).
  • Inanspruchnahme bloßer Zustandsstörer (Sachherrschaft über ein IT-System) als Adressat einer Onlinedurchsuchung.

Es wird befürchtet, dass das BKA die vorgesehenen Befugnisse nicht nur für ganz bestimmte Sondersituationen wahrnimmt. Die vorgesehen Regelungen griffen tief hinein in den Bereich, der bisher von den Länderpolizeien und dem Länderpolizeirecht abgedeckt wurde. Man hält „ganz elementare Kompetenzüberschneidungen„ zwischen den Eingriffen der Landespolizeibehörden und den Eingriffen des BKA für möglich. Im Übrigen gebe es kein einziges Argument, das die Notwendigkeit einer Onlinedurchsuchung unabweisbar belegt hätte. Diese Form der heimlichen Infiltration eines informationstechnischen Systems bedeute zwangsläufig einen Eingriff in den Kernbereich privater Lebensgestaltung. Es bestehe die Gefahr der Ausforschung der Computer von völlig Unverdächtigen. Zudem empfindet man die Regelung der Übermittlung persönlicher Daten an ausländische Sicherheitsbehörden (§ 14 BKAG-E) als „überraschend sehr oberflächlich„.14
Als „entscheidend neu„ wird das mit den Entwürfen eingeführte Organisationsrecht angesehen. Zu der Grundentscheidung über die Sicherheitsarchitektur enthalte die Gesetzesbegründung keine Angaben, ein Umstand, der sehr bemerkenswert sei. Es stellt sich in der Tat die Frage, wa-rum eigentlich eine Oberbehörde, die erst einmal bestimmte „Informations- und Intelligenzsammelaufgaben„ hat, operative Aufgaben haben soll und was das auch im Verhältnis zu den Bundespolizeibehörden, die ihrerseits operative Kompetenzen haben, bringt. Es handele sich um die „zentrale Entscheidung„, diejedoch überhaupt nicht begründet werde. Das (unausgesprochene) Organisationskonzept laute:

„Wir geben allen Behörden, die wir haben, alle Kompetenzen, die wir kennen, und dann sehen wir weiter.„

Damit werde letztlich Verantwortungslosigkeit geschaffen, die sich verschärfen würde, wenn das BKA noch mehr Kompetenzen bekäme. Im Übrigen trete in den Entwürfen die politische Entscheidung, das Verhältnis von Sicherheit und Freiheit zu gestalten, gegenüber der Verfassungsgerichtsexe-gese völlig zurück. Am Ende legten Polizeivollzugsbeamte im operativen Dienst das Grundgesetz aus (einschließlich der Menschenwürdegarantie), ein „höchst problematischer„ Umstand.15 Andererseits hält man unter Hinweis auf Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG die Verhütung terroristischer Straftaten unter dem Aspekt des präventiven Schutzes der Unversehrtheit der Rechtsordnung und mittelbar der durch diese Straftatbestände geschützten Rechtsgüter für einen selbstverständlichen Bestandteil der dem BKA zugewiesenen Gefahrenabwehraufgabe. Ebenso selbstverständlich sei es, dass die Gefahrenabwehraufgabe kompetenziell nicht erst mit der Beseitigung bereits festgestellter Gefahren einsetzen könne, sondern auch eine im Gefahrenvorfeld ansetzende „Ermittlung„ entsprechender Gefahren einschließe.
Die Entwurfsbegründung erscheine unnötig kompliziert, da sie darin schwanke, ob die Aufgabe der Straftatenverhütung im Rahmen der Gefahrenabwehraufgaben erfolge oder zu ihr hinzutrete. Im Hinblick auf die Onlinedurchsuchung wird behauptet, dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht stets bereits das Vorliegen einer konkreten Gefahr erforderten, sondern sich ggf. auch mit einem leicht in das Gefahrenvorfeld vorgelagerten, geringeren konkreten personenbezogenen „Verdachtsgrad„ begnügten. § 20k Abs. 1 BKAG-E sei insoweit einwandfrei. § 20k Abs. 4 BKAG-E knüpfe an das klassische Gefahr-Störer-Schema an. Dadurch schöpfe man die durch das Bundesverfassungsgericht eröffneten Spielräume angeblich nicht aus (Zulässigkeit einer „leichten„ Vorverlagerung der Eingriffsbefugnis).16 Das Betreten der Wohnung zur Vorbereitung der Onlinedurchsuchungen wird als eigenständiger Eingriff in den Art. 13 GG anerkannt, für den die erforderliche gesonderte Befugnisgrundlage fehle.
Im Übrigen sei die Beachtlichkeit von Zeugnisverweigerungsrechten dem auf effektive Gefahrenabwehr bedachten Polizeirecht fremd. Die in § 20j Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz BKAG-E im Zusammenhang mit der Rasterfahndung aufgestellte Regelvermutung des Vorliegens einer konkreten Gefahr halte sich im Rahmen der Dogmatik zum Begriff der konkreten Gefahr, da sie sich auf eine bereits in Gang gesetzten konkreten Geschehensablauf beziehe. Im Hinblick auf die Übermittlung der erhobenen personenbezogenen Daten wird dafür plädiert, die entsprechenden Befugnisse nicht prinzipiell an die Gefahrenschwelle zu knüpfen. Es gebe schließlich keine allgemeine Verfahrensregel dahingehend, dass an Nachrichtendienste nur solche Daten übermittelt werden dürfen, die solche Dienste mit dieser Methode selbst hätten erheben dürfen.17
Es wird eine konsequentere Umsetzung rechtsstaatlicher Standards durch den Gesetzentwurf angemahnt, etwa beim Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Eine stärkere Strukturierung der Regelungen sei erstrebenswert. Man plädiert für eine allgemeine Regelung zum Kernbereichsschutz und für eine einheitliche Gestaltung der Eingriffsschwellen. Für die Eingriffsschwelle „Potenzielle Straftatbegehung„ zählt man knapp ein halbes Dutzend verschiedene Formulierungen, die in dem Gesetzentwurf verstreut sind, ohne dass einsichtig wäre, welchen Zweck diese Differenzierung dienen soll.
An einigen Stellen enthalte der Entwurf „verfassungsrechtlich blinde Flecken„. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist z.B. eine bereichsspezifische Konkretisierung der Tatsachen erforderlich, die jemanden zu einem potentiellen Straftäter machen sollen. Der Gesetzentwurf belasse es aber zumeist bei der bereits mehrfach für verfassungswidrig erklärten Formel, dass irgendwelche Tatsachen für die Begründung dieses Verdachts ausreichen sollen. Er lasse nicht erkennen, wann ein Verhalten Anlass für die Befürchtung der künftigen Begehung von Straftaten geben soll. Die Entscheidung der Behörde sei für den Grundrechtsträger letztlich nicht absehbar.
Der Gesetzgeber werde zudem seinem Regelungsauftrag nicht gerecht, wenn er die Entscheidung allein dem BKA überträgt. Auch die Regeln zur Datenübermittlung seien Teil der verfassungsrechtlich blinden Flecken. Durch Kettenverweisungen werde rechtsstaatliche Klarheit verhindert. Als „befremdlich„ wird der Mangel einer besonderen Regelung zur Übermittlung von Daten an ausländische Stellen bezeichnet, geht es doch um die Bekämpfung des internationalen Terrorismus, der gerade eine verstärkte internationale Kooperation der Sicherheitsdienste voraussetze.
Ansonsten vermisst man einen eigenen rechtsstaatlichen Gestaltungsbeitrag des Gesetzgebers. Er beschränke sich da-rauf einige – und noch nicht einmal alle – Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nachzuvollziehen. Es bleibe weitgehend bei einer reaktiven Verarbeitung des durch die Rechtsprechung Vorgegebenen. Man hebt hervor, dass durch die Heimlichkeit der neuen Befugnisse des BKA der Rechtsschutz des Betroffenen erheblich eingeschränkt und zum Teil sogar faktisch ausgeschlossen wird.
Viele der neuen Instrumente seien nicht nur in ihren gesellschaftlichen, sondern auch in ihren operativen Wirkungen ungeklärt. Parlamentarische Kontrollen und Evaluierungspflichten könnten die rechtsstaatliche und demokratische Legitimation des Entwurfs erhöhen. Er bedürfe sogar einer besonderen Legitimation. Die Gründe sind evident:
Der Gesetzgeber treibt die Zentralisierung polizeilicher Kompetenzen voran. Das BKA wird mit Vorfeldkompetenzen ausgestattet, mit denen es in das Gebiet des Verfassungsschutzes vordringt. Das führt zu einer weiteren Relativierung der Trennung von Polizei und Geheimdiensten. Damit wird der bisherige organisationsrechtliche Schutz vor den Gefahren einer mit umfassenden Befugnissen ausgestatteten zentralen Polizeibehörde vermindert.18
Die „sandwichartige„ Schichtung der Befugnisse für das BKA sei wenig glücklich. Einige der Befugnisse lägen zudem außerhalb der Beauftragung des Amtes. Im Hinblick auf die Onlinedurchsuchung wird ein Regelungsbedürfnis bezweifelt. Es stelle sich die Frage, ob das BKA möglicherweise von der Verfahrensherrschaft der Generalbundesanwaltschaft emanzipiert werden solle.19

Aus der Sicht des Datenschutzes waren folgende Punkte bemerkenswert:20

  • Erforderlichkeit einer neuen gesetzlichen Aufgabenzuweisung für das BKA aufgrund der Vorgaben der Föderalismusreform.
  • Akute Abgrenzungsproblematik zwischen Strafverfolgung und Prävention.
  • Nachbesserungsbedarf bei der Abgrenzung zwischen Landespolizeibehörden und dem BKA.
  • Unterscheidung von polizeilichen und nachrichtendienstlichen Befugnissen.
  • Zunehmende Übertragung nachrichtendienstlicher Kompetenzen auf die Polizei durch heimliche Überwachungsbefugnisse.
  • Tatsächliche Sicherstellung effektiven Rechtsschutzes.
  • Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten durch parallele und kumulierte Eingriffe unterschiedlicher Stellen.
  • Gefahr von Fahndungspannen wegen unklarer Aufgabenabgrenzung.
  • Fragwürdigkeit von Eilfallkompetenzen für Maßnahmen mit einem aufwendigen Vorlauf.
  • Unabhängige Evaluation und Befristung.
  • Mangel (und Erforderlichkeit) einer Kernbereichsbestimmung (§ 20g BKAG-E).
  • Ungenügende Ausgestaltung des Schutzes der Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung in etlichen anderen Vorschriften.
  • Präzisierungsbedarf im Hinblick auf Daten in den „Telemedien„.

Der Präsident des BKA, Jörg Ziercke, betonte zunächst, dass seit dem Jahr 2000 mehrere Anschläge in Deutschland nur mit Glück hätten verhindert werden können. Unter Hinweis auf statistische Angaben erklärte er, dass es für eine Entspannung der Bedrohungslage keine Anzeichen gebe. Die „Entscheidungsträger„ der al-Qaida-Führung und anderer terroristischer Gruppierungen seien entschlossen, Anschläge in Europa und in Deutschland und gegen deutsche Interessen im Ausland zu begehen. Bislang sei es nur möglich gewesen, einen Teil des terroristischen Netzwerkes zu enttarnen. Ziercke hält daher folgendes für erforderlich:

  • Effektive Gestaltung der Zusammenarbeit.
  • Minimierung von Risiken.
  • Vermeidung eines Zuständigkeitswechsels zwischen BKA und Länderpolizeien.
  • Reduktion von Zeit- und Informationsverlusten.

Er behauptet, dass dem BKA deshalb die Möglichkeit eröffnet werden müsse, (nur) in eng begrenzten Fällen des internationalen Terrorismus im Bereich der Gefahrenabwehr – nicht im Vorfeld – selbst tätig zu werden. Gefahrenabwehr und Strafverfolgung lägen dann in einer Hand. Das BKA werde damit weder zu einem deutschen FBI noch zu einer allmächtigen Geheimdienstzentrale. Der BKAG-E beachte das Trennungsgebot vollumfänglich. 95% aller Gefahrenabwehrfälle im Bereich des internationalen Terrorismus würden weiterhin von den Ländern wahrgenommen. Eine Verschiebung in der Sicherheitsarchitektur finde also nicht statt. Das BKA werde seine (neue) Aufgabe nur in wenigen, herausragenden Ausnahmefällen wahrzunehmen haben (maximal vier bis fünf Mal pro Jahr). Angesichts der technischen Entwicklung reichten die bestehenden verdeckten Maßnahmen nicht mehr aus.21

Die anschließende Befragung der Sachverständigen konzentriert sich auf mehrere Abschnitte:

  • Kernbereichsschutz.
  • Eilfallkompetenzen.
  • Richterliche Entscheidungsfindung und Begründung.
  • Evaluation und Befristung.
  • Onlinedurchsuchung und Quellen-Telekommunikationsüberwachung.
  • Telekommunikationsüberwachung.
  • Wohnraumüberwachung.
  • Rasterfahndung.
  • Informationsübermittlung.

Daneben wurden erneut grundsätzliche Fragen diskutiert. Man betonte, dass es zwischen der Polizei und den Nachrichtendiensten zunehmend Überlappungen gebe. Früher habe man die Aufgabe der Polizei in der Bekämpfung konkreter Gefahren gesehen. Inzwischen hätten sich die Polizeiaufgaben in das Gefahrenvorfeld vorverlagert. In diesem Bereich gebe es eben keine konkrete Gefahr und es gehe nicht um konkret Verdächtige und konkrete Gefährder.
Insbesondere § 4a Abs. Satz 2 BKAG-E zeige, dass man sich weit im Gefahrenvorfeld („Gefahrenvorsorge„) befinde. Auch nachrichtendienstliche Mittel fänden sich in jedem Polizeigesetz und jetzt verstärkt, kombiniert und verschlüsselt auch im BKAG-E. Diese Entwicklung führe zu einer neuen Qualität. Eine klare Grenzziehung (zwischen Polizei und Nachrichtendiensten) sei im Hinblick auf das BKA aber nicht erfolgt.22 Man erinnert auch an den Sinn des Trennungsgebotes: Machthemmung. Insbesondere in der Situation einer latenten Gefahr müsse ein angemessener Ausgleich zwischen Freiheit und Sicherheit stattfinden. Rechtsstaatliche Vorgaben dürften nicht durch die Postulierung eines „quasi-Kriegszustandes„ ausgehebelt werden.23
Im Hinblick auf den Begriff „Straftatenverhütung„ schlägt man vor, zwischen dem Bereich der Aufgaben- und der Befugnisnormen zu unterscheiden. Insoweit intendiere § 4a BKAG-E als Aufgabennorm mit der „Straftatenverhütung„ nicht etwas grundsätzlich anderes als Gefahrenabwehr. Bei der Befugnisbestimmung helfe der Begriff der Straftatenverhütung dagegen nicht weiter. Dort müsse der Gesetzgeber jeweils bei jeder einzelnen Norm klar erkennen lassen, ab welcher Schwelle er den Eingriff zulassen möchte, also ab der Gefahrenschwelle oder ggf. im Vorfeld.24
Man erkennt, dass die Frage der „Sicherheitsarchitektur„ mit der Änderung des Grundgesetzes im Rahmen der Föderalismusreform zwar beantwortet wurde. Aber es sei nicht nur eine zentralisierte Lösung vorstellbar. Man könne auch mit differenzierten Kompetenzen in einer föderalen Sicherheitsordnung sehr effektiv arbeiten. Mit dem BKAG-E habe man sich jedoch gegen das föderale und für das zentralisierende Modell entschieden und damit bestimmte organisationsrechtliche Sicherungen abgebaut oder minimiert, indem man dem BKA Vorfeldbefugnisse einräume und damit das Trennungsgebot aufweiche.
Als beunruhigend wird zudem der Abbau des Rechtsschutzes empfunden, der mit den heimlichen Maßnahmen einhergehe und der – anders als bei geheimdienstlichen Eingriffen – nicht durch eine parlamentarische Kontrolle kompensiert werde. Es sei überhaupt nicht einleuchtend, warum bei Maßnahmen der Geheimdienste eine derartige Kontrolle vorgesehen ist, bei der Onlinedurchsuchung, der Quellen-TKÜ und anderen ähnlichen heimlichen Maßnahmen des BKA hingegen nicht.25 Auch wenn man der Auffassung sein sollte, dass das BKA nicht zu einem Geheimdienst werde, finde doch befugnis- und aufgabenmäßig eine entsprechende Annäherung statt. In diesem Zusammenhang wird an die Unterscheidung zwischen „Gefährder„ und „Störer„ erinnert.
Mit der Kategorie „Gefährder„ werde der Personenkreis ausgedehnt, der von den neuen Befugnissen betroffen sein könnte. Da nicht feststeht, ob sich eine Gefahr jemals realisieren wird, werde eine Ermittlungsbehörde im Bereich der Straftatenverhütung ein konkretes Ziel gar nicht haben können. Dadurch werde das Vorfeld natürlich grundsätzlich geöffnet.26
Diesem Gedankengang kann der amtierende Präsident des BKA überhaupt nicht folgen. Seine Behörde verwandele sich trotz der angesprochenen Befugnisse und der Benutzung dunkler Autos nicht in einen Geheimdienst. Der entscheidende Unterschied sei, dass für sein Amt bei der Gefahrenabwehr ein Richtervorbehalt gelte, den es für einen Nachrichtendienst überhaupt nicht gebe.27 Solche Hinweise haben eine sehr beschränkte Relevanz. Viel wichtiger ist die Tatsache, dass die Aufgabe, die das BKA nach § 4a BKAG-E übertragen bekommt, entscheidend von der Frage abhängt, ob und ggf. wie man den „internationalen Terrorismus„ rechtsstaatlich hinreichend präzise und praktisch handhabbar bestimmen kann. Immerhin soll das Gesetz insoweit die Grundlage für eine spezifische Gefahrenabwehr sein. Die Vorschrift wird sogar als „Kernbestimmung„ bezeichnet, an der alles hänge. Bei einem Mangel an klaren Definitionen werde schon der Ausgangspunkt wackelig.28
Der Begriff des internationalen Terrorismus ist mittlerweile verfassungsrechtlich vorgeprägt. Das hat Folgen für die Einbeziehung der entsprechenden Phänomene in den Bereich der Verhütung. Für diesen Zweck muss der Begriff des internationalen Terrorismus hinreichend eng definiert werden. Nur auf diese Weise ließe sich die Begründung einer sehr weitreichenden Kompetenz des BKA verhindern. Die Lösung liege also letztlich in der Klärung des internationalen Terrorismusbegriffs im Grundgesetz. Es besteht die Überzeugung, dass dieser nicht so weit ausgelegt werden könne, wie das in der Begründung des BKAG-E geschehen sei.
Einzeltäter, die sich lediglich an internationalen ideologischen Tendenzen orientieren, fielen nicht unter diesen Begriff.29 Auch im Hinblick auf das Erfordernis der potentiellen Straftatenbegehung werde der BKAG-E verfassungsrechtlichen Maßstäben wegen fehlender Spezifizierungen nicht gerecht. Das Bundesverfassungsgericht hat schon mehrfach vom Gesetzgeber verlangt, dass dieser beschreibt, was jemanden im Sinne des Gesetzes zu einem potentiellen Terroristen macht. Dabei muss es sich um Tatsachen handeln. Nach den Formulierungen des BKAG-E ist jedoch nichts ausgeschlossen. Es fehlt in der Tat an der unabdingbaren Konkretion. Der Entwurf fällt damit aus dem Rahmen dessen, was polizeirechtlich üblich und was nach der Rechtsprechung polizeirechtlich zulässig ist.30

Entscheidung des Bundestages

Der Deutsche Bundestag hat in seiner 186. Sitzung der 16. Wahlperiode am 12.11.2008 die Zweite und Dritte Beratung der zitierten Entwürfe vorgenommen. Nach einem Zwischenruf („Wieso redet Herr Uhl? Der hat doch keine Ahnung!„) des Abgeordneten Wiefelspütz (SPD)31 eröffnet der Abgeordnete Uhl (CDU) die Aussprache.
Er erinnert daran, dass das Parlament dem BKA durch Verfassungsänderung die Aufgabe der Abwehr des internationalen Terrorismus gestellt hatte. Zur Erfüllung dieser Aufgabe müsse das Amt mit den notwendigen Befugnissen ausgestattet werden. Man übertrage die üblichen Standardbefugnisse, die jetzt allerdings nicht mehr ausreichten. Dies gelte im Hinblick auf informationstechnische Systeme und deren Beschlagnahme.
Die Onlinedurchsuchung sei deshalb unverzichtbar. Sie solle nur unter ganz bestimmten engen Voraussetzungen und nur in wenigen Fällen terroristischer Gefährder zum Einsatz kommen. Uhl weist darauf hin, dass die „rot-grüne„ Vorgängerregierung dieses Instrument bereits eingesetzt hatte, obwohl es dafür keine gesetzliche Ermächtigung gab. Der Eingriff in Grundrechte erfolgte in diesen Fällen auf der Grundlage einer Dienstanweisung, die von einem Staatssekretär im Bundesministerium des Innern und für Sport unterzeichnet worden war.32
Für ein anderes Mitglied des hohen Hauses (Piltz) war der 12.11.2008 ein historischer Tag, weil seinerzeit Rechtsgeschichte, wenn auch nicht im positiven Sinne, geschrieben worden sei.
Heimliche Durchsuchungen seien ein Novum in der deutschen Geschichte. Mit dem BKAG entstehe darüber hinaus eine Polizei auf Bundesebene (mittelfristig ein deutsches „Federal Bureau of Investigation – FBI„), obschon der Bereich der Gefahrenabwehr der Länderebene vorbehalten sei. Zudem erfolge eine Bündelung von Kompetenzen beim BKA in bislang nicht gekannter Weise. Im Gesetzgebungsgang habe man um Grundrechtseingriffe wie auf einem Basar gefeilscht.33 Man habe ein „Kasperletheater„ aufgeführt, in dem es nicht um den Rechtsstaat gegangen sei.34 Die Liberalen seien entschlossen, alles dafür zu tun, um das Bundesverfassungsgericht mit dem BKAG zu befassen. Im Einzelnen stützt sich die Kritik auf folgende Punkte:

  • Heimliche Onlinedurchsuchungen incl. Entscheidungsbefugnis des BKA über Betroffenheit des Kernbereichs privater Lebensgestaltung.
  • Quellen-Telekommunikationsüberwachung.
  • Optische und akustische Wohnraumüberwachung mit unzureichendem Kernbereichsschutz.
  • Überwachung von Kontakt- und Begleitpersonen.
  • Rasterfahndung.
  • Aushöhlung des Schutzes von Berufsgeheimnisträgern.

Der BKAG-E sei insgesamt von einer generellen Geringschätzung des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung getragen.35
Ein Vertreter der zweiten Regierungsfraktion hält die Übertragung der genannten Befugnisse auf das BKA dagegen für eine „Zuständigkeitserweiterung innerhalb unserer Sicherheitsarchitektur„, also eine „herausforderungsgerechte Weiterentwicklung.„ Er bezieht sich auf die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 73 Abs. 1
Nr. 9a GG und erklärt den 11.9.2001 zum „Schlüsselerlebnis„36.In Zukunft habe das BKA die Möglichkeit, bei länderübergreifenden Gefahren, bei unklarer Landeszuständigkeit oder auf Ersuchen eines Landes selbst einzugreifen. Aus dem Ausland eingehende Informationen über terroristische Gefahren könnten unmittelbar in Abwehrmaßnahmen umgesetzt werden. Im Hinblick auf den § 4a BKAG-E sei die Lösung: Die Länder bleiben zuständig, zumal man bei der Zusammenarbeit der Polizeien von Bund und Ländern immer gute Erfahrungen gemacht habe.37
Aus der Sicht der Opposition atmet der BKAG-E den Geist eines Obrigkeitsstaates, der einen allmächtigen, alles wissenden Polizei- und Geheimdienstapparat anstrebe, also ein deutsches FBI. Dem Entwurfe fehle es an klaren Bestimmungen („internationaler Terrorismus„, „Kontakt- und Begleitperson„). Er vermische polizeiliche und geheimdienstliche Tätigkeiten und verleihe dem BKA Befugnisse wie sie normalerweise Geheimdiensten vorbehalten seien. Dazu zähle der ganze Komplex heimlicher Überwachungsmaßnahmen weit im Vorfeld eines konkreten Tatverdachts.38 Eine Kontrolle des BKA gebe es kaum noch. Der BKAG-E enthalte die „Lizenz zur Willkür„, sei ein weiterer gefährlicher Schritt zum Überwachungsstaat und baue Grund- und Bürgerrechte deutlich ab.39
Das BKA verlege seine Tätigkeit so weit in den Geheimbereich, dass man eine ganze Buchstabengruppe (§ 20a bis
§ 20x) für all die genannten Kompetenzen brauche. Dies liege im System. Der Sinn der „Vorfeldarbeit„ bestehe darin, dass sie ins „Klandestine„ gehe, weil Ermittlungen nicht auffallen sollen. Man werde ein deutsches FBI bekommen und zugleich eine Polizei, die ihr eigener Geheimdienst sei. Zudem entstehe durch Überzentralisierung eine Art „Monsterbehörde„, ohne dass eine adäquate parlamentarische Kon-
trolle auch nur angedacht sei. Man gebe dem BKA das volle geheimdienstliche Instrumentarium und keine Instanz könne das kontrollieren.40
Die bislang erfolgreichen dezentralen Strukturen würden mit dem Entwurf zerschlagen. Die Polizei werde entfesselt, deren Arbeit entgrenzt. Voraussetzung für die Eingriffsbefugnis sei nur noch die Gefahr aufgrund des internationalen Terrorismus. Damit erhalte das BKA eine Zuständigkeit in Permanenz, weil es diese Gefahr in den nächsten 20 Jahren immer geben werde. Der Innenminister suggeriere etwas Falsches, da er behauptet, dass hier gar nichts Neues entstehe. Aber es entstehe in der Qualität etwas Neues. Die Ausnahme werde zur Regel. Der Entwurf spiegele insgesamt eine völlig falsche Zentralisierungstendenz.41 Es gebe schließlich nicht nur die Sicherheit durch den Staat, sondern auch die Sicherheit vor dem Staat. Letztere werde durch ein allgegenwärtiges und allzuständiges BKA mit Füßen getreten.42

Der Bundesminister des Innern hält es zunächst für notwendig, dass der freiheitlich verfasste Rechtsstaat die Grundrechte schützt. Er belehrt dann den Deutschen Bundestag über die präventiven und repressiven Aufgaben der Polizei. Schäuble erinnert sich auch noch daran, dass die Verhinderung von Straftaten bislang Sache der Polizeien der Länder war. Abweichend von dieser Ordnung solle das BKA nun eine Gefahrenabwehrbefugnis ausschließlich für Fälle des internationalen Terrorismus bekommen. Aus der erforderlichen gesetzlichen Umsetzung werde eine „Diffamierungskampagne„ abgeleitet, die diesem freiheitlichen Verfassungsstaat nicht angemessen sei. Als der Abgeordnete Wieland den Abgeordneten Schäuble fragt, ob er den Begriff „Stümper„ noch kenne, hielt dieser folgende Antwort für angemessen:

„– Ja, Sie sind einer. Wenn ich Sie sehe und Ihre Rede höre, fällt es mir ein.„ 43

Immerhin konnte der Bundesminister des Innern und für Sport dadurch bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD Lachen und Beifall auslösen.44 Der Abgeordnete Wieland hatte sich kurz vorher auf einen früheren Polizeibeamten aus Baden-Württemberg bezogen, der den Namen „Stümper„ trägt und der sich nach Auffassung von Wieland neben dem früheren BKA-Präsidenten Herold als „alter Polizeistratege„ für die „Entfesselung der Polizei„ und die „Entgrenzung der Polizeiarbeit„ eingesetzt habe.45 Nach dem Empfinden von Schäuble steckt in der Wortwahl des MdB Wieland eine Beleidigung aller Landespolizeien. Der Innenminister betont, dass den Ländern keine Zuständigkeiten weggenommen werden.
Die Zuständigkeit des BKA komme hinzu. Das BKA bekomme keine neuen Befugnisse. Zur Abwehr des internationalen Terrorismus müsse das BKA die Befugnisse erhalten, über welche die Landespolizeien verfügen. Bei der Gefahrenabwehr mache nur das heimliche Eindringen in Kommunikationsvorgänge Sinn.46 Schließlich schlägt Schäuble vor, den freiheitlichen Verfassungsstaat und die Organe, die zu seinem Schutz da sind, nicht zu diffamieren und „unseren Polizeien, dem BKA und allen unseren rechtsstaatlichen Institutionen„ Vertrauen zu schenken.47
Seinen Behauptungen und Vorschlägen wird entschieden entgegengehalten, dass man keine Eingriffe in die Strukturen und Institutionen des Rechtsstaates brauche. Beim BKAG handele es sich nicht um ein normales Polizeigesetz. Der Entwurf verlasse bewährte Strukturen des Polizeirechts durch:

  • Eingriffe in die Befugnisse der Länder.
  • Mangelnde Überwachung durch den Generalbundesanwalt über bestimmte Tätigkeiten des BKA.
  • Anwendung geheimdienstähnlicher Methoden durch das BKA als Polizeibehörde.

Es drohe eine Verletzung des Trennungsgebotes zwischen Nachrichtendiensten und Polizeien. Man führe so tiefe Eingriffe ein, wie es in keinem Polizeigesetz in dieser Massivität bisher der Fall gewesen sei. Der Entwurf wird als ein weiterer Schritt in einen ausufernden Präventionsstaat bezeichnet.48
Die Regierungsfraktionen betonen hingegen, dass nach der Änderung des Grundgesetzes in Art. 73 Abs. 1 Nr. 9a GG mit dem BKAG-E die notwendige Grundlage dafür geschaffen worden sei, dass das BKA bereits im Vorfeld eines terroristischen Anschlages tätig werden kann. Die zentrale Steuerung der Gefahrenabwehr durch das BKA sei für eine effektive Bekämpfung des internationalen Terrorismus unabdingbar.49
Der Abgeordnete Wiefelspütz (SPD) hält den BKAG-E gar für das wichtigste Sicherheitsgesetz in dieser Wahlperiode. Er glaubt, dass der Rechtsstaat in Deutschland eine großartige zivilisatorische Leistung sei.
Und man ertrage auch, dass manche Menschen nicht begriffen, welche Qualität und welch großartige Sache dies sei. Mit dem BKAG-E schließe man eine Lücke in unserer Sicherheitsarchitektur. Diese werde weiterentwickelt und nicht auf den Kopf gestellt. Wiefelspütz forderte seinen Kollegen Wieland auf, mitzuschreiben, damit er etwas gelernt habe. Von Wiefelspütz lernen, heißt in diesem Fall, dass man die Sicherheitsarchitektur Deutschlands als „kooperativen Sicherheitsföderalismus„ umschreiben kann. Er selbst räumt ein, dass er es nie verstanden hat, warum im Bereich des internationalen Terrorismus durch das BKA zwar Verbrechen verfolgt werden können, Gefahrenabwehr aber nicht vorgenommen werden darf. Die Beiträge der Opposition hält dieser Experte im Übrigen nicht für Beiträge aus Deutschland, sondern aus „Absurdistan„.50
Der Innenausschuss des Deutschen Bundestages hatte empfohlen, die Gesetzentwürfe der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD sowie der Bundesregierung zusammenzuführen und als Entwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das BKA in der Ausschussfassung anzunehmen. In einer namentlichen Abstimmung stimmten 375 Abgeordnete mit „Ja„, 168 mit „Nein„. Es gab 6 Enthaltungen.Fortsetzung folgt